BGH Beschluss v. - 3 StR 175/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 224 Abs. 1; StPO § 354 Abs. 1a

Instanzenzug: LG Lübeck, vom

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten H. eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten N. eine solche von sechs Jahren verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Beide Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Angeklagten von dem rechtskräftig verurteilten früheren Mitangeklagten vor dem Hintergrund eines Nachbarschaftsstreits dazu angestiftet, den Nebenkläger gemeinsam zusammenzuschlagen und ihn dabei erheblich zu verletzen. In Ausführung dieses Planes versteckten sich die Angeklagten am Morgen des Tattages in der Nähe des Carports des Nebenklägers hinter einer Hecke und stürmten auf diesen zu, als er - den beiden Angreifern den Rücken zuwendend - am Kofferraum seines Autos stand und sich keines Angriffs versah. Die Angeklagten drangen sogleich mit ihren beiden mitgeführten Schlagwerkzeugen - einer 60 bis 80 cm langen Eisenstange mit vier bis fünf Zentimeter Durchmesser sowie einem einer Stange ähnlichen Schlagwerkzeug aus hartem Material mit etwa gleicher Größe -auf den völlig überraschten und zu keiner Reaktion mehr fähigen Nebenkläger ein. Die Angeklagten schlugen diesem zunächst beinahe gleichzeitig von beiden Seiten kraftvoll gegen den Kopf, so dass der Angegriffene schwer verletzt zu Boden stürzte. Während der Nebenkläger zu einem Graben robbte, um den Angeklagten zu entkommen, schlugen diese weiter auf ihn ein. Das Opfer erlitt lebensgefährliche Verletzungen, u. a. eine Impressionsfraktur des rechten Schläfenbeines sowie einen Bruch des rechten Jochbeinbogens mit Zerreißung der harten Hirnhaut und Beschädigung der rechten, im Schädelinneren oberhalb der harten Hirnhaut verlaufenden Schlagader. Die Gewalthandlungen der Angeklagten hatten bleibende physische und psychische Schädigungen des Nebenklägers zur Folge. Das Landgericht hat die Tat der Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und 5 StGB gewürdigt.

1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht. Allerdings ist die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, die Angeklagten hätten den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB (mittels eines hinterlistigen Überfalls) verwirklicht. Die getroffenen Feststellungen belegen lediglich einen plötzlichen Angriff von hinten sowie das bloße Ausnutzen des Überraschungsmomentes durch die Angeklagten. Dies reicht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich allein zur Verwirklichung des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB aber nicht aus (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 224 Rdn. 10 m. w. N.). Dieser Rechtsfehler berührt indes den Schuldspruch wegen der rechtlich zutreffend angenommenen Verwirklichung der Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB nicht.

Gleiches gilt allerdings nicht für den Strafausspruch; denn die Strafkammer hat bei ihrer Strafzumessung zu Lasten beider Angeklagten berücksichtigt, dass sie vier Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht hätten. Dies führt aus den oben dargelegten Gründen dazu, dass der Strafausspruch bei beiden Angeklagten rechtsfehlerhaft ist. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung mildere Freiheitsstrafen verhängt hätte. Gleichwohl können die vom Landgericht verhängten Strafen bestehen bleiben, weil sie angemessen sind (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann der Senat von der Aufhebung des Strafausspruchs nach dieser Vorschrift absehen und ist nicht gehindert, über den Strafausspruch selbst abschließend zu entscheiden.

§ 354 Abs. 1 a StPO wurde mit dem am in Kraft getretenen "1. Justizmodernisierungsgesetz" vom (BGBl I 2198, 2203) eingeführt. Ziel der - auch einer langjährigen Forderung der richterlichen Praxis folgenden - gesetzlichen Änderung war es, Zurückverweisungen an die Vorinstanz wegen solcher Fehler zu vermeiden, die ohne neue Tatsachenfeststellungen unschwer in der Revisionsinstanz behoben werden können. Die bereits durch § 337 Abs. 1 StPO unter bestimmten, engen Voraussetzungen eröffnete Möglichkeit, ein (an sich rechtsfehlerhaftes) Urteil nicht aufzuheben, sollte durch § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO "behutsam" dahin erweitert werden, dass das Revisionsgericht bereits dann von einer Aufhebung absehen kann, wenn die verhängte Rechtsfolge nach seiner Meinung angemessen ist (BTDrucks. 15/3482 S. 21 f.; vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 26 a f.).

