BGH Beschluss v. - V ZB 87/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Rostock, 3 U 165/08 vom LG Stralsund, 4 O 31/07 vom

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs. Das Landgericht hat die Klage nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am zugestellt.

Mit per Telefax am bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingegangenem Antrag hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts beantragt. Dem Antrag war ein Entwurf der Berufungsbegründung beigefügt, nicht jedoch die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Diese gingen als Anlage zu dem auch per Post an das Oberlandesgericht übermittelten Antrag dort am ein.

Mit am der Klägerin zugestellter Verfügung vom wies der Vorsitzende des zur Entscheidung berufenen Senats des Oberlandesgerichts den Prozessbevollmächtigten der Klägerin hierauf hin.

Mit am bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Antrag vom hat die Klägerin daraufhin ausgeführt, die Übermittlung der nach § 117 Abs. 4 ZPO notwendigen Anlagen zu dem Prozesskostenhilfeantrag sei am aufgrund eines Versehens einer Mitarbeiterin in der Kanzlei ihres Bevollmächtigten unterblieben. Mit Beschluss vom , der Klägerin zugestellt am , hat das Oberlandesgericht den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt, die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie den Antrag auf Wiedereinsetzung weiterverfolgt.

II. Das Berufungsgericht meint, die Berufung und die Berufungsbegründung seien verspätet. Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung beider Fristen stehe entgegen, dass die Wiedereinsetzungsfrist versäumt sei. Einer Partei, die nicht in der Lage sei, die Kosten eines Berufungsverfahrens zu tragen, sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und ggf. der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, wenn sie innerhalb der Berufungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt und mit deren Gewährung habe rechnen können. Voraussetzung hierfür sei grundsätzlich, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe einschließlich der notwendigen Anlagen innerhalb der Berufungsfrist bei dem Berufungsgericht eingehe. Daran habe es gefehlt.

Das schließe die Wiedereinsetzung zwar nicht aus, wenn das Unterbleiben der rechtzeitigen Übermittlung der nach § 117 Abs. 4 ZPO notwendigen Anlagen zu dem Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht vorwerfbar sei. Dies könne der Klägerin jedoch nicht helfen, weil ihr die Unvollständigkeit des Prozesskostenhilfeantrags durch die Verfügung vom am mitgeteilt worden sei und damit gemäß § 234 Abs. 1, 2 ZPO die Frist zu laufen begonnen habe, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu beantragen. Zugleich habe die Klägerin gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Berufung einlegen müssen. Dies sei nicht rechtzeitig geschehen.

III. Die gemäß §§ 574 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die angefochtene Entscheidung verletzt den verfassungsrechtlich gewährleitsteten Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den Gerichten.

1. Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung wegen wirtschaftlichem Unvermögens unterbleibt, so ist die Frist unverschuldet versäumt, sofern die Partei bis zu deren Ablauf um Prozesskostenhilfe nachsucht oder - im Falle eines fehlenden Verschuldens - der Antrag auf Prozesskostenhilfe noch später - innerhalb der Frist des § 234 ZPO - gestellt wird (, NJW 2002, 2180; Hk-ZPO/Saenger, 3. Aufl., § 233 Rdn. 24; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 234 Rdn. 8; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rdn. 23, Stichwort "Prozesskostenhilfe"; v. Pentz NJW 2003, 858, 859 f.). Andernfalls würde die Partei, die das Rechtsmittel einlegen will, entgegen den anerkannten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Vergleich zu einer bemittelten Partei unverhältnismäßig benachteiligt, weil sie die Berufung einlegen und gegebenenfalls begründen müsste, obwohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind.

So liegt es hier. Im Hinblick darauf, dass der Klägerin im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe gewährt worden war, durfte sie der Auffassung sein, dass sie innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen, nach der Entscheidung über diesen Antrag Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist beantragen und die Berufung einlegen und begründen könne. Hierzu hatte die Klägerin den Prozesskostenhilfeantrag einschließlich der nach § 117 Abs. 4 ZPO notwendigen Anlagen innerhalb der Berufungsfrist dem Berufungsgericht zu übermitteln. Daran fehlte es hinsichtlich der Übermittlung der Anlagen, die erst am bei dem Berufungsgericht eingegangen waren.

Hiervon hat die Klägerin am erfahren. Damit begann die entsprechend § 234 Abs. 1 ZPO zu bestimmende Frist, den Grund der Verzögerung und die Umstände darzustellen, nach denen die Verzögerung nicht auf einem der Klägerin vorzuwerfenden Verhalten beruhte. Dies hat die Klägerin rechtzeitig getan, indem sie mit dem am eingegangenen Schriftsatz ausgeführt und glaubhaft gemacht hat, dass ihr die Verspätung der Übermittlung der Anlagen nicht zugerechnet werden kann, weil sie auf einem Versehen einer zuverlässigen und stichprobenweise überwachten Kanzleiangestellten ihres Prozessbevollmächtigten beruht.

2. Die Frist, Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, die Berufung einzulegen und zu begründen, begann mit der Zustellung des Beschlusses vom am . Diese Frist ist gewahrt. Der Klägerin ist die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren. Damit ist das zu dem vorliegenden Verfahren verbundene Verfahren V ZB 102/09 gegenstandslos.

Fundstelle(n):
OAAAD-35526