Leitsatz
[1] Ein die Immunität einer Partei fälschlicherweise verneinendes Zwischenurteil steht der in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen durchzuführenden Prüfung, ob die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist, auch dann nicht entgegen, wenn es unangefochten geblieben ist.
GVG § 20 Abs. 2; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom (BGBl. 1996 II S. 2558) Art. 27
Als Teil einer internationalen Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit genießt die Europäische Schule Frankfurt a.M. vor den nationalen Gerichten grundsätzlich Immunität; das gilt namentlich für Streitigkeiten zwischen den Eltern und der Schule über das Schulgeld.
Gesetze: ZPO § 280; GVG § 20 Abs. 2; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen Art. 1 S. 2; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen Art. 8 Abs. 1; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen Art. 10 S. 3; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen Art. 25 Nr. 4; Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen Art. 27 Abs. 7; GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 100
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main, 17 U 50/07 vom LG Frankfurt am Main, 2 O 148/05 vom
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten, der E. Schule F. , Rückzahlung eines ihrer Auffassung nach überhöhten Anteils des von ihnen bereits gezahlten Schulgeldes und die Feststellung, dass das bis zum Abitur ihrer Kinder noch fällig werdende Schulgeld nach billigem Ermessen festzusetzen sei.
Die Einrichtung Europäischer Schulen geht auf das Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen vom (Gesetz vom , BGBl. II S. 1301) zurück, das seinerseits Bezug nimmt auf die am von Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnete Satzung der Europäischen Schulen (Gesetz vom , BGBl. II S. 1041). An die Stelle der ursprünglichen Satzung ist die Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom getreten, der die Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom zugestimmt hat (BGBl. II S. 2558, im Folgenden Satzung) und die am in Kraft getreten ist (BGBl. 2003 II S. 459). Vertragsparteien sind nunmehr die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften und die Europäischen Gemeinschaften selbst.
Die Europäischen Schulen, deren Ziel es ist, die Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften gemeinsam zu unterrichten (Art. 1 Satz 2 der Satzung), nehmen vornehmlich Kinder von Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (Schülerkategorie I) sowie Kinder von Bediensteten auf, deren Anstellungskörperschaften mit den Europäischen Schulen ein Finanzierungsabkommen geschlossen haben (Schülerkategorie II). Gegen Zahlung eines Schulgeldes steht der Schulbesuch im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten auch sonstigen Kindern offen (so genannte Nichtberechtigte, Kategorie III). Die Höhe des Schulgeldes wird für die Europäischen Schulen einheitlich durch den Obersten Rat der Europäischen Schulen festgelegt (Art. 25 Nr. 4 der Satzung). Dieser setzt sich gemäß Art. 8 Abs. 1 der Satzung zusammen aus dem bzw. den Vertretern der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf Ministerebene, einem Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, einem Vertreter des Lehrkörpers sowie einem Vertreter der Elternschaft (Art. 8 Abs. 1 der Satzung).
Die Kläger, deren Kinder als Schüler der Kategorie III, also als so genannte Nichtberechtigte, die beklagte Schule besuchen, erachten die nach Gründung der Schule im Jahr 2002 durch den Obersten Rat seit dem Schuljahr 2003/2004 vorgenommenen Anhebungen des Schulgeldes - von teilweise über 30 Prozent - für überhöht. Sie riefen deshalb zunächst die gemäß Art. 27 der Satzung bei den Europäischen Schulen eingerichtete Beschwerdekammer an.
Die Beschwerdekammer erklärte sich durch begründeten Bericht des Präsidenten vom für unzuständig. Ihre Zuständigkeit beschränke sich auf die in den betreffenden Bestimmungen ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Insbesondere sei in der Schulordnung keine Beschwerde über das den Eltern von Schülern der Kategorie III auferlegte Schulgeld vorgesehen. Die Beschwerdekammer sei somit nicht zuständig, über eine Festlegung der Höhe des Schulgeldes für die Kinder im vorliegenden Fall zu befinden. Es sei im Übrigen festzustellen, dass die Beschwerdeführer selbst vortrügen, dass das zwischen ihnen und der Europäischen Schule bestehende Rechtsverhältnis privatrechtlich sei und dem deutschen Zivilrecht unterliege.
