BVerwG Beschluss v. - 6 B 35.09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: VGH Bayern, VGH 10 BV 08.1494 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein

Gründe

Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung stützt, hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger bringt im Wege der Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor, das Berufungsurteil verstoße gegen die Entscheidungen des u.a. - (NJW 2001, 2459) und des BVerwG 6 C 23.06 - (BVerwGE 129, 42 = Buchholz 402.44 VersG Nr. 13). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, der untersagte Veranstaltungsteil unterfalle nicht dem Schutz von Art. 8 GG; es habe sich nicht um eine Versammlung gehandelt; im Vordergrund habe der Unterhaltungszweck gestanden. Es habe sich um Aktivitäten gehandelt, die allgemein in Vereinsversammlungen stattfänden und die internen Vereinszwecken dienten, nicht aber der öffentlichen Meinungsbildung. Damit verstoße das Berufungsurteil gegen die vorgenannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. In diesen Entscheidungen werde dargelegt, dass der Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet sei, sobald eine Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sei mit dem Ziel, auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Im Zweifelsfall sei von einer Versammlung auszugehen. Äußerungen im Vorfeld, die dem Veranstalter zurechenbar seien, seien jedenfalls dann von Relevanz, wenn bei der geplanten Veranstaltung selbst Elemente der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung für den Außenstehenden erkennbar gewesen wären. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe entgegen dieser Rechtsprechung Äußerungen des Klägers im Vorfeld der geplanten Veranstaltung nicht in der vom Bundesverwaltungsgericht verlangten Gewichtung in die Gesamtbetrachtung einbezogen. Dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen an eine Divergenzrüge.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18); für die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes) gilt Entsprechendes (vgl. BVerwG 11 B 116.93 - Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 22). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (vgl. BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55). Daran gemessen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, da sie nicht Verstöße abstrakter Rechtssätze im Berufungsurteil gegen solche in den herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts dartut, sondern im Stil einer Berufungsbegründung die Rechtsanwendung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für fehlerhaft hält. Diesem Vorbringen könnte erst im Falle einer zugelassenen Revision nachgegangen werden.

2. Ebenso wenig ist die Revision unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

a) Im Wege der Grundsatzrüge wendet der Kläger sich gegen Ausführungen im Berufungsurteil, wonach die Veranstaltung nicht als Gesamtveranstaltung geplant gewesen sei und deshalb neben dem Gesamtbild auch die einzelnen Elemente, nämlich die beiden Filmvorführungen und die Tanzveranstaltung einzeln in den Blick zu nehmen gewesen seien, wie sich bereits aus der vom Kläger selbst vorgenommenen Teilung ergebe. In der Einladung werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme an jedem einzelnen Film und an der Tanzveranstaltung gesondert möglich gewesen wäre. Damit widerlege der Kläger selbst sein Vorbringen, es handele sich um eine einheitliche Veranstaltung. Das Bereithalten und Verteilen von schriftlichem Informationsmaterial verhelfe der Tanzveranstaltung ebenfalls nicht zur Charakterisierung als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG, denn damit weise der Kläger lediglich auf seine eigenen Belange hin und verfolge offensichtlich das Ziel, Mitglieder zu gewinnen. Das gleiche gelte für das geplante Aufstellen von Informationsständen (s. Berufungsurteil, [...] Rn. 36).

Nach Ansicht des Klägers wird damit die Frage von Grundsatzbedeutung aufgeworfen, ob es zulässig sei, dass die Behörde oder das Gericht eine als einheitlich geplante Veranstaltung in zwei Teile trenne und den ersten als (allenfalls) zulässige Meinungsäußerung ansehe und den zweiten als reine Musikveranstaltung deklariere.

Diese Frage kann schon deshalb nicht zum Erfolg der Grundsatzbeschwerde führen, weil sie aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich war. Rechtsfragen, die sich für das Berufungsgericht nicht gestellt haben und die deshalb von ihm nicht mit entscheidungstragenden Erwägungen beantwortet worden sind, können regelmäßig - und auch hier - nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 B 14.06 - [...] Rn. 11 und vom - BVerwG 6 B 61.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 Rn. 3). Bei den von der Beschwerde angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts zur "Teilbarkeit" der Veranstaltung handelt es sich erkennbar um eine Hilfsbegründung, denn die Vorinstanz ist in erster Linie davon ausgegangen, dass bei der Gesamtveranstaltung der Unterhaltungszweck im Vordergrund stand. Im Übrigen ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, soweit sie überhaupt verallgemeinerungsfähig ist, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinreichend geklärt. In dem vom Kläger in Bezug genommenen ist ausgeführt, dass die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen ist, wobei das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden (a.a.O. Rn. 16). Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Unterscheidung zwischen den Filmvorführungen einerseits und der nachfolgenden Tanzveranstaltung andererseits beruht auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls und lässt eine fallübergreifende Rechtsproblematik nicht erkennen.

