Leitsatz
Über eine Kostenfestsetzung nach Abschluss des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss hat der Ausschuss in vollständiger Besetzung zu entscheiden.
Gesetze: SGB I § 37 Abs 1 S 1; SGB X § 1 Abs 2; SGB X § 40 Abs 1; SGB X § 42 S 1; SGB X § 63 Abs 3 S 1 Halbs 1; SGB V § 97 Abs 2; Ärzte-ZV § 36 Abs 1 S 1; Ärzte-ZV § 41 Abs 2 S 1; Ärzte-ZV § 45 Abs 2; Ärzte-ZV § 45 Abs 3; SGG § 78 Abs 1
Instanzenzug: SG Düsseldorf, S 33 KA 149/05 vom LSG Essen, L 11 KA 33/07 vom
Gründe
I
Umstritten ist die Frage, ob der Vorsitzende des beklagten Berufungsausschusses berechtigt ist, allein über die Kostenfestsetzung nach § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X zu entscheiden.
Die Klägerin ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Der gegen ihre Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gerichtete Widerspruch der zu 8. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) wurde vom Beklagten zurückgewiesen; dessen Beschluss enthielt keine Kostenentscheidung. Auf Anfrage der Klägerin erklärte sich die Beigeladene zu 8. dem Grunde nach zur Kostenerstattung bereit und ersetzte nachfolgend Kosten in Höhe von 1.166,26 Euro auf der Basis einer 1,3fachen Geschäftsgebühr. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom wies der Beklagte durch seinen Vorsitzenden den - auf den Ansatz einer 1,5fachen Geschäftsgebühr und die Erstattung von Kosten in Höhe von 1.342,12 Euro gerichteten - Antrag der Klägerin zurück.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, erneut über den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu entscheiden. Gemäß § 45 Abs 3 iVm § 41 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) könnten Beschlüsse des Berufungsausschusses nur in vollständiger Besetzung getroffen werden; eine abweichende Regelung für das Kostenfestsetzungsverfahren sähen weder die Ärzte-ZV noch das SGB X oder das SGG vor.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X bestimme, dass die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen habe, auch für die Entscheidung über die Höhe der Kosten zuständig sei. Behörde sei aber nicht der Vorsitzende, sondern der Berufungsausschuss. Dieser sei auch kein bei der KÄV gebildeter Ausschuss iS des § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X. Beschlüsse könne der Berufungsausschuss nur in vollständiger Besetzung treffen. Da die Ärzte-ZV dem Vorsitzenden an anderer Stelle eigene Kompetenzen einräume, nicht aber im Zusammenhang mit der Beschlussfassung, deute dies nicht darauf hin, dass die Ärzte-ZV keine abschließende Regelung enthalte. Die Auffassung, es handele sich bei der Kostenfestsetzung um eine reine Verwaltungsmaßnahme, sei von § 63 SGB X nicht gedeckt (Urteil vom ).
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Die eine Beschlussfassung bei vollständiger Besetzung vorschreibenden Bestimmungen bezögen sich - wie auch die Regelungen der Ärzte-ZV insgesamt - ausschließlich auf die zu treffende Sachentscheidung und enthielten keine Vorgaben für die sachliche und funktionelle Zuständigkeit bei Kostenfestsetzungen im Anschluss an ein Widerspruchsverfahren; hierfür sei allein § 63 Abs 3 SGB X maßgeblich. Bei der Kostenfestsetzung handele es sich um eine von der Spruchtätigkeit des Ausschusses klar zu trennende nachgehende und auch nachrangige Verwaltungsentscheidung in Form eines selbstständig anfechtbaren Verwaltungsaktes. § 63 Abs 3 SGB X überlasse die Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit ausdrücklich der Organisationsgewalt der Behörde. Sinn und Zweck der Regelung lägen darin, den Ausschuss von ihm wesensfremden Entscheidungen zu entlasten. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Berufungsausschuss nur deshalb gezwungen wäre, die Kostenfestsetzung nach den Regeln für das Beschlussverfahren zu treffen, weil es an einer festen Zuordnung des Ausschusses zu einer Behörde fehle. Auch der Berufungsausschuss als "Behörde" verfüge über eine Organisation; insbesondere habe er einen Vorsitzenden, der im gerichtlichen Verfahren sogar Entscheidungen des Ausschusses aufheben könne. Es sei auch aus sachlichen Erwägungen nicht geboten, alle Mitglieder des Ausschusses an der Kostenfestsetzung zu beteiligen.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die gesetzliche Konzeption, die Kostenfestsetzungsentscheidung im Bereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Vertragsärzte und Krankenkassen entsprechend paritätisch besetzten Gremien zu überlassen, spreche für den Willen des Gesetzgebers, die Behörde - somit den Berufungsausschuss in vollständiger Besetzung - entscheiden zu lassen. Der Umstand, dass die in diesen Gremien vertretenen Beteiligten auch von der Kostenfestsetzungsentscheidung betroffen seien, rechtfertige deren Einbindung. Dies sei angesichts der Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, auch nicht mit einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand verbunden.
