Leitsatz
Die Dauer einer im Jahre 2002 eingetretenen und abgelaufenen zwölfwöchigen Sperrzeit ändert sich nicht dadurch, dass nach dem ab geltenden neuen Recht die Sperrzeitdauer auf drei Wochen verkürzt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Bundesagentur für Arbeit erst im Jahre 2003 einen Bescheid über die Sperrzeit und deren Folgen erlässt. Eine Anwendung des neuen Rechts ist auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten.
Gesetze: SGB III F: § 128 Abs 1 Nr 3; SGB III F: § 144 Abs 1 Nr 2; SGB III F: § 144 Abs 3; SGB III F: § 144 Abs 1 S 1 Nr 2; SGB III F: § 144 Abs 1 S 2; SGB III F: § 144 Abs 2 S 1; SGB III F: § 144 Abs 3; SGB III F: § 144 Abs 4 Nr 1 Buchst c; SGB III § 434g Abs 2; ArbMDienstLG I Art 1 Nr 20 Buchst c
Instanzenzug: SG Frankfurt, S 57 AL 2099/03 vom LSG Darmstadt, L 7 AL 183/06 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Dauer einer im Jahre 2002 eingetretenen Sperrzeit und über die Rechtmäßigkeit eines Folgen der Sperrzeit regelnden Bescheides, der von der Beklagten im Jahre 2003 erlassen worden ist.
Die Beklagte bewilligte dem 1976 geborenen, verheirateten und kinderlosen Kläger mit Bescheid vom Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von kalendertäglich 22,16 Euro ab bzw in Höhe von 22,50 Euro ab . Zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom dem Kläger ein Stellenangebot für eine Tätigkeit als Taxifahrer unterbreitet, das der Kläger bei einem Vorstellungsgespräch am mit der Begründung abgelehnt hatte, ihm seien wegen nachlassender Sehkraft Nachtfahrten nicht möglich.
Mit Bescheid vom stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen mit der Folge des Ruhens des Alg-Anspruchs für den Zeitraum 24. September bis fest, verminderte die Dauer des Anspruchs auf Alg um 84 Tage, nahm für die Zeit vom 24. September bis die Bewilligung von Alg zurück und forderte Erstattung überzahlter Leistungen in der Gesamthöhe von 1.874,02 Euro. Im Widerspruchsverfahren kündigte der Kläger die Vorlage einer augenärztlichen Bescheinigung an, legte aber auf Erinnerung am lediglich eine Verordnung über eine Sehhilfe ohne Aussage zur Nachtsichtfähigkeit vor. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom den Widerspruch gegen den Bescheid vom zurück. Zur Begründung für den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung gemäß § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) führte sie ua aus, der Vortrag des Klägers zur unzureichenden Nachtsehschärfe entspreche nicht den Tatsachen; Grundlage der Rücknahme der Leistungsbewilligung sei § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom dahingehend abgeändert, dass die Sperrzeit - beginnend am - drei Wochen beträgt, die Entscheidung über die Bewilligung von Alg nur für die Dauer von drei Wochen - beginnend ab - aufgehoben und der Betrag des zu erstattenden Alg auf 465,36 Euro herabgesetzt wird; im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom ).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich der Minderung der Anspruchsdauer dergestalt geändert wird, dass sie nur 21 Tage beträgt. In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 24. September bis rechtmäßig sei; denn der Kläger habe das seine Klage insoweit abweisende Urteil des SG nicht mit der Berufung angefochten. Für die übrige streitgegenständliche Zeit vom 15. Oktober bis habe das SG der Klage zu Recht stattgegeben. In dieser Zeit ruhe der Alg-Anspruch nicht auf Grund einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung; eine solche sei ab dem auf Grund der mit Wirkung vom eingetretenen Rechtsänderung durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt nicht eingetreten. Im Gegensatz zu der bis geltenden Fassung des § 144 SGB III mit der Regelung einer regelmäßigen Sperrzeitdauer