Ungültigkeitserklärung der Zollanmeldung bei Verboten und Beschränkungen unterliegenden Arzneimitteln; Bezugsberechtigung des Apothekers
Leitsatz
1. Stellt sich nach Annahme der Zollanmeldung für eingeführte Arzneimittel heraus, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG nicht vorliegen, kann die Zollanmeldung nicht von Amts wegen für ungültig erklärt, jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 8 ZK die Annahme der Zollanmeldung zurückgenommen werden.
2. Ob ein Apotheker gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG berechtigt ist, Arzneimittel zu beziehen, die unter den Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift eingeführt worden sind, entscheidet nicht das HZA, sondern die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde. Hat das HZA Zweifel an der Bezugsberechtigung, kann es die Annahme der Zollanmeldung nicht zurücknehmen; es kann jedoch vor Überlassung der Waren die Sendung vorübergehend anhalten, um der Arzneimittelüberwachungsbehörde Gelegenheit zu geben, die Frage der Bezugsberechtigung binnen angemessener Frist zu entscheiden.
Gesetze: ZK Art. 4 Nr. 5ZK Art. 8ZK Art. 73ZK Art. 75ZKDVO Art. 250AMG § 73 Abs. 3AMG § 74
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) meldete im Januar 2005 eine für seine Apotheke bestellte, aus den USA eingeführte Warensendung zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Die Waren der Position 1 der Anmeldung wurden als „synthetisch hergestellte Hormone”, die der Position 2 als „zubereitete Arzneiwirkstoffe, keine Anwendung am Menschen, für analytische Zwecke im Labor” beschrieben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt —HZA—) nahm die Anmeldung an. Die am folgenden Tag durchgeführte Beschau führte zur Feststellung des HZA, dass es sich bei den Waren überwiegend um Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) handele, ohne dass ersichtlich sei, dass die Einfuhrvoraussetzungen nach diesem Gesetz vorlägen, woraufhin die Zollanmeldung für ungültig erklärt und die Waren sichergestellt wurden. Ein Teil der Waren der Position 2, bei dem es sich nicht um Arzneimittel handelte, wurde dem Kläger später nach erneuter Zollanmeldung überlassen.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen die Ungültigerklärung der Zollanmeldung sowie auf Überlassung der Waren zum freien Verkehr gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Ungültigerklärung der Zollanmeldung bezüglich der Warenposition 1 gemäß Art. 75 Buchst. a Anstrich 4 des Zollkodex (ZK) rechtmäßig sei. Die Aufzählung der Fälle einer von Amts wegen für ungültig zu erklärenden Zollanmeldung in Art. 250 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) sei nicht abschließend. Das von der Warenposition 1 der Zollanmeldung erfasste Erzeugnis DHEA sei ein zulassungspflichtiges, jedoch nicht zugelassenes Arzneimittel, das nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG nur mit einer Einfuhrerlaubnis in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden dürfe, welche jedoch weder mit der Zollanmeldung noch später vorgelegt worden sei. Auch seien die Voraussetzungen einer sog. Einzeleinfuhr gemäß § 73 Abs. 3 AMG nicht gegeben. Die insoweit vom Kläger gemachten Angaben hätten nicht ausgereicht, der Zollstelle eine Schlüssigkeitsprüfung bezüglich der Einfuhrvoraussetzungen zu ermöglichen. Unter diesen Umständen sei die Ungültigerklärung der Zollanmeldung zur Regelung des Falls erforderlich gewesen. Die Zolldienststellen hätten nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AMG bei der Überwachung des Verbringens von Arzneimitteln und Wirkstoffen mitzuwirken, hätten somit auch auf die Vorlage aller erforderlichen Einfuhrdokumente zu achten, wenn auch letztlich die Entscheidung über die Zulässigkeit der Einfuhr in Zweifelsfällen der Gesundheitsbehörde vorbehalten bleibe.
Hinsichtlich der Warenposition 2 sei die auf Aufhebung der Ungültigerklärung gerichtete Klage unzulässig. Der Kläger habe von dieser Ungültigerklärung Gebrauch gemacht, indem er für die nicht unter das Einfuhrverbot fallenden Vitaminpräparate eine neue Zollanmeldung abgegeben habe. Er handele rechtsmissbräuchlich, wenn er sich mit seiner Klage gleichwohl gegen die Ungültigerklärung der Zollanmeldung wende.
