(Arbeitslosenversicherung - alleiniges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft - alleiniger Aktionär - Versicherungsfreiheit - keine Berechtigung zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag gem § 28a SGB 3 - Verfassungsmäßigkeit)
Leitsatz
Versicherungspflicht auf Antrag in einer selbständigen Tätigkeit kann nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht begründet werden, wenn diese Tätigkeit - ausgeübt in abhängiger Beschäftigung - nach §§ 27, 28 SGB 3 versicherungsfrei wäre.
Gesetze: § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3, § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 3 vom , § 28a Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 3, § 28a Abs 2 S 4 SGB 3 vom , § 28a Abs 2 S 3 SGB 3 vom , § 434j Abs 2 SGB 3, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: S 25 AL 134/06 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 19 AL 72/07 Urteil
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aufgrund einer freiwilligen Weiterversicherung versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung ist.
2 Der 1960 geborene Kläger war vom bis zum sozialversicherungspflichtig bzw beitragspflichtig beschäftigt. Am schloss er mit der A. AG einen auf den Zeitraum vom bis befristeten Dienstvertrag über eine Anstellung als Vorstand der Gesellschaft ab. Im Handelsregister war der Kläger bereits seit neben einem weiteren Vorstand und seit dem als einziger Vorstand der Gesellschaft eingetragen. Durch Vertrag vom erwarb der Kläger sämtliche Anteile an der A. AG unter Übertragung sämtlicher Aktien auf ihn.
3 Am beantragte der Kläger bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit die freiwillige Weiterversicherung als Selbstständiger nach dem Recht der Arbeitsförderung. Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III als Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft (AG) versicherungsfrei sei. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, trotz Aufnahme einer mehr als 15 Wochenstunden umfassenden selbstständigen Tätigkeit spätestens mit dem Erwerb sämtlicher Aktien der Gesellschaft durch Vertrag vom sei der Kläger aufgrund seiner Stellung als Vorstand einer AG nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III von der Versicherungspflicht nach dem SGB III und vom Recht zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses auf Antrag nach § 28a SGB III ausgenommen gewesen. Der Ausschluss von Vorstandsmitgliedern von AGen entspreche einer langen Tradition in allen Zweigen der Sozialversicherung sowie im SGB III. Anhaltspunkte für eine Abkehr hiervon seien den Materialien zur Einführung der Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung nicht zu entnehmen. Auch aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergäben sich keine entsprechenden Hinweise. Der Kläger könne sich auch nicht auf die in § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III enthaltene Verweisung auf § 27 SGB III stützen. Sofern hierdurch ein Zugang zur Antragspflichtversicherung hätte eröffnet werden sollen, müsse dies für alle in § 27 SGB III genannten Personengruppen gelten. Dies sei offensichtlich nicht gewollt gewesen. Gleichzeitig führe die vom Kläger angestrebte Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten auch auf Vorstandsmitglieder von AGen zu einem nicht auflösbaren Widerspruch zu § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III, wonach die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Zweiten Kapitels SGB III entsprechend gelten.
4 Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 28a Abs 1 SGB III. Bei dem Klammerzusatz in § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III handele es sich um eine bewusste Einbeziehung des in § 27 SGB III genannten Personenkreises einschließlich der Vorstandsmitglieder einer AG in den Kreis der zur Antragspflichtversicherung nach § 28a SGB III Berechtigten. Der eindeutige und unmissverständliche Wortlaut sei der vom LSG vorgenommenen Auslegung nach anderen Gesichtspunkten nicht zugänglich. Zudem sei die typisierende Betrachtungsweise, die dem Ausschluss von Vorständen von AGen von der Arbeitslosenversicherung in § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III zugrunde liege, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert seien, empirisch nicht fundiert und spätestens seit der Gründung von kleineren AGen im Zuge der New Economy praktisch widerlegt. Das LSG habe zu Recht festgestellt, dass er spätestens mit der Übernahme der Aktienmehrheit selbstständig tätig sei. Als Selbstständiger falle er jedoch nicht mehr unter den Anwendungsbereich des § 27 SGB III, der die Versicherungsfreiheit von Beschäftigten regele, was das LSG verkannt habe. Zudem erfasse § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III nach seinem Wortlaut nur Mitglieder eines Kollegialvorstandes einer AG, nicht jedoch einen Alleinvorstand. Da § 27 SGB III auf ihn nicht anwendbar sei, gebe es auch nicht den vom LSG angeführten Wertungswiderspruch zu § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III. Eine Berechtigung selbstständiger Vorstände von AGen zur Antragspflichtversicherung entspreche auch den gesetzgeberischen Motiven, da diese sich in einer den Existenzgründern ähnlichen wirtschaftlich ungesicherten Position befänden. Gleichzeitig habe der Gesetzgeber mit § 28a SGB III eine bewusste Ausnahme von der Versicherungsfreiheit nach § 27 SGB III schaffen wollen, die jedoch aufgrund der weiteren Zugangserfordernisse nach § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 2 SGB III nur für wenige Personen oder Personengruppen gelte.
