Heranziehung zum Erschließungsbeitrag; Beitragspflicht für Hinterliegergrundstück bei Fehlen einer rechtlich gesicherten Zufahrt
Leitsatz
1. Auf die Nichtigkeit einer Erschließungsbeitragssatzung wegen unzulässiger Rückwirkung einer Verteilungsregelung (hier: rückwirkender Wegfall einer Tiefenbegrenzung) kann sich ein Beitragspflichtiger im Anfechtungsstreit gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid auch dann berufen, wenn die rückwirkende Satzungsänderung sich auf die Höhe seiner eigenen Beitragspflicht günstig auswirken würde, sofern die Neuregelung jedenfalls für einen Teil der Satzungsbetroffenen belastend ist.
2. Steht ein Hinterliegergrundstück im Alleineigentum eines von mehreren Miteigentümern des Anliegergrundstücks und erfüllt es nicht die baurechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen, so kann im Regelfall nicht angenommen werden, dass es i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen ist, weil es nicht allein in der Hand des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks liegt, diese Anforderungen zu erfüllen. Dies kann nur bei Hinzutreten besonderer Umstände angenommen werden (hier verneint).
Gesetze: § 133 Abs 1 BauGB, § 242 Abs 9 BauGB, § 127 Abs 2 BauGB, § 131 Abs 1 BauGB, § 4 Abs 1 Nr 2 BauO BB vom , § 42 Abs 1 AO, §§ 741ff BGB, § 741 BGB, §§ 1008ff BGB, § 1008 BGB, § 242 BGB, § 1353 BGB
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 10 B 10.07 Urteilvorgehend Az: 4 K 341/03 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Straße "An der S." in der Stadt L. auf der zwischen der H. Straße und der Straße "An den E." gelegenen Teilstrecke.
2Die Klägerin ist Alleineigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung L., Flur 20, Flurstück 65. Dieses Grundstück ist über einen Abzweig von der H. Straße erreichbar, der auch als Zufahrt und Zugang zum Wohnhaus dient. Ob es sich bei diesem Abzweig um eine öffentliche Verkehrsfläche oder einen Privatweg handelt, ist ungeklärt. Von der abzurechnenden Erschließungsanlage wird das Grundstück der Klägerin durch das etwa 4,50 m tiefe und 25 m breite Grundstück Gemarkung L., Flur 20, Flurstück 577 getrennt, das im Miteigentum der Klägerin und ihres Ehemannes steht. Es dient als Gartenland zum Wohnhaus und weist zur abzurechnenden Erschließungsanlage hin ein doppelflügeliges Tor auf. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass keine Zufahrt von dem Tor zu dem Flurstück 65 angelegt sei.
3Die Straße "An der S." beginnt als Abzweig von der L. Straße und verläuft sodann in nordöstlicher Richtung bis zur Einmündung in die H. Straße. Nach etwa einem Drittel dieser Strecke zweigt die Straße "An den E." ab. Vor den Baumaßnahmen wies die Straße "An der S." auf der Strecke zwischen der L. Straße und "An den E." eine Betondecke auf, im Übrigen war sie ein unbefestigter Sandweg. Im Jahre 1997 wurde sie auf der Strecke zwischen der Straße "An den E." und der H. Straße mit einer Fahrbahn, einem einseitigen Geh- und Radweg, Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung sowie Park- und Grünstreifen versehen. Die letzte Unternehmerrechnung ging am ein.
4Am wurde die Straße als Gemeindestraße in das Straßenverzeichnis der Stadt L. mit dem Vermerk "Widmungsinhalt: Widmung laut Einigungsvertrag" eingetragen. Im selben Jahr wurde neben benachbarten Parzellen auch die Parzelle Flur 20, Flurstück 577 aus dem bis dahin Straßenland darstellenden Flurstück 54 abgeschrieben und an die Klägerin und ihren Ehemann veräußert. Am wurden sie als Miteigentümer zu je 1/2 in das Grundbuch eingetragen.
5Mit dem angefochtenen, im Widerspruchsverfahren korrigierten Bescheid setzte der Beklagte gegen die Klägerin für das in ihrem Alleineigentum stehende Flurstück 65 einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 8 709,59 € fest. Das veranlagte Grundstück wurde als Anliegergrundstück herangezogen, da das trennende Flurstück 577 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Jahre 1997 noch nicht existiert habe.
6Die Klägerin hat Klage erhoben und zur Begründung auf die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse an den beiden Flurstücken verwiesen sowie geltend gemacht, dass die Straße "An der S." im Jahre 1997 nicht erstmalig hergestellt, sondern nur ausgebaut worden sei, da sie bereits zuvor als Sandweg existiert habe und öffentlich gewidmet gewesen sei.
7Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil es an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen fehle. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anwendbarkeit des Erschließungsbeitragsrechts stehe nicht die Vorschrift des § 242 Abs. 9 BauGB entgegen, weil die Straße "An der S." als bloßer Sandweg vor dem nicht einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt worden sei. Es habe an einem Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau gefehlt. Die sachlichen Beitragspflichten seien frühestens am auf der Grundlage der am bekannt gemachten Erschließungsbeitragssatzung vom (EBS 2000) und damit erst nach dem Erwerb des Flurstücks 577 durch die Klägerin und ihren Ehemann entstanden. Die Vorgängersatzungen seien mangels Angabe des Ortes der Ausgabe im Kopf der Amtsblätter nicht wirksam bekannt gegeben worden. Dagegen genüge die Bekanntmachung vom entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts den rechtlichen Anforderungen, da es ausreiche, wenn ein Interessent fehlende Angaben über die Bezugsbedingungen in zumutbarer Weise durch Rückfrage beim Verlag oder der Stadt ermitteln könne. Die Erschließungsbeitragssatzung wirke aber nicht auf einen Zeitpunkt vor dem Erwerb des Anliegergrundstücks zurück. Die in § 14 EBS 2000 auf den angeordnete Rückwirkung verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und sei daher unwirksam, weil mit dem Wegfall der in § 7 Abs. 2 Buchst. c und d der Vorgängersatzung normierten pauschalen Tiefenbegrenzung eine die Beitragspflichtigen begünstigende Regelung nachträglich zu deren Nachteil geändert worden sei.
8Der angefochtene Bescheid sei jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil das herangezogene Grundstück in dem Zeitpunkt, in dem die sachliche Beitragspflicht frühestens entstanden sein könnte, nicht mehr erschlossen gewesen sei. Das Flurstück 65 grenze seit dem Eigentumserwerb der ihm vorgelagerten Parzelle 577 durch die Klägerin und ihren Ehemann nicht mehr an die abgerechnete Erschließungsanlage an. Das Flurstück 577 gelte gemäß § 8 Abs. 6 BbgStrG als mit der auf die Veräußerung an die Klägerin und ihren Ehemann folgenden Sperrung eingezogen. Die Voraussetzungen für die Bildung einer wirtschaftlichen Grundstückseinheit lägen nicht vor. Zwar sei das Flurstück 577 nicht selbständig bebaubar und könne zusammen mit dem Flurstück 65 ohne weiteres angemessen genutzt werden. Es fehle jedoch an dem Erfordernis der Eigentümeridentität. Es könne offen bleiben, ob das Flurstück 65 angesichts des errichteten Tores und in Anbetracht der einheitlichen Nutzung aufgrund einer schutzwürdigen Erwartungshaltung der übrigen Eigentümer als durch den streitgegenständlichen Straßenabschnitt erschlossen i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu gelten habe. Es fehle jedenfalls an einer Bebaubarkeit und damit an einem Erschlossensein i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB, weil die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO a.F.) nicht erfüllt seien. Die danach erforderliche rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liege nicht vor. Es fehle an der gebotenen Sicherung durch eine Grunddienstbarkeit. Es liege auch nicht in der Hand der Klägerin, für eine entsprechende Sicherung zu sorgen, da sie das Anliegergrundstück wegen des Miteigentumsanteils ihres Ehemannes nicht allein belasten könne und auch keinen Anspruch auf Mitwirkung ihres Ehemannes an einer Belastung habe. Ein Anspruch aus § 745 Abs. 2 BGB oder § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB setze zumindest voraus, dass eine angemessene Nutzung des gemeinschaftlich bewohnten Hinterliegergrundstücks nur dann möglich wäre, wenn das Grundstück die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen erfülle. Das sei indes selbst dann nicht der Fall, wenn die zu dem Grundstück führende Abzweigung von der H. Straße ein Privatweg wäre. Die Wohnnutzung bestehe nämlich bereits seit den 1930er Jahren und genieße deshalb Bestandsschutz.
9Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Revision vor: Das Berufungsgericht habe § 133 Abs. 1 BauGB zu Unrecht als nicht erfüllt angesehen. Das in der fehlenden rechtlichen Sicherung einer Zufahrt bestehende Hindernis stehe einem Erschlossensein im Sinne dieser Vorschrift nicht entgegen, auch wenn ein Alleineigentümer des Hinterliegergrundstücks zivilrechtlich auf die Mitwirkung des Miteigentümers am Anliegergrundstück angewiesen sei. Diese Mitwirkung könne erforderlichenfalls rechtlich durchgesetzt werden. Gemäß § 744 Abs. 1 BGB sei im Rahmen des vereinbarten Gebrauchszwecks jeder Miteigentümer verpflichtet, den bezweckten Erfolg herbeizuführen. Könne aus der tatsächlichen Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück auf den vereinbarten Gebrauchszweck geschlossen werden, folge hieraus ein Recht gegenüber den Miteigentümern, an der erforderlichen Sicherung mitzuwirken. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, müsse der vorliegende Fall mit der Fallgestaltung gleichgesetzt werden, in der eine deckungsgleiche Personenmehrheit Eigentümer des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks sei. Wäre das Hinterliegergrundstück vorliegend nicht beitragspflichtig, ginge dies zu Lasten der Gemeinde. Da dies ersichtlich unbillig sei, müsse die Berücksichtigung der schutzwürdigen Erwartungen der Eigentümer der übrigen beitragspflichtigen Grundstücke dazu führen, dass ein Hinterliegergrundstück im vorliegenden Fall auch gemäß § 133 Abs. 1 BauGB beitragspflichtig sei. Jedenfalls folge eine Beitragspflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, da eine andere als die gemeinsame Nutzung beider Grundstücke ausscheide. In solchen Fällen stelle sich die Berufung auf rechtliche Hindernisse als rechtsmissbräuchlich dar.
10Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom sowie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Gründe
13Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
141. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage nach den Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts (§§ 127 ff. BauGB) zu beurteilen ist und dass dem § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB nicht entgegensteht. Nach der genannten Vorschrift kann für im Beitrittsgebiet gelegene Erschließungsanlagen oder Teile derselben, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts (am ) bereits hergestellt worden sind, ein Erschließungsbeitrag nach dem Baugesetzbuch nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile derselben sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Gepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile derselben. Hierzu zählt die abgerechnete Erschließungsanlage nicht.
15Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine reine Sandpiste mangels eines Mindestmaßes an bautechnischer Herrichtung nicht den Anforderungen an eine bereits hergestellte Erschließungsanlage genügt ( BVerwG 9 C 5.06 - BVerwGE 129, 100 <112> = Buchholz 406.11 § 242 BauGB Nr. 5 Rn. 40). Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Erschließungsanlage bzw. deren Teileinrichtungen erst dann erstmalig hergestellt sind, wenn sie in voller Länge den örtlichen Ausbaugewohnheiten entsprochen haben ( BVerwG 4 C 50.76 - BVerwGE 56, 238 <242>, vom - BVerwG 8 C 66.84 - Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 35 S. 21 und vom - BVerwG 9 C 5.06 - Buchholz 406.11 § 242 BauGB Nr. 5 Rn. 48 <insoweit in BVerwGE nicht abgedruckt>). Das Berufungsgericht hat schließlich angenommen, dass die insoweit zu betrachtende Erschließungsanlage in ihrem räumlichen Umfang mit derjenigen Straße übereinstimme, die nach den Ausbaumaßnahmen den Namen "An der S." trägt, also der gesamte Straßenzug von der L. Straße bis zur Einmündung in die H. Straße.
16Letzteres ist indes nicht frei von Zweifeln. Denn es erscheint durchaus möglich, wenn nicht gar naheliegend, dass die Erschließungsanlage "An der S." bereits vor dem auf der mit einer betonierten Fahrbahn versehenen Strecke zwischen der Straße "An den E." und der L. Straße, eine bereits hergestellte Erschließungsanlage i.S.v. § 242 Abs. 9 BauGB darstellte, weil sie zum damaligen Zeitpunkt nur in dieser Ausdehnung überhaupt vorhanden war. Die Frage nach der räumlichen Ausdehnung einer Erschließungsanlage i.S.v. § 242 Abs. 9 BauGB ist nach den zum Begriff der Erschließungsanlage i.S.v. § 127 Abs. 2 BauGB entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Danach endete die Erschließungsanlage "An der S." als öffentliche zum Anbau bestimmte Straße (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) in der Vergangenheit dort, wo sie ihre Anbaubestimmung verlor und in den Außenbereich überging. Insoweit sprechen beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass dies am Übergang von der betonierten Strecke zu der sich daran anschließenden Sandpiste der Fall war. Ausweislich des in den Akten befindlichen Luftbilds markiert die Straße "An der S." noch heute den Ortsrand und ist nach wie vor im Wesentlichen nur einseitig bebaut. Nach Angaben der Klägerin ist die Straße erst im Zuge der Errichtung der P.siedlung "auf der grünen Wiese" erweitert worden. Auch die in den Akten befindlichen älteren Lagepläne weisen dort noch keinen Baubestand auf. Vielmehr befindet sich auf einem vom Beklagten eingereichten Lageplan an dieser Stelle die handschriftliche Eintragung "Bis 1998/2000 Außenbereich".
17Selbst wenn mit Blick auf diese Bebauungs- und Ausbauhistorie die Straße "An der S." bis zur Straße "An den E." eine vorhandene Erschließungsanlage gewesen sein sollte, würde dies jedoch nichts daran ändern, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sich nach den §§ 127 ff. BauGB richtet. Da spätere Verlängerungen oder Veränderungen einer fertigen Erschließungsanlage diese nicht mehr in den Zustand der Unfertigkeit zurückversetzen können, sind Verlängerungsstrecken vorhandener Straßen, sofern sie die dafür erforderliche Mindestlänge erreichen, stets als beitragsrechtlich selbstständige Erschließungsanlagen anzusehen ( BVerwG 8 C 41.83 - Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 26 S. 33; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 12 Rn. 17). Hiernach wäre das vor dem Grundstück der Klägerin verlaufende Straßenstück als Verlängerung einer fertigen (bereits hergestellten) Erschließungsanlage eine beitragsrechtlich selbstständige und insoweit nach den §§ 127 ff. BauGB abrechenbare Erschließungsanlage.
