BGH Beschluss v. - V ZB 88/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 654; ZVG § 152a; ZwVwV § 1 Abs. 2; ZwVwV § 18; ZwVwV § 21; StGB § 132a Abs. 1

Instanzenzug: AG Moers, 30 L 11/06 vom LG Kleve, 4 T 72/09 vom

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde mit Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom als "Dr. C. " zum Zwangsverwalter bestellt. Nach der Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung wurde die Zwangsverwaltung mit Beschluss vom aufgehoben. Das Vollstreckungsgericht setzte mit Beschluss vom die Vergütung des Antragstellers für die Tätigkeit in der Zeit vom bis zum und die ihm für diesen Zeitraum zu erstattenden Auslagen fest. Dieser Beschluss blieb unangefochten.

Mit Beschluss vom hat das Vollstreckungsgericht die Vergütung des Antragstellers für die Tätigkeit in der Zeit vom bis zum einschließlich zu erstattender Auslagen auf 1.274,41 EUR festgesetzt. Mit der sofortigen Beschwerde macht die Gläubigerin geltend, der Anspruch des Antragstellers sei verwirkt, weil er zur Führung des Doktortitels nicht berechtigt gewesen sei. Das Landgericht hat die Festsetzung des Vollstreckungsgerichts aufgehoben und dem Antragsteller die Vergütung und den Ersatz von Auslagen für den Zeitraum vom bis zum wegen Verwirkung versagt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Antragsteller die Wiederherstellung der Festsetzung des Vollstreckungsgerichts erreichen. Die Gläubigerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Das Beschwerdegericht hält den Anspruch des Antragstellers auf Vergütung und auf Ersatz von Auslagen (fortan: Vergütungsanspruch) mit dem Vollstreckungsgericht für verwirkt. Es macht sich dazu die Ausführungen des Amtsgerichts Duisburg in seinem - von dem Senat bestätigten (Beschl. v. , V ZB 90/09, zur Veröffentlichung best.) - Beschluss vom (NJW-RR 2009, 1137) zu eigen. Entsprechend einem Rechtsgedanken, der unter anderem in § 654 BGB seinen Ausdruck finde, sei ein Anspruch auf Vergütung für Dienstleistungen verwirkt, wenn das Dienstverhältnis besondere Treuepflichten begründe und der Dienstleistende gegen eine solche Pflicht in besonders schwerwiegender Weise verstoßen habe. Diese Grundsätze gälten auch für den Zwangsverwalter. Der Antragsteller habe über Jahre hinweg unbefugt den Doktortitel geführt und sei deswegen bestraft worden. Damit habe er sich als unzuverlässig erwiesen. Das rechtfertige auch die vollständige Aberkennung des Vergütungsanspruchs, soweit über ihn noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

1.

Materiellrechtliche Einwände gegen den Vergütungsanspruch des Zwangsverwalters sind zwar im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 153 ZVG i.V.m. § 22 ZwVwV grundsätzlich nicht zu prüfen (Senat, Beschl. v. , V ZB 63/06, ZfIR 2007, 249, 251). Anders liegt es aber beim Einwand der Verwirkung (BGHZ 159, 122, 127; Senat, Beschl. v. , V ZB 90/09, Rdn. 7).

2.

Der Vergütungsanspruch des Antragstellers nach § 152a ZVG i.V.m. §§ 18, 21 ZwVwV ist verwirkt (vgl. Beschl. v. , V ZB 90/09, Rdn. 11, 13).

a)

Zur Verwirkung führt eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung, die den Dienstverpflichteten seines Lohnes als "unwürdig" erweist (, NJW-RR 2005, 1423, 1424; Senat, Beschl. v. , V ZB 90/09, Rdn. 15). Ein solcher Treubruch liegt nicht nur bei strafbaren Handlungen (z.B. Unterschlagungen) zum Nachteil der Masse, sondern auch bei einer strafbaren Täuschung über die Qualifikation vor; auf eine materielle Schädigung der Gläubiger kommt es dafür nicht an (BGHZ 159, 122, 132 f.; Senat, Beschl. v. , aaO).

b)