Art. 27 der Satzung hat, soweit es für den vorliegenden Streitfall von Bedeutung ist, folgenden Wortlaut:
"(1)
Es wird eine Beschwerdekammer eingesetzt.
(2)
Bei Streitigkeiten, die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen - mit Ausnahme des Verwaltungs- und Dienstpersonals - betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat oder vom Verwaltungsrat einer Schule in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß dieser Vereinbarung gegenüber jenen Personen getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung beziehen, die auf dieser Vereinbarung oder den in ihrem Rahmen erlassenen Vorschriften beruht, besitzt die Beschwerdekammer, nach Ausschöpfung des Verwaltungsweges, erst- und letztinstanzlich ausschließliche Zuständigkeit. Handelt es sich um finanzielle Streitigkeiten, so hat die Beschwerdekammer Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung.
Die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen sind in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal bzw. der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt.
(...)
(7)
Andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind, unterliegen der Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Insbesondere berührt dieser Artikel nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivil- und Strafsachen."
In Art. 66 der aufgrund Art. 10 Satz 3 der Satzung vom Obersten Rat mit Beschluss vom 1./ festgelegten (und am 20./ - ohne Auswirkungen auf den vorliegenden Fall - geänderten) allgemeinen Schulordnung ist geregelt, dass die Beschwerde in bestimmten, dort aufgezählten Bereichen statthaft ist (Disziplinarmaßnahmen, Entscheidungen über Zulassung und Versetzung bei Formfehlern und bei Vorliegen "neuer Tatbestände", Europäische Abiturprüfung). Nach Art. 67 der allgemeinen Schulordnung kann gegen auf dem Verwaltungswege nach Art. 66 der allgemeinen Schulordnung getroffene Beschlüsse Klage vor der Beschwerdekammer erhoben werden.
Nachdem die Beklagte der anschließend von den Klägern vor dem Landgericht erhobenen Klage namentlich entgegengehalten hatte, als zwischenstaatliche Organisation unterliege sie (die Beklagte) nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, hat das unter Hinweis auf Art. 27 Abs. 7 der Satzung festgestellt, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen deutschen Gerichten für den vorliegenden Rechtsstreit eröffnet und die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts begründet sei.
Das Landgericht hat der Klage schließlich in der Hauptsache überwiegend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten, mit der sie sich erneut auf Immunität berufen hat, das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihre Anträge weiterverfolgen.
Gründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, die Beklagte berufe sich zu Recht auf ihre durch die zwischenstaatliche Vereinbarung verliehene Immunität. Die Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit sei ohne Bindung an ein vorangegangenes Zwischenurteil in jeder Verfahrenssituation zu prüfen und eine Klage bei bestehender Immunität gegebenenfalls als unzulässig abzuweisen. Zwar könne über die Verneinung der Immunität ein Zwischenurteil ergehen. Ein trotz bestehender Immunität ergangenes unrichtiges Zwischenurteil sei aber nichtig und vermöge keine Rechtskraft zu erzeugen. Das tatsächliche Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit sei Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entscheidung eines deutschen Gerichts.
Die Beklagte habe auf ihre Immunität auch nicht dadurch verzichtet, dass sie das von ihr selbst beantragte Zwischenurteil des Landgerichts nicht angefochten habe. Der bloße Verzicht auf ein Rechtsmittel könne nicht als Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit angesehen werden.
Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts lasse sich aus der Regelung nach Art. 27 Abs. 7 der Satzung keine subsidiäre Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit begründen. Die bis zum Inkrafttreten der neuen Satzung aufgrund allgemeiner Grundsätze bestehende Befreiung Europäischer Schulen von der deutschen Gerichtsbarkeit ergebe sich nunmehr aus der Vereinbarung selbst. Bereits aus der Präambel der Satzung folge, dass eine autonome zwischenstaatliche Einrichtung habe geschaffen werden sollen mit eigenen Organen und einem eigenen Rechtsschutzsystem einhergehend mit der Befreiung von der Gerichtsbarkeit der einzelnen Staaten. Dieses Ziel sei durch die Regelung in Art. 27 Abs. 2 der Satzung umgesetzt worden. Art. 27 Abs. 7 der Satzung enthalte lediglich den selbstverständlichen Hinweis darauf, dass Streitigkeiten, die nicht die autonome Tätigkeit der Europäischen Schulen beträfen, weiterhin der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterfallen sollten.
