BGH Beschluss v. - IV ZR 340/07

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Karlsruhe, 6 S 13/07 vom AG Karlsruhe, 2 C 316/06 vom

Gründe

I. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Wenngleich zu der vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig gehaltenen Frage zur Wirksamkeit der Abfindungsregelung in § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VBLS i.V. mit den Ausführungsbestimmungen - jedenfalls in ihrer aktuellen Fassung - noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist (vgl. aber Senatsurteil vom - IV ZR 255/02 - VersR 2006, 639 zu § 59 VBLS a.F.), ist ein Zulassungsgrund i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben. Der Rechtssache kommt vor allem keine grundsätzliche Bedeutung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies setzte voraus, dass die genannte für klärungsbedürftig gehaltene Frage in Rechtsprechung und Literatur oder den beteiligten Verkehrskreisen unterschiedlich beurteilt wird (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 319/02 - VersR 2004, 225 unter 2 a; - VersR 2003, 1144 unter 1 a). Das zeigen weder das Berufungsgericht noch die Revision auf und ist auch nicht ersichtlich. Mit Blick darauf ist auch eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO nicht geboten.

II. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Abfindungsregelung in § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VBLS i.V. mit den Ausführungsbestimmungen zu Recht nicht beanstandet.

1. Die auf tarifvertraglicher Ermächtigung in § 22 Abs. 2 Satz 2 ATV beruhende Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS sieht vor, dass Betriebsrenten, deren Monatsbetrag 1% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigt, abzufinden sind, wobei es auf die Zustimmung des Berechtigten nicht ankommt. Die Abfindung ist vielmehr "von Amts wegen" vorzunehmen und führt zum Erlöschen des Rentenanspruches (vgl. Senatsurteil vom a.a.O. unter II 2 zu § 59 VBLS a.F.; Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, B § 59 Anm. 1 a S. 270). Das ist hinzunehmen, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass den Tarifvertragsparteien bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Regelungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (vgl. BGHZ 174, 127 Tz. 35; BAGE 118, 326, 337 m.w.N.). Begründete Anhaltspunkte dafür, dass dieser Spielraum, der der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie Rechnung trägt (vgl. BGHZ a.a.O. Tz. 34 ff.; BAG ZTR 2005, 263, 264), hier überschritten wurde, sind nicht dargetan und auch nicht erkennbar.

a) Entgegen der Ansicht der Revision liegt insbesondere kein Eingriff in eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition vor. Zwar weist sie im Ansatz zutreffend darauf hin, dass der Senat die mit Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalles bestehenden Rentenansprüche aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - ebenso wie das BAG die Rentenansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BAGE 101, 186, 194; BAG ZTR a.a.O. 263; DB 2004, 2590, 2591) - dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterstellt hat (BGHZ 155, 132, 140; ebenso OLG Karlsruhe VersR 2005, 253, 254). Wie weit dieser Schutz reicht, hängt aber vom Inhalt der die Versorgung bestimmenden privatrechtlichen Vereinbarungen ab (vgl. BGHZ 174 a.a.O. Tz. 41; BAGE 101 a.a.O. 194 f.; - veröffentlicht in [...] Tz. 35). Über die eingeräumten Ansprüche hinausgehende Rechtspositionen gewährleistet Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Auch bloße Chancen und Erwartungen werden nicht geschützt (BGHZ 174 a.a.O.; BA-GE 101 a.a.O.; a.a.O. Tz. 34).

aa) Nach diesen Kriterien scheidet im Hinblick auf die in § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS bezeichneten Kleinrenten ein von Art. 14 Abs. 1 GG geschützter Anspruch auf eine monatliche Rente aus. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, wird durch die genannte Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS der Inhalt des (späteren) Versorgungsanspruches ausgestaltet, der danach für Renten, deren Monatsbetrag 1% der monatlichen Bezugsgröße des § 18 SGB IV nicht übersteigt, von vornherein auf Abfindung durch Zahlung eines einmaligen Kapitalbetrages bei Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalles gerichtet ist, ohne dass es auf die Zustimmung des Berechtigten ankommt. Ein Anspruch auf Auszahlung einer monatlichen Rente als solcher entsteht daher nicht. Die erbrachte Abfindung stellt sich vielmehr als zugesagte Leistung und daher - anders als etwa bei § 3 Abs. 2 BetrAVG - als Erfüllung dar.