Eine Täuschung über die Qualifikation hat das Beschwerdegericht zutreffend angenommen.

aa)

Der Antragsteller hat das Vollstreckungsgericht über seine fachliche Qualifikation getäuscht. Er hat, wie sich aus dem Verfahren V ZB 90/09, auf das sich das Beschwerdegericht bezogen hat, ergibt, in den Jahren 2004 und 2005 unbefugt den Titel eines Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften geführt und sich nach § 132a StGB strafbar gemacht. Er ist deswegen wiederholt, nämlich mit Strafbefehlen vom und vom , bestraft worden. Damit hat er dem Vollstreckungsgericht eine fachliche Qualifikation vorgetäuscht, die er nicht hatte. Mit der Führung eines Titels, der eine erfolgreiche (universitäre oder sonstige geregelte) Berufsausbildung voraussetzt, weist der Titelträger auf eine nach einer solchen Ausbildung zu erwartende fachliche Qualifikation hin. Zu diesen Titeln gehört auch der Doktortitel (Senat, Beschl. v. , V ZB 90/09, Rdn. 19).

bb)

Der Antragsteller hat das Vollstreckungsgericht über seine persönliche Qualifikation getäuscht.

(1)

Nach § 1 Abs. 2 ZwVwV kommt es nicht nur auf die Sachkunde an. Gewähr für die ordnungsgemäße Gestaltung und Durchführung der Zwangsverwaltung bietet im Sinne dieser Vorschrift nur, wer zuverlässig ist. Diese Zuverlässigkeit setzt persönliche Integrität und insbesondere Ehrlichkeit voraus (Senat, Beschl. v. , Rdn. 22; BGHZ 159, 122, 128 f. für Insolvenzverwalter). Beide fehlen einem Zwangsverwalter, der eine akademische Ausbildung vortäuscht und sich dabei wegen Missbrauchs von Titeln gemäß § 132a Abs. 1 StGB strafbar macht, um seine Bestellung zu erschleichen. Einem solchen Zwangsverwalter ist der eigene Vorteil wichtiger ist als die Einhaltung der Rechtsvorschriften. Ohne das Bemühen um die Einhaltung von Rechtsvorschriften ist ein Zwangsverwalter nicht zuverlässig. Damit war der Antragsteller für das Amt des Zwangsverwalters nicht (mehr) persönlich geeignet.

(2)

Der von der Rechtsbeschwerde hervorgehobene Umstand, dass der Antragsteller seit vielen Jahren und in zahlreichen Verfahren zum Zwangsverwalter bestellt worden ist, ist unerheblich. Es mag sein, dass der Antragsteller früher Gewähr für eine ordnungsgemäße Gestaltung und Durchführung der Zwangswaltung geboten hat. Entscheidend ist, dass er diese Gewähr bei Anordnung der Zwangsverwaltung in dem vorliegenden Verfahren nicht mehr bot.

cc)

Die Täuschung des Antragstellers hat zu seiner Bestellung als Zwangsverwalter geführt.

(1)

Das Beschwerdegericht hat sich, wie erwähnt, die Feststellungen des Amtsgerichts Duisburg im Beschluss vom zu eigen gemacht. Dieses wiederum hat festgestellt, dass der Antragsteller den Doktortitel von April 2004 bis Juli 2008 und damit auch schon zu dem Zeitpunkt unbefugt geführt hat, als die Zwangsverwaltung in dem vorliegenden Verfahren angeordnet und der Antragsteller hier zum Zwangsverwalter bestellt wurde. Daran ändert es nichts, dass die Bestellung des Antragstellers zum Zwangsverwalter nach den Angaben in dem Nichtabhilfebeschluss des Vollstreckungsgerichts vom auf einen - in dem Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung noch nicht enthaltenen - Vorschlag der betreibenden Gläubigerin zurückgeht. Auch im vorliegenden Verfahren beruht die Bezeichnung des Antragstellers mit "Dr. C. " nicht auf einem Versehen der Gläubigerin. Der Antragsteller bezeichnete sich nämlich in dem Zeitraum, in dem seine Bestellung zum Zwangsverwalter in dem vorliegenden Verfahren erfolgte, selbst als "Dr. H. C. ". In dieser Form bestätigte er dem Vollstreckungsgericht unter dem seine Bestellung. Eine entsprechende Bezeichnung des Antragstellers trägt der Beschlagnahmebericht vom .

