BFH Beschluss v. - VII B 37/09

Tarifierung eines Mediaplayers; Feststellung der wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines Mediaplayers

Gesetze: KN Pos. 8521, KN Pos. 8522, FGO § 118 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) importierte aus China für den „MediaPlayer.” erforderliche Einzelteile. Jede separat verpackte Lieferung enthielt so viele Einzelteile, wie für die Herstellung einer bestimmten Anzahl an fertigen Geräten erforderlich waren. Geliefert wurde das Gehäuse einschließlich Display und Deckel mit eingebauter Platine, Fernbedienung, Standfuß und Schrauben zum Verschließen des Gehäuses. Auf der eingeführten Platine befanden sich jeweils die komplette Signalverarbeitung und die verschiedenen Anschlüsse. In Deutschland vervollständigte die Klägerin die Geräte jeweils mit der noch fehlenden, nicht zusammen mit den übrigen Bestandteilen eingeführten Festplatte. Die fertigen Geräte wurden anschließend unter Beigabe von weiterem, ebenfalls anderweitig geliefertem Zubehör (z.B. Netzteil, Datenkabel, Bedienungsanleitung) verpackt.

Für ein Gehäuse inklusive Standfuß und Fernbedienung, die Bestandteile des „MediaPlayer.” sind, beantragte die Klägerin bei der Oberfinanzdirektion (OFD) - Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) und begehrte die Einreihung in die Unterpos. 8522 9098 99 der Kombinierten Nomenklatur (KN). Die OFD, deren Zuständigkeit für vZTA zwischenzeitlich auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) übergegangen ist, reihte die streitige Ware dagegen als „Videogerät zur Bild- und Tonaufzeichnung und -wiedergabe, kein Magnetbandgerät (unvollständiges multifunktionales Videogerät mit kennzeichnender Haupttätigkeit Bild- und Tonaufzeichnung und -wiedergabe, noch nicht zusammengesetzt)” in die Unterpos. 8521 9000 90 der KN ein.

Mit dem mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Urteil bestätigte das Finanzgericht (FG) die Entscheidung, da die streitigen Waren bereits im Zeitpunkt der Einfuhr über die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines vollständigen Mediaplayers verfügt hätten. Dass im Zeitpunkt der Einfuhr mangels Festplatte unstreitig keine dauerhafte Speicherung von Bildern oder Tönen möglich gewesen sei, ändere daran nichts. Zwar sei die Festplatte für die Funktionsfähigkeit des Geräts erforderlich. Zur Anwendung der Allgemeinen Vorschriften (AV) 2 a komme es auf die Funktionsfähigkeit des unvollständigen Geräts jedoch gerade nicht an.

Die Klägerin meint, die Revisionszulassung sei zur Fortbildung des Rechts geboten, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und es liege ein Verfahrensfehler vor. Sie macht geltend, die von der OFD angeführte Beschaffenheit und Funktion der Teile entspreche nicht den technischen Gegebenheiten, wie sie die Klägerin durch Gutachten nachgewiesen habe. Im Zeitpunkt der Einfuhr hätten die Teile nicht die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines vollständigen Videorecorders aufgewiesen. Ohne Festplatte könnten die Teile die Funktion eines Videorecorders nicht erfüllen. Das FG habe sich mit dem Gutachten nicht hinreichend auseinandergesetzt. Der Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Widersprüche zwischen den Wertungen und Einschätzungen des Gutachters und der OFD nicht aufgeklärt und die beantragte Vernehmung des Sachverständigen nicht durchgeführt habe.

II. Die Beschwerde ist bei Zweifeln an der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO jedenfalls unbegründet.

Geht es —wie im Streitfall— allein darum, ob die Zollverwaltung die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der beschließende Senat in seinem Beschluss vom VII B 136/01 (BFHE 198, 242) ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der Tarifauffassung der Zollverwaltung gegeben werden könnte.

Derartige Zweifel begründet das Beschwerdevorbringen indes nicht.

a) Die Einwendungen der Klägerin gegen die Feststellung des FG, dass die streitigen Teile auch ohne Festplatte im Zeitpunkt der Einfuhr die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines vollständigen Videorecorders aufgewiesen hätten, betreffen nicht die Rechtsfrage der zutreffenden Tarifierung, sondern die Sachverhaltsfrage, ob die Festplatte ein wesentliches Beschaffenheitsmerkmal des Endprodukts „MediaPlayer.” ist.

Die Beantwortung der Frage, ob eine unvollständige Ware bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware im Sinne der AV 2 a Satz 1 hat, ist im Einzelfall aufgrund der objektiven Beschaffenheit und Eigenschaften der Ware unter Heranziehung vornehmlich der tariflichen, ggf. aber auch von außertariflichen Erkenntnisquellen zu bestimmen und erfordert auf dieser Grundlage eine tatrichterliche Würdigung und einen wertenden Vergleich der festgestellten Beschaffenheitsmerkmale und Eigenschaften der unvollständigen Ware mit denjenigen der vollständigen Ware, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob sie gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom VII R 8/06, BFH/NV 2007, 1368). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die tatsächliche Würdigung des FG, wonach die eingeführten Einzelteile bereits im Zeitpunkt der Einfuhr die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale eines vollständigen Mediaplayers erfüllten und die infolge des Fehlens der Festplatte noch nicht gegebene Funktionsfähigkeit des Geräts daran nichts ändere, ist möglich und an den genannten maßgebenden objektiven Merkmalen orientiert. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Abschnitt XVI Rz. 54.1 umfasst jede sich in diesem Abschnitt auf eine Maschine oder einen Apparat beziehende Stelle nicht nur die vollständige Maschine, sondern auch die unvollständige Maschine. Wenn danach als vollständige Maschinen oder Apparate auch ohne Motor gestellte Maschinen und Apparate eingereiht werden, bei denen der Einbau eines Motors vorgesehen und ein Funktionieren nur mit eingebautem Motor möglich ist, so ist die Schlussfolgerung des FG nachvollziehbar, dass allein das Fehlen der lediglich in den dafür vorgesehenen Schacht einzuführenden Festplatte die Tarifierung der unvollständigen Einzelteile wie ein vollständiges Videogerät zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe nicht hindert. Ob das FG aus den festgestellten Beschaffenheitsmerkmalen ggf. auch eine andere Schlussfolgerung hätte ziehen können, ist insoweit ohne Bedeutung (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1368).

b) Der Senat ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen an diese Würdigung gebunden. Mit dem Vorwurf, das FG habe Widersprüche zwischen den Wertungen und Einschätzungen des Gutachters und der OFD nicht aufgeklärt, wird kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt. Vielmehr greift die Klägerin damit die vermeintlich unrichtige Sachverhaltswürdigung des FG an. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom VII B 3/06, BFH/NV 2007, 1324).

Die Rüge, das FG habe die beantragte Vernehmung des Sachverständigen nicht durchgeführt, scheitert schon daran, dass die Klägerin die Nichterhebung des Beweises weder in der mündlichen Verhandlung gerügt noch mit der Beschwerde vorgetragen hat, weshalb diese Rüge nicht möglich war. Nimmt der in der mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte seine Rechte nicht wahr, so führt das regelmäßig zum Rügeverlust (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529, m.w.N.).

Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, was eine Vernehmung des Sachverständigen über das von ihm erstattete Gutachten hinaus zur Sachverhaltsaufklärung noch hätte beitragen können.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 84 Nr. 1
FAAAD-31897