BVerwG Urteil v. - 5 C 24.08

Leitsatz

Leitsatz:

1. Ein begründeter personenbezogener Verdacht der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG kann sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation ergeben, die ihrerseits solche Ziele verfolgt. Dies gilt auch für Organisationen, die sich selbst - wie die IGMG - als religiöse Gemeinschaft verstehen.

2. Bei einer Organisation, die verschiedene Strömungen aufweist, die unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsfeindlichkeit unterschiedlich zu bewerten sind, kommt es entscheidend darauf an, welcher Richtung sich der Ausländer zurechnen lassen muss.

3. Ob eine Organisation in Bezug auf ihre politische und weltanschauliche Aus- und Zielrichtung ein homogenes oder inhomogenes Erscheinungsbild aufweist und für welche Ziele der Ausländer eintritt, ist von den Tatsachengerichten zu beantworten.

Urteil des 5. Senats vom - BVerwG 5 C 24.08 I. Az.: VG 4 K 2234/01 - II. VGH Mannheim vom - Az.: VGH 13 S 2613/03 -

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung.

Der 1963 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und lebt seit 1979 im Bundesgebiet. Er ist seit 1985 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und hat fünf Kinder. Seit 1989 ist er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung.

Der Kläger war von 1989 bis 1991 Sekretär der Zweigstelle der Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) an seinem Wohnort. Bei dieser Vereinigung handelte es sich um die Vorläuferorganisation der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Seit 1992 ist er Mitglied der IGMG an seinem Wohnort und bekleidete in dem Ortsverband 1995/96 sowie von 2000 bis 2004 das Amt des Vorsitzenden.

Am beantragte der Kläger seine Einbürgerung und unterzeichnete am sowie am die Erklärung über das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Im März 2001 teilte das Innenministerium des beklagten Landes der Einbürgerungsbehörde mit, es stimme der Einbürgerung nicht zu. Der Kläger erfülle den Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG. Die AMGT und die IGMG seien nach den Erkenntnisses des Landesamtes für Verfassungsschutz als extremistische islamische Organisationen einzustufen. Der Kläger müsse sich aufgrund seiner Funktion und Tätigkeit als stellvertretender Präsident der AMGT und Vorsitzender der IGMG an seinem Wohnort die von diesen Vereinigungen ausgehende Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zurechnen lassen. Er habe nicht glaubhaft dargelegt, dass er sich von der Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen dieser Organisationen abgewandt habe.

Das Landratsamt K. schloss sich dieser Bewertung an und lehnte den Einbürgerungsantrag mit Bescheid vom unter Wiederholung der Ausführungen des Innenministeriums ab.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das Regierungspräsidium K. mit Bescheid vom unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des Landratsamtes zurück. Ergänzend führte es aus, eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG komme aus den gleichen Überlegungen nicht in Betracht, da auch bei Berücksichtigung der persönlichen Lebensverhältnisse des Klägers ein öffentliches Interesse an seiner Einbürgerung nicht bestehe.

Mit Urteil vom hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung verpflichtet.