In der Folgezeit entwickelte der Bundesgerichtshof eine Rechtsprechung zu dieser Verfahrensweise, die von einem sehr weiten Anwendungsbereich der Norm ausging (vgl. Kuckein aaO Rdn. 26 d m. w. N.). Dabei wurde § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO auch bei einer Änderung des Schuldspruchs angewandt (vgl. BGHSt 49, 371). Diese Rechtsprechung hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts durch seinen Beschluss vom (BVerfGE 118, 212 = NStZ 2007, 598) einschränkend korrigiert. Dazu hat er unter anderem ausgeführt:

§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verstoße nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift sei im Ergebnis auch nicht wegen Verstoßes gegen den Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren verfassungswidrig und damit nichtig, weil sie sich verfassungskonform auslegen und handhaben lasse. Verfassungskonform sei § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ausgelegt, wenn die Kompetenz der Revisionsgerichte zu eigener Strafzumessung davon abhänge, dass ihnen für die Sachentscheidung ein zutreffend ermittelter (wahrer), vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung stehe. Unter dieser Voraussetzung lasse sich die Strafzumessung nach dieser Vorschrift auch in der Revisionsinstanz verfassungskonform handhaben. Demgegenüber habe das Revisionsgericht von einer eigenen Entscheidung abzusehen und die Festsetzung der Rechtsfolgen dem Tatgericht zu überlassen, wenn ihm ein solcher Sachverhalt nicht vorliege oder wenn nicht auszuschließen sei, dass die tatsächliche Grundlage der Strafzumessung unzureichend sein könnte. Auf Grund der Fehleranfälligkeit jeglicher Strafzumessung anhand eines vorinstanzlichen Urteils könne das Revisionsgericht jedoch nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass ihm ein Sachverhalt zur Verfügung stehe, der für eine fehlerfreie Strafzumessung hinreiche. Von Ausnahmen abgesehen, werde es sich deshalb über das Vorliegen einer vollständigen und verlässlichen Entscheidungsgrundlage Gewissheit verschaffen müssen. Dies könne nicht im Wege einer Beweisaufnahme geschehen; denn diese habe der Gesetzgeber für das Revisionsverfahren aus guten Gründen nicht vorgesehen. Die Möglichkeit, Beweise zu erheben, lasse sich auch nicht im Wege verfassungskonformer Interpretation in § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hineinlesen.

Das Revisionsgericht könne sich aber auf andere Weise als durch eine förmliche Beweisaufnahme über die tatsächliche Grundlage seiner Strafzumessung ins Bild setzen. Dies könne dadurch geschehen, dass das Gericht dem Angeklagten die Gelegenheit zur Stellungnahme im Revisionsverfahren einräume. Erhalte ein Angeklagter Kenntnis von einer beabsichtigten Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO, könne er - sofern er Einwände gegen eine solche Entscheidung hege - die Möglichkeit ergreifen, gegen diese vorzutragen. Über einen möglicherweise unzureichenden oder nicht mehr aktuellen Strafzumessungssachverhalt würde das Revisionsgericht damit informiert.

Aus diesem Grund habe das Revisionsgericht den Angeklagten auf die aus seiner Sicht für eine Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sprechenden Gründe hinzuweisen. Eines derartigen Hinweises bedürfe es nur dann nicht, wenn - etwa wegen eines mit Gründen versehenen Antrags der Staatsanwaltschaft, auf den das Revisionsgericht seine Entscheidung stützen wolle - angenommen werden könne, dass der Angeklagte Kenntnis von einer im Raum stehenden Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts erlangt habe.