Eine Rechtsschutzlücke könne auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen durch ein deutsches Gericht geschlossen werden, obwohl der Oberste Rat der Europäischen Schulen diese Lücke durchaus erkannt habe und sich im Ergebnis dafür entschieden habe, sich einen rechtsfreien Raum zu erhalten. Zwar dränge sich insbesondere unter weiterer Berücksichtigung des Gesamtbildes des Vorgehens des Obersten Rates der Eindruck einer Art der Machtausübung auf, die dem deutschen Recht so fremd sei, dass sich die Frage stelle, ob die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht ein Schließen der konkreten Rechtsschutzlücke und ein Tätigwerden der deutschen Gerichte gebiete. Jedoch gewährleiste Art. 19 Abs. 4 GG keine Auffangzuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit. Eine Vorlage nach Art. 100 GG komme nicht in Betracht, da es trotz der einzelnen Rechtsschutzlücke an einem grundsätzlichen, strukturellen Defizit an der Ausgestaltung eines effektiven Rechtsschutzes fehle.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht geht wegen der auf Seiten der Beklagten bestehenden Immunität zu Recht von der Unzulässigkeit der Klage aus. Zutreffend verneint es dabei eine Bindung an das Zwischenurteil des Landgerichts.
1. Entgegen der Auffassung der Revision steht das die Immunität der Beklagten verneinende Zwischenurteil des Landgerichts der in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen durchzuführenden Prüfung, ob die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist, nicht entgegen. Zwar kann über die Frage, ob sich eine Partei zu Recht auf ihre Immunität beruft, durch ein Zwischenurteil gemäß § 280 ZPO entschieden werden. Dieses vermag aber dann keine Bindungswirkung zu entfalten, wenn es das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit fälschlicherweise bejaht.
a) Besteht Streit über das Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen, sollen durch das rechtsmittelfähige und der Prozessökonomie dienende Zwischenurteil zunächst die vorgreiflichen Zulässigkeitsfragen abschließend geklärt werden (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 280 Rn. 1; Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 2. Aufl., § 280 Rn. 1). Erst anschließend ist gegebenenfalls über die Begründetheit zu befinden. Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nach den §§ 18 bis 20 GVG ist ein Verfahrenshindernis, über dessen Vorliegen nach einhelliger Auffassung im Wege eines Zwischenurteils gemäß § 280 ZPO entschieden werden kann (vgl. RGZ 157, 389, 394; BAG NZA 2001, 683, 684; 2005, 1117, 1119; FG Köln EFG 2007, 743; Zöller/Lückemann aaO Vor §§ 18-20 GVG Rn. 3; Münch-KommZPO/Zimmermann, 3. Aufl., Vor §§ 18 ff GVG Rn. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 19 Rn. 15; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Rn. 161).
b) Das Zwischenurteil ist gemäß § 280 Abs. 2 ZPO selbständig anfechtbar und unterliegt daher der formellen Rechtskraft gemäß § 705 ZPO. Ist es - wie im vorliegenden Fall - mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar, kann es daher im Wege des Rechtsmittels gegen das später ergehende Endurteil grundsätzlich nicht mehr überprüft werden; insoweit bindet es das Rechtsmittelgericht gemäß §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO (Zöller/Heßler aaO § 512 Rn. 2 und § 557 Rn. 5b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl. § 512 Rn. 2 und § 557 Rn. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO § 59 Rn. 28).
c) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings entschieden, dass ein Zwischenurteil, das zu Unrecht die Immunität einer Partei verneint hat, keine Bindungswirkung entfalten kann. Die aufgrund staatlicher Souveränität bestehende Gerichtsgewalt findet dort ihre Grenzen, wo das Völkerrecht sie personell beziehungsweise gegenständlich einschränkt (Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO § 19 Rn. 1 ff). Liegt ein Immunitätstatbestand vor, ist das nationale Gericht zu einer Entscheidung in der Sache nicht befugt (nach herrschender Meinung sind Entscheidungen, die trotz Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit ergangen sind, nichtig: s. etwa BayObLG FamRZ 1972, 212; OLG München FamRZ 1972, 210, 211; Münch-KommZPO/Zimmermann aaO § 18 GVG Rn. 5; Zöller/Lückemann aaO Vor §§ 18-20 GVG Rn. 3; Thomas/Putzo/Reichold aaO Vor § 300 Rn. 15; Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO § 19 Rn. 15; Kegel, in: Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., S. 1047; ausdrücklich offen gelassen von IXa ZB 19/03 - NJW-RR 2003, 1218, 1219; a.A. Schlosser, ZZP 79 <1966>, 164, 171, 178 f, 181, und - für den Fall, dass das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit geprüft und ausdrücklich bejaht hat - Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., vor § 578 Rn. 10; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rn. 529; Schack aaO Rn. 161; Nagel/ Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., § 2 Rn. 41). Die Gerichtsbarkeit über einen Verfahrensbeteiligten muss daher als selbständige Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen beachtet werden ( IXa ZB 19/03 - NJW-RR 2003, 1218, 1219; BGHZ 18, 1, 5 f ; BayObLG FamRZ 1972, 212; OLG München FamRZ 1972, 210, 211) und zwar ohne jede Bindung an vorangegangene Entscheidungen.
Ein die Immunität einer Partei zu Unrecht verneinendes Zwischenurteil vermag mithin keine Bindungswirkung zu entfalten.
d) Trotz fehlender Bindungswirkung bleibt, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, eine Vorabentscheidung über die Frage der Immunität sinnvoll, weil der Streit zunächst auf die Frage des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit konzentriert werden kann und so der größtmögliche Schutz für das Bestehen der Immunität gewährleistet ist. Ist die Immunität einer Partei zu bejahen und die Klage damit unzulässig, kann der Rechtsstreit sogleich durch Endurteil in Form eines Prozessurteils beendet werden (vgl. Zöller/Greger aaO § 280 Rn. 6). Dass das Zwischenurteil (ausnahmsweise) keine Rechtssicherheit zu begründen vermag, wenn - wie der vorliegende Fall verdeutlicht - das Gericht die Immunität zu Unrecht verneint, ist dem Völkerrecht geschuldet und deshalb hinzunehmen.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Beklagte genießt für den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens Immunität und unterliegt damit gemäß § 20 Abs. 2 GVG nicht der deutschen Gerichtsbarkeit.
a) Als Teil einer internationalen Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit genießt die Beklagte hinsichtlich der hier im Streit stehenden Schulgeldangelegenheiten Immunität. Diese folgt aus Art. 27 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 25 Nr. 4 der Satzung. Der Umstand, dass sich die Beschwerdekammer zu einer Entscheidung in Schulgeldangelegenheiten nicht für befugt hält, weil in der allgemeinen Schulordnung eine derartige Beschwerdemöglichkeit nicht ausdrücklich vorgesehen ist, führt entgegen der Auffassung der Revision zu keiner anderen Beurteilung.
aa) Bei der Institution der "Europäischen Schulen" handelt es sich um eine zwischenstaatliche Einrichtung mit Völkerrechtspersönlichkeit (vgl. BVerwG NJW 1993, 1409 ; VGH Mannheim NVwZ-RR 2000, 657; BayVGH, Urteil vom - 7 B 92.2689, 7 B 92.2690, 7 B 92.2692, 7 B 92.2693, 7 B 92.2743 - [...] Rn. 14; BFH DStRE 2000, 526, 527 ; Kegel, in: Kegel/Schurig aaO S. 585 f; Riegel, EuR 1995, 147; kritisch Henrichs, EuR 1994, 358, 359; s. auch Gruber, ZaöRV 65 <2005>, 1015, 1024 f). Sie regelt ihre innerorganisatorischen Angelegenheiten kraft originären Rechts selbst (BVerwG NJW 1993, 1409). Die einzelne Schule nimmt als deren unselbständige Untergliederung an dieser Völkerrechtspersönlichkeit teil und hat daneben die Stellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (VGH Mannheim NVwZ-RR 2000, 657).