Die Beigeladene zu 8. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten an.
Die übrigen Beigeladenen haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.
II
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben dessen Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend als rechtswidrig beurteilt.
1. Der Zulässigkeit der Klage unmittelbar gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss (zur Verwaltungsakteigenschaft des Festsetzungsbeschlusses vgl Roos in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 63 RdNr 45 mwN; s auch Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom , 9 C 54/87 = BVerwGE 79, 291, 297) steht nicht entgegen, dass dem Klageverfahren entgegen § 78 Abs 1 SGG kein Vorverfahren vorausgegangen ist. Zwar ist die Kostenfestsetzung durch die zuständige Behörde in der Regel ein Verwaltungsakt, der vor der Klageerhebung in einem Widerspruchsverfahren zu überprüfen ist. Jedoch ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme anerkannt, wenn - wie hier - die Widerspruchsstelle für die Kostenfestsetzung zuständig ist. Das hat zur Folge, dass ein Vorverfahren gegen die vom Berufungsausschuss zu treffende Kostenfestsetzungsentscheidung nicht stattfindet (vgl Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1300 § 63 Nr 12 S 44 - zum Beschwerdeausschuss; - zum Berufungsausschuss). Dasselbe gilt, wenn für den Berufungsausschuss allein dessen Vorsitzender über die Kostenfestsetzung entscheidet.
2. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich nicht bereits daraus, dass der Kostenfestsetzung keine Kosten(grund)entscheidung vorausgegangen ist. Grundsätzlich setzt ein Kostenfestsetzungsbeschluss allerdings voraus, dass zuvor (oder zeitgleich) eine Kosten(grund)entscheidung getroffen wurde (vgl = SozR 3-1300 § 63 Nr 12 S 41; = Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 33; Roos, aaO, § 63 RdNr 31; Dahm, SozVers 2002, 205, 207; Marschner in Pickel/Marschner, SGB X, Stand April 2009, § 63 RdNr 47; vgl Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 80 RdNr 47). Dies ist vorliegend nicht der Fall; der Beschluss des Beklagten über die Zurückweisung des Widerspruchs der KÄV gegen die Ermächtigung der Klägerin enthält keine Kostenentscheidung. Somit wäre der Beklagte als Widerspruchsstelle eigentlich verpflichtet gewesen, in Form eines Bescheides den Widerspruchsbescheid ausdrücklich im Kostenpunkt zu ergänzen (Roos, aaO, RdNr 34 mwN; Marschner, aaO, RdNr 45). Für das Gerichtsverfahren ist jedoch anerkannt, dass eine Kostenentscheidung ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn ein Kostenanerkenntnis vorliegt ( = SozR 3-1500 § 193 Nr 4; Leitherer in MeyerLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 193 RdNr 2e mwN; AK-A - juris, dort RdNr 6). Für das Widerspruchsverfahren gilt nichts anderes. Ein solches Anerkenntnis hat die Beigeladene zu 8. mit Schreiben vom abgegeben.
3. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtswidrig, weil er von einer für diese Entscheidung nicht zuständigen Stelle erlassen wurde. Nicht der Vorsitzende des Ausschusses, sondern der Berufungsausschuss in vollständiger Besetzung ist für die Kostenfestsetzung im Anschluss an ein Widerspruchsverfahren im Rahmen eines vertragsärztlichen Zulassungs- bzw Ermächtigungsverfahrens zuständig. Eine entsprechende Kompetenz des Vorsitzenden ergibt sich weder aus § 63 Abs 3 SGB X noch aus den Bestimmungen der Ärzte-ZV; sie kann auch nicht im Wege der normergänzenden Auslegung in die maßgeblichen Bestimmungen hineininterpretiert werden.
a) Der Vorsitzende des Berufungsausschusses ist nach § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X (zur Anwendbarkeit des § 63 SGB X im Verfahren vor dem Berufungsausschuss zuletzt BSG SozR 4-1935 § 17 Nr 1 RdNr 13) nicht (allein) zur Festsetzung der Kosten in vertragsärztlichen Zulassungsverfahren berechtigt. Nach dieser Vorschrift setzt bei sog isolierten Vorverfahren die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; wenn ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen hat, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist.
aa) Die Ausnahmeregelung in § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X findet vorliegend keine Anwendung. Der Berufungsausschuss nach § 97 SGB V ist kein bei den KÄVen gebildeter Ausschuss im Sinne dieser Vorschrift. Der Senat hat dies bereits für die vergleichbaren Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung entschieden (BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 12 S 41). Für die Berufungsausschüsse nach § 97 SGB V gilt nichts anderes (vgl BSG SozR 1300 § 63 Nr 8), da auch sie als Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung gegenüber den KÄVen und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen rechtlich verselbstständigt (Pawlita in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 96 RdNr 19) und damit beteiligungsfähig im Sinne des § 70 Nr 4 SGG sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 70 RdNr 5).
bb) Die Entscheidung über die Kostenfestsetzung ist vom Berufungsausschuss in vollständiger Besetzung zu treffen (so auch Bayerisches - juris, dort RdNr 33; s aber Martens, DOK 1981, 971, 973 f). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X sind die Kosten von der "Behörde" festzusetzen, welche die Kostenentscheidung getroffen hat bzw zu treffen gehabt hätte. Der Vorsitzende des Berufungsausschusses ist jedoch weder Behörde im Sinne dieser Vorschrift noch war er derjenige, der vorher die Kosten(grund)entscheidung getroffen hat, bzw diese ohne das Anerkenntnis der beigeladenen KÄV hätte treffen müssen.
(1) Der Vorsitzende des Berufungsausschusses ist selbst keine Behörde iS des § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Der Berufungsausschuss ist "Behörde" im Sinne dieser Vorschrift (Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 35 Ärzte-ZV RdNr 2; Hencke in Peters, SGB V, Stand , § 97 RdNr 7; Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts 2. Aufl 2006, § 5 RdNr 85; Schnapp in Schulin [Hrsg] Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1 Krankenversicherung, 1994, § 49 RdNr 237), nicht aber sein Vorsitzender.
Einzelpersonen können (nur dann) Behörden im Sinne von § 1 Abs 2 SGB X sein, wenn sie als "beliehene Unternehmer" oder als Beauftragte mit eigener Entscheidungsbefugnis tätig werden (Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Dezember 2008, § 1 RdNr 22 unter Hinweis auf Thieme in Wannagat, § 1 SGB X RdNr 11). Dies trifft auf den Vorsitzenden des Berufungsausschusses nicht zu. Allerdings haben gemäß § 31 Abs 3 Satz 1 SGB IV auch die vertretungsberechtigten Organe der Versicherungsträger - also Vorstände und Geschäftsführer - Behördeneigenschaft. Das beruht jedoch auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung und kann nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass allen vertretungsberechtigten Personen Behördeneigenschaft zukommt. Vielmehr besteht bei Sozialversicherungsträgern die Besonderheit, dass die Eigenschaft als Behörde nicht den Versicherungsträgern, sondern den vertretungsberechtigten Organen zuerkannt wird (Schneider-Danwitz in Schlegel/Voelzke [Hrsg], juris Praxiskommentar SGB IV, 2006, § 31 RdNr 110). Im Übrigen ist der Vorsitzende des Berufungsausschusses nicht dessen (vertretungsberechtigtes) "Organ". Während etwa die §§ 35, 35a und 36 SGB IV ausdrücklich bestimmen, dass der (ehrenamtliche bzw hauptamtliche) Vorstand (vgl § 35 Abs 1 Satz 1, § 35a Abs 1 Satz 1 SGB IV) bzw der Geschäftsführer (§ 36 Abs 1 SGB IV) den Versicherungsträger gerichtlich und außergerichtlich vertritt, findet sich eine derartige Funktionszuweisung weder in den §§ 96, 97 SGB V noch in der Ärzte-ZV. Dies ist auch konsequent, da die Zulassungsgremien nicht monokratisch, sondern als Kollegialorgan organisiert sind.