Das Informations- und Anhörungsverfahren müsse kein mündliches sein. Das Revisionsgericht sei nicht gehalten, eine eigene Rechtsfolgenentscheidung nur nach Durchführung einer zeitintensiven Revisionshauptverhandlung zu treffen. Hinweis und Anhörung könnten - entsprechend der Möglichkeit des Revisionsgerichts, außerhalb einer Hauptverhandlung im Schriftwege durch Beschluss zu entscheiden - schriftlich erfolgen. Allerdings müsse aus dem Hinweis für den Angeklagten deutlich werden, warum das Revisionsgericht der Auffassung sei, nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verfahren zu können.

Unerlässlich seien insoweit konkrete Ausführungen zur "Angemessenheit" der Strafe trotz der im tatrichterlichen Urteil festgestellten Rechtsfolgenzumessungsfehler; denn nur dann sei gewährleistet, dass sich der Angeklagte umfassend verteidigen könne. Er könne zum einen rechtliche Gründe gegen eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts vorbringen, indem er mit Blick auf den vom Tatgericht begangenen Strafzumessungsfehler die Angemessenheit der aufrechtzuerhaltenden Strafe in Abrede stelle. Er könne aber auch gegen die Strafzumessungsgrundlage vortragen. Einwände, die der Angeklagte gegen die Richtigkeit und Aktualität des Strafzumessungssachverhalts erhebe, habe das Revisionsgericht zu berücksichtigen.

Die Verpflichtung, dem Angeklagten ein konkretes Äußerungsrecht einzuräumen, sei nicht der einzige Aspekt, den die Revisionsgerichte beachten müssten, um § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verfassungsgemäß zu handhaben. Mache das Revisionsgericht von der ihm in der genannten Vorschrift eingeräumten Strafzumessungskompetenz Gebrauch, müsse es seine Entscheidung jedenfalls dann begründen, wenn sich aus den zu Grunde liegenden Feststellungen und Wertungen der Tatsachengerichte, einer etwaigen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten sowie eines möglichen Hinweises des Revisionsgerichtes selbst die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht nicht schon in einer Weise ergäben, die es dem Angeklagten ermögliche, die Gründe für die Strafzumessung und damit die Wahrung des rechtsstaatlichen Gebots schuldangemessenen Strafens nachzuvollziehen.

Eine Anwendung von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sei indes "nur" bei einer Gesetzesverletzung anlässlich der Zumessung der Rechtsfolgen zulässig. Dies schließe eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts aus, wenn zugleich eine Neuentscheidung über einen - fehlerhaften - Schuldspruch erfolgen müsse.

b) Die sich danach ergebenden Grundsätze für die (verfassungskonforme) Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO des Revisionsgerichts hat der Senat - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - beachtet. Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Senats sind gegeben.

aa) Mit Schreiben vom hat der Senat die Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er die Begründung des Strafausspruches des angefochtenen Urteils für rechtsfehlerhaft hält, weil das Landgericht bei der Strafzumessung zu Lasten beider Angeklagter berücksichtigt hat, dass diese (auch) den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Tatbegehung mittels eines hinterlistigen Überfalls) verwirklicht habe. Zugleich wurde den Beschwerdeführern eröffnet, dass der Senat erwägt, von der Aufhebung des Strafausspruches abzusehen, weil die verhängten Rechtsfolgen angesichts der übrigen Strafzumessungserwägungen und der sonstigen Feststellungen des Landgerichts angemessen sind (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO). Die Beschwerdeführer hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Diese haben sie auch genutzt.