von zwölf Wochen sehe die Neuregelung bei erstmaliger Ablehnung einer Arbeit nur eine dreiwöchige Sperrzeit vor (§ 144 Abs 4 Nr 1 Buchst c SGB III). Die Anwendung des ab geltenden Rechts folge aus allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts. Die Übergangsregelung in § 434g Abs 2 SGB III beschränke sich ausschließlich auf § 144 Abs 1 SGB III und insoweit auf die verfahrensrechtliche Änderung zu gesteigerten Mitwirkungsobliegenheiten bei der Ermittlung eines wichtigen Grundes. In einer Gesamtschau der Grundsätze des intertemporalen Rechts lasse sich eher der Wille des Gesetzgebers erkennen, die Verkürzung bei Arbeitsablehnung auch auf ab von der Beklagten festgestellte Sperrzeitereignisse anzuwenden, auch wenn das Sperrzeitereignis bereits davor eingetreten sei. An das Sperrzeitereignis sei zwingend nur anzuknüpfen, wenn die Rechtsänderung die Regelung für Arbeitslose verschärfe, da der Arbeitslose für vorwerfbares Verhalten keine verschärfte potenzielle Anspruchsminderung erfahren dürfe, die im Zeitpunkt seines Handelns nicht gegolten habe; für die vorliegende überwiegend begünstigende Neuregelung gelte dies nicht. Der Überlegung, dass die Sperrzeit kraft Gesetzes eintrete, stehe entgegen, dass ein Sperrzeitbescheid nach geänderter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen deklaratorischen Verfügungssatz zur Feststellung der Sperrzeit enthalte. Für die Anwendung der für den Kläger günstigeren Fassung spreche auch, dass allein das Anknüpfungsmerkmal Sperrzeitfeststellung der Beklagten eine einheitliche Anwendung der Neuregelung ab ermögliche.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Das LSG habe gegen die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsermittlung gemäß § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen. Es habe festgestellt, dass eine Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung nur für drei Wochen, also bis , eingetreten sei und dass Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers vom Nichtbestehen seines Leistungsanspruchs iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X allenfalls für den genannten Zeitraum gegeben sein könne. Das LSG habe jedoch nicht festgestellt, dass eine Sperrzeit auch darüber hinaus, nämlich bis zum eingetreten sei und dass auch insoweit Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers vom Nichtbestehen seines Leistungsanspruchs vorliege. Zu diesen Feststellungen habe sich das LSG jedoch gedrängt fühlen müssen. Eine Verletzung materiellen Rechts liege ua deshalb vor, weil entgegen der Auffassung des LSG die bis geltende Fassung (alte Fassung [aF]) des § 144 SGB III und nicht die ab geltende neue Fassung (nF) anzuwenden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf nach seinem Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte anwendbar. Eine die Anwendung neuen Rechts vorschreibende Regelung liege nicht vor; vielmehr betreffe der Wortlaut der Übergangsvorschrift des § 434g Abs 2 SGB III den gesamten Absatz des § 144 Abs 1 SGB III und nicht nur die Beweislastregelung. Unabhängig davon sei zu beachten, dass die Sperrzeit kraft Gesetzes eintrete und ohne Rücksicht auf weitere Umstände kalendermäßig ablaufe. Es gebe deshalb keinen Grund für die Annahme, die im Jahre 2002 nach § 144 SGB III aF bereits eingetretene Sperrzeit könne durch eine spätere begünstigende Rechtsänderung verkürzt werden. Gegen die Auffassung des LSG spreche ferner, dass ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch Verwaltungsakt zur Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern führe. Den Hinweisen des LSG auf neuere Rechtsprechung des BSG zur bescheidmäßigen Sperrzeitfeststellung sei nur die Bejahung eines deklaratorischen, nicht aber eines konstitutiven Verfügungssatzes zu entnehmen.
