BSG Urteil v. - B 3 KR 7/08 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art 3 Abs 1

Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 5 KR 93/07 vom SG Köln, S 9 KR 222/06 vom

Gründe

I

Streitig ist die Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.

Der am geborene Kläger ist seit dem verheiratet und bei der beklagten Krankenkasse versichert. Seine Ehefrau ist am geboren; sie ist beihilfeberechtigt und ergänzend privat krankenversichert. Der Kläger leidet an einer Asthenozoospermie, bei seiner Ehefrau liegt eine Follikelreifestörung vor. Die Beklagte teilte dem Kläger auf dessen Anfrage vom unter Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung mit, dass Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung wegen des Alters der Ehefrau nicht übernommen werden könnten, denn diese habe das 40. Lebensjahr bereits vollendet (Schreiben vom ). Den Widerspruch hiergegen verwarf sie als unzulässig, da sie keine Entscheidung getroffen, sondern lediglich eine Auskunft erteilt habe (Widerspruchsbescheid vom ). Im September 2006 sowie im Januar und Juli 2007 ließen der Kläger und seine Ehefrau drei In-Vitro-Fertilisationen mit Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) privatärztlich durchführen, ohne zuvor einen Behandlungsplan erstellen zu lassen. Der dritte Behandlungsversuch führte zu einer Schwangerschaft. Für die privatärztlichen Leistungen sind dem Kläger Behandlungskosten in Höhe von 4.394,84 Euro in Rechnung gestellt worden, deren hälftige Erstattung er von der Beklagten beansprucht; die zusätzlich bei seiner Ehefrau angefallenen Behandlungskosten sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [SG] vom ) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts [LSG] vom ) sind erfolglos geblieben: Der Kostenerstattungsanspruch sei unbegründet, weil die Ehefrau des Klägers bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung älter als 40 Jahre gewesen sei. Diese Anspruchsbegrenzung in § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; insbesondere liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG und des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots. Die gesetzliche Altersgrenze für weibliche Versicherte betreffe überwiegend Akademikerinnen und diskriminiere sie in ihrem beruflichen Werdegang. Darin liege eine unzulässige Diskriminierung nach dem Alter. Zudem habe diese Grenzziehung auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten zur Folge, weil für privat Versicherte andere Vorschriften gälten.

Der Kläger beantragt,

das und den zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.197,42 Euro zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist unbegründet. Dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers steht die Altersgrenze des § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V entgegen; dies hat das LSG zutreffend entschieden. Offen bleiben kann deshalb, ob vor Behandlungsbeginn eine den Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V genügende Beratung stattgefunden hat und ob wegen der bereits vor Einleitung des förmlichen Verfahrens getroffenen Ablehnungsentscheidung der Beklagten ein Behandlungsplan nach § 27a Abs 3 Satz 2 SGB V ausnahmsweise nicht vorzulegen war.

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V (hier idF von Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom , BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse "eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Der Anspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12 - jeweils RdNr 11 mwN; zuletzt Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom - B 1 KR 11/08 R -, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, RdNr 12 mwN, vgl auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung Band 1, Stand: , § 13 SGB V RdNr 233 ff). Kostenerstattung kann der Kläger deshalb nur beanspruchen, wenn im Zeitpunkt der Leistungsverschaffung alle Voraussetzungen für Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vorgelegen haben. Das ist nicht der Fall.

2. Rechtsgrundlage eines Anspruchs auf Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der Leistungsverschaffung ab September 2006 ist § 27a SGB V in der am in Kraft getretenen Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom (BGBl I 2190). Leistungsvoraussetzung ist danach ua die Erforderlichkeit (Abs 1 Nr 1) und die hinreichende Erfolgsaussicht (Abs 1 Nr 2) von medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sowie weiterhin, dass die Maßnahmen von Eheleuten durchgeführt werden (Abs 1 Nr 3), dass vor deren Durchführung eine Beratung stattgefunden hat (Abs 1 Nr 5) und dass schließlich die Altersgrenzen des Abs 3 Satz 1 eingehalten sind. Anspruch auf Sachleistungen nach § 27a Abs 1 SGB V besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Diese Höchstaltersbegrenzung konnten die Eheleute im Hinblick auf die Ehefrau des Klägers nicht einhalten, nachdem diese bereits im Juni 2006 und damit vor der Eheschließung und vor Einleitung der Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung 40 Jahre alt geworden war (dazu unter 3). Auf den fehlenden Behandlungsplan und die weitere Frage, ob vor Durchführung der Maßnahmen eine Beratung gemäß den Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V stattgefunden hat, kommt es demnach nicht an (dazu unter 4). Die Einwände des Klägers gegen die Versagung des Kostenerstattungsanspruchs sind nicht begründet (dazu unter 5).

