BFH Beschluss v. - X B 242/08

Fehlen einer Entscheidung des BFH begründet nicht das erforderliche Allgemeininteresse; lediglich indizielle Bedeutung der Drei-Objekt-Grenze

Gesetze: EStG § 15 Abs. 2, AO § 176 Abs. 1 Nr. 3

Instanzenzug: ,F

Gründe

1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren die Zulassung der Revision gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht (FG) die Anwendung des § 176 der Abgabenordnung (AO) verneint hat.

2 Der Kläger und ein Geschäftspartner bildeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die am ein unbebautes Grundstück erwarb und darauf ein Mehrfamilienhaus errichtete. Noch vor Fertigstellung erfolgte am , vorgefasster Absicht entsprechend, eine Teilung des Grundbesitzes in sechs Wohnungen, die Auflösung der Gesellschaft und die Auseinandersetzung dahin, dass jeder der Gesellschafter drei Wohnungen erhielt. Die Gesellschafter verkauften die Wohnungen noch im Jahre 1993 mit Gewinn. Die Kaufpreise waren mit Baufortschritt zu zahlen.

3 In den Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheiden vom für das Jahr 1994 und vom 13. bzw. für das Jahr 1995 waren keine Einkünfte aus diesen Veräußerungen enthalten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte die Gewinne zunächst mit Bescheid vom für die Jahre 1993 bis 1995 gesondert und einheitlich bei der Gesellschaft festgestellt und mit Bescheiden vom (für 1994) bzw. (für 1995) die entsprechenden Folgeänderungen bei der Einkommensteuer und der Verlustfeststellung für die Kläger vorgenommen.

4 Das FG hob mit Urteil vom (13 K 3495/98 F) die Feststellungsbescheide auf, da die Gesellschaft keine gemeinsamen Einkünfte erzielt habe. Mit Bescheiden vom änderte das FA die Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheide in der Art, dass die bisherigen Beteiligungseinkünfte in unveränderter Höhe als gewerbliche einzelunternehmerische Einkünfte des Klägers erfasst wurden. Der Einspruch und die unter anderem auf § 176 AO gestützte Klage waren erfolglos. Die Kläger vertraten die Auffassung, bis zum Beschluss des Großen Senats des (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) sei der BFH insbesondere in den Urteilen vom X R 108/88 (BFHE 156, 115, BStBl II 1990, 1051), vom III R 56/85 (BFHE 159, 167, BStBl II 1990, 1054) und vom XI R 17/90 (BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007) von einer strikten Drei-Objekt-Grenze zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen, auf die sie hätten vertrauen dürfen.

5 Das FG verneinte einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf den (BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668).

6 Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung folgender Rechtsfrage geltend:

7 Bestand bis zum Jahr 1995 eine hinreichend eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der bei der Herstellung und nachfolgenden Veräußerung von bis zu drei Grundstücksobjekten kein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen war, auch wenn die Veräußerung bereits vor Fertigstellung der Immobilie erfolgte, so dass einer nachfolgenden Änderung von Steuerbescheiden in Umsetzung der Entscheidung des großen Senats vom (BFH GrS 1/98 vom , BStBl. 2002 II, 291 ff.) die Regelung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegensteht?

8 II. Die Beschwerde ist unbegründet.

9 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erfordert, dass die Allgemeinheit ein abstraktes Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts hat, ferner, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (, BFH/NV 2001, 175). Hieran fehlt es.

10 a) Ein Allgemeininteresse an der Beantwortung der Rechtsfrage besteht nicht.

11 Unabhängig davon, inwieweit es dafür ausreicht darzustellen, dass diese Frage für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung sei (verneinend u.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 175), ist nicht erkennbar, dass sich die Frage tatsächlich noch in einer nennenswerten Anzahl von Fällen stellen wird. Das gilt insbesondere, weil die Kläger —wohl wegen des Vorlagebeschlusses in BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668— ihre Frage auf die Fallgruppe der Veräußerung vor Fertigstellung reduziert haben. Angesichts der mittlerweile verflossenen Zeit können derartige Fälle regelmäßig nur noch unter besonderen Umständen, wozu im Streitfalle die vormalige Erfassung der Einkünfte in Feststellungsbescheiden zählt, zur Entscheidung anstehen.