Mit Urteil vom hat der Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dem Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung stehe der gesetzliche Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG (früher § 86 Nr. 2 AuslG) entgegen. Aus der langjährigen Funktionärstätigkeit des Klägers für die IGMG und deren Vorläuferorganisation AMGT sowie seiner bis heute bestehenden, durchaus aktiven Mitgliedschaft in der IGMG ergäben sich ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass er Bestrebungen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien, zumindest unterstütze. Denn die IGMG sei nach ihren Wurzeln und ihren personellen, organisatorischen und publizistischen Verflechtungen eng mit der türkischen Milli-Görüs-Bewegung verbunden. Diese Bewegung strebe die absolute Vorherrschaft des islamischen Rechtsverständnisses bzw. des Vorrangs islamischer Ge- oder Verbote - etwa der Scharia - vor den nach den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats zustande gekommenen Rechtsnormen der Bundesrepublik Deutschland an. Die darin begründete Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, insbesondere des Demokratieprinzips, der Existenz und Geltung der Grundrechte, des Prinzips der Volkssouveränität und der Bindung an Recht und Gesetz seien damit auch der IGMG und dem Kläger zuzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof stützte seine Bewertung auf eine Gesamtschau der offiziellen Verlautbarungen (Selbstdarstellung und Satzung), der tatsächlichen Organisationspolitik und dem Schulungs- und Propagandamaterial der IGMG, den Äußerungen und Aktivitäten von ihren Funktionären und Anhängern und den ihr zurechenbaren Publikationen sowie den - wenn auch mit minderem Beweiswert - verwertbaren Erkenntnissen des Verfassungsschutzes. Dabei werde nicht verkannt, dass sich die IGMG im Umbruch befinde und nicht mehr als eine homogene und - bezogen auf die Frage der Akzeptanz der freiheitlich demokratischen Grundordnung - in ihrer Zielrichtung einheitliche Bewegung anzusehen sei. Es gebe innerhalb der IGMG auch reformorientierte Kreise, deren Ziel es sei, die Integration der türkischen Muslime in Deutschland auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes zu fördern. Dies könne dem Kläger einbürgerungsrechtlich zu Gute kommen, wenn der Kurswechsel innerhalb der IGMG glaubhaft gemacht werde. Eine derartige Glaubhaftmachung erfordere, dass die IGMG die erforderliche interne Diskussion selbst führe und sich von ihrer bisherigen einbürgerungsschädlichen Zielsetzung ausdrücklich distanziere. Das sei bislang nicht geschehen, sodass eine generelle dauerhafte und intern belastbare Umorientierung der IGMG als Gesamtorganisation noch nicht angenommen werden könne. Wegen des ambivalenten Charakters der IGMG stehe aber auch nicht automatisch fest, dass bei jedem Mitglied oder Funktionsträger der IGMG ausreichende Anhaltspunkte für einbürgerungsschädliche Bestrebungen oder Unterstützungshandlungen anzunehmen seien. Letzteres hänge vielmehr davon ab, für welche Richtung bzw. Strömung innerhalb der IGMG der Betreffende eintrete. Trage ein Mitglied bzw. Funktionär die Organisation gewissermaßen als Ganzes, d.h. einschließlich der einbürgerungsschädlichen Ziele mit, seien ihm diese auch zuzurechnen. Distanziere er sich intern ausreichend deutlich von den verfassungsfeindlichen Strömungen, wolle er sie überwinden und setze er sich geradezu für einen verfassungsfreundlichen Kurs ein, sei er einbürgerungsrechtlich nicht schlechter zu behandeln als ein Einbürgerungsbewerber, der sich von eigenen früheren verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG abgewandt habe. Der Kläger sei aber aufgrund seiner Biographie und seinen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung eher als "traditioneller Milli-Görüs-Mann" anzusehen und könne nicht den Reformern innerhalb der IGMG zugerechnet werden. Es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger konkret und erkennbar in seinem IGMG-Einwirkungsbereich eine Umorientierung unterstütze oder unterstützen werde. Schließlich sei es im Hinblick auf das Vorliegen des zwingenden Versagungsgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte auch die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung im Ermessenswege nach § 8 StAG abgelehnt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision des Klägers. Er beruft sich auf eine Verletzung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG und rügt die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen als verfahrensfehlerhaft.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.

II.

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass einer Einbürgerungszusicherung nach § 10 StAG oder nach § 8 StAG, der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegensteht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts muss sich der Kläger seine frühere, sich über mehrere Jahre erstreckende, Funktionärstätigkeit für die IGMG und seine bis in die Gegenwart bestehende aktive Mitgliedschaft in dieser Organisation entgegenhalten lassen; er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich seither von den verfassungsfeindlichen Werten und Zielen dieser Organisation abgewandt hat (1.). Die vom Kläger gegen die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen vorgebrachten Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (2.).

1.

Im Revisionsverfahren wird ausschließlich darum gestritten, ob der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt.

1.1

Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung u.a. ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verlangt in Bezug auf die Person des Ausländers, der die Einbürgerung beantragt, die Feststellung des begründeten Verdachts einer Unterstützung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteter Bestrebungen sowie die fehlende glaubhafte Abwendung von derartigen Bestrebungen. Nach dem Sinn und Zweck des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG sollen diejenigen keinen Anspruch auf Einbürgerung haben, bei denen zumindest der begründete Verdacht besteht, dass sie Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützen, die für den deutschen Staat, in den sie eingebürgert werden wollen, wesentlich sind ( BVerwG 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140 <142>).