3. Die Altersgrenzen nach § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V sind nur gewahrt, wenn sie im Zeitpunkt der Leistungsinanspruchnahme von beiden Eheleute eingehalten worden. Die obere Altersgrenze ist demnach nur eingehalten, wenn bei Durchführung der Maßnahmen die Ehefrau das 40. und der Ehemann das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ob beide Eheleute Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beanspruchen können, ist hingegen ohne Bedeutung, wie das LSG schon zutreffend entschieden hat. Anders können die Altersgrenzen nach Entstehungsgeschichte, Systematik und Regelungszweck der Vorschrift nicht verstanden werden.

a) Eingeführt wurde die obere Altersbegrenzung ebenso wie das Mindestalter durch das GMG. Bis dahin galten als medizinische Voraussetzung für die Leistungserbringung nur die Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 1 und 2 SGB V in der durch das KOV-Anpassungsgesetz (KOVAnpG) 1990 vom (BGBl I 1211) eingefügten Fassung. Nach diesen weiterhin unverändert geltenden Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung nur, wenn sie zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich und hinreichend aussichtsreich sind. Zur Konkretisierung des Merkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht hatte bereits der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (seit : Gemeinsamer Bundesausschuss) aufgrund der Ermächtigung in §§ 27a Abs 4, 92 Abs 1 Satz 2 Nr 10 SGB V in seinen Richtlinien zu § 27a SGB V Leistungsgrenzen in Anknüpfung an das Alter der Frau eingeführt. Dort hieß es: "Da das Alter der Frau im Rahmen der Sterilitätsbehandlung einen limitierenden Faktor darstellt, sollen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, nicht durchgeführt werden. Ausnahmen sind nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sofern die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt hat." (Ziffer 9 der Richtlinien über künstliche Befruchtung vom , BArbBl 12/1990 S 21).

Daran anknüpfend zielten die Änderungen des GMG darauf ab, die "Ausgaben für künstliche Befruchtung auf Fälle medizinischer Notwendigkeit" zu begrenzen (BT-Drucks 15/1525 S 83). Dazu ist zum einen in § 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V die Zahl zulässiger Versuche auf bis zu drei beschränkt worden gegenüber bis dahin "in der Regel" bis zu vier möglichen Versuchen (§ 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V idF des KOVAnpG 1990). Zum anderen sollen diesem Ziel auch die Altersgrenzen des § 27a Abs 3 SGB V dienen. Insoweit soll die untere Altersgrenze dazu beitragen, dass die Chancen zu einer Spontanschwangerschaft "nicht durch fehlende Geduld vieler Kinderwunschpaare und auch der Ärzte mit Hilfe einer schnellen Medikalisierung des Kinderwunsches vertan" werden; zudem soll berücksichtigt werden, dass es bis zum Alter von 25 Jahren nur sehr wenig unfruchtbare Paare gibt (vgl BT-Drucks aaO). Auf der anderen Seite soll die Regelung "Höchstalter weiblich 40 Jahre" in Anknüpfung an die bis dahin geltende Ausgestaltung des Leistungsrechts durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, "dass bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr sehr gering ist". Im Übrigen soll durch die oberen Altersbegrenzungen "auch einer starken Gewichtung des künftigen Wohls des erhofften Kindes" gedient werden (vgl BT-Drucks aaO).

b) Unter Berücksichtigung dieser Intention des Gesetzgebers besteht Anspruch auf Beteiligung an den Kosten der "bei ihrem Versicherten" durchgeführten Maßnahmen (§ 27a Abs 3 Satz 3 SGB V) nur, solange die leistungsrechtlichen Voraussetzungen des § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V von dem Ehepaar als Ganzes erfüllt werden. Zwar ist nach dem Wortlaut des Gesetzes auch ein anderes Verständnis möglich, weil der Anspruch nur ausgeschlossen wird "für Versicherte", die die Altersgrenze nicht eingehalten haben. Die Folge wäre, dass nur der Ehepartner von Leistungen ausgeschlossen wäre, der selbst die Altersgrenzen des § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V nicht einhält. Eine solche Interpretation verbieten indessen Systematik und Zweck der Regelung und würde im Übrigen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstoßen. Der Anspruch auf Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung knüpft nicht an den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten an, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares. Folglich stellt nicht das Vorliegen einer Krankheit den Versicherungsfall dar, sondern die Unfähigkeit eines Ehepaares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung (stRspr, vgl BSGE 88, 62, 64 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3; BVerfGE 117, 316, 325 f = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13 mwN). Deshalb besteht auch eine hinreichende Erfolgsaussicht als Leistungsvoraussetzung für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (§ 27a Abs 1 Nr 2 SGB V) nur, wenn von dem betroffenen Paar insgesamt die Überwindung der Kinderlosigkeit erwartet werden kann und mit einer Gefährdung des Kindeswohls nicht zu rechnen ist. Dies schließt Leistungsansprüche generell aus, wenn das Alter auch nur eines Beteiligten - unabhängig von seinem Versichertenstatus und ohne Berücksichtigung individueller Gegebenheiten - die erfolgreiche Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht mehr erwarten lässt bzw anzunehmen ist, dass sie mit unwägbaren Risiken behaftet ist. Dies folgt auch aus § 27a Abs 1 Nr 2 SGB V, dessen typisierender Konkretisierung die Altersgrenzen des § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V dienen.

