Leitsatz
Leitsatz:
Der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs ist nicht im Rahmen seines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach der vollständigen Stilllegung des Betriebs eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens zuweist.
Gesetze: BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 95 Abs. 3 S. 1; BetrVG § 21b
Instanzenzug: LAG Saarland, 2 TaBV 7/08 vom ArbG Saarbrücken, 65 BV 9/05 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Ja
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen nach Betriebsstilllegung.
Die Arbeitgeberin erbringt Postdienstleistungen. Im Zuge unternehmensweiter Umstrukturierungen löste sie ihre Service Niederlassung Immobilien in S (SNL S) zum Jahresende 2001 auf. Zuvor ersuchte sie den dortigen Betriebsrat am um Zustimmung zu Versetzungen der Arbeitnehmer in andere Betriebe des Unternehmens. Das verweigerte der Betriebsrat mit Schreiben vom unter Hinweis darauf, dass nach den geltenden Tarifverträgen Nr. 444 bzw. 445 zunächst für diese Arbeitnehmer ein Sozialplan zu erstellen sei.
In der Folgezeit erhoben eine Reihe der bisher in der SNL S beschäftigen Arbeitnehmer Klage gegen ihren Einsatz in anderen Betrieben der Arbeitgeberin. Mit ihrem Begehren, das überwiegend auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu den Versetzungen gestützt wurde, waren sie vor den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten fast durchweg erfolgreich. Daraufhin ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat im August 2003 vorsorglich erneut um seine Zustimmung zur Versetzung von 43 der zuvor in der SNL S beschäftigten Arbeitnehmer, die dieser mit Schreiben vom verweigerte. Für diese Arbeitnehmer leitete der Betriebsrat Ende Oktober 2003 ein Beschlussverfahren mit dem Ziel ein, die vorläufig durchgeführten Versetzungen aufzuheben. Dieses Beschlussverfahren wurde im Mai 2005 im Hinblick auf das vorliegende Verfahren für erledigt erklärt und eingestellt.
Im August 2004 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan. Danach wurden die Beschäftigten der früheren SNL S rückwirkend zum auf Personalposten im Unternehmensbereich BRIEF übergeleitet. Die Zuordnung der Beschäftigten zu den Personalposten und Niederlassungen war in einer Anlage zum Sozialplan geregelt. Der Gesamtbetriebsrat stimmte mit Schreiben vom den von der Arbeitgeberin aufgestellten Feststellungsvermerken über die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu. Daraufhin ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat der stillgelegten SNL S mit Schreiben vom vorsorglich erneut um seine Zustimmung zu Versetzungen von insgesamt 150 Beschäftigten. Der am beim Betriebsrat eingegangene Antrag enthielt einen Hinweis darauf, dass die Versetzungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich seien. Der Betriebsrat bestritt am die Dringlichkeit der Versetzungen und verweigerte anschließend im Schreiben vom , bei der Arbeitgeberin am gleichen Tag eingegangen, für 74 Arbeitnehmer seine Zustimmung zu den beantragten Versetzungen unter Hinweis auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Tarifverträge Nr. 444/445 und des Sozialplans.
Mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufig vorgenommenen Versetzungen beantragt. Das Arbeitsgericht hat die in einem Verfahren verhandelten Anträge abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, die Zustimmung des Betriebsrats gelte wegen Versäumung der Äußerungsfrist als erteilt. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts haben sowohl die Arbeitgeberin als auch der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren getrennt und die Anträge der Arbeitgeberin für jeden von der Versetzung betroffenen Arbeitnehmer gesondert verhandelt. Das vorliegende Verfahren betrifft den Antrag auf Versetzung des Arbeitnehmers C zu der Niederlassung BRIEF B-N.
Die Arbeitgeberin hat gemeint, die Zustimmung des Betriebsrats zu der vorsorglich durchgeführten personellen Maßnahme gelte als erteilt, da dessen Verweigerung nicht rechtzeitig erfolgt sei. Daneben fehle es an einer wirksamen Zustimmungsverweigerung. Der Betriebsrat sei bei der Beschlussfassung über ihren Antrag nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. An dieser habe der Betriebsratsvorsitzende W mitgewirkt, der bereits mit Ablauf des wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei und schon aus diesem Grund kein Restmandat habe ausüben können.
Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,
1. die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Herrn C von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-N zu ersetzen,
hilfsweise festzustellen,
dass die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Herrn C von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-N als erteilt gilt,
2. festzustellen, dass die Versetzung von Herrn C von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-N aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist.
Der Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung, beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat gemeint, seine Zustimmungsverweigerung sei rechtzeitig erfolgt. Nach einer Verfügung des Bundespostministers aus dem Jahr 1976 für den Bereich der damaligen Deutschen Bundespost gölten Anträge auf Erteilung der Zustimmung erst am maßgeblichen Sitzungstag als zugeleitet und Sonn- bzw. gesetzliche Feiertage sowie Samstage nicht als Arbeitstage. Die Generaldirektion der Deutschen Bundespost Postdienst habe in einem Hinweisschreiben aus dem Jahr 1994 geäußert, dass die in der Verfügung bekannt gegebene Berechnung der Fristen nach Maßgabe der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen fortgelte. Die Zustimmungsverweigerung sei auch zu Recht erfolgt. Der Herrn C in der Niederlassung BRIEF B-N übertragene Arbeitsplatz sei ihm funktionell nicht zumutbar.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat es festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung von Herrn C als erteilt gilt und diese aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Durch einen am gleichen Tag ergangenen Beschluss (- 2 TaBV 16/07 -) hat es den Antrag der Arbeitgeberin rechtskräftig abgewiesen, mit dem diese die Beendigung des Restmandats des Betriebsrats der SNL S festgestellt wissen wollte. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren seinen Antrag auf Abweisung der Anträge weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag zu Unrecht entsprochen. Die Zuweisung des Arbeitnehmers C zur Niederlassung BRIEF B-N bedurfte nicht der Zustimmung des Betriebsrats der früheren SNL S. Dessen Zustimmung gilt daher nicht als erteilt. Wegen des Antrags zu 2. war das Verfahren einzustellen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde zu Recht für zulässig gehalten. Der Betriebsrat ist durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts materiell beschwert, obwohl seinem Antrag formell entsprochen worden ist.
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde gehört zu den Verfahrensfortsetzungsvoraussetzungen einer Rechtsbeschwerde. Demnach hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen, ob die in den Vorinstanzen eingelegten Rechtsmittel ordnungsgemäß waren. Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Landesarbeitsgericht die Beschwerde als zulässig angesehen hat ( - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 78a Nr. 50 = EzA BetrVG 2001 § 78a Nr. 4).
2. Das Arbeitsgericht hat zwar die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Dementsprechend war nur die Arbeitgeberin und nicht der Betriebsrat durch die erstinstanzliche Entscheidung formell beschwert. Allerdings hat das Arbeitsgericht nach der von ihm gewählten Begründung dem zu 1. gestellten Antrag der Arbeitgeberin lediglich aufgrund eines Tenorierungsfehlers nicht entsprochen. Es hat die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats für unbeachtlich gehalten, weil dessen Stellungnahme nicht bis zum Ablauf der Äußerungsfrist bei der Arbeitgeberin eingegangen sei. Diese hatte zwar erstinstanzlich nur den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG gestellt. Eine Zustimmung des Betriebsrats, die bereits als erteilt gilt und damit schon vorliegt, kann aber nicht mehr durch das Gericht ersetzt werden. Der Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats allerdings nicht auf eine solche rechtsgestaltende Entscheidung beschränkt. Er erfasst ohne Weiteres das Begehren festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, wenn sich im Verfahrensverlauf herausstellt, dass seine Zustimmungsverweigerung nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG genügt ( - BAGE 60, 57). Damit hat das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin im Ergebnis genau das zugesprochen, was der Betriebsrat mit seinem Abweisungsantrag verhindern wollte. Die Arbeitgeberin hätte die mit Schreiben vom beantragten Versetzungen durchführen können, weil die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt. Daraus folgt die materielle Beschwer des Betriebsrats.