bb) Der Angeklagte H. hat vorgetragen, dass der insoweit (lediglich) pauschale Hinweis des Senats - entgegen der verpflichtenden Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts - den Beschwerdeführer nicht in die Lage versetze, sein Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG effektiv wahrzunehmen, da er sich nicht inhaltlich zu denjenigen Erwägungen verhalte, aus denen sich für den Senat bei vorläufiger Betrachtungsweise die Angemessenheit der tatrichterlich "ausgeworfenen" Strafe ergebe. Im Übrigen ergäben sich Bedenken gegen die vom Senat beabsichtigte Verfahrensweise - neben der bisherigen Dauer des Revisionsverfahrens - daraus, dass die Strafzumessung des Tatgerichts vorliegend nicht unwesentlich auch von einer an der Anzahl der verwirklichten Alternativen des § 224 StGB orientierten Abstufung der Strafhöhe hinsichtlich der Mitangeklagten bestimmt gewesen sei und der Tatrichter den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB recht weitgehend ausgeschöpft habe. Der Wegfall einer Alternative des § 224 Abs. 1 StGB sei einer Schuldspruchänderung zumindest vergleichbar, so dass das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO dem Revisionsgericht nicht eröffnet sei. Weiterhin hat der Beschwerdeführer eingewandt, dass das Tatgericht unter dem Blickwinkel des § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB bzw. der besonderen Strafempfindlichkeit des Angeklagten dessen Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin ungewürdigt gelassen habe. Diese kümmere sich als Alleinerziehende um ihre fünf und acht Jahre alten Kinder, zu denen der Angeklagte eine intensive Beziehung als Vaterersatz gehabt habe. Nach den Plänen der Lebenspartner hätten beide den Bauernhof des deutlich vorgealterten Stiefvaters und ihrer im Herbst 2008 an einem Mammakarzinom erkrankten und deshalb für die Haushaltsführung sowie die bäuerliche Mithilfe ausgefallene Mutter der Lebensgefährtin des Angeklagten übernehmen wollen. Nunmehr laste die gesamte Arbeit auf dieser und deren Schwiegervater (richtig wohl: Stiefvater).

cc) Der Angeklagte N. hat mitgeteilt, dass er der Erwägung des Senats, von der Aufhebung des Strafausspruchs abzusehen, weil die verhängte Rechtsfolge angesichts der übrigen Strafzumessungserwägungen und der sonstigen Feststellungen des Landgerichts angemessen sei, entgegentrete. Eine solche Entscheidung durch das Revisionsgericht sei schon deshalb nicht unbedenklich, weil eine Entscheidung des Revisionsgerichts gestattet werde, obwohl nicht auszuschließen sei, dass die rechtsfehlerhafte Erwägung des Tatrichters bei der Festsetzung der Rechtsfolge für diesen gerade bestimmend gewesen sei. Ferner werde die Mitteilung des Senats der durch das Bundesverfassungsgericht festgelegten Informationsverpflichtung nicht gerecht, insbesondere sei die Mitteilung zur Angemessenheit der verhängten Strafe unzureichend. Sie versetze den Beschwerdeführer nicht in die Lage, gegen die eigenen Strafzumessungserwägungen des Revisionsgerichts gezielt vorzutragen und sich damit umfassend zu verteidigen.

c) Diese Einwendungen der Beschwerdeführer sind teilweise unzutreffend und stehen im Übrigen der Strafzumessungsentscheidung im Revisionsverfahren nicht entgegen.

aa) Sinn und Zweck von § 354 Abs. 1 Satz 1 a StPO ist es, dem Revisionsgericht zu ermöglichen, wegen Rechtsfehlern bei der Zumessung der Rechtsfolgen von der Aufhebung des Urteils abzusehen und eine eigene - die verhängten Rechtsfolgen als angemessen bewertende - Strafzumessungsentscheidung zu treffen. Daraus folgt ohne weiteres, dass eine verhängte Strafe, die auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht, auch ohne Berücksichtigung dieser rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen des Tatrichters angemessen sein kann und dem Revisionsgericht die Möglichkeit eröffnet ist, trotz des Wegfalls von zu Lasten eines Beschwerdeführers berücksichtigten Strafzumessungserwägungen die vom Tatgericht festgesetzte Strafe als angemessen zu bestätigen.