182. Das angefochtene Urteil beruht weiter auf der Annahme, dass die sachlichen Beitragspflichten frühestens am auf der Grundlage der am bekannt gemachten Erschließungsbeitragssatzung 2000 (EBS 2000) entstanden sind, also erst nach dem im Juni 2001 durch Eintragung in das Grundbuch abgeschlossenen Erwerb des Flurstücks 577 durch die Klägerin und ihren Ehemann, wodurch das Flurstück 65 - bezogen auf die Straße "An der S." - zu einem Hinterliegergrundstück wurde. Die darin liegende Auslegung irrevisiblen Landesrechts ist für das Revisionsgericht bindend. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang angenommen, dass die in § 14 Satz 1 EBS 2000 angeordnete Rückwirkung der Satzung auf den unwirksam sei, weil sie gegen den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße. Diese Annahme unterliegt revisionsgerichtlicher Überprüfung, weil sie aus einem bundesrechtlichen Rechtsgrundsatz abgeleitet ist.
19Auch insoweit ist ein Verstoß gegen Bundesrecht indes nicht zu erkennen. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, es sei unzulässig, eine grundsätzlich mögliche Heilung von Satzungsmängeln (vgl. BVerwG 4 C 45.74 - BVerwGE 50, 2 <8> und vom - BVerwG 8 C 170.81 - BVerwGE 67, 129 <131 f.>) zum Anlass zu nehmen, rechtlich unbedenkliche Regelungen zum Nachteil der Beitragspflichtigen zu ändern ( BVerwG 8 C 83.87 - Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 43 S. 9). Eine solche Änderung liege hier darin, dass mit Inkrafttreten der EBS 2000 die in § 7 Abs. 2 Buchst. c und d der Vorgängersatzung (EBS 1997) u.a. für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich enthaltene pauschale Tiefenbegrenzung entfallen sei. Auf diese sie begünstigende Regelung hätten die Beitragspflichtigen schutzwürdig vertrauen können.
20Diese Begründung greift allerdings insoweit zu kurz, als eine Regelung über eine Tiefenbegrenzung nicht rein begünstigenden Charakter hat. Die Änderung einer Verteilungsregelung wirkt sich notwendig für einige Beitragspflichtige begünstigend und für andere benachteiligend aus, weil es stets darum geht, denselben Aufwand auf denselben Personenkreis zu verteilen. Im Streitfall stellt sich für die Klägerin der Wegfall der Tiefenbegrenzung sogar als vorteilhaft dar. Denn von einer Tiefenbegrenzung profitieren regelmäßig nur übertiefe Grundstücke, weil sie - zu Lasten der übrigen Grundstücke - mit einer verringerten Fläche in die Verteilung eingehen. Das Grundstück der Klägerin aber weist keine Übertiefe auf, liegt jedenfalls mit einer Tiefe von rund 38 m deutlich unter der Tiefenbegrenzung von 50 m gemäß § 7 Abs. 2 Buchst. c der EBS 1997.
21Dennoch erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die in § 14 der EBS 2000 angeordnete Rückwirkung der Satzung verstoße gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes, im Ergebnis als zutreffend. Entscheidend ist, dass der damit bewirkte rückwirkende Wegfall der Tiefenbegrenzung jedenfalls für einen Teil der Satzungsbetroffenen belastend wirkt, wie sie im Streitfall ausweislich des Lage- und Absteckplans 1 mit den im Süden des Abrechnungsgebiets gelegenen übertiefen Grundstücken vorhanden sind. Darauf kann sich auch die Klägerin, obwohl der Wegfall der Tiefenbegrenzung für sie selbst vorteilhaft wäre, im Anfechtungsstreit gegen den Erschließungsbeitragsbescheid berufen. Denn ob die Satzung als Ermächtigungsgrundlage für diesen Bescheid wegen eines Rechtsfehlers gültig ist oder nicht, kann nur einheitlich mit Wirkung gegenüber allen Satzungsbetroffenen beurteilt werden und nicht nach dem eher zufälligen und von weiteren Umständen abhängigen Ergebnis, wie sich der Satzungsmangel bei einzelnen von ihnen jeweils auswirkt. Die Wirksamkeit der Satzung hängt mithin nicht davon ab, ob sich im konkreten Fall der Erschließungsbeitrag für die Klägerin infolge der Rückwirkung erhöht und es damit zu einer zusätzlichen Belastung für sie kommt. Erweist sich die rückwirkend angeordnete Verteilungsregelung jedenfalls gegenüber einem Teil der Satzungsbetroffenen als unzulässig, so führt dies zur Nichtigkeit der gesamten Satzung für den zurückliegenden Zeitraum (vgl. BVerwG 4 C 25.72 - Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 14 S. 24 f.).