Die Beklagte beantragt,
das aufzuheben, das abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Auf Anfrage des Senats vom hat die Beklagte mit Schreiben vom mitgeteilt, dass mit dem Bescheid vom das Alg dem Kläger gemäß § 328 SGB III lediglich vorläufig bewilligt worden sei.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt teilweise zur Entscheidung in der Sache im Sinne der Abweisung der Klage (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG) und teilweise zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
1. Im Revisionsverfahren nicht mehr zu entscheiden ist über den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , soweit in ihm die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von drei Wochen mit der Folge des Ruhens des Anspruchs auf Alg für die Zeit vom bis , die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den vorgenannten Zeitraum mit Rückforderung von Alg in Höhe von 465,36 Euro sowie eine Minderung der Anspruchsdauer um 21 Tage verfügt hat. Beschränkt auf diesen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes hat das SG die Klage abgewiesen. Dass im Tenor des SG-Urteils versehentlich ein Ausspruch zur Minderung der Anspruchsdauer unterblieben ist, steht - wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist - der Annahme der Klageabweisung auch insoweit nicht entgegen, weil das SG in den Entscheidungsgründen die Verkürzung der von der Beklagten angenommenen Minderung entsprechend der Reduzierung der Sperrzeitdauer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Gegen das ihn durch die teilweise Klageabweisung beschwerende Urteil des SG hat der Kläger keine Berufung eingelegt und folglich ist das Urteil insoweit rechtskräftig geworden.
2. Die Auffassung des LSG, in der Zeit vom 15. Oktober bis sei eine Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung schon deswegen nicht eingetreten, weil in der zum geänderten Fassung des § 144 SGB III nur noch eine Sperrzeitdauer von drei Wochen vorgesehen ist, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (dazu im Folgenden unter 3.). Aus den Feststellungen des LSG wie auch aus der Rechtskraft der Entscheidung des SG ergibt sich vielmehr in Anwendung des § 144 SGB III in der bis zum geltenden Fassung der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen und dementsprechend das Ruhen sowie die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alg (dazu 4.). Nach den bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob die Entscheidung der Beklagten über die Rücknahme der früheren Leistungsbewilligung sowie die Erstattung von Leistungen über den bereits feststehenden Betrag von 465,36 Euro hinaus rechtmäßig ist (dazu 5.).
3. Ob und gegebenenfalls mit welcher Dauer eine Sperrzeit infolge der Arbeitsablehnung des Klägers vom eingetreten ist, richtet sich nach § 144 SGB III in der bis zum geltenden Fassung (aF), die die Vorschrift nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom , BGBl I 3443, erhalten hat. Nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III in der vorbezeichneten Fassung tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ua dann ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung eine vom Arbeitsamt angebotene Beschäftigung nicht angenommen hat (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung). Dagegen ist die Vorschrift des § 144 SGB III in der am in Kraft getretenen nF des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 4607, die in Abs 4 Nr 1 Buchst c im Falle der erstmaligen Ablehnung einer Arbeit eine Sperrzeitdauer von nur drei Wochen vorsieht, im Fall des Klägers nicht anwendbar.