Der Ausschlussgrund der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Schutzes der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Hiernach steht einer Einbürgerung schon die personenbezogene Annahme entgegen, dass der Ausländer verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat. Es genügt, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine derartige Annahme begründen. Dadurch soll eine Einbürgerung auch dann verhindert werden, wenn verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (s. auch Begründung des Gesetzentwurfs zu § 86 AuslG: BTDrucks 14/533 S. 18 f.). Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG sind politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Grundprinzipien der politischen Ordnungs- und Wertvorstellungen, auf denen die Bundesrepublik Deutschland beruht, zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 2, 1 <12>; s. auch Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG in der Fassung vom , BGBl. I S. 2954 <2971>). Ebenso wenig muss nachgewiesen sein, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass der begründete Verdacht einer solchen Unterstützung erforderlich, aber auch ausreichend ist (Urteil vom a.a.O. S. 143). Ferner genügt es für den Anspruchsausschluss nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, wenn die Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Sie müssen nicht auch objektiv geeignet sein, diese zu beeinträchtigen. Es reicht aus, wenn der Träger der Bestrebungen mit ihnen das Ziel verfolgt, die besagten Grundprinzipien zu beeinträchtigen (Urteil vom a.a.O. S. 142). Ebenfalls wird nicht verlangt, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hat oder für einen Erfolg ursächlich ist.

Darüber hinaus ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt, dass Unterstützen jede Handlung des Ausländers ist, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein und er muss zum Vorteil der genannten Bestrebungen handeln wollen (Urteil vom a.a.O. S. 143).

Bei der Beurteilung, ob die Anknüpfungstatsachen je für sich oder in ihrer Gesamtschau nach Inhalt, Art und Gewicht für die Annahme ausreichen, dass der Ausländer Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt oder unterstützt hat, steht der Einbürgerungsbehörde kein Beurteilungsspielraum zu. Das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes, einschließlich der Frage der glaubhaften Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterliegt vielmehr in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Berlit, in: GK-StAR, Stand Oktober 2005, IV-2 § 11, Rn. 74 und 86).

Die erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus entsprechenden - hier nicht festgestellten - Handlungen des Ausländers ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation, die ihrerseits Ziele im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt. Für die Einordnung einer Organisation als verfassungsfeindlich gilt dabei ebenfalls das herabgesetzte Beweismaß des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, d.h. es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht, dass die Organisation das Ziel verfolgt, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen ( BVerwG 5 B 51.08 - [...]). Dies gilt auch für eine Organisation, die sich selbst - wie die IGMG - nicht als politische Vereinigung, sondern als islamisch religiöse Gemeinschaft versteht. Voraussetzung ist, dass sich diese Gemeinschaft nicht auf religiöse und soziale Ziele und Aktivitäten beschränkt, sondern - und sei es als Teil ihres religiösen Selbstverständnisses - auch weitergehende politische, verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.