II. Das Landesarbeitsgericht durfte den zu 1. gestellten Antrag der Arbeitgeberin nicht mit der Begründung abweisen, die Zustimmung des Betriebsrats gelte als erteilt. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist vielmehr schon deswegen unbegründet, weil die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer C eine Tätigkeit in der Niederlassung BRIEF B-N zuweisen konnte, ohne den Betriebsrat der stillgelegten SNL S im Rahmen eines Restmandats beteiligen zu müssen.
1. Ein Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer als "Versetzung" bezeichneten personellen Maßnahme setzt voraus, dass es sich bei dieser tatsächlich um eine personelle Maßnahme iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelt, bei der ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht. Andernfalls geht der Antrag ins Leere und ist abzuweisen.
2. Nach § 21b BetrVG bleibt der Betriebsrat, dessen Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass das Amt des Betriebsrats endet, wenn die betriebliche Organisation, für die der Betriebsrat gebildet ist, wegfällt ( - zu B II b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 21b Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 24 Nr. 3). Der Gesetzgeber hat mit dem durch das BetrVG-ReformG eingefügten § 21b BetrVG die zuvor ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Restmandat des Betriebsrats gesetzlich verankert (BT-Drucks. 14/5741 S. 39). Der Betriebsrat soll noch so lange im Amt verbleiben, wie dies seine hierbei zu beachtenden Beteiligungsrechte gebieten ( - zu B II 2 der Gründe, AP KO § 59 Nr. 6). Das Restmandat ist funktional bezogen auf alle im Zusammenhang mit der Stilllegung sich ergebenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ( - zu B II 2 d aa der Gründe, AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 24 Nr. 2).
3. Der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs ist nicht im Rahmen seines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach der vollständigen Stilllegung des Betriebs eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens zuweist.
a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf die Versetzung eines Arbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrats. Versetzung ist nach der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss. Der "Arbeitsbereich" iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Der Begriff ist demnach räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation ( - Rn. 21, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8). Die Vorschrift erfordert nach ihrem Wortlaut einen Wechsel des Arbeitsbereichs, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt wird. Der Arbeitsbereich ändert sich, wenn der bisherige Gegenstand der Arbeitsleistung und Inhalt der Arbeitsaufgabe ein "anderer" wird und sich deshalb das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Es kommt darauf an, ob sich die Tätigkeiten vor und nach der Zuweisung so voneinander unterscheiden, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nicht mehr als die bisherige Tätigkeit angesehen werden kann ( - zu II 4 a aa der Gründe). Demzufolge ist auch die auf Dauer angelegte Versetzung von einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen Betrieb eine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, weil der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und in eine andere Einheit eingegliedert wird. Darüber hinaus wird sich in der Regel der Arbeitsort verändern, was - von Bagatellfällen abgesehen - bereits eine Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG darstellt ( - zu B II 3 der Gründe mwN, BAGE 66, 57).
b) Eine betriebsübergreifende Versetzung bedarf nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG regelmäßig der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs. Sein Beteiligungsrecht dient dem Schutz der kollektiven Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaft sowie den Individualinteressen der von einer solchen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer.
aa) Das Beteiligungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG soll es dem Betriebsrat des abgebenden Betriebs ermöglichen, der beabsichtigten Versetzung seine Zustimmung bei Vorliegen von Verweigerungsgründen iSd. § 99 Abs. 2 BetrVG zu versagen und den Arbeitgeber gerichtlich anzuhalten, den Arbeitnehmer ohne Änderung seines bisherigen Arbeitsbereichs im Betrieb weiterzubeschäftigen. Die Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG setzt den Fortbestand der Einheit voraus, für die der Betriebsrat errichtet ist. Nach der gesetzlichen Konzeption ist seine Mitwirkung bei Vorliegen von Zustimmungsverweigerungsgründen auf die Unterlassung der beabsichtigten Versetzung oder deren Aufhebung (§ 101 BetrVG) gerichtet, sofern sie zunächst vorläufig durchgeführt worden ist. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer in seinem bisherigen Arbeitsbereich zu belassen oder ihn dort wieder einzusetzen.