bb) Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung. Der Senat hat sich über das Vorliegen einer vollständigen und verlässlichen Entscheidungsgrundlage Gewissheit dadurch verschafft, dass er den Angeklagten die Gelegenheit zur Stellungnahme im Revisionsverfahren eingeräumt hat. Dabei wurden die Beschwerdeführer in schriftlicher Form auf die aus Sicht des Senats für eine Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sprechenden Gründe hingewiesen. Infolge der Bezugnahme auf die schriftlichen Urteilsgründe war dieser Hinweis entgegen der Ansicht der Angeklagten hier auch ausreichend konkret und machte (weitere) Ausführungen zur "Angemessenheit" der verhängten Strafen trotz des festgestellten Rechtsfolgenzumessungsfehlers entbehrlich. Da der Senat nach der ersten Beratung der Sache beabsichtigte, - vorbehaltlich eventueller Stellungnahmen der Angeklagten - auf die Angemessenheit der Strafen allein auf der Grundlage der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessung des Landgerichts zu erkennen, hätte die Darlegung der bereits im angefochtenen Urteil enthaltenen, im Rahmen der Strafzumessung durch das Landgericht angestellten Erwägungen lediglich zu deren Wiederholung geführt. Da schon die Bezugnahme auf die Strafzumessung des Landgerichts sowie die entsprechenden landgerichtlichen Feststellungen die Beschwerdeführer in ausreichender Art und Weise in die Lage versetzte, sich gegen die beabsichtigte Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts umfassend zu verteidigen, waren weitere Ausführungen zur Angemessenheit der Strafen hier entbehrlich; denn das schriftliche Urteil lag den Angeklagten und ihren Verteidigern seit langem vor, so dass die in Bezug genommenen Teile des angefochtenen Urteils im Detail und konkret bekannt waren. In dieser Situation reichte daher der erteilte Hinweis zur Erfüllung der Anforderungen an eine verfassungskonforme Handhabung der Vorschrift aus. Das Revisionsgericht hat damit nämlich konkret zu erkennen gegeben, dass es - mit Ausnahme des aufgezeigten und erläuterten Rechtsfehlers - die gesamte Strafzumessung des Landgerichts mit den darin enthaltenen Wertungen und Gewichtungen ihrer eigenen Strafzumessungsentscheidung zu Grunde legen will und dass es unter Berücksichtigung der rechtsfehlerfreien Feststellungen und Erwägungen des Landgerichts die verhängten Strafen für angemessen hält.

Nur ergänzend bemerkt der Senat daher, dass ein derartiger, vor der eigentlichen Entscheidung vorzunehmender schriftlicher Hinweis auf die - an sich der endgültigen Beratung vorbehaltenen - Erwägungen zur Strafzumessung eine dem geschriebenen Verfahrensrecht fremde und - soweit ersichtlich - jedenfalls den Tatgerichten auch verfassungsrechtlich nicht obliegende Verpflichtung darstellt.