Die grundrechtlichen Freiheiten des Glaubens, Gewissens sowie religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, einschließlich der ungestörten Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG; vgl. hierzu - NJW 2004, 47 ff., für vereinsrechtliches Verbot) stehen dem nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob der Ausschluss der Einbürgerung wegen des begründeten Verdachts der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen als solcher überhaupt den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berührt, da der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG weder an einem bestimmten Glauben anknüpft noch darauf abzielt, Einfluss auf religiöse oder weltanschauliche Bekenntnisse sowie die Religionsausübung zu nehmen. Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hindert nicht eine bestimmte Glaubensbetätigung die Einbürgerung, sondern die Verfolgung und Unterstützung verfassungsfeindlicher Ziele ohne Rücksicht auf religiöse und weltanschauliche Bekenntnisse. Selbst wenn die Vorenthaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (faktisch) in die Glaubensfreiheit eingreifen würde, weil sie Ausländer davon abhält, ihren Glauben entsprechend ihres religiösen Selbstverständnisses auch unter Einschluss verfassungsfeindlicher Ziele auszuüben (z.B. Eintreten für die Errichtung eines "Gottesstaates"), wäre ein solcher Eingriff gerechtfertigt. Vorenthalten würde nur eine Vergünstigung, die keinen Bezug zur Glaubensbetätigung aufweist. Außerdem räumt das Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) Ausländern kein Recht ein, als Angehöriger einer bestimmten - hier der islamischen - Religion politische Ziele zu verfolgen und zu unterstützen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die Glaubensfreiheit erlaubt nicht, die Grenzen, die die allgemeine Wertordnung des Grundgesetzes errichtet hat, zu überschreiten (vgl. BVerfGE 12, 1 <4>). Sie ist im Übrigen nicht dazu bestimmt, Ausländern einen sonst nicht bestehenden Anspruch auf Einbürgerung zu gewähren (vgl. BVerwG 1 B 58.83 - Buchholz 402.24 § 5 AuslG Nr. 2). Ebenso wenig hindert sie den Gesetzgeber, einen Ausschlusstatbestand zum Schutz der Verfassungsordnung, wie den des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, vorzusehen. Darin liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

Der aus der Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation hergeleitete Verdacht der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen kann im Einzelfall auch davon abhängen, ob die Organisation bei einer Gesamtbetrachtung ihres Wirkens in Bezug auf die Verfolgung oder Unterstützung von gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteter Ziele als homogen einzustufen ist oder verschiedene Strömungen aufweist, die unter dem Aspekt der Verfassungsfeindlichkeit unterschiedlich zu bewerten sind. Denn bei einer sich im Hinblick auf die Verfassungsfeindlichkeit als inhomogen darstellenden Organisation kann der Mitgliedschaft in ihr und/oder die Tätigkeit für sie keine vergleichbare indizielle Aussagekraft wie bei einer in Bezug auf die Verfassungsfeindlichkeit einheitlich zu beurteilenden Organisation beigemessen werden. In diesen Fällen hängt - vorausgesetzt, andere Anknüpfungstatsachen sind nicht gegeben - der begründete Verdacht vielmehr davon ab, welcher Richtung sich der Ausländer zurechnen lassen muss. Denn das Gesetz fordert mit Rücksicht auf die Höchstpersönlichkeit der Staatsangehörigkeit und des Einbürgerungsanspruchs - wie dargelegt - einen personenbezogenen Verdacht. Dementsprechend ist es erforderlich, im Wege einer umfassenden Gesamtwürdigung des jeweiligen Sachverhalts festzustellen, ob der Ausländer die Organisation als Ganzes einschließlich ihrer einbürgerungsschädlichen Ziele mitträgt oder ob er sich von letzteren glaubhaft distanziert. Liegen äußerliche Umstände vor, die es hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer den Kreisen innerhalb einer Organisation zuzurechnen ist, die ausschließlich einbürgerungsunschädliche Ziele verfolgen, ist für den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG kein Raum. Denn tritt ein Ausländer einer Organisation zu einem Zeitpunkt bei, in dem sich diese bereits im Umbruch befindet und/oder wird er für eine solche tätig, fehlt es - sofern er der einbürgerungsrechtlich unbedenklichen Strömung zuzuordnen ist - von vornherein an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Demgegenüber steht das Tatbestandsmerkmal der glaubhaften Abwendung von derartigen Bestrebungen in Rede, wenn der Ausländer der Organisation - wie hier - auch schon zu einem Zeitpunkt angehörte und/oder sie unterstützte, als sie bezogen auf die fehlende Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in ihrer Zielrichtung noch als eine einheitliche Bewegung anzusehen war. Der Wegfall des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG kann in diesem Fall nicht an die Bedingung geknüpft werden, dass sich die Organisation in ihrer Gesamtheit glaubhaft ideologisch neu ausrichtet, die alten, verfassungsfeindlichen Werte und Ziele überwindet und nunmehr als ein sich homogen sowohl nach innen als auch nach außen um einen dauerhaften Einklang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bemühender Verband erscheint. Erforderlich und ausreichend für den Wegfall des Ausschlusses nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist vielmehr, dass der um Einbürgerung nachsuchende Ausländer glaubhaft macht, für die einbürgerungsunschädlichen Reformbestrebungen einzutreten.