a) Ist nach einer Gesetzesänderung streitig, welche Fassung auf einen konkreten Einzelfall anzuwenden ist, orientiert sich im Bereich des SGB III die Rechtsprechung des BSG in der Regel am so genannten Geltungszeitraumprinzip. Danach ist grundsätzlich die Anwendung desjenigen Rechts geboten, das zu der Zeit gilt, in dem die maßgeblichen Rechtsfolgen eintreten, es sei denn, etwas anderes ist ausdrücklich vorgeschrieben (vgl BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 32; SozR 4-4100 § 119 Nr 1 S 3; SozR 4-4300 § 434j Nr 2 RdNr 11; SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 1 RdNr 12, 52). Bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts eingetretene Rechtswirkungen werden daher grundsätzlich durch das neue Recht nicht mehr erfasst. Wann ein Bescheid ergeht, ist dabei ohne Bedeutung. Zu sozialrechtlichen Ansprüchen wird in der Rechtsprechung des BSG im Übrigen auf das Recht abgestellt, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt (vgl BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; zu anderen Rechtsbereichen BSGE 58, 243, 244 = SozR 2200 § 182 Nr 98; BSGE 70, 31, 34 f = SozR 3-2500 § 48 Nr 1 S 3 ff; zur Maßgeblichkeit des sperrzeitbegründenden Ereignisses vgl Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 71). Ausnahmen können aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes oder der Verhältnismäßigkeit in Betracht kommen (vgl etwa BSGE 71, 202, 208 f = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 S 14 f; SozR 3-4100 § 141e Nr 3 S 11 f; SozR 4-4300 § 434j Nr 2 RdNr 13; Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 40 ff, 94 ff; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 434e RdNr 7).
b) Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze hält die Auffassung des LSG, die Anwendung der nF sei geboten, der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilenden Rechtsfolgen sind bereits vollständig im Jahre 2002 eingetreten, also zu einer Zeit, in der die nF noch nicht gegolten hat. Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn ein Teil der Rechtsfolgen in das Jahr 2003 zeitlich hineinragt, stellt sich vorliegend nicht.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass nach § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III - sowohl aF als auch nF - die Sperrzeit grundsätzlich mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, beginnt. Sperrzeitbegründendes Ereignis für die nach den getroffenen Feststellungen allein in Betracht kommende Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGB III) ist das als Arbeitsablehnung zu wertende Verhalten des Klägers anlässlich des Vorstellungsgesprächs vom (vgl zur Bestimmung des sperrzeitbegründenden Ereignisses BSGE 97, 73, 79 = SozR 4-4300 § 144 Nr 15 RdNr 23). Die Beklagte und ihr folgend auch die Vorinstanzen sind somit zu Recht davon ausgegangen, dass eine Sperrzeit - gleich welcher Dauer - am begonnen hat.
Zu beachten ist ferner, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Sperrzeit kraft Gesetzes eintritt und unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruchs kalendermäßig abläuft (ua BSGE 84, 225, 229 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17; Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 376; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 88, 577). Eine nach § 144 Abs 1 SGB III aF in Betracht kommende Sperrzeit von zwölf Wochen (dazu auch im Folgenden unter 4.) fällt also kalendermäßig in die Zeit vom 24. September bis zum .
Damit sind die Rechtsfolgen des sperrzeitbegründenden Verhaltens des Klägers bereits vollständig im Jahre 2002 eingetreten. Für die vorliegende Fallgestaltung ist deshalb unter Beachtung des Geltungszeitraumprinzips die Anwendung der bis Ende 2002 geltenden Fassung des § 144 SGB III geboten. Bei einem Abstellen auf die eine Sperrzeit begründenden Umstände ergibt sich nichts anderes. Gegen die Anwendung des bis Ende 2002 geltenden Rechts spricht auch nicht, dass eine der Folgen der eingetretenen Sperrzeit, nämlich die Minderung der Anspruchsdauer um 84 Tage gemäß § 128 Abs 1 Nr 3 SGB III, sich uU erst später auf einen zukünftigen Alg-Anspruch konkret auswirken kann. Auch insoweit bleibt es dabei, dass alle Voraussetzungen für die hier allein streitgegenständliche Feststellung der Minderung im angefochtenen Bescheid bereits im Jahre 2002 vorlagen, zumal der Umfang der Minderung gemäß § 128 Abs 1 Nr 3 SGB III zwingend mit der Dauer der Sperrzeit verknüpft ist (vgl BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 30).
