Keine erhöhte Investitionszulage für das Betreiben einer Antennengroßanlage
Leitsatz
Eine handwerklich hergestellte und gewartete Antennenanlage, deren Signale entgeltlich an Kunden übertragen werden, dient nicht der Erbringung handwerklicher Leistungen.
Durch die erhöhte Investitionszulage gemäß § 5 Abs. 2 InvZulG 1996 sollen vornehmlich die zur Ausübung des Handwerks erforderlichen Sachmittel wie z.B. Werkzeuge, Maschinen und Betriebsausstattung besonders gefördert werden, nicht aber vom Handwerker hergestellte Produkte oder von ihm gewartete Anlagen.
Gesetze: InvZulG § 2, InvZulG § 5 Abs. 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit dem Unternehmensgegenstand „Handel und Service von Unterhaltungselektronik, Funktechnik, Antennenbau und Haushalttechnik”. In der Handwerksrolle war sie bis 1998 mit dem Handwerk „Radio- und Fernsehtechniker” eingetragen, seitdem mit dem Handwerk „Informationstechniker”.
2 Nach einer Betriebsprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Bescheide über die Investitionszulage 1993 bis 1998 und versagte die erhöhte Investitionszulage für eine Antennengroßanlage, einen dazu gehörenden PC mit Infokanal, eine ISDN-Telefonanlage, ein ISDN-TK-System opal und einen Antennenmessempfänger, weil diese nicht der Ausübung des eingetragenen Handwerksbetriebs dienten. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
3 Das FA sagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) die erhöhte Investitionszulage für die ISDN-Telefonanlage (1994) sowie für das ISDN-TK-System opal und den Antennenmessempfänger (1995) zu. Dementsprechend änderte das FG die Investitionszulagenbescheide 1994 und 1995. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Antennengroßanlage diene nicht der Ausübung des eingetragenen Gewerkes. Zwar gehörten die Planung, Errichtung und Instandhaltung von Antennenanlagen zum Berufsbild des Radio- und Fernsehtechnikers bzw. Informationstechnikers, nicht aber das Betreiben solcher Anlagen und die Bereitstellung der Rundfunksignale.
4 Die Klägerin bezieht sich zur Begründung ihrer Revision auf das (nicht veröffentlicht), in dem der Betrieb einer Breitbandkabelanlage als zum Gewerk eines Radio- und Fernsehelektronikers gehörend angesehen wurde.
5 Das FG-Urteil sei zudem verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da das FG die am beantragte Terminsverschiebung abgelehnt habe. Sie, die Klägerin, habe zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung einen Ortstermin in Anwesenheit von Vertretern der Handwerkskammer vorgeschlagen. Hätte ein Vertreter der Handwerkskammer während des Ortstermins Stellung nehmen können, wäre eine andere Entscheidung möglich gewesen. Die Klägerin hat der Revisionsschrift dazu eine umfangreiche schriftliche Äußerung der Handwerkskammer vom beigefügt. Das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör auch durch Ablehnung des weiteren Vertagungsantrags vom verletzt. Die Terminsverlegung habe ihrem verantwortlichen und sachverständigen Mitarbeiter Herrn X, der sich während des Termins zur mündlichen Verhandlung auf einer Urlaubsreise befunden habe, die Teilnahme ermöglichen sollen, da er von Anfang an mit dem Streitfall befasst gewesen sei und aufgrund seines Sachverstandes als Meister des Informationstechnikerhandwerks in der mündlichen Verhandlung hätte aktiv mitwirken können und sollen.
6 Die Klägerin beantragt,
„1. das Urteil des Sächsischen (Az. 4 K 1052/02) aufzuheben, soweit die Klage als unbegründet abgewiesen wird;
2. den Investitionszulagenbescheid 1993 vom geändert durch Bescheid vom und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Investitionszulage 1993 auf 40.089 DM festzusetzen;
3. den Investitionszulagenbescheid 1994 vom geändert durch Bescheid vom und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Investitionszulage 1994 unter Berücksichtigung eines weiteren Betrages von 29.370 DM festzusetzen,
4. den Investitionszulagenbescheid 1995 vom geändert durch Bescheid vom und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Investitionszulage 1995 um weitere 46.622 DM erhöht festzusetzen,
5. den Investitionszulagenbescheid 1996 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Investitionszulage 1996 um weitere 21.360 DM erhöht festzusetzen,
6. den Investitionszulagenbescheid 1997 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Investitionszulage 1997 auf 19.119 DM festzusetzen,
7. den Investitionszulagenbescheid 1998 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Investitionszulage 1998 auf 12.826 DM festzusetzen”.