5 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit dem nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
6 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 27 SGB III gehe typisierend davon aus, dass Mitglieder des Vorstands einer AG grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigte seien. Für eine Überprüfung im Einzelfall, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliege oder eine selbstständige Tätigkeit bleibe daher kein Raum. Andernfalls wäre die gesonderte Regelung in § 27 SGB III nicht notwendig gewesen, da dann eine Abgrenzung der Tätigkeit ähnlich wie beim GmbH-Geschäftsführer erfolgen könne.
Gründe
8 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist rechtmäßig. Der Kläger ist nicht nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig.
9 1. Zutreffend hat der Kläger die Anfechtungsklage mit einer Klage auf Feststellung, dass seit dem Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht, verbunden (vgl Urteil des Senats vom , B 12 AL 1/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) .
10 2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer hier allein in Betracht kommenden freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III (eingefügt mit Wirkung zum1.2.2006 durch Art 1 Nr 20 und Art 124 Abs 4 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom ,BGBl I 2848) nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Nach dieser Vorschrift können Selbstständige auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, wenn sie eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einem fristgerechten Antrag iS von § 28a Abs 2 Satz 2 SGB III und § 434j Abs 2 SGB III setzt die Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 2 SGB III voraus, dass der Selbstständige innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens 12 Monate sowie unmittelbar vor Aufnahme der zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts des SGB III gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder (in der seit geltenden Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom , BGBl I 874) eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte, ein Versicherungspflichtverhältnis oder einen Leistungsbezug unterbrechende Beschäftigung ausgeübt hat (Nr 1 und Nr 2) und dass eine anderweitige Versicherungspflicht nicht besteht (Nr 3). § 28a Abs 2 Satz 1 und 2 SGB III und § 434j Abs 2 SGB III treffen Regelungen zum Beginn der Versicherungspflicht sowie zur Frist, innerhalb der der Antrag gestellt werden muss .
11 a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger in seiner Tätigkeit als Vorstand einer AG allerdings nicht bereits nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III versicherungsfrei und von der Versicherungspflicht auf Antrag ausgeschlossen. Denn § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III ordnet allein die Versicherungsfreiheit von abhängig beschäftigten Vorständen einer AG an. Zwar geht das Gesetz von einer regelmäßig vorliegenden abhängigen Beschäftigung aus (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom , B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f) . Vorliegend hat das LSG jedoch zutreffend entschieden, dass der Kläger spätestens mit Übernahme aller Anteile an der A. AG in seiner Tätigkeit als alleiniger Vorstand dieser AG im Antragszeitpunkt selbstständig und nicht abhängig beschäftigt war.
12 b) Eine Versicherungspflicht des Klägers auf Antrag ist dennoch nicht eingetreten, weil nach § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit auf die Antragspflichtversicherung entsprechend anzuwenden sind. Diese entsprechende Anwendung bedeutet, dass eine selbstständige Tätigkeit nicht versichert sein kann, wenn diese Tätigkeit - ausgeübt in abhängiger Beschäftigung - nach §§ 27, 28 SGB III versicherungsfrei wäre.