c) Eine Übergangsregelung, die eine Anwendung der nF anordnet, ist nicht vorhanden (vgl zu dem für das Alg nicht einschlägigen § 422 SGB III: Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 422 RdNr 18 ff; zur Aufhebung des früheren § 423 SGB III: Schlegel in Eicher/Schlegel, § 423 RdNr 6 ff; zum Fehlen von Übergangsvorschriften bei Inkrafttreten des SGB III vgl Henke in Eicher/Schlegel, § 144 RdNr 71 ff). Offen bleiben kann, ob sich die aus Anlass des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt geschaffene Übergangsregelung in § 434g Abs 2 SGB III allein auf den Ausschluss des § 144 Abs 1 Satz 2 SGB III nF oder aber auf § 144 Abs 1 SGB III insgesamt und damit auch auf die Frage der Sperrzeitdauer bezieht (so LSG NRW, Urteil vom - L 12 AL 39/04). Wäre letzteres zu bejahen, ergäbe sich schon aus § 434g Abs 2 SGB III die Anwendung des alten Rechts; aber auch wenn der Anwendungsbereich des § 434g Abs 2 SGB III enger zu sehen sein sollte (so wohl die überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl etwa Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 434g RdNr 24; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 434g RdNr 5 f; offen gelassen bei Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 1 RdNr 53), würde es mangels einschlägiger Übergangsregelung beim Geltungszeitraumprinzip und damit bei der Anwendung der aF verbleiben.
d) Entgegen der Auffassung des LSG lässt sich eine Anwendung der nF auch nicht in Anknüpfung an den im Jahre 2003 liegenden Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung und insoweit mit neuerer Rechtsprechung des BSG begründen, in der die deklaratorische Feststellung über den Eintritt einer Sperrzeit als Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes anerkannt worden ist (vgl Urteil vom , B 11 AL 71/03 R, juris RdNr 27 ff; BSGE 95, 80, 82 = SozR 4-4300 § 140 Nr 2 S 11; BSGE 96, 22, 24 = SozR 4-4300 § 144 Nr 12 RdNr 10; Urteil vom - B 7a/7 AL 48/04 R, juris RdNr 12). Diese Rechtsprechung ändert nichts daran, dass die Sperrzeit kraft Gesetzes eintritt (oben b). Sie trägt zwar in bestimmten Fallgestaltungen praktischen Bedürfnissen Rechnung, etwa bei der Frage, inwieweit ein für das Erlöschen des Anspruchs erforderlicher schriftlicher Bescheid über den Eintritt einer Sperrzeit vorliegt (vgl zum früheren § 196 Satz 1 Nr 3 SGB III Urteil vom aaO RdNr 20, 28). Der neuen BSG-Rechtsprechung kann aber keinesfalls entnommen werden, es sei schon für den Eintritt der Sperrzeit ein bescheidmäßiger Umsetzungsakt erforderlich. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung grundlegend von Konstellationen, in denen eine Rechtsfolge erst konstitutiv durch einen Verwaltungsakt herbeigeführt wird (vgl BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1, RdNr 14, 15).
e) Gegen die Anwendung der den Kläger im Vergleich zur nF schlechter stellenden aF sprechen auch keine Gründe des Vertrauensschutzes oder sonstige verfassungsrechtliche Erwägungen. Da es Sinn und Zweck der Sperrzeit ist, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (ua BSGE 67, 26, 29 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3 S 11; SozR 4-4300 § 144 Nr 7 RdNr 12), kann es nicht als unverhältnismäßig oder unangemessen empfunden werden, den Versicherten nach dem Recht zu behandeln, das zur Zeit des den Risikofall herbeiführenden Verhaltens gilt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakte der Beklagten noch eine dem alten Recht entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erhalten hat. Dass nach Verwirklichung des die Versicherungsgemeinschaft belastenden Tatbestandes ein Vertrauen auf Anwendung einer erst später in Kraft tretenden begünstigenden Regelung bestehen könnte, ist nicht ersichtlich und lässt sich auch den Gesetzesmaterialien zur Neuregelung des § 144 SGB III (vgl BT-Drucks 15/25, S 31 zu Nr 20 zu Buchst c) nicht entnehmen (vgl BSG SozR 3-4100 § 141e Nr 3, S 11, 12). Insofern sind auch die Ausführungen des LSG, an das Sperrzeitereignis sei nur bei einer die Sperrzeitregelung für Arbeitslose verschärfenden Rechtsänderung anzuknüpfen, nicht überzeugend.
