Prüfung der Mitunternehmerinitiative des Inhabers einer stillen Beteiligung an einer GmbH; erhöhte Anforderungen an die Mitunternehmerinitiative, wenn ein stiller Gesellschafter nicht am Verlust beteiligt ist
Gesetze: EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin zu 1.), eine GmbH, ist in fünf Geschäftsbereiche aufgeteilt, die die verschiedenen Geschäftsfelder der Klägerin zu 1. unabhängig voneinander betreuen. Jeder Geschäftsbereich verfügt über einen Geschäftsbereichsleiter und ein Geschäftsbereichssekretariat. Bereits seit dem wird für jeden der Geschäftsbereiche eine Deckungsbeitragsrechnung durchgeführt, in die die dem jeweiligen Geschäftsbereich zuzuordnenden Einnahmen und Ausgaben, nicht jedoch die im Unternehmen allgemein anfallenden Gemeinkosten einbezogen werden.
2 Zum wurde von der Klägerin zu 1. —befristet auf fünf Jahre— ein zweistöckiges Mitarbeiter-Beteiligungsmodell eingeführt.
3 In einer ersten Stufe wurde eine Beteiligungs-GmbH gegründet, deren Anteile zu 100 % von den Gesellschaftern der Klägerin zu 1. gehalten werden. Diese Beteiligungs-GmbH wiederum war zu jeweils 98,04 % an den den jeweiligen Geschäftsbereichen zuzuordnenden GbR —hier an der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 2. (Klägerin zu 2.)— beteiligt. An den GbR konnten sich sodann interessierte Mitarbeiter des jeweiligen Geschäftsbereichs mit einer Einlage typisch still beteiligen.
4 Die GbR schlossen mit der Klägerin zu 1. einen jeweils gleichlautenden Vertrag über eine so bezeichnete atypisch stille Beteiligung an dem entsprechenden Geschäftsbereich. In § 5 des Vertrages ist die Ergebnisverwendung geregelt: Eine Beteiligung am Verlust wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gewinnanteil errechnete sich anhand einer sich am jeweiligen Deckungsbeitrag orientierenden Verzinsung der Kapitaleinlage. Je nach Höhe des relativen Deckungsbeitrages (Deckungsbeitrag im Verhältnis zum Umsatz) wurde eine Verzinsung von 2 % bis 8 % der Kapitaleinlage vereinbart. Darüber hinaus sollte nach Ablauf des Vertrages zum evtl. ein Zinsbonus gezahlt werden (gestaffelt nach der Höhe des Deckungsbeitrages).
5 Der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. war der Leiter des Geschäftsbereichs der Klägerin zu 1., an dem die Klägerin zu 2. beteiligt war.
6 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) war der Auffassung, die Klägerin zu 2. sei nur typisch still an der Klägerin zu 1. beteiligt und erließ einen negativen Feststellungsbescheid. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
7 II. Die Beschwerde ist —bei erheblichen Bedenken gegen die Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet.
8 1. Die geltend gemachten Verfahrensfehler führen nicht zur Zulassung der Revision (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Ohne Erfolg rügen die Klägerinnen die Verletzung des rechtlichen Gehörs und einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO.
9 a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) beinhaltet für das Gericht die Verpflichtung, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen (, BFH/NV 2005, 1614, m.w.N.).
10 b) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des BFH dahin auszulegen, dass neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch der gesamte Akteninhalt vollständig zu berücksichtigen ist. Ein Verstoß dagegen kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Angeblich widersprüchliche Urteilsbegründungen oder fehlerhafte Sachverhaltswürdigungen sind dagegen —wenn sie vorliegen— materiell-rechtliche Fehler, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen (, BFH/NV 2006, 2270, m.w.N.).
11 c) Die Klägerinnen machen geltend, das Finanzgericht (FG) habe bei seiner Entscheidung ihren Vortrag (Schreiben vom ) nicht berücksichtigt, wonach der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. als leitender Angestellter der Klägerin zu 1. Entscheidungs- und Weisungsrechte gehabt habe.
12 Das FG ist indessen in seinem Urteil auf die Entscheidungs- und Weisungskompetenzen des Geschäftsführers der Klägerin zu 2. als leitender Angestellter der Klägerin zu 1. eingegangen (FG-Urteil, S. 10). Das FG hat hierzu u.a. ausgeführt, dass diese nicht rechtlich abgesichert gewesen seien; dem Geschäftsbereichsleiter seien keine Geschäftsführungsbefugnisse übertragen worden.
13 d) Ferner rügen die Klägerinnen, das FG habe den Vortrag der Klägerinnen nicht berücksichtigt, dass der am Ende der Beteiligung gezahlte Zinsbonus tatsächlich 86,92 % der während der Beteiligung der Klägerin zu 2. entstandenen stillen Reserven entsprach.