b) Mit einer weiteren Grundsatzrüge wendet der Kläger sich gegen Ausführungen im Berufungsurteil, wonach sich eine Verfassungswidrigkeit von Art. 3 Abs. 2 Satz 3 FTG nicht daraus ergebe, dass filmische Darbietungen von Musikveranstaltungen entsprechend einer Vereinbarung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) mit allen Bundesländern erlaubt seien. Insoweit verkenne der Kläger, dass ein Live-Auftritt einer Musikgruppe nicht mit einer filmischen Darstellung verglichen werden könne. Zudem würden von der FSK für den Karfreitag keine Filme freigegeben, die dem Charakter dieses Feiertags so sehr widersprächen, dass eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens zu befürchten sei (Berufungsurteil a.a.O. Rn. 47).

Damit stelle sich die Frage von Grundsatzbedeutung, ob diese (gesetzeswidrige) Differenzierung der Verwaltungspraxis nicht eine willkürliche Ungleichbehandlung von Live-Darbietungen gegenüber filmischen Darbietungen darstelle, die gegen Art. 3 GG verstoße. Von Grundsatzbedeutung sei außerdem die Frage, ob nicht Live-Veranstaltungen entsprechend Film-Veranstaltungen dann zuzulassen seien, wenn die Art der Musikdarbietung dergestalt sei, dass "eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens" nicht zu befürchten sei. Die geplante Musik-Darbietung durch die Band "Heilig" hätte in ihrer Art und Weise dem religiösen und sittlichen Empfinden nicht widersprochen.

Diese Rüge führt nicht zum Erfolg. Sie behauptet den Verstoß einer auf Landesrecht - nämlich Art. 3 Abs. 2 Satz 3 FTG - beruhenden Verwaltungspraxis gegen Recht der Bundesverfassung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung bzw. Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO wird nicht schon dadurch genügt, dass eine maßgebliche Norm des Landesrechts als bundesrechtlich bedenklich angesehen wird. Darzulegen sind vielmehr die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit sowie die Entscheidungserheblichkeit in dem anhängigen Verfahren (vgl. nur Beschlüsse vom - BVerwG 6 BN 2.05 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 80 S. 85 f. und vom - BVerwG 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 m.w.N.). Derartige Darlegungen im Hinblick auf Art. 3 GG sind der Beschwerdebegründung auch nicht ansatzweise zu entnehmen.

c) Im Wege der Grundsatzrüge wendet der Kläger sich ferner gegen Ausführungen im Berufungsurteil, wonach unter Berücksichtigung des Toleranzgebotes und des hieraus geforderten Bemühens aller Beteiligten, Recht und Empfindungen des jeweils Andersdenkenden so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, die geringfügige Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers - durch die stille Begehung des Karfreitags seitens der Christen - nicht zur Verfassungswidrigkeit des Art. 3 Abs. 2 Satz 3 FTG führe (Berufungsurteil a.a.O. Rn. 44). Dies gelte auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger eine Weltanschauungsgemeinschaft in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sei.

Durch die Regelungen im Feiertagsgesetz werde der Kläger nicht in seinem Status als Weltanschauungsgemeinschaft beeinträchtigt. Das Feiertagsgesetz enthalte keine Bestimmungen, die sich direkt an Weltanschauungsgemeinschaften richteten. Vielmehr wende sich das Verbot der Durchführung von musikalischen Darbietungen am Karfreitag an jedermann. Dies könne sowohl eine Privatperson als auch eine juristische Person sein (Berufungsurteil a.a.O. Rn. 45).

Die in der Praxis vorgenommene Differenzierung der Auslegung von Art. 3 Abs. 2 Satz 3 FTG wirft nach Ansicht des Klägers die Frage auf, ob nicht in seiner Stellung als Weltanschauungsgemeinschaft ein Differenzierungsgrund liege, der zu einer Gestattung der Veranstaltung entsprechend Filmveranstaltungen hätte führen müssen. Die Grundsatzrelevanz der aufgeworfenen Frage liege darin, ob nicht - wenn schon differenziert werde - die Differenzierung auch zu berücksichtigen habe, wer die Musikveranstaltung vor welchem Hintergrund (Ausdruck einer Weltanschauung) und zu welchem Zweck (kommerzielle Interessen) durchführe, und diesen Gesichtspunkten höheres Gewicht beizumessen sei als der Herkunft der Schallquellen (Live-Band, Tonträger oder Film; Beschwerdebegründung S. 7).

