BFH Beschluss v. - V B 151/09

Beweiskraft der Postzustellungsurkunde

Gesetze: FGO § 53 Abs. 2, ZPO § 178, ZPO § 180, ZPO § 418

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob vor dem Finanzgericht (FG) erfolglos Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2003. Das FG-Urteil wurde laut Postzustellungsurkunde am Freitag, den , im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung im Geschäftsbriefkasten der Bevollmächtigten (§ 180 der ZivilprozessordnungZPO—) bewirkt. Hierzu enthält die Postzustellungsurkunde den Vermerk, dass der Postbedienstete vergeblich versucht hat, das Schriftstück in der Steuerberatungskanzlei der Bevollmächtigten zu übergeben und deshalb in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt hat.

2 Nach Ablauf der Monatsfrist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde () hat der Bevollmächtigte am Beschwerde erhoben. Daraufhin hat die Geschäftsstelle des Senats mit Schreiben vom (zugestellt ebenfalls durch Einlegung in den Briefkasten am Freitag, den ) auf die Fristüberschreitung hingewiesen und Gelegenheit zur Darlegung von Wiedereinsetzungsgründen gegeben.

3 Nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen (am ) hat der Bevollmächtigte mit Fax vom Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt mit der Begründung, die Beschwerde sei fristgerecht erhoben worden, weil das Urteil vom Zusteller in den Briefkasten der Kanzlei eingeworfen worden sei, obwohl die Kanzlei am Freitag, den , „zu den üblichen Bürozeiten geöffnet” gewesen sei. Der Bevollmächtigte habe vom Inhalt des Urteils erst am darauffolgenden Montag, den , Kenntnis erlangt, so dass die Einlegung der Beschwerde am fristgerecht erfolgt sei.

4 II. Die Beschwerde ist unzulässig.

5 1. Gemäß § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) einzulegen. Diese Frist hat der Kläger versäumt, weil das FG-Urteil am wirksam zugestellt wurde und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der bis zum laufenden Monatsfrist, sondern erst am eingelegt wurde.

6 2. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags gegen die Wirksamkeit der Zustellung vom mit der Behauptung, der Zusteller habe fehlerhaft die Ersatzzustellung durch Einlage in den Briefkasten vollzogen, obwohl die Kanzleiräume zu den üblichen Bürozeiten geöffnet gewesen seien.

7 a) Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, erfolgt nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 176 Abs. 2 ZPO die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO. Wird die Person, der zugestellt werden soll, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar, kann nach § 180 ZPO das Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).

8 b) Gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen, wobei sich die Beweiskraft nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten erstreckt, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1992, 224; , BFH/NV 2008, 1860). Der Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.

9 c) Derartige Gründe, die ein Fehlverhalten der Postzustellerin bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. 4 CB 8.86, NJW 1986, 2127; BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1860), hat der Bevollmächtigte nicht substantiiert vorgetragen. Zu dem Einwurf in den Briefkasten kann es allein schon deshalb gekommen sein, weil der Einwurf außerhalb der üblichen Geschäftszeiten oder bei einer vorübergehenden Abwesenheit der Kanzleimitarbeiter erfolgte. Die schlichte Behauptung einer Falschbeurkundung durch die Zustellerin genügt für die Widerlegung des Beweiswertes einer öffentlichen Urkunde nicht.

10 3. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO rechtfertigen würden, sind nicht vorgetragen. Der Bevollmächtigte war nicht gehindert, innerhalb der seit dem anlaufenden einmonatigen Beschwerdefrist die Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Der Wiedereinsetzungsantrag wäre im Übrigen auch wegen Versäumung der Frist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 FGO) als verspätet zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1113 Nr. 6
QAAAD-42153