Für dieses Normverständnis sprechen zudem die Entstehungsgeschichte des § 27a SGB V und die Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber hat die schon in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über künstliche Befruchtung vom (vgl oben 3.a) eingeführte Altersgrenze für Frauen von 40 Jahren in Gesetzesrang erhoben und zugleich die nach jenen Richtlinien früher noch zugelassene Ausnahme für Frauen bis zum Alter von 45 Jahren beseitigt. Doch auch zuvor waren Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung grundsätzlich - von genehmigungspflichtigen Ausnahmen abgesehen - ausgeschlossen "bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben" (Ziffer 9 der Richtlinien über künstliche Befruchtung, aaO, S 21). In dieser Formulierung kam deutlicher als nunmehr in § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V zum Ausdruck, dass auch dem Ehepartner nach Vollendung des 40. Lebensjahres der Ehefrau Leistungsansprüche nicht mehr zustehen sollten, und zwar unabhängig vom Versichertenstatus. Daran hat die heutige gesetzliche Formulierung "für weibliche Versicherte" nichts geändert. Wie sich aus den zusätzlichen Altersgrenzen in § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V, der Streichung der vom Bundesausschuss noch zugelassenen Ausnahme für weibliche Versicherte bis zum Alter von 45 Jahren und der Begrenzung der Zahl der möglichen erfolglosen Versuche auf ausnahmslos drei ergibt, sollten die Neuregelungen nach dem Willen des Gesetzgebers an dem bis dahin geltenden Rechtszustand ansetzen und davon ausgehend Ansprüche auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung auf Fälle "medizinischer Notwendigkeit" beschränken (so ausdrücklich BT-Drucks 15/1525 S 83). Damit wäre es nicht vereinbar, einem Ehegatten Ansprüche auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung zu gewähren, obwohl nach der typisierenden und generalisierenden Betrachtungsweise des Gesetzgebers von einer positiven Erfolgsaussicht der durchgeführten Maßnahmen wegen des Alters seines Ehepartners gerade nicht mehr ausgegangen werden kann (ebenso BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 10; -, SozR 4-2500 § 27a Nr 7 RdNr 13).

4. Ob der Kostenerstattungsanspruch des Klägers auch deshalb nicht besteht, weil vor Beginn der Maßnahmen keine unabhängige Beratung nach Maßgabe des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V durchgeführt und der Krankenkasse kein Behandlungsplan iS von § 27a Abs 3 Satz 2 SGB V vorgelegt worden ist, kann hier offen bleiben. Einen Behandlungsplan hat der Kläger jedenfalls nicht vorgelegt; weil das von den behandelnden Ärzten verwendete Computerprogramm die Erstellung eines Behandlungsplans bei Frauen über 40 Jahren angeblich nicht erlaubte, haben die behandelnden Ärzte hierauf verzichtet. Ob das Fehlen des Behandlungsplans vorliegend ausnahmsweise unerheblich ist, weil die beklagte Krankenkasse den Kläger bereits vor Einleitung eines förmlichen Verfahrens abschlägig beschieden und damit konkludent auf die Vorlage des Behandlungsplans verzichtet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil der Kostenerstattungsanspruch schon aus anderen Gründen nicht besteht. Ob es darüber hinaus auch an der erforderlichen Beratung unter Beachtung der förmlichen Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V fehlt (zu deren Bedeutung vgl BSGE 88, 62, 63 f und 71 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 23 f und 32), erscheint naheliegend, ist vom LSG - von dessen Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - aber nicht ausdrücklich festgestellt worden; auch das würde dem Kostenerstattungsanspruch ebenfalls entgegenstehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 18). Diese Frage kann der Senat hier jedoch aus den genannten Gründen ebenfalls offen lassen.