Die Befreiung einer internationalen Organisation und ihrer Untergliederungen von der nationalen Gerichtsbarkeit des Sitzstaates wird regelmäßig im Rahmen der Gründungsabkommen oder gesonderter Privilegienabkommen geregelt (BayVGH aaO Rn. 18; Wenckstern, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Band II/1, Rn. 96 ff). Daneben wird teilweise auch vertreten, dass internationalen Organisationen - unabhängig von entsprechenden Übereinkommen - Immunität von den nationalen Gerichten des Sitzstaates kraft Völkergewohnheitsrechts jedenfalls für den Kernbereich ihrer Autonomie zukommen kann (so zur Satzung der Europäischen Schulen von 1957 BayVGH, aaO Rn. 19 f m.w.N. zum Meinungsstand; a.A. Henrichs, EuR 1994, 358, 362).
Während die ursprüngliche Satzung der Europäischen Schulen von 1957 selbst keinen eigenen Rechtsweg vorsah (zum Rechtsmittelverfahren Bediensteter aufgrund des Personalstatuts s. Gruber aaO S. 1029), haben die Vertragsparteien mit der Satzung von 1994, also mit ihrem neu geschaffenen Gründungsabkommen, nunmehr ein eigenes, internes Rechtsschutzverfahren eingeführt (Riegel, EuR 1995, 147, 148; Gruber aaO) und damit den Umfang der von ihnen in Anspruch genommenen Immunität positiv geregelt. Auf die Frage, ob sich die Beklagte als Teil einer internationalen Organisation zur Begründung ihrer Immunität (auch) auf Völkergewohnheitsrecht stützen kann, kommt es deshalb nicht mehr entscheidend an.
bb) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die von den Vertragsparteien mit der neuen Satzung festgeschriebene Immunität auch den hier streitigen Bereich der Schulgelderhebung umfasst. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision eindeutig aus den entsprechenden Vorschriften der Satzung.
(1) In der Präambel zu der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen heißt es, es empfehle sich, "einen angemessenen Rechtsschutz des Lehrpersonals und der sonstigen unter diese Satzung fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates (...) zu gewährleisten und zu diesem Zweck eine Beschwerdekammer mit genau festgelegten Befugnissen einzurichten". Konkretisiert haben die Vertragsparteien diese Erwägung in Art. 27 der Satzung, wonach die Beschwerdekammer für die dort genannten Streitigkeiten nach Ausschöpfung des Verwaltungsweges, erst- und letztinstanzlich ausschließliche Zuständigkeit besitzt. Damit sind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Entscheidungen des Obersten Rates gegenüber den in der Satzung genannten Personen insgesamt und ohne Differenzierungen der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen.
Von Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung wird auch das auf Beschluss des Obersten Rates den Eltern aufzuerlegende Schulgeld erfasst. Denn der Streit über die Höhe des Schulgeldes betrifft die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat gemäß Art. 25 Nr. 4 der Satzung den Eltern gegenüber getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung. Hiermit geht schließlich die Regelung des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 der Satzung einher, wonach die Beschwerdekammer Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung hat, wenn es sich um finanzielle Streitigkeiten handelt.
Im Übrigen sind die hier im Streit stehenden Schulgeldangelegenheiten nach Auffassung des Senats dem Kernbereich der amtlichen Tätigkeit der Europäischen Schulen zuzurechnen (ebenso M 3 K 97.7642 - [...] Rn. 19; zweifelnd BayVGH aaO Rn. 22 ff, 25). Sie betreffen sowohl die Ausgestaltung des zwischen der Schule und den Eltern der "anderen Kinder" im Sinne des Art. 1 Satz 3 der Satzung bestehenden Rechtsverhältnisses als auch unmittelbar den Haushalt der zwischenstaatlichen Einrichtung und damit die interne Organisation und Verwaltung der Europäischen Schulen. Der Haushalt der Schulen wird nach Art. 25 der Satzung insbesondere durch die Beiträge der Mitgliedstaaten, den Beitrag der Europäischen Gemeinschaften, die Beiträge nichtgemeinschaftlicher Organisationen, mit denen der Oberste Rat ein Abkommen geschlossen hat, und die Einnahmen der Schule, namentlich das Schulgeld, finanziert. Ein Herauslösen der Schulgeldangelegenheiten aus dem durch die Immunität geschützten Bereich der autonomen inneren Verwaltung bedeutete, dass ein nationales Gericht in das in Artikel 25 der Satzung festgelegte Finanzierungskonzept der Einrichtung und damit in die Autonomie der Einrichtung eingreifen könnte. Dies verdeutlicht nicht zuletzt die Regelung des Art. 25 Nr. 2 der Satzung, wonach die Europäischen Gemeinschaften für die Differenz zwischen den Gesamtausgaben der Schulen und der Gesamtheit der übrigen Einnahmen einzustehen haben. Eine durch ein nationales Gericht ausgesprochene Reduzierung des Schulgeldes hätte damit zwangsläufig die Erhöhung der von den Europäischen Gemeinschaften zu erbringenden Beiträge zur Folge.