12 Vielmehr werfen die Kläger trotz der abstrakten Formulierung ihrer Frage durch die Einschränkung auf eine spezielle Sachverhaltskonstellation im Grunde lediglich die Frage auf, wie allgemeine Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall anzuwenden sind. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet nicht das erforderliche Allgemeininteresse (u.a. , BFH/NV 2008, 753).

13 b) Die Rechtsfrage ist außerdem nicht klärungsbedürftig.

14 Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt oder aus anderen Gründen eindeutig ist oder wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (vgl. u.a. , BFH/NV 2006, 908). So verhält es sich hier.

15 aa) Die Inanspruchnahme von Vertrauensschutz nach § 176 AO setzt eine zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Bescheides gefestigte Rechtsprechung voraus ( (BFHE 187, 512, BStBl II 1999, 468), die eindeutig nicht oder jedenfalls nicht mehr vorhanden war, als im Jahre 1997 die ersten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre ergingen. Es existieren wenigstens vier höchstrichterliche Entscheidungen, die die Drei-Objekt-Grenze nicht als strikte Grenze, sondern lediglich als Indiz bezeichnet haben.

16 aaa) Der Vorlagebeschluss in BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668 wurde im Jahre 1993 und damit weit vor dem erstmaligen Erlass der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre veröffentlicht. Er erläutert ausdrücklich, die Drei-Objekt-Grenze sei nach dem Verständnis des Senats lediglich ein Indiz, und zwar gerade nicht nur für bestimmte Fallgestaltungen.

17 Selbst wenn einzelne BFH-Urteile vor dem Vorlagebeschluss anders verstanden werden konnten, musste seit dieser Vorlage damit gerechnet werden, dass die Drei-Objekt-Grenze nur noch als Indiz für die Gewerblichkeit herangezogen werden würde.

18 bbb) Der Große Senat des BFH hat sich mit Beschluss vom GrS 1/93 (BFHE 178, 86, 90, BStBl II 1995, 617) dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen und ausgeführt, dass die Zahl der Objekte und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten indizielle Bedeutung habe und eine nichtsteuerbare Vermögensverwaltung „im Regelfall” dann anzunehmen sei, wenn nicht mehr als drei Wohneinheiten angeschafft und veräußert würden.

19 ccc) Entsprechend hat der (BFH/NV 1996, 477) in dem Streit, dem auch der Vorlagebeschluss entsprang, nochmals ausdrücklich von der lediglich indiziellen Bedeutung der Drei-Objekt-Grenze gesprochen.

20 ddd) Immer noch vor Erlass der erstmaligen Einkommensteuerbescheide im Streitfall hat der BFH wiederum unmissverständlich ausgeführt (Urteil vom X R 255/93, BFHE 180, 51, BStBl II 1996, 303), dass sich die Zuordnung einer Tätigkeit zum gewerblichen Grundstückshandel nach dem Gesamtbild der Verhältnisse richtet. Wenn sich danach eine Zuordnung zum Bild des Gewerbebetriebes ergibt, kann dieses Ergebnis nicht mehr auf Grund der Indizwirkung einer geringen Zahl von Objekten korrigiert werden.

21 bb) Im Übrigen stand § 176 AO der Änderung der Bescheide auch deshalb nicht entgegen, weil das FA die Drei-Objekt-Grenze bei Erlass der ursprünglichen Bescheide nicht angewandt hat.

22 Zwar kann grundsätzlich vermutet werden, dass das FA eine bestimmte Rechtsprechung angewandt hat, wenn der Bescheid im Ergebnis der Rechtsprechung entspricht. Vorliegend kann jedoch umgekehrt festgestellt werden, dass das FA diese Rechtsprechung nicht angewandt hat. Es hat über die Feststellungsbescheide zum Ausdruck gebracht, dass es den gesamten Vorgang für einen gewerblichen Grundstückshandel halte. Das FA hat die Gewinne nicht etwa deshalb in den Einkommensteuerbescheiden der Gesellschafter nicht erfasst, weil es davon ausgegangen wäre, diese seien nicht steuerbar, sondern weil es davon ausging, diese seien anderweit zu erfassen. An der Gewerblichkeit als solcher hatte es keine Zweifel.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 674 Nr. 4
IAAAD-38253