bb) Diese Regelung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision gehört zum besonders eigentumsgeschützten Kern eines Rentenanspruchs weder eine bestimmte Leistungshöhe noch - art. Nur die auf Beitragsleistungen gründenden Elemente oder Faktoren der Anspruchskonstituierung sind in den besonderen Eigentumsschutz ein-bezogen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 56/03 - VersR 2004, 453 unter II 1 d; Papier in Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz Band II Lfg. Juni 2002 Art. 14 GG Rdn. 141). Diese werden durch die Abfindungsregelung, die - wie im Folgenden noch näher ausgeführt wird - auf eine wertgleiche Ablösung des Rentenanspruches gerichtet ist, nicht berührt. Die gleichwohl vor allem zu beachtenden allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes, die auch für die Tarifvertragsparteien und den Satzungsgeber maßgeblich sind (vgl. BGHZ 178, 101 = VersR 2008, 1677 Tz. 26; BAGE 118, 326, 337), sind nicht verletzt.

Insbesondere hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass es bei Betriebsrenten, die aufgrund ihrer geringen Höhe keinen wesentlichen Beitrag zur Altersversorgung des Berechtigten leisten können, hinzunehmen ist, wenn zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands statt der monatlichen Rente die Zahlung eines einmaligen Kapitalbetrages vorgesehen ist (vgl. auch OLG Karlsruhe ZTR 2008, 268; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT Teil VII ATV Erl. 22.3.1; Kiefer/Langenbrinck, Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, ATV § 22 Erl. 3 S. 3). Hiervon ist für die in § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS bezeichneten Kleinrenten auszugehen, wobei es entgegen der Ansicht der Revision insoweit nicht darauf ankommt, welche Verwaltungskosten die Beklagte konkret erspart und daher von der Beklagten nicht dargelegt werden mussten. Zudem ist auch die Abfindungsgrenze von 1% der monatlichen Bezugsgröße des § 18 SGB IV nicht zu beanstanden. Sie entspricht der gesetzlichen Regelung in § 3 Abs. 2 BetrAVG und war nachvollziehbar veranlasst (vgl. hierzu Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom in Kiefer/Langenbrinck, Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, C 4.6 S. 6).

Im Übrigen ist die Möglichkeit einer Abfindung von Kleinrenten seit jeher in der Satzung der Beklagten geregelt (vgl. § 47 VBLS in der Fassung vom - abgedruckt in Iltgen, Versorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst 2. Aufl. B § 47 S. 94), so dass sich ein besonderes Vertrauen, bei Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalles in jedem Fall monatliche Rentenzahlungen zu erhalten, nicht gebildet haben kann.

b) Darüber hinaus liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Dieser ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 105, 73, 110; 55, 72, 88; BVerfG VersR 2000, 835, 837). Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Soweit zum einen geregelt ist, dass Betriebsrenten in monatlichen Beträgen erbracht (§ 35 Abs. 1 VBLS), zum anderen, dass (Klein-)Renten abgefunden werden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS), werden nicht etwa verschiedene Normadressaten ungleich behandelt. Betroffen ist vielmehr nur ein und derselbe Rentenberechtigte, der je nach Höhe der errechneten Betriebsrente anders behandelt wird, wobei nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich ist, dass diese Regelung auf Willkür beruht. Ob es sich dabei um die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelungsmöglichkeit handelt, ist nicht entscheidend (BGHZ 178, 101 = VersR 2008, 1677 Tz. 26; BVerfGE 55, 72, 90; 36, 174, 189). Zudem kann sich eine Abfindung durch Kapitalzahlung je nach Lage des Einzelfalles sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auswirken.