7 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8 II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
9 1. Nach zutreffender Auffassung des FG steht der Klägerin für die Antennengroßanlage und den damit zusammenhängenden PC mit Infokanal keine erhöhte Investitionszulage für Handwerksbetriebe zu.
10 a) Nach § 2 des grundsätzlich für alle nach dem abgeschlossenen Investitionen geltenden Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 (vgl. § 11 Abs. 1 InvZulG 1996) sind die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens begünstigt. Die Zulage bemisst sich nach der Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Wirtschaftsjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Im Wirtschaftsjahr entstandene Teilherstellungskosten können in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden (§ 4 Sätze 1 und 2 InvZulG 1996). Für nicht nach § 3 Satz 3 InvZulG 1996 ausgeschlossene Investitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem und vor dem begonnen, sowie vor dem abgeschlossen hat, beträgt die Investitionszulage 8 v.H. (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1996). Sie erhöht sich auf 20 v.H. für Investitionen in Wirtschaftsgüter, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen des Betriebs eines Gewerbetreibenden gehören, der in die Handwerksrolle eingetragen ist, und in einem solchen Betrieb verbleiben (§ 5 Abs. 2 InvZulG 1996).
11 b) Die erhöhte Investitionszulage steht einem in die Handwerksrolle eingetragenen Anspruchsberechtigten nur für solche Wirtschaftsgüter zu, die ab Vornahme der Investition ausschließlich oder nahezu ausschließlich dem in die Handwerksrolle eingetragenen Gewerk dienen. Der Senat hat mit Urteil vom III R 81/06 (BFHE 218, 478, BStBl II 2008, 310) entschieden, dass eine handwerklich hergestellte und gewartete Antennenanlage, deren Signale entgeltlich an Kunden übertragen werden, nicht der Erbringung handwerklicher Leistungen dient. Denn die Übertragung von Rundfunksignalen liegt außerhalb des handwerklichen Berufsbildes.
12 Die handwerkliche Planung und Herstellung eines Wirtschaftsgutes oder die Notwendigkeit seiner ständigen handwerklichen Überwachung, Wartung oder Instandsetzung führt nicht dazu, dass das Wirtschaftsgut dem Handwerk dient. Durch die erhöhte Investitionszulage sollen vornehmlich die zur Ausübung des Handwerks erforderlichen Sachmittel wie z.B. Werkzeuge, Maschinen und Betriebsausstattung besonders gefördert werden, nicht aber vom Handwerker hergestellte Produkte oder von ihm gewartete Anlagen. Daran hält der Senat fest.
13 2. Das FG-Urteil beruht auch nicht auf Verfahrensfehlern.
14 a) Soweit das FG den Antrag der Klägerin auf Verlegung des Termins zur Anhörung von Mitarbeitern der Handwerkskammer bzw. den Antrag in der mündlichen Verhandlung auf deren Vernehmung abgelehnt hat, hat das FG weder den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt noch gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen. Denn bei den von der Klägerin genannten Beweisthemen handelte es sich nicht um streitige Tatsachen (vgl. § 359 Nr. 1 der Zivilprozessordnung —ZPO— i.V.m. § 155 FGO), sondern um Rechtsfragen.
15 b) Mit ihrem Vortrag, das FG hätte den Termin verlegen müssen, um ihrem verantwortlichen Mitarbeiter X die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu ermöglichen, kann die Klägerin im Revisionsverfahren wegen des Verlustes ihres Rügerechts keine Verletzung rechtlichen Gehörs mehr geltend machen. Die Geltendmachung der Verletzung rechtlichen Gehörs gehört zu den verzichtbaren Verfahrensrechten (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Das Rügerecht geht nicht nur durch ausdrücklichen Verzicht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem FG hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Sache verhandelt, ohne die unterlassene Terminsverlegung zu rügen (z.B. , BFH/NV 2006, 806).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 950 Nr. 5
QAAAD-40076