223. Das Berufungsgericht hat schließlich angenommen, dass das herangezogene Flurstück 65 nicht i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen sei, weil die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Brandenburgischen Bauordnung (vom , GVBl. I S. 82, geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom , GVBl. I S. 62) - BbgBO a.F. - nicht erfüllt seien. Danach müssten Hinterliegergrundstücke grundsätzlich über eine befahrbare, rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche verfügen. Die hiernach erforderliche rechtliche Sicherung könne durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit in das Grundbuch erfolgen. Daran fehle es. Es liege auch nicht allein in der Hand der Klägerin, diese Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen, da sie die Belastung des Flurstücks 577 mit einer Grunddienstbarkeit nicht allein vornehmen könne und weder aus dem Miteigentum an dem Anliegergrundstück (§ 745 Abs. 2 BGB) noch aus eherechtlichen Vorschriften (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) einen Anspruch gegen ihren Ehemann auf Mitwirkung an der Schaffung einer befahrbaren Zufahrt oder an der Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu deren Sicherung habe. Mindestvoraussetzung für einen solchen, auf das gemeinsame Interesse beider Eheleute gestützten Anspruch wäre, dass eine angemessene Nutzung des Hinterliegergrundstücks ohne rechtlich gesicherte Zufahrt von der Erschließungsanlage nicht möglich wäre. Das sei jedoch nicht der Fall. Denn unabhängig davon, ob die von der H. Straße abzweigende Zuwegung zum Hinterliegergrundstück eine öffentliche Straße oder ein Privatweg sei, genieße die Wohnnutzung auf dem Grundstück jedenfalls Bestandsschutz, da sie bereits seit den 1930er Jahren bestehe.
23Auch dies steht - jedenfalls im Ergebnis - mit Bundesrecht in Einklang.
24a) Dabei hat die revisionsgerichtliche Prüfung von den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Danach ist das Hinterliegergrundstück Nr. 65 mit einem Wohnhaus bebaut, während das Anliegergrundstück Nr. 577 als Gartenland zu dem Wohnhaus dient. Ausweislich eines zu den Akten gereichten Fotos ist an der Grundstücksgrenze der Parzelle 577 zur Erschließungsanlage hin ein breites, doppelflügeliges Tor errichtet; von der Erschließungsanlage aus kann über eine befestigte Fläche bis an das Tor herangefahren werden. Nach den - von dem Beklagten nicht bestrittenen - Angaben der Klägerin ist hinter dem Tor keine Zufahrt zu dem Hinterliegergrundstück errichtet; das Tor diene allein dem Zugang zu der Erschließungsanlage, um der Straßenreinigungspflicht nachzukommen. Da das Berufungsgericht keinen Anlass zu eigener Aufklärung der Grundstückssituation gesehen hat (etwa mit Blick auf die Torzufahrt oder auf weitere bauliche Anlagen, die auf dem erwähnten Foto ersichtlich sind) und insoweit auch keine Verfahrensrügen erhoben sind, ist im Revisionsverfahren von diesem Sachverhalt auszugehen.
25b) § 133 Abs. 1 BauGB verlangt, dass das fragliche (Hinterlieger-)Grundstück tatsächlich und rechtlich, und zwar planungsrechtlich wie bauordnungsrechtlich "bebaubar" ist. Dabei ist eine etwa vorhandene (Erst-)Erschließung durch eine andere Erschließungsanlage hinwegzudenken ( BVerwG 8 C 35.92 - BVerwGE 92, 157 <159>; stRspr.). Maßgeblich ist, ob das (Hinterlieger-)Grundstück mit Blick ausschließlich auf die abzurechnende Erschließungsanlage die Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt, von denen das (bundesrechtliche) Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die Bebaubarkeit des Grundstücks abhängig machen ( BVerwG 8 C 111.86 - BVerwGE 79, 1 <8>). § 133 Abs. 1 BauGB verlangt nicht, dass allen Erreichbarkeitsanforderungen, namentlich des landesrechtlichen Bauordnungsrechts, bereits vollauf aktuell genügt ist; vielmehr reicht es aus, wenn ein (Hinterlieger-)Grundstück derart "bebaubar" ist, dass etwa entgegenstehende Hindernisse durch entsprechende Schritte des Eigentümers ausgeräumt werden können. In Fällen der Eigentümeridentität, in denen Anlieger- und Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person (oder derselben Personenmehrheit) stehen, hat es der Eigentümer regelmäßig in der Hand, solche Hindernisse zu beseitigen (Urteil vom - a.a.O. S. 159 f.). Dasselbe gilt, wenn es in der Hand (schon) nur eines von mehreren Miteigentümern des Hinterliegergrundstücks liegt, der zugleich Alleineigentümer des Anliegergrundstücks ist, die Bebaubarkeitsanforderungen zu erfüllen ( BVerwG 9 C 4.06 - BVerwGE 128, 246 <250>). Für die hier vorliegende - umgekehrte - Fallkonstellation, in der das Hinterliegergrundstück im Alleineigentum eines von mehreren Miteigentümern des Anliegergrundstücks steht, kann ein Erschlossensein i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB dagegen im Regelfall nicht angenommen werden, sondern allenfalls bei Hinzutreten besonderer Umstände, die hier nicht gegeben sind.
26aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Berufungsgericht zunächst zu Recht von dem im Erschließungsbeitragsrecht im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich maßgeblichen bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff ausgegangen (vgl. BVerwG 4 C 62.71 - BVerwGE 42, 269 <270 f.> und vom - BVerwG 8 C 8.97 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 109 S. 104). Eine Abweichung davon ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann gerechtfertigt, wenn ein Festhalten an demselben gröblich unangemessen wäre. Das ist dann der Fall, wenn ein Grundstück bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands völlig unberücksichtigt bliebe, obwohl es - mangels hinreichender Größe allein nicht bebaubar - zusammen mit einem oder mehreren Grundstücken desselben Eigentümers ohne weiteres baulich angemessen genutzt werden kann ( BVerwG 4 C 82.69 - BVerwGE 38, 35 <36> und vom - BVerwG 8 C 9.86 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 69 S. 112). In Übereinstimmung hiermit hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die damit benannten Voraussetzungen für eine Abweichung vom formellen Grundstücksbegriff unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Einheit hier nicht gegeben sind. Zwar ist aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die nur 4,50 m tiefe und 25 m breite Parzelle 577 nicht selbstständig bebaubar ist. Jedoch fehlt es an der erforderlichen Eigentümeridentität.
27Ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB ist auch nicht allein wegen einer einheitlichen Nutzung der beiden Grundstücke zu bejahen. Nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts dient die Anliegerparzelle 577 als Gartenland zu der mit dem Wohnhaus der Klägerin bebauten Hinterliegerparzelle 65. Dies ist bei natürlicher Betrachtungsweise - entgegen der Ansicht der Klägerin - als einheitliche Nutzung anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch eine durch hinreichende Anhaltspunkte belegte einheitliche Nutzung zweier Grundstücke dazu führen, dass ein nicht an die Erschließungsanlage angrenzendes Grundstück als erschlossen i.S.v. § 131 Abs. 1 BauGB anzusehen ist ( BVerwG 8 C 27.96 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 105 S. 85 und vom a.a.O. Rn. 17). Zur Bejahung eines Erschlossenseins i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB reicht eine einheitliche Nutzung jedoch nicht aus.
28bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht auch angenommen, dass es nicht allein in der Hand der Klägerin liege, die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BbgBO a.F. zu erfüllen.
29(1) Es entspricht Bundesrecht, dass die Klägerin eine Belastung des Anliegerflurstücks 577 mit einer Grunddienstbarkeit (§§ 1018, 873 BGB) wegen des Miteigentums ihres Ehemanns nicht allein vornehmen kann. Dabei handelt es sich um Bruchteilseigentum i.S.d. §§ 1008 ff. BGB, also um die Mitberechtigung mehrerer Eigentümer einer ungeteilten Sache zu ideellen Bruchteilen. Miteigentümer bilden eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB. Sie können über den Gegenstand im Ganzen nur gemeinschaftlich verfügen (§ 747 Satz 2 BGB). Dies gilt auch für die Bestellung einer Grunddienstbarkeit. Da eine solche nicht an ideellen Miteigentumsbruchteilen bestellt werden kann, ist ein einzelner Miteigentümer außerstande, sie einzuräumen (vgl. - BGHZ 36, 187 <189>). § 1009 Abs. 2 BGB eröffnet keine weitergehende Möglichkeit.
30(2) Eine rechtlich gesicherte Zufahrt über das Anliegergrundstück könnte die Klägerin auch nicht über eine - vom Berufungsgericht nicht erörterte - Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft erreichen (§ 749 Abs. 1 BGB). Die Aufhebung müsste durch Teilung in Natur erfolgen (§ 752 Satz 1 BGB). Doch ließe sich nicht vorherbestimmen, in welcher Weise das grundsätzlich teilbare Anliegergrundstück tatsächlich geteilt wird. Eine Teilung würde nur dann die Erreichbarkeit des Hinterliegergrundstücks herstellen, wenn sie quer zur Anbaustraße hin erfolgt, so dass ein Teil des Anliegergrundstücks dem Hinterliegergrundstück als Zufahrt dienen könnte. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Teilung des Grundstücks in dieser Art und Weise ist jedoch nicht erkennbar.
31(3) Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Klägerin kein Anspruch aus der Bruchteilsgemeinschaft auf Einräumung einer rechtlich gesicherten Zufahrt zur Seite. Der Beklagte meint, im Rahmen eines von den Miteigentümern durch langjährige Übung konkludent vereinbarten Gebrauchszwecks, der danach wohl darin bestünde, das Anliegergrundstück (zumindest auch) zum Zwecke der Ermöglichung einer Zufahrt zum Hinterliegergrundstück zu halten, sei jeder Miteigentümer verpflichtet, an der Herbeiführung des bezweckten Erfolgs mitzuwirken. Diese Ansicht verwechselt das Wesen der (Bruchteils-)Gemeinschaft mit dem der Gesellschaft: Die Gemeinschaft besteht in der gemeinschaftlichen Innehabung eines Rechts und setzt gerade keinen gemeinsamen Zweck voraus, während der Gesellschaftsvertrag eine schuldrechtliche Zweck- und Zweckförderungsgemeinschaft schafft (vgl. etwa Schmidt, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl. 2009, § 741 Rn. 4). Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 745 Abs. 2 BGB hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint.
32(4) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht schließlich einen Anspruch der Klägerin gegen ihren Ehemann aus der ehelichen Lebensgemeinschaft abgelehnt. Zwar haben Eheleute gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch, sich gegenseitig die Benutzung der Ehewohnung zu gestatten ( - NJW 1978, 1529). Für einen wechselseitigen Anspruch auf Herstellung der Baulandeigenschaft (Bebaubarkeit) eines im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehenden Grundstücks ist dagegen nichts ersichtlich, insbesondere kein Bezug zum Zweck und Inhalt der Ehe zu erkennen.
334. Der Senat hat erwogen, ob das bis hierhin gewonnene (Zwischen-)Ergebnis mit Blick auf besondere Umstände des Streitfalls einer Korrektur bedarf. Insoweit in Betracht kommende Ansätze sind der Gesichtspunkt einer schutzwürdigen Erwartungshaltung der anderen Anlieger, dass das Hinterliegergrundstück in die Aufwandsverteilung einbezogen wird (a), ein etwaiger Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO (b), sonstige Erwägungen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (c) oder allgemeine Gründe der Beitragsgerechtigkeit als Ausfluss des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG (d). Keiner dieser Ansätze führt vorliegend zu einem abweichenden Ergebnis:
34a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass ein nicht an eine öffentliche Anbaustraße angrenzendes Hinterliegergrundstück gleichwohl als erschlossen i.S.v. § 131 Abs. 1 BauGB anzusehen ist, wenn die Eigentümer der übrigen durch die Anbaustraße erschlossenen Grundstücke nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten dürfen, dass auch das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands einbezogen wird ( BVerwG 4 C 103.74 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 25 S. 37 ff. und vom - BVerwG 8 C 65.82 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 42 S. 23). Diese Erwägung ist eine Art "letzter Korrekturansatz" für den Fall, dass das Erschlossensein eines Grundstücks nach bebauungsrechtlichen Kriterien zu verneinen wäre, dies aber zu mit der Interessenlage billigerweise nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde ( BVerwG 9 C 4.05 - BVerwGE 126, 378 Rn. 13). Der Beklagte meint, derselbe Gesichtspunkt müsse in Fällen wie dem vorliegenden auch bei Fehlen einer rechtlich gesicherten Zufahrt zur Beitragspflicht eines Hinterliegergrundstücks führen, wenn aufgrund der (Mit-) Eigentümerstellung am Anliegergrundstück mit einer relevanten Inanspruchnahme der Anbaustraße gerechnet werden müsse. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Aspekt der schutzwürdigen Erwartungshaltung anderer Grundstückseigentümer nur im Rahmen des die sog. Verteilungsphase bestimmenden § 131 Abs. 1 BauGB relevant sein kann, weil sich nur dort die Einbeziehung oder Nichteinbeziehung weiterer Grundstücke auf die Beitragslast der übrigen Eigentümer auswirkt. Im Rahmen des - hier in Rede stehenden - § 133 Abs. 1 BauGB, der die Heranziehungsphase betrifft, stehen sich dagegen der einzelne Beitragspflichtige und die Gemeinde gegenüber. Für eine Übertragung dieses Gedankens, der auf eine "gerechte" Verteilung des Erschließungsaufwands unter den Grundstückseigentümern zielt, auch auf die Heranziehungsphase besteht kein sachlicher Grund. Insofern könnte allenfalls eine "Erwartungshaltung" der Gemeinde enttäuscht sein, weil der auf das i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB nicht erschlossene Hinterliegergrundstück entfallende Anteil am beitragsfähigen Erschließungsaufwand letztlich zu ihren Lasten geht.
35b) Gemäß § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) kann durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. § 42 AO ist im Erschließungsbeitragsrecht kraft landesrechtlicher Anordnung - im Streitfall gemäß § 12 des Brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes (BbgKAG) - anwendbar. Ob die Norm deshalb (lediglich) als irrevisibles Landesrecht Anwendung findet (vgl. BVerwG 8 B 247.96 - Buchholz 401.0 § 42 AO Nr. 1 S. 2) oder ob ein Verbot missbräuchlicher Gestaltungsmöglichkeiten auch als ungeschriebener Rechtssatz des Bundesrechts Geltung beansprucht und insoweit die revisionsgerichtliche Prüfung eröffnet ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für einen diesbezüglichen Vorwurf im Streitfall nicht vor.