5. Die Einwände des Klägers gegen die Versagung des Kostenerstattungsanspruchs sind unbegründet.

a) Dies gilt zunächst für die Rüge, der Gesetzgeber habe mit der Bestimmung der Altersgrenze von 40 Jahren die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Befugnis zur Typisierung und Generalisierung verletzt. Das ist nicht der Fall, denn die Altersbegrenzung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des allgemeinen Gleichheitssatzes. Bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche nach § 27a SGB V durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass diese nicht den Kernbereich der GKV berühren, sondern die Vorschrift einen eigenständigen Versicherungsfall begründet (vgl oben 3.b). Der dem Gesetzgeber hierbei eröffnete Rahmen zur typisierenden Ausgestaltung der Leistungsansprüche (grundlegend hierzu BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 35) ist nicht überschritten; die für die Einführung einer Altersgrenze für Frauen sprechenden Sachgründe haben vielmehr ein die Begrenzung rechtfertigendes Gewicht. Das hat der 1. Senat des BSG bereits mit Urteil vom im Einzelnen näher dargelegt (B 1 KR 12/08 R, SozR 4-2500 § 27a Nr 7; ebenso bereits BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 - Altersgrenze für Männer). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

b) Ebenfalls nicht verletzt ist das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der "Richtlinie (RL) 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" (Rahmen-RL, ABl EG vom - L 303 S 16 ff). Der Gesetzgeber hat diese mit dem "Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung" (GleiBehUmsG) vom (BGBl I 1897) innerstaatlich umgesetzt, und zwar insbesondere mit dem "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)" von demselben Tag (BGBl aaO). § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V widerspricht den Regelungen des AGG nicht. Nach § 2 Abs 2 AGG gelten für Leistungen nach dem SGB ausschließlich die durch Art 3 Abs 7 Nr 2 und Abs 9 Nr 3 GleiBehUmsG eingefügten Regelungen der §§ 33c SGB I, 19a SGB IV. Gegen die hierdurch begründeten Benachteiligungsverbote verstößt die angegriffene Leistungsversagung nicht, weil sie eine Differenzierung nach dem Alter für das hier im Streit stehende Leistungsbegehren nicht ausschließen. Das Verbot der Benachteiligung ua aus Gründen des Alters nach § 19a SGB IV trifft den vorliegenden Sachverhalt nicht, weil der Kläger keine Leistung mit dem Ziel der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung oÄ beansprucht. § 33c SGB I ist nicht verletzt, weil die hierdurch für die Inanspruchnahme sozialer Rechte begründeten Benachteiligungsverbote nur Differenzierungen nach der Rasse, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung betreffen, nicht aber den Differenzierungsgrund des Alters (Satz 1); Leistungsansprüche können im Übrigen auch nach Inkrafttreten des AGG nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des SGB im Einzelnen bestimmt sind (Satz 2), hier also durch § 27a SGB V.

Dass die Altersbegrenzung des § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V bei der Umsetzung der europäischen Rahmen-RL unverändert beibehalten worden ist, bleibt entgegen der Auffassung des Klägers hinter den europarechtlichen Vorgaben nicht zurück. Weder daran noch an der Auslegung des vorliegend relevanten europäischen Rechts bestehen Zweifel für den Senat, sodass Anlass zur Vorlage gemäß Art 234 Abs 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht besteht. Prüfungsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des EuGH die aufgrund des Art 13 EGV erlassene Rahmen-RL, nicht aber Art 13 EGV selbst (ebenso -, juris RdNr 19 f; -, AP Nr 41 zu § 1 TVG, juris RdNr 41 unter Verweis auf - "Palacios de la Villa", NJW 2007, 3339, und vom - C-427/06 - "Bartsch", NZA 2008, 1119). Der hier zu beurteilende Sachverhalt wird indes vom Anwendungsbereich der Rahmen-RL nicht erfasst. Das gilt selbst dann, wenn trotz der Regelung in Art 3 Abs 3 Rahmen-RL zumindest partiell auch die Gewährung von Sozialleistungen erfasst sein sollte (in diesem Sinne Bieback, ZESAR 2006, 143, 145; ähnlich Husmann ZESAR 2007, 13, 15). Denn die Altersgrenze des § 27a Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V hat entgegen der Ansicht des Klägers keine mittelbar berufsbezogene Regelungswirkung iS von Art 3 Abs 1 Buchstabe a Rahmen-RL (Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, ...). Wollte man ihr eine solche Wirkung gleichwohl beimessen, so wäre die Differenzierung nach dem Alter gleichwohl durch ein legitimes Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt, nämlich die Begrenzung der Leistungspflicht der GKV für Leistungen, denen mit zunehmendem Lebensalter eine immer weiter abnehmende Erfolgsaussicht zukommt (vgl hierzu die vom BVerfG noch im Jahr 2007 unter Zugrundelegung des Deutschen IVF-Registers 2005 getroffene Einschätzung, dass die Konzeptionswahrscheinlichkeit durch eine Behandlung nach der ICSI-Methode für unter 35-jährige Frauen bei über 30% liegt, für über 40-jährige dagegen nur noch bei etwa 12%, BVerfGE 117, 316, 319, insoweit in SozR 4-2500 § 27a Nr 3 nicht abgedruckt).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
DAAAD-31756