BVerwG Urteil v. - 2 C 62.08

Leitsatz

Die Regelungen über den Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV waren in dem - inzwischen abgelaufenen - Übergangszeitraum weiter anwendbar (im Anschluss an BVerwG 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234).

Gesetze: BhV § 5 Abs. 1; BhV § 6 Abs. 1; BhV § 12 Abs. 1; BhV § 12 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 33 Abs. 5; SGB V § 91 Abs. 1

Instanzenzug: OVG Nordrhein-Westfalen, 1 A 1701/07 vom VG Gelsenkirchen, 3 K 1746/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

I

Der Kläger ist aktiver Beamter im Dienste der Beklagten. Im Mai 2005 beantragte er nach einer Knieoperation Beihilfe u.a. zu den Kosten der ihm ärztlich verordneten Produkte Hyalubrix und Lidoject Sine. Die Beklagte lehnte dies mit dem Hinweis ab, beide Medikamente seien nicht verschreibungspflichtig, sodass die Aufwendungen hierfür nicht beihilfefähig seien. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte nur hinsichtlich der Aufwendungen für das Medikament Lidoject statt. Hyalubrix sei kein Medikament, sondern ein Medizinprodukt, sein Wirkstoff sei nicht in Abschnitt F der Arzneimittelrichtlinien aufgelistet und deshalb in der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht ausnahmsweise verschreibungsfähig.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos, im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

Dem Kläger stehe Beihilfe zu Aufwendungen für das Produkt Hyalubrix zu. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BhV in der hier noch anzuwendenden Fassung der 27. und 28. Änderungsvorschrift seien Aufwendungen für die vom Arzt verordneten Medikamente beihilfefähig; diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Das Mittel Hyalubrix, das dem Kläger wegen eines behandlungsbedürftigen Krankheitszustandes nach einer Kniegelenksoperation verordnet worden sei, erfülle den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, auch wenn es nicht pharmakologisch, sondern physikalisch - als Gelenkschmierstoff - wirke. Der Ausschluss der Beihilfe zu Aufwendungen für dieses Mittel durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV verstoße gegen höherrangiges Recht und sei unwirksam. Zwar genügten die Beihilfevorschriften des Bundes dem Gesetzesvorbehalt nicht, jedoch sei insoweit die Übergangszeit, während derer sie weiter anzuwenden seien, hier noch nicht abgelaufen. Dies gelte auch für Vorschriften, die bei Erlass des BVerwG 2 C 50.02 - (BVerwGE 121, 103 = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123) zwar bereits erlassen worden, aber noch nicht in Kraft getreten seien. Der Beihilfeausschluss sei jedenfalls mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn unvereinbar. Durch den Ausschluss habe der Vorschriftengeber seine Gestaltungsfreiheit überschritten und den Kernbereich der Fürsorgepflicht in unverhältnismäßiger, weil schon im Ansatz ungeeigneter Weise beschnitten. Reine Einsparerwägungen rechtfertigten Kürzungen nicht, wenn sie den Gedanken der Fürsorge unverhältnismäßig in den Hintergrund drängten. Mit der Anknüpfung an die Verschreibungspflicht habe der Beihilfegeber keine eigene Entscheidung getroffen, sondern das Regelwerk des ganz anderen Zielen - nämlich der Sicherheit des Verkehrs mit Arzneimitteln - dienenden Arzneimittelrechts zugrunde gelegt. Ein Zusammenhang dieses Regelwerkes mit den beihilferelevanten Gesichtspunkten der Notwendigkeit und Angemessenheit sei nicht erkennbar. Darüber hinaus habe der Vorschriftengeber keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen, um dem Zusammenhang zwischen Fürsorge und Alimentation gerecht zu werden und auszuschließen, dass der Beihilfeempfänger mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibe, die er nicht ohne Weiteres aus seiner Besoldung bestreiten oder im Wege zumutbarer Eigenvorsorge absichern könne. Die Beklagte habe ihrer Pflicht nicht genügt, die Auswirkungen der ab 2004 eingetretenen Änderungen des Beihilfenrechts - zu denen neben Leistungsausschlüssen und Leistungsbegrenzungen auch Kostendämpfungspauschalen und Selbstbehalte gehörten - mit Blick auf das verfassungsrechtlich geschuldete Mindestniveau der Alimentation zu überprüfen. Gerade bei Belastungen oberhalb der Schwelle der Erheblichkeit wirke sich aus, dass die Vorschrift für diese Fälle keine Belastungsobergrenze in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Jahreseinkommens bestimmt habe. Dass der Gesetzgeber die für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung getroffene Regelung als "sozial vertretbar" eingestuft habe, besage wenig für den Bereich der Beihilfe, der nicht von den im Sozialversicherungsrecht geltenden Maßstäben, sondern von der Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägt sei. Die in der Ausschlussregelung vorgesehenen Ausnahmen taugten nicht, die genannten Rechtsverstöße zu verhindern, denn die dort verwendete Verweisungstechnik sei schon in formaler Hinsicht zu beanstanden. Die Vorschrift gestalte die Ausnahme nicht selbst aus, sondern verweise dynamisch auf die Arzneimittelrichtlinien und die danach ausnahmsweise verordnungsfähigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Zwar seien dynamische Verweisungen, sogar auf Regelungen eines anderen Gesetzgebers, nicht schlechthin unzulässig. Zum Erlass der Beihilfevorschriften ermächtige § 200 BBG (a.F.) aber lediglich den Bundesminister des Innern. Eine dynamische Verweisung auf ein von ganz anderen, fürsorgefremden Gesichtspunkten geleitetes Regelwerk, auf das der Dienstherr keinen Einfluss habe, sei damit unvereinbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom und des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II