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt das Beteiligungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorrangig den Schutz der vorhandenen Belegschaft. Deren Interessen können durch eine betriebsübergreifende Versetzung schon deswegen berührt sein, weil die verbleibenden Arbeitnehmer einer Arbeitsverdichtung ausgesetzt sind, die jedenfalls eine Zustimmungsverweigerung als möglich erscheinen lässt ( - Rn. 24, BAGE 116, 223). Der Betriebsrat hat aber auch die Interessen der Beschäftigten wahrzunehmen, die bei der Auswahlentscheidung des Arbeitgebers unberücksichtigt geblieben sind.
cc) Darüber hinaus soll das Beteiligungsrecht auch die individuellen Interessen des von einer solchen Versetzung betroffenen Arbeitnehmers wahren, demgegenüber der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes von der beabsichtigen Maßnahme absehen müsste. Ist der Arbeitnehmer nicht mit der Versetzung einverstanden, kann der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung darauf stützen, dass die Versetzung diesen ohne rechtfertigenden Grund benachteiligt ( - zu B II 3 a bb der Gründe, BAGE 66, 57). Entgegen der Auffassung des Betriebsrats dient das Beteiligungsrecht aber nicht dazu, das Direktionsrecht des Arbeitgebers einer umfassenden Kontrolle zu unterziehen oder dem betroffenen Arbeitnehmer durch die Zustimmungsverweigerung ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu verschaffen.
dd) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des abgebenden Betriebs besteht allerdings nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung in den anderen Betrieb einverstanden ist. In einem solchen Fall bedarf weder der Arbeitnehmer eines Schutzes noch ist die Beteiligung des Betriebsrats im Interesse der von ihm repräsentierten Belegschaft geboten. Deren Schutz kann nicht erreicht werden, da ein versetzungswilliger Arbeitnehmer ebenso das Arbeitsverhältnis beenden und neu begründen könnte und demzufolge der Betriebsrat auch bei Vorliegen eines gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgrundes sein Ausscheiden aus dem Betrieb letztlich nicht verhindern kann ( - Rn. 24 f., BAGE 116, 223).
c) Dahinstehen kann, ob die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs nach vorheriger Betriebsstilllegung den Versetzungsbegriff iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch erfüllt, weil diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach auf den Wechsel zwischen zwei Arbeitsbereichen ausgerichtet ist. Denn bei einer solchen Maßnahme hat jedenfalls der Betriebsrat des stillgelegten Betriebs im Rahmen seines Restmandats nicht mitzuwirken. Dessen Einbeziehung ist nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts weder zur Wahrung von Belegschaftsinteressen noch zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer geboten.
aa) Die Zuweisung von anderen Tätigkeiten im Unternehmen berührt keine kollektiven Interessen der vom restmandatierten Betriebsrat repräsentierten früheren Belegschaft. Eine Betriebsgemeinschaft, die durch solche Maßnahmen des Arbeitgebers nachteilig betroffen sein könnte, besteht nach der endgültigen Einstellung der Betriebstätigkeit und Auflösung der betrieblichen Organisation nicht mehr. Ebenso fehlt es an einer Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, die unter dem Gesichtspunkt der betriebsinternen Verteilungsgerechtigkeit einer Kontrolle zu unterwerfen wäre. Von der Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs sind sämtliche Arbeitnehmer der aufgelösten Einheit betroffen, deren Arbeitsverhältnis anlässlich der Stilllegung nicht beendet wird.
