BFH Beschluss v. - X S 53/08

Frist zur Begründung der Anhörungsrüge deckt sich mit der Einlegungsfrist; kein neues Vorbringen nach Ablauf der Begründungsfrist

Gesetze: FGO § 133a, FGO § 96 Abs. 2, GG Art. 103

Instanzenzug:

Gründe

I. Mit Beschluss vom X B 105/08 hat der Senat die Beschwerde der Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Rügeführerin) gegen den zurückgewiesen, durch den die Rügeführerin im Klageverfahren 11 K 363/08 als Prozessbevollmächtigte zurückgewiesen worden ist.

Mit Schriftsatz vom wendet sich die Rügeführerin gegen den Senatsbeschluss vom mit einer Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit dem Antrag, „das Verfahren ordnungsgemäß unter Gewährung rechtlichen Gehörs und Erfüllung zwingender Vorlagepflichten an den EuGH fortzusetzen”.

Die Rügeführerin macht die Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie sonstige „schwerwiegende formelle und/oder materielle Mängel” geltend. Sie sieht den Begriff „vorübergehend” in Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) durch den Bundesfinanzhof (BFH) fehlerhaft ausgelegt. Die hierzu ergangene Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen —Qualifikations-Anerkennungsrichtlinie— (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 255/22) finde nach einer Stellungnahme der Europäischen Kommission nur auf Dienstleistungen Anwendung, die grenzüberschreitend erbracht würden und „das physische Element des Grenzübertrittes” beinhalteten. Damit sei die Rügeführerin nicht gehört worden, obwohl dazu sogar Beweis angeboten worden sei.

Mit Schriftsatz vom rügt die Rügeführerin zusätzlich, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei weiter dadurch verletzt worden, dass der BFH seiner Entscheidung —zwar zutreffend— § 3a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zugrunde gelegt, damit aber eine Überraschungsentscheidung gefällt habe, weil das FG seine Entscheidung auf den nicht mehr geltenden § 3 Nr. 4 StBerG gestützt habe.

II. Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 (früher: Satz 6) FGO entspricht.

1. Nach dieser Bestimmung muss die Rügeführerin schlüssig und substantiiert darlegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen sie sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier: Beschwerdeverfahren X B 105/08) nicht habe äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen der Rügeführerin das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.).

a) Daran fehlt es im Streitfall. Die Ausführungen der Rügeführerin erschöpfen sich im Kern in einer Darlegung ihrer Auffassung des Begriffs „vorübergehend” i.S. des Art. 50 EGV. Sie bringt damit lediglich zum Ausdruck, der Senat habe nach ihrer Ansicht den Streitfall unrichtig gewürdigt und über ihre Beschwerde falsch entschieden. Dies gilt auch für ihren Vorwurf, der Senat habe zu Unrecht die maßgebliche Frage nicht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorgelegt.

b) Mit einem solchen Vorbringen wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargelegt (, 9/07, 10/07, BFH/NV 2007, 1347), zumal sich der Senat im Beschluss vom X B 105/08 ausführlich mit dem Begriff der vorübergehenden grenzüberschreitenden Dienstleistung befasst und ausdrücklich und begründet eine Vorlagepflicht an den EuGH verneint hat. Somit kann nicht davon gesprochen werden, dass der Senat Vorbringen der Rügeführerin im vorangegangenen Beschwerdeverfahren entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.

Die Rügeführerin war nicht gehindert, ihre Rechtsauffassung im vorausgegangenen Beschwerdeverfahren vorzutragen. Im Übrigen gebietet es der Anspruch der Beteiligten, sich vorher äußern zu können, auch bei erheblichen rechtlichen Gesichtspunkten nicht, dass das Gericht diese mit den Beteiligten vor seiner Entscheidung umfassend erörtert oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte im Voraus andeutet (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10, m.w.N.).

c) Soweit die Rügeführerin nunmehr im Besonderen auf die Bedeutsamkeit des physischen Elementes des Grenzübertritts bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen abhebt, handelt es sich um Überlegungen, die im vorausgegangenen Beschwerdeverfahren X B 105/08 nicht vorgebracht wurden. Somit konnte der Senat zu diesem Vorbringen weder Stellung nehmen noch es übergehen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör scheidet insofern aus.

d) Die im damaligen Beschwerdeverfahren angebotenen Beweise waren nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht zu erheben. Sie betrafen zum einen die für den Streitfall nicht einschlägigen Entscheidungen des EuGH zu Schulgeldzahlungen an nicht im Inland ansässige Schulen und zum anderen die Behauptung, die Europäische Kommission beabsichtige eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem EuGH wegen ungenügender Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG.

Im Übrigen ist eine amtliche Auskunft der Europäischen Kommission nicht geeignet, einen Beweis in Rechtsfragen zu erbringen, über die die Gerichte zu urteilen haben (, BFH/NV 2009, 403).

2. Die im Schriftsatz vom geltend gemachte Rüge ist unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO erhoben wurde. Nach § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO muss die Anhörungsrüge die Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör enthalten. Daraus ergibt sich die Übereinstimmung der Begründungsfrist mit der Einlegungsfrist (vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 133a Rz 43), so dass nach Ablauf der Begründungsfrist allenfalls fristgerecht gerügte Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergänzt werden können. Im Kern neues Vorbringen ist jedoch nach Fristablauf ausgeschlossen. Darum handelt es sich bei der im Schriftsatz vom geltend gemachten Rüge.

Davon abgesehen liegt in der Sache keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, weil das FG seine Zurückweisung der Rügeführerin inhaltlich an dem Maßstab des § 3a StBerG ausgerichtet hat. Insoweit konnten die Ausführungen in der Beschwerdeentscheidung des erkennenden Senats für die Rügeführerin nicht überraschend neu sein.

3. Soweit die Rügeführerin eine analoge Anwendung des § 133a FGO mit der Begründung fordert, dass der Beschluss vom an sonstigen schwerwiegenden formellen und/oder materiellen Mängeln leide, ist ihre Anhörungsrüge schon deshalb unzulässig, weil sie auf solche Mängel nicht gestützt werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; vom X S 18/07, BFH/NV 2007, 2143; in BFH/NV 2009, 403; Dürr in Schwarz, FGO § 133a Rz 13; Gräber/Ruban, a.a.O., § 133a Rz 3; Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 133a Rz 8).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
YAAAD-27709