13 aa) Nach § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III (§ 28a Abs 2 Satz 3 SGB IIIin der seit geltenden Fassung durch Art 4 Nr 2 Buchst b des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom , BGBl I 874) gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts über die Versicherungsfreiheit für Versicherungspflichtverhältnisse auf Antrag entsprechend. Dies verweist im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB III auf die §§ 27, 28 SGB III (vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 28a RdNr 8, 11) , die die Versicherungsfreiheit in bestimmten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Beschäftigungen anordnen (vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 RdNr 2) . "Entsprechend" zeigt dabei an, dass die hierdurch in Bezug genommenen §§ 27, 28 SGB III ihrem Regelungsgehalt nach auf den nach § 28a Abs 1 SGB III grundsätzlich antragsberechtigten Personenkreis auch dann anzuwenden sein sollen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 27, 28 SGB III nicht vollständig erfüllt sind, zB weil es sich nicht um eine Beschäftigung handelt. Dies gilt etwa für die Ausübung einer Tätigkeit während des Studiums, wenn eine Beschäftigung vergleichbaren Umfangs wegen des sogenannten Werkstudentenprivilegs (§ 27 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III) versicherungsfrei wäre, oder eine selbstständige Tätigkeit nach dem 65. Lebensjahr, weil auch eine abhängige Beschäftigung nach Erreichen des Alters für die Regelaltersrente versicherungsfrei ist (§ 28 Abs 1 Nr 1 SGB III) . Ebenso wie § 4 Abs 3a Satz 1 SGB VI für die Antragspflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (hierzu BR-Drucks 496/95 S 45) stellt § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III für die Antragspflichtversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung klar, dass die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit grundsätzlich nicht nur für die Versicherungspflichttatbestände gelten, bei denen die Versicherungspflicht ipso jure eintritt, sondern auch für Versicherungspflichttatbestände, bei denen die Versicherungspflicht auf Antrag eintritt.
14 bb) Gleichzeitig bewirkt die in § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III angeordnete entsprechende Anwendung der §§ 27, 28 SGB III für den Bereich der Antragspflichtversicherung bereits den Ausschluss von der Versicherungspflicht (auf Antrag) und nicht nur - wie die direkte Anwendung der §§ 27, 28 SGB III im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels SGB III (hierzu Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 RdNr 1 f) - die Befreiung von den mit der Versicherungspflicht verbundenen Rechten und Pflichten. Denn im Unterschied zur Versicherungspflicht nach §§ 25, 26 SGB III tritt die Versicherungspflicht nach § 28a SGB III nicht von Gesetzes wegen, sondern erst auf Antrag ein. Damit bedarf es anders als im direkten Anwendungsbereich der §§ 27, 28 SGB III nicht der Befreiung von den Folgen einer bereits unabhängig vom Willen des Betroffenen bestehenden Versicherungspflicht. Vielmehr genügt es, die Versicherungspflicht durch Negation der Antragsberechtigung erst gar nicht entstehen zu lassen, um die bereits bestehende, dem Regelungszweck entsprechende Versicherungsfreiheit beizubehalten. Ein Interesse der nach § 28a Abs 1 Satz 1 SGB III grundsätzlich Antragsberechtigten, entsprechend der Konzeption der §§ 25 bis 28 SGB III zunächst zur Pflichtversicherung zugelassen, dann aber von deren Folgen befreit zu werden, ist nicht erkennbar.
15 cc) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III herzuleiten, den die Revision in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellt. Danach gilt: "Voraussetzung der Versicherungspflicht auf Antrag ist, … dass Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht". Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann dem Wortlaut keineswegs eindeutig und jede andere Auslegung ausschließend entnommen werden, dass über den Verweis auf § 27 SGB III das Recht zur Antragspflichtversicherung auch auf den nach dieser Vorschrift versicherungsfreien Personenkreis, jedenfalls aber auf die Vorstände von AGen ausgedehnt werden sollte . Vielmehr handelt es sich bereits nach dem Wortlaut des § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um eine Ausschlussnorm, die im Sinne einer Subsidiaritätsklausel (vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 28a RdNr 7) den Ausschluss des Rechts zur Antragspflichtversicherung beim Vorliegen anderweitiger Versicherungspflicht und gerade nicht die Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten zum Gegenstand hat.
