BAG Urteil v. - 5 AZR 41/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1; ZPO § 84 S. 1; ZPO § 87; ZPO § 233

Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 12 Sa 292/08 vom ArbG Frankfurt/Main, 19 Ca 8536/07 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der D GmbH, der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers, am zugestellt worden. Am hat Rechtsanwalt H mit der Formulierung: "In vorstehender Sache lege ich als Prozessbevollmächtigter des Klägers", Berufung eingelegt. Am hat die D GmbH ebenfalls Berufung eingelegt. Am hat die D GmbH "die Berufung" zurückgenommen. Am selben Tag ist beim Landesarbeitsgericht eine Berufungsbegründungsschrift des Rechtsanwalts H eingegangen. Am hat Rechtsanwalt H Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufungsbegründungsschrift erneut eingereicht.

Der Kläger hat geltend gemacht, mit Schreiben vom habe er das Mandat der D GmbH gekündigt. Mit der Einlegung der Berufung durch Rechtsanwalt H "als Prozessbevollmächtigter des Klägers" sei zugleich der Widerruf der Vollmacht der D GmbH angezeigt worden. Die Berufungsrücknahme durch die D GmbH sei unvorhersehbar erfolgt, so dass zumindest dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entsprechen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.

I. Der Kläger hat entweder die Berufungsfrist oder die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Dies hängt von den jeweiligen Zeitpunkten des Eingangs der Berufungsbegründungsschrift und der Rücknahme der Berufung ab, die vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden sind.

1. Der Kläger hat rechtzeitig am 27. Februar und Berufung einlegen lassen (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Hierbei handelte es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden war (vgl. - BAGE 24, 432; - BGHZ 45, 380, 383; - I ZB 8/92 - NJW 1993, 269; - II ZB 10/93 - WM 1993, 2141; - IX ZB 53/96 - NJW 1996, 2659; - XI ZR 171/04 - MDR 2005, 824).

2. Ist die Rücknahmeerklärung der D GmbH am vor oder nach der Berufungsbegründungsschrift des Rechtsanwalts H beim Landesarbeitsgericht eingegangen, ist die Rücknahme der Berufung wirksam geworden.

a) Haben zwei Prozessbevollmächtigte unabhängig voneinander Berufung eingelegt und nimmt einer von ihnen "die Berufung" ohne weitere Beschränkung zurück, bewirkt dies regelmäßig den Verlust des Rechtsmittels (vgl. - Rn. 25 - 27 mwN, NJW 2007, 3640). Der Schriftsatz der D GmbH bezog sich auf das anhängige Rechtsmittel ("in dem Rechtsstreit ... nehmen wir die Berufung zurück") und nicht etwa nur auf die von der D GmbH selbst abgegebene Prozesserklärung. Ein anderer objektiver Erklärungsinhalt ergibt sich auch nicht aus den Umständen der Erklärung.

b) Die der D GmbH erteilte Prozessvollmacht war im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung nicht widerrufen. Für den Widerruf der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten gilt § 87 ZPO sinngemäß. Danach muss gegenüber dem Gericht in eindeutiger Form angezeigt werden, dass eine Prozessvollmacht erloschen ist. Die Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten für sich allein enthält nicht den Widerruf der Bestellung des früheren Prozessbevollmächtigten (vgl. IVb ZB 567/80 - NJW 1980, 2309, 2310). Wegen der Möglichkeit, gem. § 84 Satz 1 ZPO mehrere Bevollmächtigte zur Vertretung der Partei zu ermächtigen, enthält die Bestellung eines weiteren Prozessbevollmächtigten nur dann zugleich den Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten, wenn zum Ausdruck kommt, dass der weitere Bevollmächtigte anstelle des bisherigen bestellt werden soll. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Rechtsanwalt H hat bei Einreichung der von ihm verfassten Berufungsschrift nicht auf seine alleinige Vertretungsmacht hingewiesen.

3. Sollten die Rücknahmeerklärung und die Berufungsbegründungsschrift zeitgleich am beim Landesarbeitsgericht eingegangen sein, sind diese einander widersprechenden Erklärungen wirkungslos geblieben (vgl. - ZMR 2006, 714; MünchKommZPO/von Mettenheim 3. Aufl. § 84 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 84 Rn. 2; Wieczorek/Schütze/Steiner ZPO 3. Aufl. § 84 Rn. 2; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 84 Rn. 3). Dann entfaltete die Rücknahme der Berufung zwar keine Rechtswirkung, der Kläger hätte die Berufung aber auch nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

II. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gem. § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 234, 236 ZPO zulässig, aber unbegründet. Der Kläger war nicht ohne eigenes oder ein ihm zuzurechnendes Verschulden seiner beiden Prozessbevollmächtigten an der Wahrung der Berufungs- bzw. Berufungsbegründungsfrist gehindert (§ 233 ZPO).

Die Widersprüchlichkeit der Erklärungen beruhte auf der fehlerhaften Abstimmung der Prozessbevollmächtigten und konnte sich nur deshalb auswirken, weil weder der Kläger noch seine Prozessbevollmächtigten das Erlöschen der Vollmacht der D GmbH rechtzeitig gegenüber dem Landesarbeitsgericht angezeigt hatten. Die Rücknahme der Berufung durch die D GmbH muss sich der Kläger selbst dann zurechnen lassen, wenn diese weisungswidrig erfolgt sein sollte und ihm die Rücknahme zunächst nicht bekannt war. Nimmt ein Prozessbevollmächtigter die Berufung ohne oder entgegen einer Weisung des Mandanten zurück, kann für eine erneute, aber verspätet eingelegte Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden ( - NJW 1991, 2839; - V ZB 6/98 - NJW-RR 1998, 1446; - XII ZB 82/06 - NJW 2007, 3640). Das Risiko, dass mehrere Prozessbevollmächtigte widersprüchlich handeln, hat allein die Partei zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DB 2010 S. 400 Nr. 7
NJW 2010 S. 1903 Nr. 26
YAAAD-35446