Die Fragen, ob eine Organisation in Bezug auf ihre politische und weltanschauliche Aus- und Zielrichtung ein homogenes oder inhomogenes Erscheinungsbild aufweist und für welche Ziele der Ausländer eintritt, sind Tatsachenfragen deren Beantwortung nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht dem Revisionsgericht, sondern den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen obliegt (s. hierzu auch BVerwG 3 C 8.04 - BVerwGE 122, 182 <189>).

1.2

Von diesen rechtlichen Vorgaben ist auch das Berufungsgericht im Ergebnis ausgegangen. Es hat in Anwendung dieser Grundsätze festgestellt, dass der Kläger durch seine Funktionärstätigkeit an seinem Wohnort im Jahre 1995/96 und von 2000 bis 2004 die IGMG zu einer Zeit unterstützt hat, als diese noch als eine homogene verfassungsfeindliche Organisation zu betrachten gewesen ist. Denn vor dem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegenwärtig zu beobachtenden Reformprozess strebte die IGMG in ihrer Gesamtheit die absolute Vorherrschaft eines islamischen Rechtsverständnisses und der Scharia an. Sie lehnte westliche Werte und Staatssysteme sowie individuelle Freiheitsrechte und das demokratische Prinzip der Volkssouveränität ab. Das Berufungsgericht hat daraufhin im Einklang mit Bundesrecht weiter geprüft, ob sich der Kläger seither von diesen verfassungsfeindlichen Werten und Zielen der Milli-Görüs-Bewegung abgewandt hat. Die insoweit von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind dahingehend zu verstehen, dass er eine derartige Abwendung nicht glaubhaft gemacht hat. Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass dem Kläger nicht vorzuwerfen sei, mit den ihm zuzurechnenden verfassungsfeindlichen Wertvorstellungen der IGMG nach außen in Form von einbürgerungsschädlichen Äußerungen und Aktivitäten in Erscheinung getreten zu sein. Jedoch hat es sich insbesondere nicht davon überzeugen können, dass der Kläger zu den neueren, reformorientierten und eine Integration in Deutschland und in die deutsche Verfassungsordnung anstrebenden Kreisen innerhalb der IGMG gehört. Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus die Frage erörtert und verneint hat, dass in Bezug auf die IGMG als Gesamtorganisation ein entsprechender "Kurswechsel" glaubhaft gemacht worden ist, kommt es darauf wegen der selbstständig tragenden Begründung, dass jedenfalls der Kläger nicht zu den reformorientierten Mitgliedern innerhalb der IGMG gehört, im Streitfall nicht an.

Nicht zu vertiefen ist, dass die Vorenthaltung der Staatsangehörigkeit auch im konkreten Fall keinen Eingriff in die Glaubensfreiheit des Klägers nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG darstellt. Dies scheidet hier schon deswegen aus, weil die Glaubhaftmachung der Abwendung nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts unter den gegebenen Umständen nicht den Austritt des Klägers aus der IGMG erforderlich macht. Hinreichend wäre bereits ein glaubhaftes Bekenntnis des Klägers zu den neueren, einbürgerungsrechtlich unbedenklichen Zielen des Reformflügels.

2.

Der Senat hat von den vorstehend dargelegten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.

2.1

Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt, indem es seinen Vortrag, dass er mit seiner "Praxis in der IGMG sein religiöses Selbstverständnis zum Ausdruck bringe", sowie sein Vorbringen zur Situation der islamischen Diaspora überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und demgemäß bei der Entscheidung auch nicht erwogen habe, kann darin jedenfalls keine begründete Verfahrensrüge gesehen werden. Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen - soweit nach seinem rechtlichen Ansatz überhaupt erheblich - ersichtlich zur Kenntnis genommen und auch erwogen.