(2) Eine andere Betrachtungsweise ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil die von den Klägern zu 1 angerufene Beschwerdekammer ihre Zuständigkeit mit der Begründung verneint hat, dass die Voraussetzungen für eine solche Beschwerde nicht genau festgelegt seien, namentlich weil die allgemeine Schulordnung eine Beschwerde gegen Beschlüsse über das Schulgeld nicht vorsehe. Unbeschadet der Frage, ob die Beschwerdekammer trotz des eindeutigen Wortlauts des Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung mit der angegebenen Begründung ihre Zuständigkeit überhaupt verneinen durfte, lassen unzureichende Durchführungs- bzw. Verfahrensvorschriften die für Streitigkeiten über das Schulgeld bestehende Immunität der Beklagten unberührt. In Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung heißt es, die "Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen sind in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal beziehungsweise der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt." Die Bestimmung betrifft mithin lediglich die Gestaltung des Verfahrens vor der Beschwerdekammer, hat jedoch keinen Einfluss auf die in Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung festgeschriebene Immunität der Europäischen Schulen. Ohne Bedeutung ist zudem der Hinweis der Beschwerdekammer, die Beschwerdeführer selbst trügen vor, dass das zwischen ihnen und der Europäischen Schule bestehende Rechtsverhältnis privatrechtlich sei und dem deutschen Zivilrecht unterliege. Diese Mitteilung enthält lediglich die Wiedergabe der Rechtsauffassung der Kläger.
(3) Art. 27 Abs. 7 der Satzung begründet auch keine Auffangzuständigkeit nationaler Gerichte für die Entscheidung derjenigen Streitigkeiten, die zwar unter Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung fallen, für die die Beschwerdekammer sich aber mangels entsprechender Durchführungsbestimmungen für unzuständig hält. Vor allem kann dem Umstand, dass der gemäß Art. 10 Satz 3 der Satzung hierfür zuständige Oberste Rat in der allgemeinen Schulordnung keine Regelungen für eine Beschwerde gegen Beschlüsse über das Schulgeld aufgenommen hat, entgegen der vom Landgericht in dem Zwischenurteil vertretenen Ansicht nicht entnommen werden, dass die Europäischen Schulen damit auf ihre Immunität verzichtet und sich der nationalen Gerichtsbarkeit unterworfen haben. Zwar heißt es in Art. 27 Abs. 7 Satz 1 der Satzung, "andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind, unterliegen der Zuständigkeit der nationalen Gerichte". "Andere" Streitigkeiten im Sinne des Art. 27 Abs. 7 Satz 1 der Satzung sind nach dem oben Gesagten jedoch nur diejenigen, die nicht zu den von Absatz 2 Satz 1 (u.a.) erfassten Streitigkeiten zwischen Schülern bzw. Eltern und der Schule über die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat getroffenen Entscheidung gehören.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 6 der Satzung, wonach jede Schule Rechtspersönlichkeit besitzt, soweit dies für die Erfüllung ihres Ziels erforderlich ist (Satz 1), und vor Gericht klagen und verklagt werden kann (Satz 3). Zutreffend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (aaO Rn. 21) erkannt, dass Art. 6 der Satzung nicht als Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des jeweiligen Sitzstaates auszulegen ist. Zwar hatte der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung die Satzung von 1957 zugrunde zu legen; die entsprechende Regelung in der Satzung von 1994 hat indessen keine wesentliche Änderung erfahren. Art. 6 der Satzung ist als Statusklausel zur Gewährleistung der Handlungsfähigkeit und Beteiligtenfähigkeit der Europäischen Schulen vor nationalen Gerichten zu verstehen (ebenso zu Art. 6 der Satzung von 1957 BVerwG, NJW 1993, 1409; BayVGH aaO Rn. 21). Dabei handelt es sich um die dem autonomen Bereich der Schule nicht zuzurechnenden Angelegenheiten wie etwa zivilrechtliche Streitigkeiten aus Verträgen mit außen stehenden Dritten, die Abwicklung von Verkehrsunfällen oder von Verkehrsordnungswidrigkeiten (BayVGH aaO Rn. 21). Deshalb stellt Art. 27 Abs. 7 Satz 2 der Satzung auch klar, dass "dieser Artikel nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Zivil- und Strafsachen" berührt.