Die Revision der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe.

1.

Die Beklagte hat ihren Bescheid auf §§ 5 und 6 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) in der Fassung vom (GMBl S. 918), zuletzt geändert durch Art. 1 der 28. Änderungsverwaltungsvorschrift - ÄndVwV - vom (GMBl S. 379), gestützt. Danach wird Beihilfeberechtigten auf Antrag Beihilfe zu den Aufwendungen gewährt, die ihnen u.a. als Folge einer Erkrankung entstehen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und wenn die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BhV sind die vom Arzt schriftlich verordneten Arzneimittel beihilfefähig. Jedoch sind nach Satz 2 Buchst. b dieser Vorschrift nicht beihilfefähig Aufwendungen für Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind. Von diesem Leistungsausschluss sind nach Satz 3 der Vorschrift solche Arzneimittel ausgenommen, die nach den Arzneimittelrichtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - aufgrund von § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausnahmsweise verordnet werden dürfen. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für ärztlich verordnete, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel hängt somit von den Entscheidungen des gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildeten Gemeinsamen Bundesausschusses ab.

2.

Mit Recht geht das angefochtene Urteil davon aus, dass die Beihilfevorschriften in dieser Fassung für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar waren (vgl. BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <105 ff.> = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 , vom - BVerwG 2 C 24.07 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 Rn. 10 f. , vom - BVerwG 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 Rn. 9 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17; vom - BVerwG 2 C 23.08 - [...] Rn. 8 und vom - BVerwG 2 C 28.08 - [...]). Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, war die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen. Sie sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009 S. 326) nicht mehr anwendbar.

Soweit danach die Beihilfevorschriften weiterhin anwendbar waren, gilt dies grundsätzlich auch für Regelungen über Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen in bestimmten Fällen. Der vorläufigen weiteren Anwendbarkeit der Regelungen über den Leistungsausschluss für die Kosten nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV steht nicht entgegen, dass diese in der 27. ÄndVwV enthaltene Vorschrift erst ab dem angewandt wurde (vgl. Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren vom - D I 5 - 213 100 - 1/14). Sie war bereits Bestandteil des Beihilfeprogramms, das bei Verkündung des Urteils des Senats vom (a.a.O.) vorhanden war. Ihre Anwendung war lediglich bis zu dem Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsverordnung vom (BGBl. I S. 1611) am hinausgeschoben (vgl. Urteil vom a.a.O. Rn. 11).

3.

Allerdings setzt die weitere Anwendbarkeit dieser Regelungen voraus, dass sie nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstoßen (Urteile vom a.a.O. Rn. 13 und - BVerwG 2 C 12.07 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 30 Rn. 19). Als Prüfungsmaßstab kommen insbesondere der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Betracht, soweit sie als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlichen Schutz genießt.

a)

Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. zum Ganzen BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <313 f.> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 4 f. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. auch BVerwG 2 C 16.06 - Buchholz 237.3 § 71b BrLBG Nr. 1 S. 2 f.). Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. - BVerfGE 91, 118 <123>). Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.