§ 71 Abs 4 SGG, der bestimmt, dass für Entscheidungsgremien iS des § 70 Nr 4 SGG der Vorsitzende handelt, steht dem nicht entgegen. Zwar ist zutreffend, dass diese Vorschrift den Ausschussvorsitzenden berechtigt, im Gerichtsverfahren Entscheidungen des Ausschusses im Vergleichswege oder im Wege des Anerkenntnisses abzuändern oder aufzuheben, ohne dass insoweit eine Zustimmung der beigeladenen Krankenkassenverbände bzw der KÄV erforderlich ist (s hierzu auch Engelhard, NZS 2003, 248, 250). Soweit der Entscheidung des Senats vom (6 RKa 65/86 = MedR 1988, 204 ff = USK 87172) Gegenteiliges entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten. Jedoch handelt es sich bei § 71 Abs 4 SGG um eine auf das gerichtliche Verfahren beschränkte Sondervorschrift, die dazu dient, diesen Entscheidungsgremien Prozesshandlungen zu ermöglichen. Sie kann nicht auf das Verwaltungsverfahren übertragen werden. Die Regelung bestätigt im Übrigen gerade, dass der Vorsitzende nicht gesetzlicher Vertreter des Berufungsausschusses ist; andernfalls hätte es der Sonderregelung in Abs 4 nicht bedurft, weil bereits Abs 3 regelt, dass für Personenvereinigungen und Behörden ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände handeln.
(2) Selbst wenn der Vorsitzende als "Behörde" angesehen werden könnte, wäre er jedenfalls nicht die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat. Die Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung ist grundsätzlich im Widerspruchsbescheid (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Dezember 2008, K § 63 RdNr 16) und von der Behörde zu treffen, die über den Widerspruch entschieden hat (Krasney in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Januar 2009, § 63 SGB X RdNr 20). Die Entscheidung über den Widerspruch trifft jedoch nicht der Vorsitzende des Ausschusses, sondern der Berufungsausschuss als Gremium.
b) Eine Berechtigung des Vorsitzenden, an Stelle des Ausschusses die Kosten festzusetzen, ergibt sich nicht aus den Bestimmungen der Ärzte-ZV. Diesen kann weder explizit noch sinngemäß eine entsprechende Kompetenzzuweisung entnommen werden. Der Berufungsausschuss ist auch nicht berechtigt, dem Vorsitzenden bestimmte Entscheidungen im Wege der Delegation zu übertragen. Insbesondere handelt es sich bei der Kostenfestsetzung nicht um eine lediglich "nachrangige Verwaltungsentscheidung", wie dies ggf für die Erstattung der den Ausschussmitgliedern bzw dem Ausschussvorsitzenden entstandenen baren Auslagen und die Entschädigung für Zeitverlust (vgl § 34 Abs 7, § 35 Abs 2 Ärzte-ZV) angenommen werden könnte (gegen die Annahme eines bloßen rechnerischen und damit der Geschäftsführung zuzurechnenden Vorgangs auch Schultze, SGb 1983, 474, 475). Vielmehr stellt die Kostenfestsetzung eine durch § 63 Abs 3 SGB X vorgeschriebene Aufgabe des Berufungsausschusses dar. Das Gesetz differenziert nicht zwischen "vorrangigen" und "nachrangigen" Entscheidungen des Berufungsausschusses. Würde daher ein ungeschriebenes Recht des Berufungsausschusses zur Übertragung von Entscheidungskompetenzen auf seinen Vorsitzenden anerkannt werden, stellte sich die Frage, warum dieses Delegationsrecht nicht auch etwa einfach gelagerte Hauptsacheentscheidungen erfassen sollte.