Mangels Vorliegens einer gültigen Zollanmeldung habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Herausgabe der Arzneimittel, die ihm aber auch ohnehin wegen Nichtbeachtung der Beschränkungen gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AMG nicht überlassen werden könnten.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass Art. 75 Buchst. a Anstrich 4 ZK nicht als Rechtsgrundlage für die Ungültigerklärung der Zollanmeldung herangezogen werden könne. Im Übrigen unterfielen die Arzneimittel keinem Einfuhrverbot. Unstreitig sei, dass die Arzneimittel von einer Apotheke bestellt worden seien. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 75 Abs. 3 AMG habe die Zollbehörde nicht zu prüfen. Bei Zweifeln habe sie sich mit der für den Verkehr mit Arzneimitteln zuständigen Landesbehörde in Verbindung zu setzen.
Außerdem rügt der Kläger, dass das FG-Urteil von den mitwirkenden Richtern nicht unterschrieben sei und es den Tag weder seiner Verkündung noch seiner Übergabe an die Geschäftsstelle erkennen lasse. Zudem habe das HZA im Termin zur mündlichen Verhandlung Unterlagen überreicht, die ihm (dem Kläger) nicht übergeben worden seien.
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die gegen die Ungültigerklärung der Zollanmeldung gerichtete Klage ist zulässig. Die Ungültigerklärung ist eine zollrechtliche Entscheidung i.S. des Art. 4 Nr. 5 ZK (vgl. Weymüller in Dorsch, Zollrecht, Art. 66 ZK Rz 47), die vom Zollanmelder mit Einspruch und Klage angefochten werden kann, wofür auch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, weil mit der Ungültigerklärung dem Begehren des Zollanmelders, die Waren in ein bestimmtes Zollverfahren zu überführen, nicht entsprochen wird und die Waren gemäß Art. 50 ZK als weiterhin in vorübergehender Verwahrung befindlich zu behandeln sind. Anders als das FG meint, fehlt dem Kläger auch kein Rechtsschutzbedürfnis, soweit er sich gegen die Ungültigerklärung der Zollanmeldung hinsichtlich der Warenposition 2 wendet. Dass dem Kläger insoweit die Möglichkeit eröffnet worden ist, für einen Teil der Waren dieser Position, der keinen Verboten und Beschränkungen (VuB) unterlag, eine neue Zollanmeldung abzugeben, und er von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ändert nichts daran, dass die Ungültigerklärung der Zollanmeldung hinsichtlich der übrigen Waren der Position 2 als belastende zollrechtliche Entscheidung fortwirkt, da ihre Überführung in das beantragte Zollverfahren dem Kläger weiterhin verweigert wird.
2. Die vom FG getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Abweisung der gegen die Ungültigerklärung der Zollanmeldung gerichteten Klage.
a) Der Grundsatz des Art. 58 Abs. 1 ZK, dass Waren ungeachtet ihrer Beschaffenheit, ihrer Menge, ihres Ursprungs, ihrer Herkunft oder ihres Bestimmungsorts jederzeit unter den festgelegten Voraussetzungen eine beliebige zollrechtliche Bestimmung erhalten können, steht gemäß Abs. 2 der Vorschrift Verboten oder Beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen (u.a.) der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind. VuB im Sinne dieser Vorschrift können sich u.a. aus einzelstaatlichem Recht ergeben. Liegen sie bezüglich einer in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Ware vor, ist die Annahme der Zollanmeldung nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) abzulehnen (vgl. Weymüller in Dorsch, a.a.O., Art. 63 ZK Rz 34; Witte/Henke, Zollkodex, 5. Aufl., Art. 58 Rz 11, Art. 63 Rz 9).
b) Im Streitfall hat das HZA hingegen die Zollanmeldung bereits angenommen, so dass sich die Frage stellt, ob die Zollanmeldung nachträglich für ungültig erklärt werden kann. Das FG hat sich insoweit der von der Zollverwaltung und von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung angeschlossen, dass eine bereits von der Zollstelle angenommene Zollanmeldung gemäß Art. 75 Buchst. a Anstrich 4 ZK von Amts wegen für ungültig erklärt werden kann, wenn sich das Vorliegen von VuB erst nachträglich bei der Beschau herausstellt (vgl. Abs. 18 Satz 2 der Dienstvorschrift Zollbehandlung, Allgemeine Vorschriften, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung —VSF— Z 07 01; ebenso: Weymüller in Dorsch, a.a.O., Art. 58 Rz 7, Art. 66 Rz 62; a.A.: Witte/Henke, a.a.O., Art. 66 Rz 9, 11, Art. 75 Rz 2, der die Regelungen einer Ungültigerklärung von Amts wegen in Art. 66 ZK i.V.m. Art. 250 ZKDVO für abschließend hält).