cc) Der Umstand, dass der Angeklagte H. nach dem Hinweis neue Tatsachen vorgebracht hat, die im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Gunsten wirken könnten, hindert die eigene Entscheidung des Senats ebenfalls nicht; denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt die Erhebung von Einwänden des Angeklagten gegen die Richtigkeit oder die Aktualität des Strafzumessungssachverhalts nicht dazu, dass das Revisionsgericht keine eigene Entscheidung mehr treffen kann. Vielmehr hat das Revisionsgericht solche Einwände (lediglich) zu berücksichtigen. Dies bedeutet zugleich - nachdem das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO keine neue Strafe festsetzen, sondern nur entscheiden kann, dass die verhängte Rechtsfolge angemessen ist -, dass diese Berücksichtigung neuer, strafmildernder Zumessungsumstände nicht dazu führen muss, dass die im angefochtenen Urteil festgesetzte Strafe schon deshalb ohne weiteres unangemessen (hoch) sein müsste. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass eine Strafzumessung stets nach der vom Bundesgerichtshof entwickelten Spielraumtheorie zu erfolgen hat, die - ausgehend vom gesetzlichen Strafrahmen - durch das Gericht innerhalb eines konkreten Schuldrahmens in richterlicher Wertung die schuldangemessene Strafe für die konkrete Tat unter Berücksichtigung der anerkannten Strafzwecke zuzumessen ist (vgl. Fischer aaO § 46 Rdn. 20 m. w. N.). Der Vortrag neuer, für den Angeklagten günstiger Strafzumessungstatsachen zwingt damit - wie auch der Wegfall einer rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägung - für sich nicht stets zur Aufhebung des Strafausspruchs und Zurückverweisung der Sache zur Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Solches ist nur dann der Fall, wenn der Vortrag des Beschwerdeführers im Revisionsverfahren eine weitere, nur durch eine gerichtliche Beweisaufnahme zu bewirkende Sachaufklärung oder die neue Bewertung der gesamten Strafzumessungskriterien durch einen Tatrichter unumgänglich macht. So ist es hier indes nicht.

dd) Auch die bisherige Dauer des Revisionsverfahrens hindert die eigene Entscheidung des Senats nicht. Insbesondere ist dadurch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Entscheidung des Senats auf einem aktuellen Strafzumessungssachverhalt beruht. Die Beschwerdeführer wurden durch den Hinweis des Senats in die Lage versetzt, bis zur Beschlussfassung durch eigenen Vortrag die bis zum Erlass des angefochtenen Urteils vorliegenden Feststellungen um neue Tatsachen zu ergänzen und damit dazu beizutragen, dass das Revisionsgericht seiner Entscheidung einen aktuellen Strafzumessungssachverhalt zu Grunde legt. Dies hat der Angeklagte H. auch getan. Hinsichtlich des Angeklagten N. ist aufgrund der abgegebenen Stellungnahme davon auszugehen, dass sich seit der Verkündung des angefochtenen Urteils keine neuen, für die Entscheidung des Senats relevanten Strafzumessungstatsachen ergeben haben. Im Übrigen dauert das Revisionsverfahren noch nicht so lange an, dass die dadurch bewirkte Verlängerung der Gesamtdauer des Verfahrens ohne weiteres zu niedrigeren Strafen führen und damit zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zwingen müsste, zumal diese Verfahrensweise zweifellos einen (noch) späteren Abschluss des Verfahrens zur Folge hätte.

ee) Unzutreffend ist der Einwand des Angeklagten H. , die (rechtsfehlerhafte) Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten insgesamt vier Qualifikationstatbestände des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht, habe zu der gegebenen Abstufung der beiden verhängten Strafen geführt; denn dieser Umstand wurde bei beiden Angeklagten gleichermaßen zu ihren Lasten gewürdigt, was dafür spricht, dass der Unterschied der Strafen darauf nicht zurückzuführen ist. Nach den Urteilsgründen waren vielmehr ersichtlich andere Umstände hierfür maßgeblich, insbesondere auch, dass der Angeklagte N. in einem geringeren Umfang als der Angeklagte H. (eigenhändig) auf den Nebenkläger eingewirkt hat.

Der Wegfall der Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB bedingt keine Schuldspruchänderung und ist einer solchen auch nicht vergleichbar. Der Rechtsfehler wirkt sich auf den Schuldspruch vielmehr in keiner Weise aus. Er führt insbesondere nicht dazu, dass der Senat den Schuldspruch ändern müsste. Vielmehr ist er vorliegend allein für den Strafausspruch bedeutsam, weil das Landgericht die Verwirklichung von vier Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 StGB ausdrücklich als bestimmenden Zumessungsgrund in seine Strafzumessung zu Lasten der Angeklagten eingestellt hat. Danach liegt allein eine Gesetzesverletzung anlässlich der Zumessung der Rechtsfolgen im Sinne von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO vor, so dass der Anwendung dieser Vorschrift und damit einer eigenen Strafzumessungsentscheidung des Senats unter den gegebenen Umständen weder der Gesetzeswortlaut noch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegensteht.