c) Der Umstand, dass weder § 63 SGB X noch die Ärzte-ZV eine Bestimmung über die funktionale Zuständigkeit für eine Kostenfestsetzung im Falle einer Entscheidung durch Kollegialorgane enthalten, stellt auch keine ungewollte Lücke dar, die im Wege der normergänzenden Auslegung oder Kraft der "Organisationsgewalt" der Behörde zu füllen wäre. Das Fehlen entsprechender Regelungen in der Ärzte-ZV spricht nicht für eine lückenhafte Regelung, sondern rechtfertigt vielmehr den Schluss, dass keine "Sonderzuständigkeit" des Vorsitzenden gewollt ist, sondern - wie im Regelfall - der Ausschuss in der vorgeschriebenen Besetzung die Entscheidung zu treffen hat. Die Ärzte-ZV regelt nämlich ansonsten detailliert die dem Vorsitzenden obliegenden Aufgaben. Originäre Aufgaben des Vorsitzenden sind danach die Einladung zu Sitzungen (§ 36 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV), die Stundung der Gebühr (§ 38 Satz 2 Halbsatz 2 Ärzte-ZV), die Leitung der Sitzung oä (§ 40 Satz 2 bis 4 Ärzte-ZV) sowie die Unterzeichnung des Beschlusses (§ 41 Abs 4 Satz 3 Ärzte-ZV) und der Niederschrift (§ 42 Satz 3 Ärzte-ZV, jeweils iVm § 45 Abs 3 Ärzte-ZV). Die Kostenfestsetzung gehört hierzu nicht. Demgegenüber ist etwa in § 20 Satz 1 Halbsatz 2 der Schiedsamtsverordnung ausdrücklich bestimmt, dass der Vorsitzende des Schiedsamtes die Höhe der für die Festsetzung eines Vertrages zu erhebenden Gebühr festsetzt.
Handelt es sich aber um eine vom Berufungsausschuss insgesamt zu treffende Entscheidung, ist die hierfür von der Ärzte-ZV vorgeschriebene Verfahrensweise maßgeblich. § 36 Abs 1 Satz 1 iVm § 45 Abs 3 Ärzte-ZV enthält die grundsätzliche Vorgabe, dass der Berufungsausschuss "in Sitzungen beschließt". Dass Entscheidungen des Berufungsausschusses in anderer Form - etwa im schriftlichen Umlaufverfahren - getroffen werden können, ist weder dem SGB V noch der Ärzte-ZV zu entnehmen. Nach § 41 Abs 2 Satz 1 iVm § 45 Abs 3 Ärzte-ZV können Beschlüsse jedoch nur bei vollständiger Besetzung des Ausschusses gefasst werden.
d) Für eine Kostenfestsetzung durch den Ausschuss in seiner Gesamtheit sprechen im Übrigen auch Sachgründe. So rechtfertigt sich die Beteiligung der von der KÄV bzw von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen entsandten Mitglieder an der Kostenfestsetzungsentscheidung schon unter dem Gesichtspunkt, dass es sich auch bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten um eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung handelt (BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 12 S 43), also keineswegs um für sie "wesensfremde" Aufgaben. Bereits in diesem - die Prüfgremien nach § 106 SGB V betreffenden - Urteil hatte der Senat hieraus abgeleitet, dass es konsequent sei, auch für die Kostenfestsetzung die Zuständigkeit eines Gremiums der gemeinsamen Selbstverwaltung anzunehmen. Der Gedanke der gemeinsamen Selbstverwaltung ginge ins Leere, wenn die Entscheidung durch den Vorsitzenden allein getroffen würde. Hinzu kommt der Gesichtspunkt, dass die Kosten der Zulassungsgremien gemäß § 96 Abs 3 Satz 2 iVm § 97 Abs 2 Satz 4 SGB V (ebenso § 34 Abs 8 iVm § 35 Abs 2 Ärzte-ZV) von der KÄV und den Krankenkassenverbänden jeweils hälftig zu tragen sind. Schon deshalb ist es sachdienlich, dass der gesamte Berufungsausschuss, welcher in der Sache entschieden und damit die Kostengrundentscheidung getroffen hat, auch die Kostenfestsetzung vornimmt.