36Der Verdacht eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten kann sich im Erschließungsbeitragsrecht insbesondere dann aufdrängen, wenn ein nicht selbstständig bebaubarer und somit auch wirtschaftlich kaum selbstständig verwertbarer Grundstücksteil in zeitlicher Nähe zu einer Beitragserhebung von einem Anliegergrundstück abgetrennt wird und - gegebenenfalls sogar unentgeltlich und an nahe Angehörige - übertragen und damit einzig die Vermeidung (oder Verminderung) einer Erschließungsbeitragspflicht verfolgt wird (vgl. - NVwZ-RR 1998, 584 <585>; VGH Mannheim, Urteil vom - 2 S 1946/06 - ZKF 2008, 237 <238> = VBlBW 2009, 26 f.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 17 Rn. 103 m.w.N.).
37Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die Hinterliegerparzelle 65 steht nach den Angaben der Klägerin seit 1934 im Eigentum ihrer Familie und wurde ausweislich des bei den Akten befindlichen Grundbuchauszugs von der Klägerin vor ihrer Heirat erworben. Die Anliegerparzelle 577 dagegen wurde der Klägerin und ihrem Ehemann auf ihren Antrag hin von dem Beklagten angeboten und von ihnen entsprechend dem gesetzlichen Regelfall der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 Abs. 1 BGB) erworben. Es ist nicht erkennbar, warum sie hätten Anlass haben sollen, die Parzelle 577 zu Alleineigentum nur eines Ehegatten zu erwerben. Vielmehr hatte es der Beklagte in der Hand, bei der Übereignung - zur Vermeidung künftiger beitragsrechtlicher Heranziehungsprobleme, wie sie durch den Streitfall belegt werden - dafür Sorge zu tragen, dass die Anliegerparzelle 577 nur von dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks erworben würde.
38c) Entgegen der Ansicht des Beklagten kann eine Beitragspflicht der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründet werden, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im öffentlichen Recht Geltung beansprucht ( BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172 ff.>). Es kann dahinstehen, ob und inwieweit dieser Grundsatz als Ergänzung des irrevisiblen Landesrechts oder (auch) als ungeschriebener Rechtssatz des Bundesrechts zur Anwendung käme; da das Berufungsgericht diesen Aspekt nicht geprüft hat, ist die revisionsgerichtliche Prüfung unbeschränkt eröffnet. Sie führt jedoch zu keinem abweichenden Ergebnis. Die Klägerin wäre unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Rechtsausübung bzw. des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) nur dann gehindert, sich auf das Fehlen einer rechtlich gesicherten Zufahrt zu dem Hinterliegergrundstück zu berufen, wenn sie tatsächlich dennoch über die erwähnte Toreinfahrt eine solche Zufahrt von der Straße "An der S." zu dem Hinterliegergrundstück nehmen würde. Dafür liegen - auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts und der vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben der Klägerin - keine Anhaltspunkte vor.
39d) Eine Beitragspflicht der Klägerin für das Hinterliegergrundstück kann auch nicht aus allgemeinen Erwägungen der Beitragsgerechtigkeit (als Ausfluss des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG) oder aus normativ nicht näher benannten Billigkeitsgründen hergeleitet werden. Der Beklagte sieht insbesondere eine mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darin, dass in der zum Streitfall umgekehrten Fallkonstellation, dass das Anliegergrundstück im Alleineigentum eines der Miteigentümer des Hinterliegergrundstücks stehe, ein Erschlossensein des letztgenannten bejaht werde ( BVerwG 9 C 4.06 - BVerwGE 128, 246 Rn. 12). Diesem Einwand kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich - eben wegen der umgekehrten Eigentumsverhältnisse an den beiden Grundstücken - um verschiedene Sachverhalte handelt und weil in der vorliegenden Fallkonstellation der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks für die Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen der Mitwirkung des Miteigentümers des Anliegergrundstücks bedarf, die er - wie der Streitfall zeigt - in der Regel nicht erzwingen kann. Für eine Beitragspflicht aus vom Beklagten angeführten allgemeinen Billigkeitserwägungen jenseits der bereits vorstehend (unter 4 a bis c) behandelten Gesichtspunkte besteht - auch aus Gründen der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit des Erschließungsbeitragsrechts - kein Raum.
40Somit verbleibt es in der hier gegebenen Fallkonstellation bei dem Ergebnis, dass - solange die nach den Feststellungen des Berufungsurteils gegebene Grundstückssituation nicht geändert wird - das Hinterliegergrundstück nicht i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen ist.
Fundstelle(n):
WAAAD-43726