2. Die in § 43 Abs. 2 Satz 2 VBLS i.V. mit den Ausführungsbestimmungen geregelte Berechnung des Abfindungsbetrages begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Nach Abs. 1 Satz 1 der Ausführungsbestimmungen wird der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS maßgebende Abfindungsbetrag berechnet, indem die Rente, die dem Berechtigten im Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs zustand, mit einem altersabhängigen Faktor vervielfacht wird. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, bedeutet das nicht, dass damit nur die entsprechende Anzahl an Monaten abgefunden wird (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, B § 59 Anm. 1 S. 270a). Die Abfindungsfaktoren dienen der Ermittlung des so genannten Leistungsbarwertes für laufende Renten (vgl. Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom in Kiefer/Langenbrinck a.a.O. C 4.4 S. 18; Gilbert/Hesse a.a.O. S. 269d). Sie sind daher nach versicherungsmathematischen Grundsätzen bestimmt worden unter Berücksichtigung des neuen Leistungsrechts des Versorgungspunktemodells (vgl. hierzu Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom a.a.O.). So wurde für die Abfindungsfaktoren auf die Rechnungsgrundlagen abgestellt, die den für die Berechnung der monatlichen Betriebsrente maßgeblichen Altersfaktoren i.S. von § 36 VBLS zugrunde liegen. Insbesondere wurden die Richttafeln 1998 von Klaus Heubeck herangezogen. Zudem wurde der Rechnungszins mit der in den Altersfaktoren während der Leistungsphase berücksichtigten Höhe von 5,25% angesetzt (vgl. Beschluss a.a.O.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese a.a.O. Vorbem. 3.5.4; Erl. 8.8.2).

b) Hiernach ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt, dass die Beklagte den ihr durch die tarifvertragliche Regelung des § 22 Abs. 2 Satz 1 ATV für die Ermittlung des Abfindungsbetrages eingeräumten Spielraum überschritten und etwa in eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Bestimmung des Abfindungsbetrages dem Leistungsversprechen der Beklagten für die Rentenzahlungen entspricht und die Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VBLS auf eine wertgleiche Ablösung des Rentenanspruches gerichtet ist. Insbesondere sind danach keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Regelung gegeben, zumal den betriebsrentenrechtlichen Anforderungen nach §§ 3 Abs. 5, 4 Abs. 5 BetrAVG genügt wird (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese a.a.O. Erl. 22.3.5 S. 203).

c) Soweit sich die Revision gegen die Höhe des angesetzten Rechnungszinses von 5,25% wendet, ist dem - wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - nicht zuzustimmen. Die Revision beruft sich insoweit darauf, dass für die Klägerin bei Anlage des Abfindungsbetrages lediglich ein Zinssatz in Höhe von 1% bis 3,25% erzielbar sei, was indes nicht maßgeblich sein kann. Zum einen findet sich nach dem Leistungsversprechen keine Grundlage dafür, auf den vom Empfänger der Abfindung statt auf den vom Versorgungsträger erzielbaren Zinssatz abzustellen (vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese a.a.O. Erl. 8.8.2). Zum anderen kann ein niedrigerer Rechnungszins bei der Bestimmung des Abfindungsbetrages vor allem deshalb nicht berücksichtigt werden, weil dies im Hinblick darauf, dass die entsprechende Verzinsung von 5,25% der Versorgungszusage für die Betriebsrente zugrunde liegt, ohne sachlichen Grund zu einer Benachteiligung derjenigen führte, deren Renten - anders als bei der Klägerin - nicht abgefunden werden. Entsprechendes gilt, soweit die Revision darüber hinaus die Berücksichtigung einer höheren Sterblichkeitsziffer fordert.

Ferner ist entgegen der Ansicht der Revision keine unzureichende Berücksichtigung einer zu gewährenden Dynamisierung anzunehmen. Entsprechend dem Vorbringen der Beklagten ist bei der zugrunde gelegten Verzinsung von 5,25% eine Dynamisierung der laufenden Renten in Höhe von 1% einkalkuliert (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, a.a.O. Erl. 8.8.2 a.E.).

Fundstelle(n):
VAAAD-36928