e) Auch Praktikabilitätsgesichtspunkte gebieten eine Kostenfestsetzung allein durch den Vorsitzenden nicht. Zutreffend haben schon die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass der Berufungsausschuss nach § 37 Abs 1 Satz 1 iVm § 45 Abs 3 Ärzte-ZV nur über Zulassungen und Zulassungsentziehungen nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden hat - und dies auch nur, wenn er nicht einstimmig die Zurückweisung des Widerspruches beschließt (§ 45 Abs 2 Ärzte-ZV). In allen übrigen Fällen kann er eine mündliche Verhandlung anberaumen (§ 37 Abs 1 Satz 2 iVm § 45 Abs 3 Ärzte-ZV), muss dies aber nicht. Somit hält sich das Mehr an Verwaltungsaufwand bei einer Entscheidung über einen - in der Praxis regelmäßig durch die geschäftsführende Stelle vorbereiteten - Beschlussvorschlag in Grenzen.
4. Der Umstand, dass die Kostenfestsetzung unter Verstoß gegen § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X allein durch den Vorsitzenden des Beklagten erfolgte, war auch nicht nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich mit der Folge, dass eine Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes allein aus diesem Grunde nicht beansprucht werden könnte. Nach § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Letzteres ist hier nicht der Fall.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist nicht nichtig iS des § 40 Abs 1 SGB X, da der in der Kostenfestsetzung allein durch den Vorsitzenden anstelle des Ausschusses liegende Rechtsfehler weder besonders schwer wiegt noch offenkundig ist (vgl L 11 (10) KA 36/06 - juris, RdNr 36; ebenso - für eine Kostengrundentscheidung durch den Zulassungsausschuss anstelle des Berufungsausschusses - = SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 6 f). Dagegen spricht bereits der Umstand, dass - wie die Entscheidungen der Instanzgerichte belegen - in den einzelnen Zulassungsbezirken eine unterschiedliche Verwaltungspraxis herrscht. Zudem trifft weder das SGB X noch die Ärzte-ZV eine unmissverständliche Zuständigkeitsabgrenzung. Nichtigkeit ergibt sich aus den vom Senat im Urteil vom (BSG aaO S 6 f mwN) angeführten Gründen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sachlichen Unzuständigkeit. Danach kommt eine Nichtigkeit nur im Fall einer absoluten Unzuständigkeit in Betracht; die mit dem Verwaltungsakt geregelte Angelegenheit darf offenkundig keinen sachlichen Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde haben (BSG aaO S 7). Die trifft hier ersichtlich nicht zu.
Es ist jedoch - andererseits - nicht offensichtlich, dass die hier geschehene Verletzung des Verfahrensrechts die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies kommt nur bei "faktischer Alternativlosigkeit" in Betracht (Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Januar 2009, § 42 SGB X RdNr 8). Es liegen keine zwingenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Berufungsausschuss in vollständiger Besetzung die zugrunde liegende Frage, ob eine 1,3fache oder eine 1,5fache Geschäftsgebühr gerechtfertigt ist, ebenso wie sein Vorsitzender beurteilt hätte. Nach Nr 2300 der Anlage 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes kommt eine Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 in Frage und darf der Schwellenwert von 1,3 (nur) dann überschritten werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die hierdurch eröffneten Beurteilungs- und Ermessensspielräume schließen es aus, von einem Fall faktischer Alternativlosigkeit auszugehen.
5. Auch eine Heilung des Verfahrensfehlers ist nicht eingetreten. Zwar ist nach § 41 Abs 1 Nr 4 SGB X eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig machen, insbesondere dann unbeachtlich, wenn der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird. Diese Norm greift auch ein, wenn ein Beschluss ergangen, aber aus formellen Gründen - falsche Besetzung, Beschlussunfähigkeit - nicht wirksam zustande gekommen ist (Schütze in von Wulffen, aaO, § 41 RdNr 17). Jedoch ist der Beklagte der Anregung des Kammervorsitzenden des SG, eine Entscheidung in vollständiger Besetzung herbeizuführen, nicht gefolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach haben der Beklagte und die Beigeladene zu 8. die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).
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Fundstelle(n):
OAAAD-29889