14 Das FG hat sich zwar in seinen Entscheidungsgründen hiermit nicht auseinandergesetzt und auf den Vortrag der Klägerinnen abgestellt, eine Zielsetzung des Mitarbeiter-Beteiligungsprogramms sei gewesen, wegen der Schwierigkeit, den Wert selbstgeschaffener Software und damit den Firmenwert zu bestimmen, auf eine genaue Ermittlung des Firmenwertes zu verzichten.
15 Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände des Einzelfalls, die den Schluss rechtfertigen, das Gericht habe das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 1614; in BFH/NV 2006, 2270). Derartige Umstände sind vorliegend nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
16 2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) zuzulassen.
17 a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Sie muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein. Eine Rechtsfrage ist u.a. nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (, BFH/NV 2009, 1398).
18 Bei dem Zulassungsgrund zur Fortbildung des Rechts handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (, BFH/NV 2007, 27, m.w.N.).
19 b) Die Klägerinnen halten für klärungsbedürftig, ob bei der Prüfung der Mitunternehmerinitiative einer stillen Beteiligung an einem Unternehmensteil auf die Gesellschafterrechte bezogen auf diesen Unternehmensteil oder auf die Gesellschafterrechte bezogen auf das gesamte Unternehmen abzustellen ist.
20 Diese Frage ist vorliegend nicht klärbar. Denn nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG standen dem Geschäftsführer der Klägerin zu 2. als leitendem Angestellten der Klägerin zu 1. auch in seinem Bereich keine rechtlich abgesicherten Geschäftsführungsbefugnisse oder anderweitige Direktionsrechte zu (FG-Urteil, S. 10). Hierauf hat das FG —in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (z.B. , BFH/NV 2003, 601, unter II.2.b aa der Gründe, m.N.)— bei der Prüfung der Mitunternehmerinitiative u.a. abgestellt.
21 c) Darüber hinaus ist nach Auffassung der Klägerinnen grundsätzlich bedeutsam, „ob bei einer von vorneherein und ausdrücklich nicht verlängerbaren Befristung einer stillen Beteiligung auf einen kurzen Zeitraum (hier: fünf Jahre) die Ermittlung des Anteils des stillen Beteiligten an den in dieser Zeit entstandenen stillen Reserven auch ohne Ermittlung eines kompletten Unternehmenswertes jeweils zu Beginn bzw. zum Ende der Beteiligungsdauer” zulässig ist, „wenn sichergestellt ist, dass die stillen Reserven nach der Entwicklung der Ertragskraft des Unternehmens (hier: des Geschäftsbereiches) ermittelt werden.” Zudem halten die Klägerinnen für klärungsbedürftig, ob es zulässig oder geboten ist, die so ermittelten Anteile des stillen Gesellschafters an den stillen Reserven mit tatsächlich erfolgten Verkäufen von Stammanteilen an dem Gesamtunternehmen zu Beginn und am Ende der Beteiligung zu vergleichen. Schließlich sei zu klären, ob die Beteiligung am Gewinn zwingend mit einem Prozentsatz des Gewinns auszudrücken ist oder nicht auch eine variable Verzinsung der Einlage, die vom Gewinn abhängt, ausreicht.
22 Diese Rechtsfragen sind nicht klärbar.
23 Nach der Rechtsprechung des BFH wird das Mitunternehmerrisiko regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.c cc (2) der Gründe; , BFHE 171, 510, BStBl II 1994, 700, unter II.3.a der Gründe). Das FG hat das schwach ausgeprägte Mitunternehmerrisiko nicht nur mit der fehlenden Beteiligung an den stillen Reserven, sondern u.a. auch damit begründet, dass die Klägerin zu 2. —was die Klägerinnen in ihrer Beschwerdebegründung nicht bestreiten— nicht an den Verlusten der Klägerin zu 1. beteiligt war. Allein dieser Umstand rechtfertigt allerdings bereits, an die Mitunternehmerinitiative erhöhte Anforderungen zu stellen, weil vom Regelfall des erforderlichen Maßes an Mitunternehmerrisiko abgewichen wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 601, unter II.2.b der Gründe). Ob die Klägerin zu 2. darüber hinaus auch nicht an den stillen Reserven beteiligt war und ihre Beteiligung am Gewinn fraglich ist, ist demnach unerheblich.
24 3. Soweit sich die Klägerinnen auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) berufen, haben sie diesen Zulassungsgrund nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
25 Die Klägerinnen haben die behauptete Divergenz zu den von ihnen zitierten Urteilen (, BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286; in BFH/NV 2003, 601; vom VIII R 5/04, BFH/NV 2007, 906) nicht erkennbar gemacht. Hierzu hätten sie einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und den Entscheidungen andererseits, von denen die Vorinstanz abgewichen sein soll, gegenüberstellen müssen (vgl. z.B. , BFH/NV 2009, 1432, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1425 Nr. 8
EStB 2010 S. 250 Nr. 7
YAAAD-44638