BFH Urteil v. - VI R 13/08

Doppelte Haushaltführung durch alleinstehenden Arbeitnehmer

Leitsatz

Ein eigener Hausstand im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG kann von einem (alleinstehenden) Arbeitnehmer auch dann unterhalten werden, wenn ihm die Küche nicht zur alleinigen Verfügung steht, sondern die Mutter als Eigentümerin zur Mitbenutzung berechtigt ist.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist, ob ein im Streitjahr (2004) lediger Arbeitnehmer am Ort seines Lebensmittelpunkts einen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterhalten hat.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte im Streitjahr seinen Lebensmittelpunkt in X. Er nutzte dort im Einfamilienhaus seiner Mutter neben einem im Kellergeschoss gelegenen Schlafzimmer ein Wohnzimmer sowie Bad und Dusche im Erdgeschoss allein. Die ebenfalls im Erdgeschoss belegene Küche stand auch seiner Mutter, die im Übrigen im Obergeschoss wohnte, zur Verfügung.

Im Februar 2004 nahm der Kläger bei einer Firma in Z eine nichtselbständige Tätigkeit auf. Dort mietete er eine Wohnung an.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 9 846 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ab.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die dem Kläger überlassenen Räumlichkeiten ermöglichten ihm keine eigenständige Haushaltsführung. Mangels Küche verfüge die Wohnung nicht über alle Einrichtungen, die für ein eigenständiges Wirtschaften erforderlich seien. Die bloße Mitbenutzung der mütterlichen Küche stehe dem nicht gleich. Die Entscheidung des (BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98) stehe dieser Einschätzung nicht entgegen.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1693 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Mangels Entscheidungserheblichkeit kann offenbleiben, ob die Rüge des Klägers, die Vorinstanz habe den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt, schlüssig erhoben wurde (vgl. dazu , BFH/NV 2008, 1463).

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Auch ein alleinstehender Arbeitnehmer kann einen doppelten Haushalt führen (, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180; in BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98; vom VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890; vom VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom VI R 23/07, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2009, 1176).

Hausstand im Sinn der Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Ein eigener Hausstand erfordert, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird. Sofern der Arbeitnehmer nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist, muss anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Falles untersucht werden, ob der Hausstand jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann. Wesentlich ist, dass das Verbleiben des Steuerpflichtigen in der Wohnung sichergestellt ist. Nutzt der Arbeitnehmer die Wohnung nicht allein, muss er sie aber zumindest gleichberechtigt mitbenutzen können.

Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer unterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt. Im Übrigen kommt es darauf an, dass der ledige Arbeitnehmer sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf. Urlaubsfahrten, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt (z.B. in den der Eltern oder als Gast) eingegliedert ist, so dass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann. Es ist nicht allein ausschlaggebend, ob die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird (Senatsentscheidung in BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890).

2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Seine Auffassung, der Kläger unterhalte nur deshalb keinen eigenen Hausstand, weil die ihm überlassene Wohnung über keine eigene Kochstelle oder Küche verfüge, steht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats in BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98. Danach kommt es für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung nicht darauf an, ob die dem Arbeitnehmer zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Räumlichkeiten den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden. Der Senat hat es in dieser Entscheidung auch für unerheblich angesehen, dass sich der Arbeitnehmer in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtung mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichten (vgl. auch , BFHE 212, 376, BStBl II 2006, 561, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn, wie im Streitfall, dem Arbeitnehmer die Küche nicht zur alleinigen Verfügung steht. Die Tatsache, dass die Mutter als Eigentümerin zur Mitbenutzung berechtigt war, rechtfertigt entgegen der Auffassung des FG keine unterschiedliche Behandlung. Jedenfalls kann allein daraus nicht gefolgert werden, dass der Kläger in den Hausstand der Mutter eingegliedert gewesen wäre.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Zwar hat das FG festgestellt, dass sich der Lebensmittelpunkt des Klägers im Streitjahr noch in seinem Heimatort befand. Es hat jedoch nicht geprüft, ob der Kläger nach den genannten Grundsätzen einen eigenen Hausstand unterhalten hat. Dies ist nunmehr im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Falls das FG danach erneut zu dem Ergebnis kommt, dass eine doppelte Haushaltsführung zu verneinen ist, wird § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG zu beachten sein.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1986 Nr. 12
EStB 2009 S. 389 Nr. 11
NAAAD-29979