bb) Die Individualinteressen der von einer solchen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer verlangen ebenfalls keine Beteiligung des restmandatierten Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese werden durch das Mitbestimmungsrecht bei Betriebsänderungen (§§ 111 - 113 BetrVG) hinreichend gewahrt. Eine Betriebsstilllegung stellt unter den Voraussetzungen des § 111 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 BetrVG eine Betriebsänderung dar. Über sie ist zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich und ein Sozialplan (§ 111 Satz 1, § 112 Abs. 1 BetrVG) abzuschließen. Es ist Aufgabe der Betriebsparteien, im Rahmen solcher Vereinbarungen die Anforderungen, unter denen die Übertragung einer anderweitigen Tätigkeit zulässig ist, abstrakt oder einzelfallbezogen festzulegen. So können etwa persönliche und fachliche Zumutbarkeitskriterien für die Zuweisung einer geänderten Tätigkeit geregelt werden, durch die die wechselseitigen Interessen des Arbeitgebers und der Belegschaft zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Auf diese Weise wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers begrenzt und dem Bedürfnis der betroffenen Arbeitnehmer Rechnung getragen, das Arbeitsverhältnis nur unter angemessenen Beschäftigungsbedingungen fortzusetzen. Demgegenüber ginge der durch das Beteiligungsrecht bei betriebsübergreifenden Versetzungen bezweckte Schutz des einzelnen Arbeitnehmers ins Leere. Das auf die Fortsetzung der Beschäftigung im bisherigen Arbeitsbereich gerichtete Regelungsziel der §§ 99, 101 BetrVG kann durch eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht mehr erreicht werden. Nach der endgültigen Stilllegung des Betriebs und der damit verbundenen Auflösung der betrieblichen Organisation endet die Existenz der bisherigen betriebsverfassungsrechtlichen Einheit. Hierdurch entfällt zugleich die Einsatzmöglichkeit für die dort zuvor beschäftigten Arbeitnehmer. Eine Zustimmungsverweigerung könnte dem Arbeitnehmer ausschließlich ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung verschaffen. Dies widerspräche aber der Schutzfunktion des Beteiligungsrechts.
4. Die angefochtene Entscheidung war danach hinsichtlich des Antrags zu 1. aufzuheben und die erstinstanzliche Entscheidung insoweit wiederherzustellen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin unbegründet ist. Die SNL S war zum Zeitpunkt der Einleitung des Zustimmungsverfahrens am bereits mehr als drei Jahre stillgelegt. Die Arbeitgeberin konnte dem Arbeitnehmer C daher ohne die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Tätigkeiten in der Niederlassung BRIEF B-N zuweisen.
a) Einer Entscheidung des Senats über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats an den von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom beantragten Maßnahmen steht nicht entgegen, dass durch rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Saarland vom (- 2 TaBV 16/07 -) der Antrag der Arbeitgeberin, mit dem die Beendigung des Restmandats des Betriebsrats der SNL S festgestellt werden sollte, abgewiesen worden ist. Selbst wenn danach rechtskräftig feststünde, dass der Betriebsrat zum Zeitpunkt der Anhörung am noch ein Restmandat wahrgenommen hat, erstreckte sich die Bindungswirkung nicht zugleich auf das Bestehen eines Zustimmungsverweigerungsrechts an den von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom beantragten Maßnahmen. Über den Umfang der vom Betriebsrat wahrzunehmenden Beteiligungsrechte ist in dem Verfahren - 2 TaBV 16/07 - nicht entschieden worden. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr den Globalantrag der Arbeitgeberin schon deswegen als unbegründet abgewiesen, weil der Betriebsrat jedenfalls wegen seiner Beteiligtenstellung in dem von der Arbeitgeberin eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren ein Restmandat ausübe.
b) Auf die zwischen den Beteiligten umstrittenen und von den Vorinstanzen erörterten Fragen nach der Rechtzeitigkeit der Zustimmungsverweigerung und der ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats kam es danach nicht mehr an.
III. Der auf die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme gerichtete Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Seine Rechtshängigkeit ist auflösend bedingt durch die rechtskräftige Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag. Das Verfahren ist insoweit einzustellen (vgl. dazu näher - Rn. 52 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 99 Versetzung Nr. 3).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1020 Nr. 17
DB 2010 S. 8 Nr. 13
DB 2010 S. 906 Nr. 16
DStR-Aktuell 2010 S. 11 Nr. 17
NJW 2010 S. 10 Nr. 18
SAAAD-40272