Da die Beihilfe ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat, ist diese bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich zu beachten. Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfensystem angeführten Gründe müssen hiervor Bestand haben. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfensystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt (vgl. - BVerfGE 85, 238 <247> ). Durch Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüsse darf sich der Vorschriftengeber innerhalb des geltenden Beihilfesystems nicht zu seiner grundsätzlichen Entscheidung in Widerspruch setzen, Beihilfe zu gewähren, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BhV). Da es sich bei der Begrenzung der Beihilfefähigkeit durch Leistungsausschlüsse und Leistungsbeschränkungen um eine Einschränkung dieses Grundsatzes handelt, bedarf ein Ausschluss oder eine Begrenzung in materieller Hinsicht einer inneren, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhaltenden Rechtfertigung und in formeller Hinsicht einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BhV; BVerwG 2 C 23.08 - IÖD 2009, 174 und vom - BVerwG 2 C 28.08 - [...] Rn. 14).

Hieran gemessen ist der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente nicht zu beanstanden. Anders als das Berufungsgericht meint, knüpft dieses Differenzierungsmerkmal nicht an die Gefährlichkeit der Medikamente an, die den Gesetzgeber veranlasst hat, ihre Abgabe an den Patienten arzneimittelrechtlich an eine ärztliche Verschreibung zu binden, sondern daran, dass die Kaufpreise für diese Medikamente im Allgemeinen deutlich unter den Abgabepreisen für verschreibungspflichtige Medikamente liegen. Der Entscheidung des Vorschriftengebers, Aufwendungen für diese Medikamentengruppe generell von der Beihilfefähigkeit auszuschließen, liegt erkennbar die Wertung zugrunde, dass ihre Beschaffung finanzielle Aufwendungen verursacht, die dem Beamten im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden können. Hierbei ist in Rechnung zu stellen, dass die Ausschlussregelung nicht ausnahmslos gilt. In den durch § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfassten Fällen, in denen Arzneimittel ausnahmsweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden dürfen, greift auch der Beihilfeausschluss nicht ein (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b Satz 2 BhV). Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Dienstherr nicht verpflichtet ist, den Beamten von allen Behandlungskosten im Krankheitsfall freizustellen, beruht dieser Ausschluss somit, an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen, auf einem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt.

b)

Auch die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet es nicht, dem Beamten zu den Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Beihilfe zu gewähren. Sie ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sicherstellt. Er muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können. Dies ist auf der Grundlage des gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" zu beurteilen, in dem zur Eigenvorsorge der Beamten durch Abschluss einer auf die Beihilfevorschriften abgestimmten Versicherung die ergänzende Beihilfegewährung tritt. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (vgl. - BVerfGE 106, 225 <233> ; BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <282> = Buchholz 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1 S. 5 , vom - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 <24> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 S. 27 , vom - BVerwG 2 C 24.07 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 Rn. 22 und vom - BVerwG 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 Rn. 13 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17).

Diesen Anforderungen wird der Ausschluss der Beihilfegewährung für die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV nicht in vollem Umfang gerecht, weil die Beihilfevorschriften, wie das Berufungsgericht mit Recht beanstandet hat, insoweit keine Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten enthalten.

Allerdings ist der Dienstherr durch die Fürsorgepflicht in ihrem von Art. 33 Abs. 5 GG erfassten Kernbereich grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Er muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Der Dienstherr kann die Kosten bestimmter Medikamente ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Dies gilt insbesondere für Aufwendungen, die bezwecken, Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohlbefindens entgegenzuwirken (Urteile vom - a.a.O. m.w.N. und vom a.a.O. Rn. 16).

Jedoch hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89 <100> und vom a.a.O. S. 232). Demgegenüber werden die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BhV). Dies mag zwar die Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der Beamten nicht in Frage stellen. Unter Geltung des gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" aus Beihilfe und darauf abgestimmter Eigenvorsorge kann der pauschale Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfegewährung aber in Einzelfällen die finanziellen Möglichkeiten des Beamten erheblich übersteigen. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten, wenn deren Behandlung die Einnahme nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel erfordert, um Nebenwirkungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verringern. Für derartige Fallgestaltungen muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. An einer solchen Härtefallregelung fehlt es in Bezug auf den Leistungsausschluss gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV (Urteil vom a.a.O. Rn. 17).

An diesen Anforderungen der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht ändert nichts, dass die Ausschlussregelungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV eingeführt wurden, um eine Gleichbehandlung der Beihilfeberechtigten mit den gesetzlich Krankenversicherten zu erreichen (vgl. Regierungsentwurf zum Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, Begründung zu Art. 1 Nr. 22, BTDrucks 15/1525). Denn die Sicherungssysteme "gesetzliche Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe" weisen grundlegende Strukturunterschiede auf. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Aus diesem Grund wird das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch Unterschiede bei der Leistungsgewährung in aller Regel nicht verletzt (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 1 BvR 1778/05 - und vom - 2 BvR 613/06 - jeweils in [...]; BVerwG 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 <31 ff.> = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17; BVerwG 2 B 56.07 - Buchholz 270 § 12 BhV Nr. 2). Erst recht vermag das Bestreben nach einer Angleichung der Systeme Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht nicht zu rechtfertigen ( BVerwG 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 Rn. 18 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17).

Zudem sind die Regelungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherungen über die Kostenübernahme für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht wirkungsgleich auf das Beihilferecht übertragen worden. Es fehlt an einer § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V entsprechenden Regelung, die es Vertragsärzten in medizinisch begründeten Einzelfällen gestattet, auch solche nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verordnen, die nach den Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses nicht zugelassen sind. Dadurch ermöglicht das Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen im Gegensatz zum Beihilferecht Einzelfallentscheidungen, die am Kriterium der medizinischen Notwendigkeit ausgerichtet sind (Urteil vom a.a.O. Rn. 19).

Der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht muss während des Übergangszeitraums bis zu der inzwischen in Kraft getretenen Neuregelung des Beihilferechts des Bundes Rechnung getragen werden. Sie verlangt unzumutbare Härten zu vermeiden, die sich in Einzelfällen ergeben können. Hierfür bedarf es einer abstrakt-generellen Härtefallregelung, wie sie die Beihilfevorschriften in § 12 Abs. 2 enthalten. Danach sind die in § 12 Abs. 1 BhV vorgeschriebenen Eigenbehalte für bestimmte beihilfefähige Aufwendungen innerhalb eines Kalenderjahres auf Antrag des Beihilfeberechtigten nicht mehr abzuziehen, sobald diese Abzüge für den Beihilfeberechtigten und seine berücksichtigungsfähigen Angehörigen zusammen die festgelegte finanzielle Belastungsgrenze überschreiten (vgl. Urteil vom a.a.O. Rn. 21).

Um die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Anforderungen im Übergangszeitraum zu gewährleisten, hält es der Senat für angezeigt, die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Falle ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit vorläufig im Rahmen des § 12 Abs. 2 BhV zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 genannten Aufwendungen zu berücksichtigen. Sobald der Gesamtbetrag der Eigenbehalte gemäß § 12 Abs. 1 BhV und der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel die maßgebende Belastungsgrenze des § 12 Abs. 2 BhV im jeweiligen Kalenderjahr überschreitet, sind weitere derartige Aufwendungen nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit zu erstatten. Demzufolge sind für die Dauer des Übergangszeitraums auch die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Antrag gemäß § 12 Abs. 2 BhV geltend zu machen. Im Hinblick auf diese Aufwendungen kann dem Antrag nicht entgegengehalten werden, er sei erst nach Ablauf des Kalenderjahres gestellt worden (vgl. Urteil vom a.a.O. Rn. 22).

4.

Der Ausschluss verschreibungsfreier Medikamente von der Beihilfefähigkeit scheitert nicht an der vom Vorschriftengeber verwendeten Verweisungstechnik. Zu Recht hat das Berufungsgericht zwar hervorgehoben, dass die Übertragung der Entscheidungskompetenz über den Ausschluss bestimmter Arzneimittel auf den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V gebildeten Bundesausschuss im Wege der dynamischen Verweisung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b Satz 2 BhV verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. So liegt aufgrund der grundlegenden Strukturunterschiede der beiden Sicherungssysteme nahe, die Tatbestände beihilferechtlicher Leistungsausschlüsse normativ festzulegen, anstatt ihre nähere Bestimmung einem Gremium zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten ist und das seine Entscheidungen nach Maßgabe des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherungen unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaften trifft. Hieraus folgt aber nicht die Unanwendbarkeit der Regeln über Leistungsausschlüsse. Vielmehr hat der Senat mehrfach entschieden, dass den dargestellten Bedenken für den Übergangszeitraum nicht mehr nachgegangen zu werden braucht ( BVerwG 2 C 24.07 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 S. 4). Dies gilt nicht nur für den Leistungsausschluss bei potenzsteigernden Mitteln, sondern für alle Leistungsausschlüsse, die den dargelegten Anforderungen des Gleichheitssatzes und der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht nicht widersprechen.