4. Ist somit die Frage nach Eintritt und Dauer einer Sperrzeit nach Maßgabe des § 144 SGB III aF zu beurteilen, so kann die Entscheidung des LSG zum Eintritt einer Sperrzeit von nur drei Wochen und dementsprechend zum nur eingeschränkten Ruhen des Anspruchs bzw zur geringeren Minderung der Anspruchsdauer nicht bestehen bleiben. Aus der Anwendung des bis Ende 2002 geltenden Rechts folgt vielmehr der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen, ein Ruhen des Alg-Anspruchs für die Zeit vom 24. September bis und eine Minderung der Anspruchsdauer um 84 Tage. Insoweit sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben bzw abzuändern und ist die Klage abzuweisen.
a) Soweit der Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung nach § 144 Abs 1 SGB III aF die Nichtannahme einer angebotenen Beschäftigung trotz Belehrung über die Rechtsfolgen sowie das Fehlen eines wichtigen Grundes erfordert, ist nach den Feststellungen des LSG wie auch unter Berücksichtigung der teilweise bestehenden Rechtskraft des Urteils des SG vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auszugehen.
Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe das Stellenangebot der Beklagten für eine Tätigkeit als Taxifahrer abgelehnt; im Übrigen hat das LSG auf das vom Kläger nicht mit der Berufung angefochtene Urteil des SG verwiesen. Das SG hat festgestellt, dass der Kläger ordnungsgemäß belehrt worden ist und dass er das ihm angebotene Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund nicht angenommen hat. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist somit zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt sind. Unerheblich ist, dass sich die Ausführungen des LSG und des SG auf den Eintritt einer Sperrzeit von drei Wochen beziehen; denn die kürzere Dauer folgt nur aus der von den Vorinstanzen als einschlägig angesehenen Bestimmung in § 144 Abs 4 Nr 1 SGB III nF, während die genannten Voraussetzungen für den Eintritt der Sperrzeit nach § 144 Abs 1 SGB III sowohl nF als auch aF vorliegen. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Kläger das Urteil des SG nicht mit der Berufung angefochten hat; die im angefochtenen Bescheid enthaltene deklaratorische Feststellung, es sei eine Sperrzeit - gleich welcher Dauer - eingetreten, ist damit bindend.
b) Die Entscheidung der Beklagten zur Sperrzeitdauer von zwölf Wochen ist unter den vom LSG festgestellten Umständen nicht zu beanstanden. Die Regeldauer der Sperrzeit von zwölf Wochen ergibt sich aus § 144 Abs 1 SGB III aF; Anhaltspunkte dafür, dass nach Maßgabe des § 144 Abs 3 SGB III aF eine Reduzierung auf sechs Wochen wegen einer besonderen Härte geboten sein oder dass sonst im Hinblick auf die Dauer der abgelehnten Arbeit der Fall einer dreiwöchigen Sperrzeit vorliegen könnte, sind nicht ersichtlich. Die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten angenommenen Ruhens des Anspruchs folgt aus § 144 Abs 2 Satz 2 SGB III aF, die der Minderung der Anspruchsdauer um 84 Tage aus § 128 Abs 1 Nr 3 SGB III.
