Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse; Übernahme von Kosten für eine Regenerierungskur eines Fluglotsen durch den Arbeitgeber als Arbeitslohn
Leitsatz
1. Bei einer einheitlich zu beurteilenden Sachzuwendung an Arbeitnehmer scheidet eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse aus.
2. Die Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich als Arbeitslohn zu werten.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: (EFG 2008, 943) (Verfahrensverlauf)
Gründe
I.
1Streitig ist, ob die vom Arbeitgeber getragenen Kosten für eine Regenerierungskur eines Fluglotsen in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn sind.
2Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr (2001) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Fluglotse Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Arbeitsvertrag war u.a. die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrags und der Sonderregelungen für die Angestellten im Flugsicherungsdienst (SR 2 h BAT) vereinbart. Danach war der Kläger verpflichtet, sich auf Verlangen seines Arbeitgebers in Abständen von längstens fünf Jahren einer Regenerierungskur zu unterziehen.
3Nachdem der Arbeitgeber zuvor mehrere Kuren zur Auswahl angeboten hatte, nahm der Kläger im Streitjahr nach Anmeldung durch den Arbeitgeber an einer vierwöchigen Regenerierungskur für Fluglotsen teil. Der Arbeitgeber übernahm sämtliche Kosten der Kur (5.040 DM). Zum Kurprogramm gehörten im Wesentlichen Fitnesstraining und Massagen. An drei Tagen wurde der Kläger ärztlich untersucht. Bei der letzten Untersuchung wurde die Arbeitsfähigkeit bescheinigt.
4Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erfasste im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr die Übernahme der Kosten der Regenerierungskur durch den Arbeitgeber als geldwerten Vorteil.
5Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach erfolglosem Vorverfahren insoweit statt, als es die Kosten nur zur Hälfte dem Arbeitslohn des Klägers hinzurechnete. Zur Begründung führte das FG in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 943 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, dass die Kostenübernahme nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände als gemischt veranlasst zu werten sei. Da keine Kostenbestandteile leicht und eindeutig abgetrennt werden könnten, seien die Kosten im Wege sachgerechter Schätzung aufzuteilen. In Ermangelung eines anderweitigen geeigneten Aufteilungsmaßstabs sei für die schätzungsweise Aufteilung auf das Verhältnis des Interesses des Klägers an der Erhaltung seiner Fitness und des Arbeitgebers an gesunden und leistungsfähigen Mitarbeitern abzustellen. Dabei scheine das Interesse beider Vertragsparteien in etwa gleich groß zu sein.
6Mit der Revision macht das FA formelle und materielle Mängel geltend.
7Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
9Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG ist zu Unrecht von einer Aufteilung der Kosten in Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse ausgegangen.
101. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG die vom FA gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind, da die Revision schon aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung führt.
112. Zu Unrecht hat das FG die Kosten für die Regenerierungskur als gemischt veranlasst gewertet und sie dann zur Hälfte als Arbeitslohn des Klägers erfasst.
12a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für” seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (s. etwa Senatsentscheidungen vom VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30; vom VI R 118/01, BFHE 212, 55, BStBl II 2006, 444; vom VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691; vom VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; vom VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II 2008, 378).
13Das Ergebnis einer solchen, den Arbeitslohncharakter verneinenden Würdigung hat der Senat damit beschrieben, dass der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt werden muss. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlungen zugrunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— in BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691, m.w.N.).
14b) Ob sich eine unentgeltlich oder verbilligt überlassene Sachzuwendung als geldwerter Vorteil oder als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ergibt die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, dass die Zuwendung ausschließlich oder ganz überwiegend der Entlohnung des Arbeitnehmers dient, ist der geldwerte Vorteil in voller Höhe Arbeitslohn. Ergibt die Würdigung demgegenüber, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Dies gilt auch, wenn die Zuwendung für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist.
15Liegt der geldwerte Vorteil in der Zuwendung einer für den Arbeitnehmer unentgeltlichen oder verbilligten Reise, kann nach der Rechtsprechung des Senats die Zuwendung gemischt veranlasst sein und eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommen (Senatsentscheidungen in BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30; vom VI R 55/07, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726). Voraussetzung ist, dass die Reise sowohl Elemente beinhaltet, bei denen die betriebliche Zielsetzung des Arbeitgebers ganz im Vordergrund steht, als auch Bestandteile umfasst, deren Zuwendung sich als geldwerter Vorteil darstellt. Lässt sich der Charakter einer Sachzuwendung dagegen nur einheitlich beurteilen, ist die Zuwendung im Rahmen einer Gesamtwürdigung einheitlich dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen (s. etwa BFH-Urteile in BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691; vom IX R 109/00, BFHE 213, 337, BStBl II 2006, 541; vom VI R 21/05, BFHE 214, 252, BStBl II 2006, 915).
16c) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung (s. dazu § 3 Nr. 34 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009) zu Arbeitslohn führen. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Senats ist in der Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn zu sehen (Urteile vom VI R 56/93, BFH/NV 1994, 313; vom VI R 73/83, BFHE 148, 61, BStBl II 1987, 142; s. aber , BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340). Dagegen können vom Arbeitgeber veranlasste unentgeltliche Vorsorgeuntersuchungen seiner leitenden Angestellten ebenso im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse liegen (, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39) wie Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten (, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671; s. dazu Pust in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 1060).
173. Das FG ist teilweise von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das vorinstanzliche Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
18a) Das FG hat zu Unrecht die Aufwendungen der Arbeitgeberin für die Regenerierungskur in Anknüpfung an das BFH-Urteil in BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30 als gemischt veranlasst angesehen. Eine Aufteilung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer in Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse scheidet aus, wenn die jeweiligen Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich und daher von einer einheitlich zu beurteilenden Zuwendung auszugehen ist (s. zur Aufteilung von Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Reise , BFHE 227, 1, BFH/NV 2010, 285). Davon ist im Streitfall auszugehen. Die vom Kläger durchgeführte Regenerierungskur kann wie jede andere Kur nur einheitlich beurteilt werden. Sie kann nicht in betriebsfunktionale Bestandteile und Elemente mit Vorteilscharakter unterschieden werden.
19b) Daraus folgt, dass die in der Übernahme der Kosten liegende Zuwendung der Arbeitgeberin vollumfänglich als Arbeitslohn zu berücksichtigen ist. Denn das FG ist im Rahmen seiner Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kostenübernahme in gleicher Weise „sowohl durch das Arbeitsverhältnis als auch durch ein eigenbetriebliches Interesse” der Arbeitgeberin veranlasst gewesen sei. Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist, wie dargestellt, nur dann nicht anzunehmen, wenn sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 763
BBK-KN Nr. 93/2010 (Zahlung des Arbeitgebers für eine Kur des Arbeitnehmers stellt Arbeitslohn dar)
BFH/NV 2010 S. 1332 Nr. 7
BStBl II 2010 S. 763 Nr. 13
DB 2010 S. 1098 Nr. 20
DB 2010 S. 16 Nr. 20
DB 2010 S. 6 Nr. 20
DStR-Aktuell 2010 S. 9 Nr. 20
DStRE 2010 S. 789 Nr. 13
DStZ 2010 S. 472 Nr. 13
EStB 2010 S. 204 Nr. 6
FR 2010 S. 1052 Nr. 22
GStB 2010 S. 26 Nr. 7
HFR 2010 S. 713 Nr. 7
KÖSDI 2010 S. 16988 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 21/2010 S. 1660
StB 2010 S. 218 Nr. 7
StBW 2010 S. 442 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2010 S. 445
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2010 S. 510
SAAAD-43402