Vor der Entscheidung, ob dieser Rechtsansicht des FG zu folgen ist, bedarf es allerdings zunächst der Klärung, ob der Annahme der Zollanmeldung des Klägers VuB entgegenstehen.
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG dürfen zwar Arzneimittel, die zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassen oder registriert oder insoweit freigestellt sind, nur mit einer Einfuhrerlaubnis gemäß § 72 AMG, die im Streitfall nicht vorliegt, aus Drittländern in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden. Abweichend von jener Vorschrift dürfen jedoch dem Verbringungsverbot unterliegende Fertigarzneimittel nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG (in der seinerzeit geltenden Fassung) in den Geltungsbereich des Gesetzes verbracht werden, wenn sie in dem Staat in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden, und von Apotheken bestellt sind.
Ob die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift im Streitfall vorliegen, lässt sich anhand der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen weder bejahen noch verneinen.
Bei den noch im Streit befindlichen Arzneimitteln scheint es sich um von einer Apotheke bestellte Fertigarzneimittel zu handeln. Das FG hat dies zwar für zweifelhaft gehalten; aus dem Schreiben des HZA an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom sowie aus der Einspruchsentscheidung vom ergibt sich jedoch, dass das HZA die Fertigarzneimittel-Eigenschaft i.S. von § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 AMG aufgrund der durchgeführten Warenbeschau selbst festgestellt hat und hiervon zwischenzeitlich offenbar auch nicht abgerückt ist, so dass das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals als unstreitig angesehen werden kann.
Zweifelhaft ist allein, ob diese Fertigarzneimittel in den USA, von wo sie stammen, in Verkehr gebracht werden dürfen. Das FG hat insoweit lediglich auf die zu § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG vertretene Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs „hingewiesen”, wonach zu verlangen ist, dass die Mittel im Ausland auch als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden dürfen (Urteil vom I ZR 34/01 (KG), Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3469), sowie auf die gegenteilige Auffassung des Regierungspräsidiums D, wonach es genügt, dass das Mittel im Herkunftsland „als was auch immer rechtmäßig im Verkehr ist”. Welcher Auffassung das FG folgt, ist seinen Ausführungen indes nicht zu entnehmen. Unklar ist auch, ob das FG hinsichtlich des Mittels DHEA festgestellt hat, dass dieses in den USA als Nahrungsergänzungsmittel, nicht aber als Arzneimittel erhältlich ist. Sollte dies seinen Ausführungen zu entnehmen sein, fehlt es jedenfalls an entsprechenden Feststellungen hinsichtlich der übrigen vom Kläger angemeldeten Arzneimittel.
c) Anders als das FG und das HZA meinen, lässt sich die Ungültigerklärung der Zollanmeldung nicht mit den ihrer Ansicht nach nicht erfüllten Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AMG rechtfertigen.
Satz 1 und Satz 2 des § 73 Abs. 3 AMG unterscheiden sich maßgeblich dadurch, dass jene Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen nicht zugelassene oder registrierte Arzneimittel ausnahmsweise abweichend von § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG in den Geltungsbereich des Gesetzes „verbracht” werden dürfen, während Satz 2 beschreibt, unter welchen Voraussetzungen Apotheken solche Arzneimittel „beziehen” dürfen. Da die der Zollverwaltung als Aufgabe obliegende zollamtliche Überwachung gemäß § 1 Abs. 3 ZollVG die Einhaltung der gemeinschaftlichen oder nationalen Vorschriften sichert, die „das Verbringen” von Waren in den, durch den und aus dem Geltungsbereich des Gesetzes verbieten oder beschränken (VuB), hat die Zollverwaltung bei der auf die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 3 AMG gestützten Einfuhr von Arzneimitteln die Einhaltung der in Satz 1 der Vorschrift beschriebenen Voraussetzungen zu sichern. Die Kontrolle, ob sich Apotheken an die Vorschrift des § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG halten, die regelt, was eine Apotheke von den nach Satz 1 eingeführten Arzneimitteln und in welchem Umfang beziehen darf, obliegt dagegen nicht der Zollverwaltung, sondern der für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zuständigen Landesbehörde, was u.a. aus dem letzten Halbsatz des § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG „das Nähere regelt die Apothekenbetriebsordnung” folgt.