5. Ob allerdings die Beklagte über die rechtskräftige Entscheidung des SG hinaus berechtigt war, die frühere Leistungsbewilligung auch für die Zeit nach dem zurückzunehmen und über den bereits feststehenden Betrag von 465,36 Euro hinaus weitere 1.408,66 Euro zurückzufordern, kann nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
Da die Alg-Bewilligung durch die Beklagte erst im Dezember 2002 vorgenommen worden ist, richtet sich die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X und nicht - wie das SG angenommen hat - nach § 48 SGB X. Sollte die Beklagte - wie in ihrem Schreiben vom ausgeführt - nur wegen fehlender Arbeitsbescheinigung das Alg an den Kläger nur vorläufig nach § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III geleistet haben, ändert dies nichts an der allein in Betracht kommenden Rücknahmegrundlage nach § 45 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III. Denn dann hat die Beklagte mit dem die Sperrzeit feststellenden Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom nicht vorläufige Verwaltungsakte ersetzt, sondern den früheren Bescheid in seinem nicht durch Verfügungssatz als vorläufig bezeichneten Teil zu Lasten des Klägers abgeändert (vgl BSG SozR 3-4100 § 147 Nr 1; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 60, Pilz in Gagel, SGB III, § 328 RdNr 37).
Dem Urteil des LSG kann entnommen werden, dass die Bewilligung wegen der bereits eingetretenen Sperrzeit von Anfang an rechtswidrig war (§ 45 Abs 1 SGB X); das Urteil enthält jedoch keinerlei Feststellungen zur Frage, ob eine Rücknahme auch für die Vergangenheit möglich ist und ob sich der Kläger insoweit auf Vertrauensschutz berufen kann (§ 45 Abs 2 Satz 3 SGB X). Das LSG hat vielmehr auf Seite 5 des angefochtenen Urteils ausdrücklich offen gelassen, ob die Voraussetzungen ua des § 45 SGB X auch für die noch streitige Zeit nach dem vorliegen.
Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das SG bezogen auf die Zeit bis ausgeführt hat, der Kläger habe iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst, dass "der Leistungsanspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist". Selbst wenn diese Ausführungen auf den in Betracht kommenden § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X zu übertragen wären, ist zu bedenken, dass sich die Entscheidung des SG nur auf den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit, also auf die Zeit bis bezieht. Von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Nichtkenntnis des Klägers in Bezug auf den vorgenannten Zeitraum kann aber - trotz der erfolgten Rechtsfolgenbelehrung - nicht zwingend auf einen ebensolchen Tatbestand für die jetzt noch streitige Zeit (15. Oktober bis ) geschlossen werden. Unabhängig davon können die erwähnten Ausführungen des SG schon deshalb nicht als Feststellungen des LSG behandelt werden, weil das LSG sie sich nicht zu eigen gemacht, vielmehr die Frage der Berechtigung der Rücknahme und Rückforderung offen gelassen hat.
Das LSG wird deshalb im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung eindeutige Feststellungen zu treffen haben, ob ein zur Rücknahme für die Vergangenheit berechtigender Tatbestand vorliegt. Zu § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X muss sich das LSG die Überzeugung verschaffen, dass der Kläger Kenntnis bzw grob fahrlässige Nichtkenntnis vom Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs im gesamten zwölfwöchigen Ruhenszeitraum hatte. Dabei ist auf die Abschätzung der Rechtsfolgen durch den Kläger nach dessen individuellem Verständnishorizont und insoweit auf eine "Parallelwertung in der Laienssphäre" abzustellen (vgl Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl, § 45 RdNr 55, 58; Vogelsang in Komm GRV, § 45 RdNr 44, Stand August 2007). In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass für die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes maßgebend ist (vgl zuletzt B 7/7a AL 30/07 R) und dieser Zeitpunkt im Fall des Klägers deutlich nach dem Sperrzeitereignis vom lag. Nur soweit sich die Rücknahmeentscheidung nach den Vorgaben des § 45 SGB X als rechtmäßig erweist, besteht auch ein Anspruch auf Erstattung überzahlter Leistungen gemäß § 50 SGB X.
6. Die Kostenentscheidung bleibt - auch hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens - der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 2462 Nr. 33
BAAAD-33410