BVerwG Beschluss v. - 9 B 83.09

Leitsatz

Mangelnde Rechtskenntnis stellt in aller Regel kein unverschuldetes Hindernis i.S.d. § 60 Abs. 1 VwGO dar; ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger muss bei ihm nicht geläufigen Rechtsfragen grundsätzlich juristischen Rat einholen (wie BVerwG 4 CB 24.88 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 6).

Gesetze: VwGO § 58 Abs. 1; VwGO § 58 Abs. 2; VwGO § 60 Abs. 1; VwGO § 67 Abs. 4; VwGO § 133 Abs. 2; VwGO § 133 Abs. 3

Instanzenzug: VGH Bayern, 13 A 1394/08 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom ist wegen Versäumung sowohl der Frist zur Einlegung der Beschwerde (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO) als auch der Frist zu deren Begründung (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) zu verwerfen.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom wurde der Klägerin am zugestellt. Somit war die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO bis zum einzulegen und gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO bis zum zu begründen. Die Einlegungsfrist wurde durch die am beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangene Beschwerde nicht gewahrt, weil diese nicht durch einen Prozessbevollmächtigten i.S.d. § 67 Abs. 4 VwGO eingelegt wurde. Durch anwaltlichen Schriftsatz wurde die Beschwerde erst am beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt und - erstmals - begründet. Damit wurden die Fristen zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sowie zu deren Begründung versäumt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beschwerde sowie die Beschwerdebegründung abweichend von § 133 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 VwGO beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt bzw. eingereicht werden konnten, weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitlich bereits über die Nichtabhilfe der Beschwerde entschieden und die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hatte. Schließlich läuft für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und die Beschwerdebegründung auch nicht die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO. Die dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom beigefügte Rechtsmittelbelehrung genügt den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss die Rechtsmittelbelehrung nicht über einen gesetzlichen Vertretungszwang belehren ( BVerwG 4 C 3.74 - BVerwGE 52, 226 <232> ; stRspr). Die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Urteil ist auch nicht geeignet, hinsichtlich der Form des Rechtsbehelfs einen Irrtum hervorzurufen, welcher die Rechtsmitteleinlegung erschweren könnte (vgl. BVerwG 6 C 77.78 - BVerwGE 57, 188 <190> ).

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und die Beschwerdebegründung wurden auch nicht deshalb rechtzeitig eingelegt bzw. eingereicht, weil antragsgemäß Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen nach § 133 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VwGO zu gewähren ist. Die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass die Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Die Klägerin trägt insoweit vor, ursächlich für die Fristversäumnis sei ihre Unkenntnis des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO gewesen. Auf dieses Erfordernis sei sie im vorinstanzlichen Verfahren "nicht ausreichend" hingewiesen worden; insbesondere enthalte die Rechtsmittelbelehrung im Urteil vom keinen derartigen Hinweis. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Aus dem fehlenden Hinweis auf den gesetzlichen Vertretungszwang in der Rechtsmittelbelehrung kann die Klägerin keinen Wiedereinsetzungsgrund herleiten; wie bereits ausgeführt, schreibt § 58 Abs. 1 VwGO einen solchen Hinweis nicht vor. Erst recht war die Vorinstanz nicht verpflichtet, die Klägerin auf andere Weise auf den Vertretungszwang hinzuweisen. Auch eine Unkenntnis der Klägerin über den Vertretungszwang stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschuldigt mangelnde Rechtskenntnis eine Fristversäumnis in aller Regel nicht; vielmehr muss ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger bei ihm nicht geläufigen Rechtsfragen grundsätzlich juristischen Rat einholen (Beschlüsse vom - BVerwG 5 B 70.92 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 179 und vom - BVerwG 4 CB 24.88 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 6). Besondere Umstände, denen die Klägerin entnehmen konnte, dass sie ohne Beteiligung eines Rechtsanwalts sowohl die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen als diese auch selbst begründen könne, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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Fundstelle(n):
RAAAD-30963