(2)

Die Tatsache, dass der Antragsteller zur Führung des Doktortitels nicht berechtigt war, war bei seiner Bestellung zum Verwalter im vorliegenden Verfahren nicht bekannt. Sie ist in das Verfahren erstmals durch einen zu den Akten gelangten Schriftsatz des Antragstellers in der Zwangsverwaltungssache 30 L 46/03 des Amtsgerichts Moers vom eingeführt geworden. Damit steht fest, dass das Vollstreckungsgericht die Bestellung des Antragstellers auf Grund einer unerkannt unzutreffenden Tatsachengrundlage vorgenommen hat. Das wiederum bedeutet, dass die Täuschung des Antragstellers zu einer Verkürzung der Ermessensausübung durch das Vollstreckungsgericht geführt hat. Diese Einwirkung des Antragstellers auf den Entscheidungsvorgang könnte allenfalls dann folgenlos bleiben, wenn feststünde, dass das Vollstreckungsgericht den Antragsteller dennoch bestellt hätte.

(3)

Das ist entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde jedoch nicht der Fall. Ihr ist zwar einzuräumen, dass der Antragsteller auf Grund der zahlreichen Zwangsverwaltungen, die er seit der Aufnahme seiner Tätigkeit durchgeführt hat, von den Vollstreckungsgerichten seines Tätigkeitsbereichs, auch von dem hier zuständigen Vollstreckungsgericht, als geschäftskundig angesehen worden ist. Es spricht ferner viel dafür, dass der Antragsteller auch ohne Doktortitel in dem vorliegenden Verfahren zum Zwangsverwalter bestellt worden wäre. Das Vollstreckungsgericht ist nämlich nach dem Inhalt seines schon erwähnten Nichtabhilfebeschlusses dem Vorschlag der Gläubigerin gefolgt. Die Voraussetzungen für die Bestellung des Antragstellers sind aber gerade dadurch entfallen, dass der Antragsteller mit der unberechtigten Führung des Doktortitels eine Sachkunde in Anspruch nahm, die er nicht hatte, und unzuverlässig wurde. Das Vollstreckungsgericht hätte ihn jetzt auch auf einen entsprechenden Vorschlag der Gläubigerin hin nicht mehr bestellen dürfen. Anhaltspunkte dafür, dass es den Antragsteller unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 ZwVwV bestellt hätte, wenn er sein (strafbares) Verhalten offen gelegt hätte, sind weder dem Nichtabhilfebeschluss des Vollstreckungsgerichts zu entnehmen noch vorgetragen oder sonst ersichtlich.

ee)

Die vollständige Verwirkung des Anspruchs auf Vergütung und Ersatz von Auslagen nach § 152a ZVG i.V.m. §§ 18, 21 ZwVwV ist auch verhältnismäßig. Die Täuschung über die formale Qualifikation ist ein besonders schwerwiegender Treubruch. Er führt zu einer erheblichen Gefährdung der Belange des Schuldners und der Gläubiger. Diese und die in dem Zurückstellen dieser vorrangigen Belange hinter die eigenen wirtschaftlichen Vorteile zum Ausdruck kommende grob rücksichtslose Haltung rechtfertigen es, dem Zwangsverwalter den Rechtsanspruch auf eine Vergütung zu versagen, die er anderenfalls auf Kosten der Gläubiger, die auf seine berufliche Lauterkeit vertraut haben, erzielen würde. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Ersatz von Auslagen (Senat, Beschl. v. , V ZB 90/09, Rdn. 31).

IV.

In einem Rechtsbeschwerdeverfahren über die Höhe der Zwangsverwaltervergütung ist eine Kostenentscheidung regelmäßig auch dann nicht veranlasst, wenn es um die Anspruchsverwirkung geht (Senat, Beschl. v. , V ZB 90/09, Rdn. 33).

Fundstelle(n):
XAAAD-32529

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