Es trifft bereits nicht zu, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zu Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im Tatbestand unerwähnt gelassen hat. Es hat vielmehr bei der Wiedergabe der Klagebegründung angegeben, dass der Kläger ausgeführt habe, "ihm gehe es bei der Vereinstätigkeit um die religiöse Grundversorgung der Muslime in P. und um die Verbesserung der sozialen Situation der Muslime dort" (UA S. 3). Zudem hat es im Rahmen der Darstellung der Berufungserwiderung des Klägers festgehalten, "es gehe hier um Grundrechtsausübung nicht nur in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG, sondern auch auf das Glaubensgrundrecht des Art. 4 GG. Dies beschränke die Auslegung des Tatbestandes der Einbürgerungshindernisse" (UA S. 7). Für das Berufungsgericht war das Vorbringen nach Maßgabe seiner materiell-rechtlichen Auffassung aber offensichtlich nicht entscheidungserheblich mit der Folge, dass es sich damit in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich befasst hat. Gegenteilige Anhaltspunkte legt die Revision nicht dar.

Abgesehen davon ist es auch in der Sache revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich mit der Religionsfreiheit nach Art. 4 GG auseinandergesetzt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) unter Ziffer 1.1 verwiesen.

2.2

Eine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung fehlt hinsichtlich der Rüge, das Berufungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt, weil es die Entscheidung, dass die IGMG verfassungsfeindliche Ziele verfolge, nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpft, sondern insoweit die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel selektiv verwendet habe. Es habe seine Feststellung, dass die IGMG und die Milli-Görus-Bewegung gemeinsame Ziele verfolgten und zwischen ihnen eine personelle Verflechtung bestehe, ausschließlich auf nicht näher bezeichnete Verfassungsschutzberichte gestützt und in diesem Zusammenhang als konkrete Belege lediglich den Verfassungsschutzbericht des Bundes 2007 sowie einen Zeitungsbeitrag bezeichnet. Für die Zurechnung der Milli Gazette zur IGMG habe es sich ebenfalls nur auf Berichte der Verfassungsschutzämter berufen und für die Feststellung im Hinblick auf die Bedeutung von Erbakan für den Zusammenhalt der IGMG überhaupt keine Belege angegeben. Außerdem habe es sich nicht mit den gegen die Erkenntnismittel erhobenen Einwänden auseinandergesetzt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ("Überzeugungsgrundsatz") im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO betrifft die Feststellung aller für die Entscheidung des Gerichts erheblichen Tatsachen und deren "freie Würdigung". Demnach setzt die Darlegung eines diesbezüglichen Verfahrensfehlers voraus, dass ein Fehler beim Vorgang der Überzeugungsbildung aufgezeigt wird, z.B. dass das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>). Soweit sich ein Beteiligter - wie hier - gegen eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials wendet, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil, bedarf es zur Bezeichnung eines Verfahrensfehlers der Darlegung, dass die Sachverhalts- und Beweiswürdigung die Grenzen einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschreitet. Dem wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Es zielt in der äußeren Form einer Verfahrensrüge auf eine inhaltliche Kritik der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht und setzt dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze verstoßende Würdigung der Erkenntnismittel zu benennen.

Im Übrigen ist ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz auch in der Sache nicht festzustellen. Wie umfangreich und detailliert im Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO), lässt sich nicht abstrakt umschreiben. Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat. Es kann sich auf die wesentlichen Gründe beschränken. Daraus, dass das Gericht sich nicht mit allen Gesichtspunkten des Vorbringens der Beteiligten und des festgestellten Sachverhalts in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinandergesetzt hat, kann daher noch nicht geschlossen werden, es habe die fraglichen Gesichtspunkte bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen (stRspr, z.B. Beschlüsse vom - BVerwG 5 B 24.03 - [...] und vom - BVerwG 9 B 374.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 43). Ebenso wenig muss das Gericht alle in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel in den Entscheidungsgründen im Einzelnen zitieren ( BVerwG 9 B 738.97 - [...]). Aus der Nichterwähnung einzelner Erkenntnismittel, zumal wenn sie das Gericht - wie hier - zuvor selbst in das Verfahren eingeführt hat, kann daher regelmäßig nicht geschlossen werden, das Gericht habe diese bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen ( BVerwG 1 B 463.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 275). Es ist nicht verpflichtet, jede Einzelheit oder alle sich etwa nicht voll entsprechenden Angaben in den eingeführten Erkenntnismitteln einander gegenüber zu stellen und ausführlich zu bewerten (Beschluss vom a.a.O.).

Soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil beruhe hinsichtlich des Sachkomplexes der Verfassungsfeindlichkeit der IGMG "auf einer zu schmalen Tatsachenbasis" und dies dahingehend verstanden wissen möchte, dass sich das Berufungsgericht nicht im Wesentlichen auf Verfassungsschutzberichte hätte berufen dürfen, sondern den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen, kann auch darin keine zulässige Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) gesehen werden. Er legt in diesem Zusammenhang nicht dar, welche weiteren Beweismittel das Berufungsgericht noch hätte heranziehen müssen und welche für ihn günstigen Erkenntnisse sich daraus ergeben hätten.

Im Übrigen trifft es auch nicht zu, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung nur auf Verfassungsschutzberichte gestützt. Es hat vielmehr - wie sich aus der den Beteiligten zu Beginn der mündlichen Verhandlung überreichten Liste "Literatur und Material aus Zeitungen und sonstigen Publikationen" ergibt - insbesondere auch die in einem Parallelverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erstellten Gutachten von Sch. und Sp.-St. sowie zahlreiche die IGMG betreffende Zeitungsartikel zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und damit als Erkenntnismittel verwandt. Von der ausdrücklich eingeräumten Gelegenheit, Zeitungspublikationen nachzureichen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

2.3

Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die gerügte Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), weil das Berufungsgericht dem Generalsekretär der IGMG als Zeugen nicht vorgehalten habe, dass die nur intern geführte Auseinandersetzung mit Erbakan tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme liefere, dass die IGMG als Ganzes verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge oder unterstütze.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, deren Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es darf seine Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern konnten. Aus dem Grundrecht auf rechtliches Gehör folgt aber keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (stRspr, vgl. etwa BVerfGE 84, 188 <190>). Das Gericht ist insbesondere nicht verpflichtet, die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen oder Einzelheiten der Urteilsbegründung zur Erörterung zu stellen (stRspr, zuletzt etwa BVerwG 5 B 45.09 - [...] Rn. 7 m.w.N.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne einer Überraschungsentscheidung - sofern die Rüge der Revision auch so zu verstehen sein sollte - wäre dementsprechend nur dann gegeben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der ein Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. zum Verbot von Überraschungsentscheidungen BVerfGE 84, 188 <190> und zuletzt etwa BVerwG 3 B 2.09 - [...] Rn. 4). Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen und von ihm für unrichtig gehalten werden.

Danach kann hier von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Rede sein. Der Zeuge hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht umfassend Gelegenheit, sich zu dem Verhältnis der IGMG zu Erbakan zu äußern. Das Berufungsgericht hat ihn ausdrücklich gefragt, warum sich die IGMG nicht von Erbakan und der "alten" Milli Görüs distanziere (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom , S. 10, s. auch Ausführungen des Zeugen zu Erbakan auf S. 13 und 16). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte Gelegenheit, Fragen an den Zeugen zu stellen. Er hat ihn insbesondere gefragt, warum sich die IGMG so schwer mit einer Trennung von Erbakan tue (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom , S. 14). Außerdem hat das Berufungsgericht die Frage, welche Anforderungen in Bezug auf den Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bei "diffus" erscheinenden Organisationen oder Organisationen mit unterschiedlichen Strömungen zu stellen sind, ausdrücklich angesprochen und mit den Beteiligten erörtert (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom , S. 16). Damit war erkennbar, dass die Frage, ob die IGMG bereits als eine Organisation einzustufen ist, die in ihrer Gesamtheit keine Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG mehr verfolgt oder unterstützt oder ob sie noch als Organisation anzusehen ist, die verschiedene, unter dem Aspekt der Verfassungsfeindlichkeit unterschiedlich zu bewertende Strömungen aufweist, für die Entscheidung von Bedeutung sein könnte. Das Berufungsgericht war indessen nicht verpflichtet darauf hinzuweisen, wie es diese Frage entscheiden und welche Gründe es hierfür anführen wird. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Fundstelle(n):
TAAAD-40665