Die aufgeworfene Frage bleibt als Grundsatzrüge ohne Erfolg, weil die Beschwerde auch insoweit jegliche Darlegung vermissen lässt, ob und inwieweit eine bundesrechtliche Norm einer weitergehenden revisionsgerichtlichen Klärung bedarf.

d) Im Wege der Grundsatzrüge bringt der Kläger außerdem vor, seiner Eigenschaft als Weltanschauungsgemeinschaft komme mehr Gewicht zu, als ihr der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zubillige. Das Gericht verlange vom nicht-christlichen Bevölkerungsteil an den stillen Tagen, die eigene Weltanschauung nicht zu leben, und zwar allein deshalb, weil sich "ein Christ dem Gedanken an das Vorhaben des Klägers" nicht entziehen könne. Es stelle sich die Frage von Grundsatzbedeutung, ob, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dies postuliere, schon die Tatsache, "dass sich ein Christ dem Gedanken an das Vorhaben des Klägers nicht entziehen kann", die staatliche Bevorzugung dieser Intoleranz rechtfertige. Damit sei auch die Frage von Grundsatzbedeutung aufgeworfen, ob nicht die Zuweisung eines dergestalt übermäßigen Schutzraums für Christen - der nicht an eine tatsächliche Störung anknüpfe, sondern an eine bloße, subjektiv als unerträglich empfundene Vorstellung einer anderen Lebensform - gegen die negative Gewissensfreiheit im Sinne von Art. 4 GG bzw. gegen die aktive Gewissensbetätigung des Klägers als Weltanschauungsgemeinschaft verstoße. Es stelle sich mithin die Frage von Grundsatzbedeutung, ob nicht aus Art. 4 GG das Recht des Klägers folge, auch an stillen Tagen Musikveranstaltungen durchzuführen, wenn hierdurch eine gedankliche, nicht aber eine tatsächliche Störung anderer Weltanschauungen verbunden sei (Beschwerdebegründung S. 8 - 9). Die Argumentation, dem Kläger könne abverlangt werden, an anderen Tagen im Jahr seine eigenen Anschauungen zu betätigen, verkenne, dass der Kläger in Konkurrenz zu gnostischen Weltanschauungen stehe und hieraus zwangsläufig ein Bedürfnis entstehe, die an bestimmten Tagen besonders deutlich werdende Unterscheidung auch zu leben (ergänzende Beschwerdebegründung S. 4).

Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Sie wirft keine Frage des Bundesverfassungsrechts auf, die mangels Vorliegens höchstrichterlicher Rechtsprechung im Wege eines Revisionsverfahrens beantwortet werden müsste. Die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob nicht aus Art. 4 GG das Recht des Klägers folge, auch an stillen Tagen Musikveranstaltungen durchzuführen, wenn hierdurch eine gedankliche, nicht aber eine tatsächliche Störung anderer Weltanschauungen verbunden sei, führt nicht auf die grundsätzliche Klärung einer allgemeinen Verfassungsrechtsfrage, sondern zur Lösung eines behaupteten konkreten Konflikts von zwei verfassungsrechtlichen Positionen. Dabei handelt es sich um die Beantwortung einer Einzelfallfrage, die sich im Übrigen auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Wertung hier nicht stellt. Denn danach handelte es sich bei der vom Kläger geplanten Tanzveranstaltung nicht um den Ausdruck eines bestimmten Bekenntnisses und schon gar nicht um die Bekundung einer Weltanschauung. Davon abgesehen ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie auch des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Schutzgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV konkretisiert wird, der den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage kraft Verfassungsrechts einem besonderen staatlichen Schutzauftrag unterstellt, der - zumindest auch - in der christlich-abendländischen Tradition wurzelt und kalendarisch an sie anknüpft. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, im Rahmen der ihm zukommenden Gestaltungsmacht, den verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Feiertagsschutz mit anderen bedeutsamen Belangen zum Ausgleich zu bringen (so zuletzt u.a. - [...] Rn. 148, 153; vgl. ferner BVerwG 1 B 14.94 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 54 S. 5 f., jeweils m.w.N.). Mit diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen setzt sich die Beschwerde nicht, wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, in der Weise auseinander, dass ein zusätzlicher Klärungsbedarf erkennbar wäre.

e) Mit einer weiteren Grundsatzrüge wendet der Kläger sich dagegen, dass das Berufungsurteil seinen Schutzanspruch aus Art. 9 EMRK verneine, weil dieser nicht weiter gehe als Art. 4 GG und Art. 107 der Bayerischen Verfassung (BV). Es stelle sich die Frage von Grundsatzbedeutung, ob nicht aus Art. 11 EMRK (richtig: Art. 9 EMRK) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folge, dass Art. 3 Abs. 2 Satz 3 FTG so auszulegen sei, dass das Verbot für anerkannte Weltanschauungsgemeinschaften und ihre Anhänger dann nicht eingreife, wenn ihre Aktivitäten zu keiner tatsächlichen Störung der Glaubensbetätigung anderer führten.