5.

Nicht durchgreifend ist auch die Erwägung des Berufungsgerichts, bei der Schaffung der Ausschlussregelungen habe der Beihilfegeber keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen, um dem Zusammenhang zwischen Fürsorge und Alimentation gerecht zu werden.

Richtig daran ist, dass sich beihilferechtliche Regelungen über Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen auf das Alimentationsniveau auswirken können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Beamte der mit der Regelung - auch - beabsichtigten Verhaltenslenkung nicht entsprechen kann, weil er ohne die Möglichkeit, auf ein verschreibungspflichtiges Medikament auszuweichen, auf ein spezielles verschreibungsfreies Präparat zwingend angewiesen ist. Sofern nicht schon die Beihilfevorschriften selbst für solche Fälle eine Ausnahme vom vollständigen oder teilweisen Leistungsausschluss vorsehen, führt die Absenkung des Alimentationsniveaus jedoch nicht zur Unanwendbarkeit der sie verursachenden Vorschriften. Ist das Beihilfensystem als solches nicht verfassungsrechtlich verankert, so unterliegt der Gesetzgeber auch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung keinen Bindungen durch das Alimentationsprinzip. Stellen Absenkungen des Beihilfestandards im Zusammenwirken mit anderen Besoldungseinschnitten die Amtsangemessenheit der Alimentation in Frage, so ist verfassungsrechtlich nicht die Anpassung der Beihilfen, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldungsgesetze geboten, die das Alimentationsprinzip konkretisieren ( a.a.O. S. 233; Kammerbeschluss vom - 2 BvR 1715/03 u.a. - DVBl 2007, 1493 <1495>). Sinkt die Alimentation unter das verfassungsrechtlich gebotene Niveau ab, so führt dies nicht dazu, dass bestimmte Kürzungs- oder Streichungsregelungen außerhalb des Besoldungsgesetzes unwirksam oder unanwendbar sind. Dies gilt nicht nur für Vorschriften über die pauschale Selbstbeteiligung an Krankheitskosten (vgl. BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 <25> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 S. 28), sondern auch für Regelungen über Leistungsbeschränkungen und Leistungsausschlüsse.

Aufgrund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers können Beamten auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Vielmehr sind sie darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klagen auf Feststellung erheben, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Teilt das Verwaltungsgericht diese Beurteilung, so muss es nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Besoldungsgesetzes einholen, das die Dienstbezüge festlegt. Demnach wird den Beamten im Erfolgsfall zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat ( BVerwG 2 C 14.83 - Buchholz 235 § 2 BBesG Nr. 6; BVerwG 2 C 7.95 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 und vom - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <310> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1). Aufgrund der Bindung des Gesetzgebers an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) geht der Senat weiterhin davon aus, dass dieser Weg trotz des damit verbundenen Zuwartens auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist. In wirtschaftlichen Notlagen kommen möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht (vgl. Urteile vom a.a.O. und vom a.a.O. Rn. 29).

6.

Nach alledem hat der Kläger keine Beihilfeansprüche für die geltend gemachten Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Berufungsgericht auch darin zu folgen ist, dass das Präparat "Hyalubrix", das nach seinen Feststellungen ein Medizinprodukt im Sinne des Medizinproduktegesetzes und kein Medikament im Sinne des Arzneimittelrechts ist, jedenfalls beihilferechtlich als solches zu behandeln ist. Der Kläger ist darauf verwiesen, nachträglich einen Antrag nach § 12 Abs. 2 BhV für das Jahr 2005 zu stellen. Ergibt die Einbeziehung dieser Aufwendungen für sich genommen oder zusammen mit Eigenbehalten gemäß § 12 Abs. 1 BhV in diesem Kalenderjahr eine Überschreitung der Belastungsgrenze, so ist dem Kläger der darüber liegende Betrag zu erstatten.

7.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird auf 75 EUR festgesetzt.

Fundstelle(n):
MAAAD-31189