16 Entgegen der Interpretation des Klägers bezieht sich § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III auch nicht auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, sondern auf eine "anderweitige" Tätigkeit oder Beschäftigung, aufgrund derer keine Versicherungspflicht bestehen darf. Bezöge sich diese Vorschrift stattdessen auf die zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, hätte sie keinen Anwendungsbereich. Denn die Tätigkeiten bzw Beschäftigungen der Fallgruppen des § 28a Abs 1 Satz 1 SGB III begründen gerade keine Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften des SGB III, weshalb die Begründung von Versicherungspflicht auf Antrag überhaupt erst notwendig ist. Im Rahmen dieser Auslegung kommt dem zunächst schwer verständlichen (vgl Timme in Hauck/Noftz, SGB III, § 28a RdNr 28) Verweis auf §§ 26, 27 SGB III eine klarstellende Funktion zu: Er verdeutlicht, dass nicht nur die allgemeine Versicherungspflicht Beschäftigter nach § 24 Abs 1 Alt 1 SGB III iVm § 25 SGB III, sondern auch die sonstige Versicherungspflicht nach § 26 SGB III und auch eine Beschäftigung, die grundsätzlich Versicherungspflicht begründet, aber nach § 27 SGB III versicherungsfrei ist, die Antragspflichtversicherung ausschließt.
17 dd) Der Ausschluss von selbstständigen Vorstandsmitgliedern einer deutschen AG von der Antragspflichtversicherung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Soweit der Kläger geltend macht, die dem Ausschluss von Vorständen von AGen von der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, wonach diese wirtschaftlich ausreichend abgesichert seien, sei empirisch nicht fundiert und spätestens seit der Gründung von kleineren AGen im Zuge der New Economy praktisch widerlegt, rügt er sinngemäß eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art 2 Abs 1 GG ist jedoch geklärt, dass es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und wen diese erfassen soll. Die Einbeziehung in die Versicherung darf nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse erfolgen (vgl Urteil des Senats vom , B 12 KR 14/08 R, mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 7 Nr 1 vorgesehen) . Der Gesetzgeber darf dabei die Sozialversicherung primär an der Schutzbedürftigkeit der abhängig Beschäftigten ausrichten ( ua, BVerfGE 75, 78, 103 = SozR 2200 § 1246 Nr 142) , ist aber dennoch im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums durch Art 3 Abs 1 GG bereits nicht gehalten, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen ( ua, BVerfGE 98, 169) . Erst recht ist er grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen nicht abhängig Beschäftigter - hier selbstständiger AG-Vorstände und anderer Selbstständiger - gezwungen.
18 Im Rahmen einer solchen typisierenden Betrachtung der Schutzbedürftigkeit liegt der Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer AG nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III - wie bei der Vorgängernorm § 3 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - die Erwägung zugrunde, dass bei Mitgliedern des Vorstandes einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung - und die Arbeitslosenversicherung - entbehrlich erscheinen (vgl 12/3 RK 20/71, BSGE 36, 258, 260 = SozR Nr 24 zu § 3 AVG, unter Hinweis auf das Urteil vom , 12 RK 5/73, BSGE 36, 164, 167 = SozR Nr 23 zu § 3 AVG; zur Regelungsgeschichte Urteil vom27.2.2008, B 12 KR 23/06 R, BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3 RdNr 21 mwN) . Aufgrund dieser typisierenden Betrachtung stand es dem Gesetzgeber offen, das Recht zur Pflichtversicherung auf Antrag nach § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III mit Hilfe der Erstreckungsklausel des § 28a Abs 2 Satz 4 SGB III auf Existenzgründer (zu dieser Zielgruppe BT-Drucks 15/1515 S 78 zu Nr 20) zu beschränken, die nicht über die mit der Stellung als Vorstandsmitglied einer AG typischerweise verbundene wirtschaftliche Absicherung verfügen oder aus einem anderen Grund im Falle einer Beschäftigung versicherungsfrei wären. Soweit der Gesetzgeber bisher auf die Entstehung finanzschwacher "kleiner" AGen nicht reagiert hat, kann sich der Senat vorliegend nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, das geltende Recht laufend im Auge zu behalten und zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes erforderlichenfalls den tatsächlichen Entwicklungen anzupassen (vgl zB BVerfGE 90, 226, 238 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6; , SozR 3-2400 § 7 Nr 18) , nicht hinreichend nachgekommen ist.
19 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:020310UB12AL109R0
Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 7/2010 S. 304
DB 2010 S. 8 Nr. 26
GmbHR 2010 S. 106 Nr. 7
ZIP 2010 S. 1411 Nr. 29
RAAAD-42880