Auch aus § 74 Abs. 1 AMG ergibt sich, dass die Zolldienststellen keine Arzneimittelüberwachungsbehörden sind, sondern bei der Überwachung des Verbringens von Arzneimitteln in den Geltungsbereich des AMG lediglich „mitwirken”, wobei ihnen die in § 74 Abs. 1 Satz 2 AMG beschriebenen Befugnisse zustehen. Sie sind nicht berechtigt, andere Entscheidungen als die Arzneimittelüberwachungsbehörde zu treffen oder arzneimittelrechtliche Sachverhalte eigenständig zu beurteilen; besteht der Verdacht eines Verstoßes gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften, haben sie die zuständige Überwachungsbehörde einzuschalten (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 74 Rz 1).
Eine Rechtsverordnung zur Regelung des „Mitwirkens” der Zolldienststellen, zu deren Erlass § 74 Abs. 2 AMG ermächtigt, ist bisher nicht erlassen worden. Es gibt lediglich eine Dienstvorschrift zum Arzneimittelgesetz (VSF SV 06 22-3), deren Abs. 7a Satz 4, Abs. 8 Unterabs. 2 und Abs. 10 ebenfalls deutlich machen, dass die Zolldienststellen über die Einhaltung arzneimittelrechtlicher Vorschriften keine eigene Entscheidung treffen, sondern diese der zuständigen Überwachungsbehörde zu überlassen haben.
Dementsprechend hat im Fall einer auf § 73 Abs. 3 AMG gestützten Einfuhr von Arzneimitteln die zuständige Zolldienststelle nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 der Vorschrift eingehalten sind, sondern sie hat, falls es Hinweise auf einen entsprechenden Verstoß gibt, die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde einzuschalten. Ohne deren Beteiligung kann die Zolldienststelle keine auf § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG gestützten zollrechtlichen Konsequenzen ziehen, also weder eine Zollanmeldung ablehnen noch eine bereits angenommene Zollanmeldung für ungültig erklären.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG und des HZA, dass ohne eine Entscheidungskompetenz der Zolldienststellen hinsichtlich der Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG das grundsätzlich bestehende Verbringungsverbot für nicht zugelassene Arzneimittel in erheblichem Umfang leer liefe. Die Zolldienststellen müssen ihre Augen nicht vor erkannten oder drohenden Verstößen gegen § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG verschließen und sie sind bei insoweit fehlender Entscheidungskompetenz auch nicht —wie das FG meint— darauf beschränkt, gemäß § 68 Abs. 1 AMG eine Kontrollmitteilung über den Vorgang an die zuständige Überwachungsbehörde zu machen. Vielmehr ist ihnen nach § 74 Abs. 1 Satz 2 AMG die Befugnis eingeräumt, Arzneimittelsendungen anzuhalten, den Verdacht eines Verstoßes gegen VuB der Überwachungsbehörde mitzuteilen sowie anzuordnen, dass die Sendung der Überwachungsbehörde vorgeführt wird. Damit bestehen ausreichende Befugnisse des HZA, der vom FG gesehenen Gefahr zu begegnen, dass auf Verstöße gegen arzneimittelrechtliche VuB nur nachträglich, nachdem die Arzneimittel bereits im Verkehr sind, reagiert werden kann.
d) Sollte sich im zweiten Rechtsgang die vom FG —ggf. unter Beteiligung der zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörde— nachzuholende Feststellung, dass die gestellten Arzneimittel in den USA in Verkehr gebracht werden dürfen, nicht treffen lassen, wären hinsichtlich der streitigen Arzneimittel die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG nicht erfüllt, ihrem Verbringen in die Bundesrepublik Deutschland stünden dann VuB entgegen.