cc) Der Umstand, dass die - der Immunität unterliegenden - Streitigkeiten über das Schulgeld mangels entsprechender Verfahrens- bzw. Durchführungsbestimmungen im Sinne von Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung nicht von der Beschwerdekammer überprüft werden, führt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen dazu, dass Rechtsschutzmöglichkeiten vor den nationalen Gerichten eingeräumt werden müssten.
Die Tatsache, dass es in Streitigkeiten der vorliegenden Art für die Kläger nicht möglich ist, die Beschwerdekammer anzurufen, und deswegen eine Rechtschutzlücke besteht, lässt die Immunität der Beklagten unberührt. Diese Lücke eröffnet den nationalen Gerichten nicht die Möglichkeit, selbst in der Sache zu entscheiden. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht eine internationale "Auffangzuständigkeit" deutscher Gerichte gewährleistet, falls der Rechtsschutz gegen Handlungen der zwischenstaatlichen Einrichtung gemessen an innerstaatlichen Anforderungen unzulänglich sein sollte (BVerfGE 58, 1, 30; BVerwG NJW 1993, 1409, 1410; vgl. auch BayVGH GRUR 2007, 444, 446).
3. Schließlich hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht auf ihre Immunität dadurch verzichtet hat, dass sie gegen das Zwischenurteil kein Rechtsmittel eingelegt hat.
An das Vorliegen eines Verzichts auf Immunität sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Umstände des Falles dürfen keine Zweifel daran lassen, dass ein Immunitätsverzicht bezweckt ist. Da internationale Organisationen im Zweifel nur selten auf ihre Immunität verzichten, spricht die Vermutung gegen einen Verzicht (Wenckstern aaO Rn. 440). Deshalb bedarf der Verzicht grundsätzlich auch einer ausdrücklichen Erklärung (Schack aaO Rn. 162), die hier fehlt.
4. Die sonach bestehende Immunität der Beklagten ist von den nationalen Gerichten hinzunehmen.
a) Eine Vorlage des Zustimmungsgesetzes vom zu der Vereinbarung vom über die Satzung der Europäischen Schulen an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 95, 39, 44) kommt nicht in Betracht.
Art. 24 Abs. 1 GG, wonach der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann, verlangt, dass der von der zwischenstaatlichen Einrichtung zu gewährende Rechtsschutz dem nach dem Grundgesetz im "Wesentlichen gleichkommt", wozu in aller Regel ein Individualrechtsschutz durch unabhängige Gerichte gehört (BVerfGE 73, 339, 376).
Diesem Erfordernis ist nach Auffassung des Senats durch die Satzung hinreichend Rechnung getragen. Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung regelt dem Grunde nach den Rechtsschutz aller der Satzung unterworfenen Personen durch die Beschwerdekammer umfassend. Ausweislich Art. 27 Abs. 3 der Satzung gehören der Beschwerdekammer nur solche Personen an, "die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und als fähige Juristen gelten"; ernannt werden können nur solche Personen, die in einer vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dafür erstellten Liste aufgeführt sind. Dass den Klägern zu 1 vorliegend der Rechtsschutz durch die Beschwerdekammer versagt worden ist, ergibt sich nicht schon unmittelbar aus der Regelung des Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung selbst. Die behauptete Rechtsschutzlücke beruht vielmehr auf einer defizitären Umsetzung der in Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Satzung angeordneten Verfahrens- bzw. Durchführungsbestimmungen durch den Obersten Rat oder aber auf einem unzureichenden Verständnis der Beschwerdekammer von Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Satzung. Beides fällt nicht in die Prüfungskompetenz der nationalen Gerichte.
b) Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften weder nach Art. 234 EG noch gemäß Art. 26 der Satzung vor.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 3164 Nr. 43
TAAAD-26260
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja