Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 1004; ZPO § 522 Abs. 2; WEG § 14; WEG § 15 Abs. 3; WEG § 21 Abs. 3; WEG § 18; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 13; GG Art. 14; GG Art. 20 Abs. 3; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93c Abs. 1
Instanzenzug: LG Koblenz, 2 S 41/08 vom AG Mainz, 74 C 27/08 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen, die an einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung zu stellen sind, mit dem ein Hausverbot gegen einen Besucher einer Wohnungseigentümerin ausgesprochen wird.
I.
1. a) Die Beschwerdeführerin ist Wohnungseigentümerin in einer Wohnungseigentumsanlage in M. Sie ist an einer schizoaffektiven Psychose erkrankt. Ihr behandelnder Facharzt attestierte ihr am , dass mit ihrer Erkrankung Verhaltensauffälligkeiten einhergehen, die sich zeitweilig in Form von Weinen, Schreien und Hilferufen äußern. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, ihren Alltag allein zu bewältigen, sondern benötige dringend die Unterstützung ihres Lebensgefährten R., der sie regelmäßig besucht und in ihrer Wohnung übernachtet. Dieser ist die einzige Kontaktperson der Beschwerdeführerin. Seit einigen Jahren kommt es zu Beschwerden mehrerer Wohnungseigentümer mit der Begründung, durch die Beschwerdeführerin und Herrn R. werde immer wieder die Nachtruhe der Miteigentümer in erheblicher Weise gestört.
Die Wohnungseigentümer fassten in der Wohnungseigentümerversammlung am den Beschluss, Herrn R. ein uneingeschränktes Hausverbot zu erteilen.
b) Gegen diesen Beschluss erhob die Beschwerdeführerin Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Anfechtungsklage. Es fehle an einer Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Erlass eines Hausverbots. Zudem gingen von der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten keine Störungen aus. Die Beschwerdeführerin nehme gegen Abend starke Schlafmittel, so dass sie die ganze Nacht durchschlafe.
Das Amtsgericht Mainz erhob Beweis durch die Parteivernehmung mehrerer Wohnungseigentümer und die Einvernahme des Lebensgefährten als Zeugen. Mit Urteil vom wies es die Klage ab. Die Klage sei unbegründet. Die Wohnungseigentümer hätten von ihrem Abwehranspruch nach § 1004 BGB Gebrauch gemacht. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass von der Wohnung der Beschwerdeführerin eine unzumutbare Lärmbelästigung für die anderen Wohnungseigentümer ausgehe, die im Wesentlichen auf die Anwesenheit des Zeugen R. zurückzuführen sei, vor allem komme es zu heftigen Streitigkeiten zwischen dem Zeugen und der Beschwerdeführerin. Es handele sich auch um gehäufte Verstöße. Das Gericht verkenne nicht, dass der Zeuge R. die einzige Kontaktperson der Beschwerdeführerin darstelle, andererseits seien auch die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zu schützen, die ein Recht auf ungestörte Nachtruhe hätten; dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein geregeltes Arbeitsleben ohne ausreichenden Nachtschlaf kaum möglich sei.
c) Die Beschwerdeführerin legte gegen das Urteil Berufung ein. Mit Beschluss vom wies das Landgericht Koblenz die Beschwerdeführerin darauf hin, dass es beabsichtige, ihre Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es stehe der Gemeinschaft frei, gegen einen störenden Dritten ein Hausverbot auszusprechen. Das Amtsgericht habe nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es durch den Zeugen R. vielfach und lang andauernd zu einer erheblichen Störung insbesondere der Nachtruhe gekommen sei. Unerheblich sei der Vortrag der Beschwerdeführerin, dass sie an einer schweren Erkrankung leide, die die Ursache für ihr Verhalten sei. Denn Störer sei nicht die Beschwerdeführerin selbst, sondern der Zeuge R. Nicht entscheidend sei auch, ob dieser ihr Lebensgefährte sei. Es finde eine Abwägung zwischen zwei gleichberechtigten Grundrechten statt, wobei das Amtsgericht zu Recht angenommen habe, dass diese angesichts der festgestellten massiven Störungen zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgehe.
Nachdem die Beschwerdeführerin zu dem Beschluss Stellung genommen hatte, wies das Landgericht Koblenz die Berufung mit Beschluss vom zurück. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Sache habe auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruhe auf den Umständen des Einzelfalls.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 13, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1, auch in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Durch Art. 13 GG sei das Hausrecht der Beschwerdeführerin geschützt. Art. 14 GG garantiere die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand. Durch Art. 2 Abs. 1 GG sei die Freiheit geschützt, mit einer bestimmten Person zusammen zu leben. Der Eingriff in diese Grundrechte sei bereits deswegen rechtswidrig, weil es keine gesetzliche Grundlage für das ausgesprochene Hausverbot gebe. Nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB könne kein Hausverbot verhängt werden, sondern lediglich das Unterlassen der Störung verlangt werden. Auch der Anspruch nach § 14 Nr. 2 WEG, § 1004 BGB richte sich nur auf das Unterlassen einer Störung durch den Wohnungseigentümer. Es handele sich auch nicht um eine nach § 15 Abs. 2 WEG zulässige Gebrauchsregelung. Das Hausrecht der übrigen Wohnungseigentümer könne das Hausrecht der Beschwerdeführerin nicht dadurch einschränken, dass die Benutzung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Zugänge untersagt werde. Das Hausverbot sei darüber hinaus unverhältnismäßig. Es genüge, den Lebensgefährten auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Außerdem käme als letztes Mittel nach einer Abmahnung die Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG in Betracht.
Das Landgericht habe außerdem durch die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss den Anspruch der Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Zur Frage des Hausverbots für eine Sondereigentumseinheit würden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Eine hinreichende höchstrichterliche Klärung sei bisher nicht erfolgt. Die Sache habe auch grundsätzliche Bedeutung. Das Landgericht hätte daher entsprechend des gestellten Antrags die Revision zum Bundesgerichtshof zulassen müssen.
3. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz und die Antragsgegner hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragsgegner halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Art. 13 GG schütze vor dem Eindringen der Staatsgewalt in die Wohnung und deren Verweilen. Mit dem Vollzug des Hausverbots werde jedoch auf die Wohnung der Beschwerdeführerin nicht "Zugriff" genommen. Wenn man einen Eingriff annähme, sei dieser aufgrund der massiven Störungen des Herrn R. gerechtfertigt. Art. 14 GG sei nicht verletzt. Würde die Beschwerdeführerin mit ihrer Rechtsauffassung durchdringen, könnten gegen einen Störer keine effektiven Abwehransprüche durchgesetzt werden. Das Hausverbot stelle auch gegenüber der möglichen Entziehung des Wohnungseigentums die mildere Maßnahme dar.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt.
1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts auf Schutz des Eigentums der Beschwerdeführerin nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor; denn das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zum Schutz des Grundstückseigentums bereits entschieden (vgl. BVerfGE 98, 17 <35 f.>).
2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG soll dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und dem Einzelnen die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen (vgl. BVerfGE 89, 1 <6> ). Art. 14 Abs. 1 GG gibt daher dem Rechtsträger des ihm nach dem bürgerlichen Recht zugeordneten Grundeigentums die Befugnis, die Nutzung aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 52, 1 <30> ; 98, 17 <35> ). Das umfasst vor allem auch das Recht des Eigentümers darüber zu entscheiden, ob eine Überlassung der Nutzung an Dritte oder eine gemeinschaftliche Nutzung mit Dritten erfolgt (vgl. zur Vermietung BVerfGE 95, 64 <83>). Der so umrissene Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG steht den Wohnungseigentümern auch untereinander zu (BVerfGK 4, 333 <336>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1107/92 - NJW 1995, S. 1665 <1666>).
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bindet dabei nicht nur den Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Auch die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.> ; 68, 361 <372 f.>; 79, 292 <303>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist allerdings erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, vor allem vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.> ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2285/03 -, NJW-RR 2004, S. 440 <441> ).
b) Für das Sondereigentum begründet § 13 Abs. 1 WEG eine umfassende Verfügungs- und Nutzungsbefugnis des Wohnungseigentümers. Er kann die in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile grundsätzlich nach Belieben nutzen und andere von Einwirkungen ausschließen. Die weitgehende Freiheit des Wohnungseigentümers zur Verfügung und Nutzung seines Wohnungseigentums findet eine einfachrechtliche Grenze in § 14 WEG, der als Grundnorm des innergemeinschaftlichen Nachbarrechts eine notwendige Schranke zu § 13 WEG bildet (vgl. Kreuzer, in: Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 2005, § 14 WEG Rn. 1; Wenzel, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 10. Aufl. 2008, § 14 Rn. 1). Nach § 14 Nr. 1 WEG ist der Wohnungseigentümer verpflichtet, von den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
Verursacht ein Wohnungseigentümer erhebliche Nachteile im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG, kann er von jedem Wohnungseigentümer nach § 15 Abs. 3 WEG oder § 1004 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Unterlassungsanspruch kann nach ganz herrschender Auffassung auch gegenüber einem Dritten, der das Sondereigentum störend nutzt, geltend gemacht werden (vgl. nur -, NJW 1996, S. 714). Zur Begründung wird zum Einen darauf verwiesen, dass die anderen Wohnungseigentümer nicht zu einer weitergehenden Hinnahme von Störungen verpflichtet sein können, wenn der Wohnungseigentümer die Nutzung einem Dritten überlassen hat (vgl. Lüke, in: Weitnauer, WEG, 9. Aufl. 2005, nach § 13 Rn. 4). Zum Anderen sei eine störende Nutzung nicht vom Sondereigentum gedeckt und könne daher mit absoluter Wirkung gegenüber jedem geltend gemacht werden (vgl. -, NJW-RR 1994, S. 146 <147>; -, NJW-RR 1992, S. 1492 <1493 f.>). Der Unterlassungsanspruch kann dabei von jedem einzelnen Wohnungseigentümer, aber auch von der Wohnungseigentümergemeinschaft als gemeinschaftsbezogener Anspruch nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG geltend gemacht werden (Wenzel, a.a.O., § 14 Rn. 42; Abramenko, in: Fachanwaltskommentar WEG, 2. Aufl. 2008, § 13 Rn. 25).
Der Begriff des Nachteils im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Allgemein wird darunter jede nach objektiven Kriterien gegebene, nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung verstanden (vgl. nur Kreuzer, a.a.O., § 14 Rn. 9 m.w.N.). Bei der Auslegung und Anwendung des Nachteilsbegriffs ist neben Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch Art. 13 Abs. 1 GG zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 1 <12 f.> ). Art. 13 GG schützt die Abschirmung der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht und gewährt Schutz gegen Eingriffe in die Entscheidung über das Zutrittsrecht im Einzelnen (vgl. BVerfGE 32, 54 <75> ; 97, 228 <265> ). Die Gerichte sind danach gehalten, bei der Auslegung und Anwendung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 90, 27 <33 f.> ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2285/03 -, NJW-RR 2004, S. 440 <441>).
c) Dem werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Bei der Abwägung der widerstreitenden Belange haben die Gerichte dem Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin und im Zusammenhang damit auch ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht die von Verfassungs wegen gebührende Bedeutung beigemessen.
aa) Das Amts- und das Landgericht stützen das Hausverbot der Wohnungseigentümerversammlung gegen den Zeugen R. auf den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB. Sie haben dabei nicht verkannt, dass das Hausverbot im konkreten Fall nicht als Ausprägung des Hausrechts der Wohnungseigentümer grundsätzlich zulässig ist (vgl. nur -, NJW 2006, S. 1054), denn es bezieht sich nicht nur auf den Aufenthalt im Gemeinschaftseigentum, zum Beispiel im Treppenhaus oder im Eingangsbereich, sondern auf das Sondereigentum der Beschwerdeführerin. Für dieses steht ihr das Hausrecht allein zu. Das gegen den Zeugen R. beschlossene uneingeschränkte Hausverbot stellt vielmehr die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung des Betretens und Verweilens in der Wohnung der Beschwerdeführerin dar.
Folgerichtig untersuchen die Gerichte deshalb, ob ein rechtfertigender Grund für ein solches Hausverbot vorliegt, indem sie die "zweckwidrige Nutzung" des Sondereigentums prüfen und es damit als maßgeblich ansehen, ob eine Störung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG vorliegt. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht stellen bei ihrer Prüfung allerdings lediglich darauf ab, dass Herr R. die einzige Kontaktperson der psychisch erkrankten Beschwerdeführerin sei und dass demgegenüber das Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörte Nachtruhe schwerer wiege.
Der Eingriff in das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin über die Nutzung ihres Sondereigentums und die Bestimmung des Zutritts zu ihm wird von den Gerichten hingegen nicht berücksichtigt. Das Amtsgericht weist nur pauschal darauf hin, dass kein unzulässiger Eingriff in das Sondereigentum der Beschwerdeführerin vorliege, weil eine störende Nutzungsart nicht vom Sondereigentum gedeckt sei. Die landgerichtlichen Beschlüsse vom und enthalten dazu keine Ausführungen. Von den Gerichten wird nicht erwogen, dass auch eine störende Nutzung im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG hinzunehmen sein kann.
bb) Die Gerichte haben zudem außer Acht gelassen, dass der Konflikt zwischen der für die Beschwerdeführerin streitenden Eigentumsgarantie und dem ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörte Nutzung ihres eigenen Wohnungseigentums nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz fallbezogen zu lösen ist, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl.BVerfGE 81, 278 <292>; 93, 1 <21> ; stRspr).
Der Grundsatz der praktischen Konkordanz untersagt jedenfalls weitergehende Eingriffe als zur Herstellung einer ungestörten Nutzung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer notwendig ist. Die fallbezogene Prüfung, ob der Ausspruch eines Hausverbots gegen den Zeugen R. zur Durchsetzung der Grundrechte der übrigen Eigentümer erforderlich war oder ob mildere Mittel ausgereicht hätten, das störende Verhalten zu beseitigen, haben das Amtsgericht und das Landgericht aber nicht vorgenommen. Es ist nicht einmal ersichtlich, ob die Wohnungseigentümer Herrn R. zur Einhaltung der nächtlichen Ruhe aufgefordert haben. Die vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme spricht vielmehr dafür, dass die Wohnungseigentümer bisher nur gegen die Beschwerdeführerin selbst vorgegangen sind. Erst wenn die Aufforderung zur Unterlassung gegen Herrn R. ohne Erfolg geblieben ist und aufgrund der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, kann ein Hausverbot nach verfassungsrechtlichen Maßstäben in Betracht kommen, wobei dann - nach dem Ergebnis der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme - eine Beschränkung auf die nächtliche Ruhezeit nahe liegt.
Dementsprechend geht einfachrechtlich der Anspruch aus § 1004 BGB auch nur auf Unterlassung der Störung und nicht auf das Verbot und Gebot bestimmten Verhaltens. Dem Störer muss grundsätzlich selbst überlassen bleiben, welche Mittel er einsetzt, um den Anspruch zu erfüllen (vgl. -, NZM 2000, S. 879 f.; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom - 20 W 124/03 -, NJW-RR 2004, S. 662 <664>; Kreuzer, a.a.O., § 15 WEG Rn. 58). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn lediglich eine konkrete Handlung oder Unterlassung geeignet ist, das störende Verhalten abzustellen (vgl. -, NJW 2004, S. 1035; BReg. 2 Z 119/86 -, NJW-RR 1987, S. 463 <464> ; Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 1004 Rn. 211; vgl. auch BVerfGK 4, 210 <213 f.>). Die Wohnungseigentümer konnten Herrn R. deshalb grundsätzlich nur auf Unterlassen unzumutbarer Lärmbelästigungen in Anspruch nehmen, nicht jedoch von ihm verlangen, die Wohnung der Beschwerdeführerin nicht mehr zu betreten. Hierzu hätte es weiterer Feststellungen bedurft.
d) Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts Mainz und des Landgerichts Koblenz beruhen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beschlussanfechtungsklage der Beschwerdeführerin nach § 43 Nr. 4, § 46 WEG bei Berücksichtigung der vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Hausverbot Erfolg gehabt hätte; denn ein Beschluss über ein gesetzlich nicht zulässiges Hausverbot entspricht jedenfalls nicht ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG und ist daher anfechtbar. Das Landgericht wird zudem zu prüfen haben, ob eine Nichtigkeit des Beschlusses nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG in Betracht kommt.
3. Hinsichtlich der weiteren Rügen der Beschwerdeführerin wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
III.
Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts waren aufzuheben. Die Sache wird nach § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen. Das Landgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung die oben dargelegten Anforderungen der Eigentumsgarantie zu beachten haben.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a BVerfGG.
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 220 Nr. 4
QAAAD-31166