ff) Auch die Höhe der vom Landgericht verhängten Strafen hindert eine eigene Rechtsfolgenentscheidung des Revisionsgerichts im Sinne von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nicht; denn auch eine - gemessen am gesetzlichen Strafrahmen mit Blick auf die Höchststrafe - relativ hohe Strafe kann zweifellos angemessen sein. Dass dies im gegebenen Fall anders zu beurteilen wäre, ist nicht ersichtlich.

2. Bei seiner Entscheidung, dass die vom Landgericht verhängten Strafen von sechs Jahren und sechs Monaten (H. ) bzw. sechs Jahren (N. ) angemessen sind, hat der Senat folgende - soweit vor der angefochtenen Entscheidung schon vorliegend bereits vom Landgericht für die Strafbemessung herangezogene - Umstände berücksichtigt:

Ausgehend vom Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB - minder schwere Fälle im Sinne dieser Vorschrift liegen angesichts der Feststellungen zur Tat und der Person der beiden Angeklagten, insbesondere mit Blick auf die Intensität des Unrechts und der Schuld, offensichtlich nicht vor - hat der Senat zu Gunsten der beiden Angeklagten berücksichtigt, dass die vom Landgericht zu ihren Lasten angestellte, rechtsfehlerhafte Erwägung, sie hätten vier Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht, weggefallen ist. Strafmildernd wirkt sich ferner aus, dass die Angeklagten sich in der Hauptverhandlung beim Nebenkläger entschuldigt haben und die Dauer des Verfahrens zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung länger ist, als sie es beim Erlass des angefochtenen Urteils war.

Für den Angeklagten H. spricht zusätzlich, dass Triebfeder der Tat der frühere Mitangeklagte war, den der Angeklagte bewunderte und als eine Art Ziehvater ansah. Auch die im Revisionsverfahren vom Angeklagten H. neu vorgetragenen Umstände zu den Auswirkungen seiner Verurteilung auf seine Lebensplanung und die Lebensverhältnisse seiner Lebensgefährtin hat der Senat zu Gunsten dieses Angeklagten berücksichtigt. Dies führt indes (ebenfalls) nicht dazu, dass die verhängte Strafe unangemessen (hoch) ist, zumal es sich hierbei um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ohnehin nicht handelt.

Zu Gunsten des Angeklagten N. hat der Senat gesondert zusätzlich berücksichtigt, dass er seine aktive Tatbeteiligung teilweise eingeräumt und er - ungeachtet der Zurechnung auch der Schläge des Mittäters - in geringerem Umfang als der Angeklagte H. auf den Nebenkläger eingewirkt hat.

Strafschärfend hat sich bei beiden Angeklagten ausgewirkt, dass es sich um eine über längere Zeit geplante Tat mit drei Anläufen gehandelt hat. Der Nebenkläger sollte von vornherein erhebliche Verletzungen davontragen und hat tatsächlich zahlreiche Gesundheitsschäden erlitten, darunter auch eine akut und konkret lebensgefährliche Verletzung. Der Geschädigte leidet bis heute erheblich unter den physischen und psychischen Folgen der Tat. Die Angeklagten haben insgesamt drei Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht. Beide Angeklagte sind wegen Körperverletzung vorbestraft.

Hinzu kommt beim Angeklagten H. , dass er den Angeklagten N. in die Tat hinein gezogen hat. Allein zu Lasten des Angeklagten N. wirkt sich zusätzlich aus, dass er die Tat während des Laufs einer Bewährungszeit begangen hat und sein Motiv für die Tatbegehung Gewinnstreben war, wobei der Senat nicht außer acht gelassen hat, dass sich der Angeklagte - auch wegen seines Kokainkonsums - in beengten finanziellen Verhältnissen befand.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
HAAAD-31519

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