Die Grundsatzrüge bleibt ohne Erfolg, denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage würde sich dem Senat in dem erstrebten Revisionsverfahren in dieser allgemeinen Form nicht stellen. Nach Art. 9 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst u.a. die Freiheit des Einzelnen, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat auszuüben. Die Frage, inwieweit der gesetzlich ausgestaltete Feiertagsschutz in die konventionsrechtlich gewährleistete Weltanschauungsfreiheit einer anerkannten Weltanschauungsgemeinschaft und ihrer Anhänger überhaupt eingreifen kann, hängt in jedem Einzelfall davon ab, ob ihre mit der Feiertagsruhe kollidierende Betätigung ihrerseits Bekenntnischarakter hat. Das Berufungsgericht hat dies, wie bereits ausgeführt, für den vorliegenden Fall ausdrücklich verneint. Ob dieser Auffassung zuzustimmen ist, betrifft nur den Einzelfall und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung.

f) Schließlich wendet der Kläger sich im Wege der Grundsatzrüge gegen Ausführungen im Berufungsurteil, wonach weder das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) noch sein Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK) beeinträchtigt seien. Die für den Karfreitag vorgesehene Tanzveranstaltung sei weder eine Versammlung, noch sei ihr eine Meinungsäußerung zu entnehmen gewesen. Ob der Kläger sich auf Art. 8 EMRK berufen könne, könne offenbleiben, denn der Gewissens- und Religionsfreiheit sei als speziellerer Norm grundsätzlich der Vorrang einzuräumen. Das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit gemäß Art. 9 EMRK schütze den Kläger nicht weitergehend als Art. 4 GG und Art. 107 BV, denn die verbotene Tanzveranstaltung sei kein Ausdruck einer Weltanschauung (Berufungsurteil a.a.O. Rn. 52).

Nach Ansicht des Klägers wäre der Anwendungsbereich von Art. 11 EMRK betroffen, wenn man der Argumentation des Berufungsgerichts folge, wonach Art. 9 EMRK nicht betroffen sei, weil es hier nicht um die aktive Betätigung der Weltanschauung gehe (weil Musik und Tanz als solche kein Ausdruck eines bestimmten Bekenntnisses seien - was aber tatsächlich nicht zutreffe, weil sie im Kontext der Veranstaltung ein demonstratives, negatives Bekenntnis seien). Es stelle sich dann die Frage von Grundsatzbedeutung, ob das Verbot und die Rechtfertigung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht gegen Art. 11 EMRK verstießen. Dabei sei zu beachten, dass Art. 11 EMRK weiter reiche als Art. 8 GG. Art. 11 EMRK umfasse nicht nur die kollektive Meinungsäußerungsfreiheit, sondern auch die Vereinigungsfreiheit, die nicht nur den Zusammenschluss zum Zwecke einer Vereinigung gewährleiste, sondern auch die Betätigung dieser Vereinigung, die zudem durch den Schutzbereich von Art. 8 und 10 EMRK umfasst sei. Die Schranken entsprächen denen von Art. 9 Abs. 2 EMRK. Gehe man nicht davon aus, dass der Schutzbereich von Art. 9 EMRK eröffnet sei, stelle sich die Frage von Grundsatzbedeutung, ob nicht Art. 11 EMRK i.V.m. Art. 10 und 8 EMRK geböten, dass Art. 3 Abs. 2 Satz 3 FTG so auszulegen sei, dass die Untersagung der Veranstaltung gegenüber dem Kläger unzulässig sei.

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich auf die konkret untersagte Veranstaltung und damit nur auf den Einzelfall bezieht. Das Berufungsgericht hat einen Eingriff in das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) bzw. das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK) verneint, weil der für den Karfreitag vorgesehenen Tanzveranstaltung weder eine Meinungsäußerung zu entnehmen gewesen sei, noch es sich um eine Versammlung gehandelt habe. Ob diese Wertung zutrifft, hat wiederum keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
ZAAAD-37031