Auch für diesen Fall teilt der erkennende Senat allerdings die Auffassung des FG nicht, dass die Zollanmeldung gemäß Art. 75 Buchst. a Anstrich 4 ZK für ungültig erklärt werden kann. In Anbetracht der dem HZA gemäß Art. 73 Abs. 1 ZK gegebenen Möglichkeit, beim Vorliegen von VuB die Waren dem Anmelder nicht zu überlassen, erscheint es bereits zweifelhaft, ob die Ungültigerklärung der Zollanmeldung von Amts wegen eine i.S. des Art. 75 ZK „erforderliche” Maßnahme ist. Jedenfalls kann aber eine bereits angenommene Zollanmeldung gemäß Art. 66 ZK nur auf Antrag des Anmelders für ungültig erklärt werden, von Amts wegen hingegen nur in den in Art. 250 ZKDVO geregelten Fällen, welche vorliegend nicht einschlägig sind.
Da es sich aber bei der Annahme der Zollanmeldung um eine zollrechtliche Entscheidung i.S. des Art. 4 Nr. 5 ZK handelt, die nach Art. 8 ZK zurückgenommen werden kann (vgl. Weymüller in Dorsch, a.a.O., Art. 63 Rz 43, 54, 57; Zimmermann in Dorsch, Zollrecht, § 7 ZollVG Rz 25), ist im Streitfall die Ungültigerklärung der Zollanmeldung durch das HZA, für die es eine Rechtsgrundlage nicht gibt, entsprechend umzudeuten. Sollte sich daher im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass der Einfuhr der Arzneimittel VuB entgegenstehen, wäre vom FG das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 ZK und somit insbesondere zu prüfen, ob dem Kläger bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, dass die Einfuhrvoraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG für die angemeldeten Arzneimittel nicht vorliegen.
3. Die auf Überlassung der angemeldeten Arzneimittel gerichtete Klage ist ebenfalls zulässig; auf die entsprechenden Ausführungen des FG wird Bezug genommen. Die vom FG getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Abweisung der Klage.
Sollten die im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen ergeben, dass die Einfuhrvoraussetzungen gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG nicht vorliegen, können die Arzneimittel dem Kläger nicht überlassen werden.
Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG vor, ist zwar die Ungültigerklärung der Zollanmeldung aufzuheben, was jedoch —wie ausgeführt— nicht automatisch dazu führt, dass die angemeldeten Waren dem Kläger auch zu überlassen sind. Auch wenn eine Zollanmeldung angenommen worden ist (Art. 63 ZK), muss nämlich gemäß Art. 73 Abs. 1 Satz 1 ZK vor Überlassung der Waren das Vorliegen etwaiger VuB geprüft werden. In diesem Zusammenhang ist dann auch die Vorschrift des § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG zu berücksichtigen, deren Einhaltung allerdings nicht —wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt— das HZA, das insoweit nur „mitwirkt”, sondern die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde zu sichern hat.
Auch im Fall der Annahme der Zollanmeldung des Klägers ist daher das HZA berechtigt, die Überlassung der angemeldeten Arzneimittel vorübergehend zu verweigern, wenn es meint, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG nicht erfüllt, weil es gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG die Befugnis hat, Arzneimittelsendungen zur Überwachung anzuhalten. Die endgültige Entscheidung, ob die zur Abfertigung zum freien Verkehr angemeldeten Arzneimittel dem Kläger überlassen werden können, trifft dann allerdings die vom HZA einzuschaltende zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde, der für diese Entscheidung eine angemessene Frist einzuräumen ist. Entscheidet die Arzneimittelüberwachungsbehörde, dass der Kläger hinsichtlich der streitigen Arzneimittel bezugsberechtigt i.S. des § 73 Abs. 3 Satz 2 AMG ist oder wird innerhalb angemessener Frist keine Entscheidung getroffen, sind die Arzneimittel dem Kläger zu überlassen.
4. Da die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen ist, braucht auf die seitens der Revision gerügten Verfahrensmängel nicht eingegangen zu werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2009 S. 2171 Nr. 41
BFH/NV 2009 S. 1927 Nr. 11
BFH/PR 2010 S. 39 Nr. 1
DB 2009 S. 2250 Nr. 42
DStRE 2009 S. 1331 Nr. 21
GStB 2009 S. 44 Nr. 11
HFR 2010 S. 59 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2009 S. 3245
RIW 2010 S. 330 Nr. 5
StB 2009 S. 381 Nr. 11
StBW 2009 S. 7 Nr. 21
DAAAD-29336