BGH Beschluss v. - II ZB 30/20

Kapitalanleger-Musterverfahren: Teilaussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage betreffende Feststellungsziele; Verhandlung in der Hauptsache bei nicht rechtskräftigem Teilmusterentscheid

Leitsatz

1. Ein Verfahren kann nicht nur teilweise im Hinblick auf Feststellungsziele ausgesetzt werden, die die Zulässigkeit der Klage betreffen.

2. Nach einer Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf ein die Zulässigkeit der Klage betreffendes Feststellungsziel und der Entscheidung über dieses Feststellungsziel durch einen nicht rechtskräftigen Teilmusterentscheid, kann nicht entsprechend § 280 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Verhandlung in der Hauptsache erfolgen.

Gesetze: § 8 Abs 1 S 1 KapMuG, § 32b ZPO, § 280 Abs 2 S 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Braunschweig Az: 3 W 6/18 Beschlussvorgehend LG Braunschweig Az: 5 O 2886/16

Gründe

1I. Die Klägerin zu 1 verfolgt mit weiteren Klägern gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Mitteilungspflichten über Insiderinformationen im Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Abgasskandal.

2Das Landgericht hat das Verfahren hinsichtlich der Klägerin zu 1 nach § 8 Abs. 1 KapMuG im Hinblick auf das durch Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom (5 OH 62/16) eingeleitete Musterverfahren ausgesetzt. In dem Musterverfahren erging am ein Teilmusterentscheid, der Feststellungen zur Zuständigkeit der Prozessgerichte traf (Oberlandesgericht Braunschweig, 3 Kap 1/19). Das Beschwerdegericht hat auf die sofortige Beschwerde der Beklagten den Aussetzungsbeschluss unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufgehoben, soweit der Rechtsstreit im Hinblick auf Feststellungsziele ausgesetzt worden ist, die nicht Gegenstand des Teilmusterentscheids sind, und das Verfahren insoweit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 1.

3II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und vollständigen Zurückweisung der Beschwerde der Beklagten.

41. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Verfahren sei (teilweise) auszusetzen, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhänge, soweit die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig betroffen sei.

5Ob eine weitergehende Aussetzung auch im Hinblick auf die Feststellungsziele zum materiellen Recht erfolgen solle, habe das Landgericht nach erneuter Prüfung zu entscheiden. Eine beschränkte Aussetzung hinsichtlich der Feststellungsziele, die nur die Zuständigkeit des Prozessgerichts betreffen, sei möglich. Das Gericht, bei dem die Klage erhoben worden sei, habe zunächst seine Zuständigkeit zu prüfen, bevor es darüber entscheide, ob ein Feststellungsziel vorgreiflich für das Klageverfahren sei. Sei die örtliche Zuständigkeit der Ausgangsgerichte selbst Gegenstand eines Feststellungsziels, habe das Prozessgericht den Rechtsstreit grundsätzlich zunächst nur auf diese Feststellungsziele hin auszusetzen, da vor einer Klärung der Zuständigkeitsfrage keine Aussetzung auf die das materielle Recht betreffenden Feststellungsziele des Musterverfahrens möglich sei. Solange über die Feststellungsziele, die die Zuständigkeit betreffen, noch nicht rechtskräftig entschieden sei, stehe nicht fest, welches Gericht die Abhängigkeit der Entscheidung des Rechtsstreits von den übrigen Feststellungszielen, mit denen anspruchsbegründende oder anspruchsausschließende Voraussetzungen geklärt werden sollen, zu prüfen habe. Die teilweise Aussetzung des Rechtsstreits rechtfertige sich bereits aus der Notwendigkeit, die Prüfung der Abhängigkeit des Rechtsstreits im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG dem zuständigen Gericht vorzubehalten. Anderenfalls müsse ein gegebenenfalls unzuständiges Gericht in diese Prüfung einsteigen und unter Umständen eine Beweisaufnahme durchführen.

6Im vorliegenden Fall sei über die Feststellungsziele zur Auslegung des § 32b ZPO durch Teilmusterentscheid bereits entschieden. Diese Entscheidung sei zwar noch nicht rechtskräftig, entspreche aber einem Zwischenurteil in den Ausgangsverfahren, sodass das Landgericht in analoger Anwendung des § 280 Abs. 2 Satz 2 ZPO das Verfahren fortsetzen und prüfen könne, ob das Ausgangsverfahren von den übrigen Feststellungszielen des Musterverfahrens abhänge, um es gegebenenfalls insgesamt auszusetzen.

72. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass eine Teilaussetzung eines Ausgangsverfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG erfolgen kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Entscheidung über Feststellungsziele abhängt, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, und ein Teilmusterentscheid über die streitigen Zulässigkeitsfragen ergangen ist. Die Fortsetzung des Verfahrens mit einer Verhandlung über die Hauptsache entsprechend § 280 Abs. 2 Satz 2 ZPO kommt in diesem Fall nicht in Betracht.

8a) Das Beschwerdegericht hat die Aussetzung des Verfahrens nicht beanstandet, soweit diese im Hinblick auf die Feststellungsziele erfolgt ist, die Gegenstand des Teilmusterentscheids vom wurden. Insoweit ist die Aussetzungsentscheidung von den Parteien nicht angegriffen und rechtskräftig geworden (vgl. , ZIP 2012, 2227 Rn. 12), so dass sie gemäß § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegt.

9b) Ein Rechtsstreit kann nicht nur teilweise nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG im Hinblick auf Feststellungsziele ausgesetzt werden, die die Zulässigkeit der Klage betreffen.

10aa) Obwohl § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG hierzu keine Regelung enthält, ist im Schrifttum allgemein anerkannt, dass sich die Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG auf einen Teil des Rechtsstreits beziehen kann, insbesondere, wenn in den Fällen einer objektiven und/oder subjektiven Klagehäufung das Musterverfahren nicht für alle Klageanträge bzw. Prozessrechtsverhältnisse vorgreiflich ist (KK-KapMuG/Kruis, 2. Aufl., § 8 Rn. 47 f.; Reuschle in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 8 KapMuG Rn. 31 f.; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 8 Rn. 23; MünchHdbGesR VII/Schmitt, 6. Aufl., § 43 Rn. 54; Blankenheim, WM 2017, 795, 797 f.). Dem ist für diejenigen Fälle zuzustimmen, in denen über den Teil des Rechtsstreits, der von der Aussetzung nicht betroffen ist, durch Teilurteil (§ 301 Abs. 1 ZPO) entschieden werden kann oder über den gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 ZPO in einem getrennten Prozess verhandelt werden kann (OLG Celle, AG 2017, 436, 438; vgl. , NJW-RR 2007, 456 Rn. 10). Die Fortführung von abtrennbaren Teilen des Rechtsstreits, deren Entscheidung nicht von den Feststellungen des Musterverfahrens abhängig ist, entspricht regelmäßig der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. , BGHZ 222, 15 Rn. 24 f. für die Auslegung des Merkmals der Abhängigkeit von den geltend gemachten Feststellungszielen; KK-KapMuG/Kruis, 2. Aufl., § 8 Rn. 48).

11bb) Ein Rechtsstreit kann dagegen nicht beschränkt auf die Klärung einer Zulässigkeitsvoraussetzung in einem Musterverfahren ausgesetzt werden. Es ist grundsätzlich nicht möglich, die Frage der Zulässigkeit einer Klage nicht zu beantworten und in der Sache zu entscheiden. Schon wegen der Auswirkungen auf die Rechtskraft ergibt sich ein Vorrang der Zulässigkeits- vor der Begründetheitsprüfung (, WM 2000, 2315, 2317; Thole in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 280 Rn. 1, 16).

12c) Eine Verhandlung in der Hauptsache kann nach einer Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf ein die Zulässigkeit der Klage betreffendes Feststellungsziel und der Entscheidung über dieses Feststellungsziel durch einen Teilmusterentscheid auch nicht entsprechend § 280 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfolgen.

13aa) Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige oder ungewollte Regelungslücke enthält, die sich aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergibt, und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (, BGHZ 184, 101 Rn. 32; Beschluss vom - X ZB 6/12, GRUR 2013, 430 Rn. 21; Urteil vom - VI ZR 345/13, BGHZ 201, 380 Rn. 14; Beschluss vom - II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 12; Urteil vom - IX ZR 172/14, WM 2015, 684 Rn. 31; Beschluss vom - X ZB 5/14, GRUR 2015, 1253 Rn. 19 - Festsetzung der Patentanwaltsvergütung; Urteil vom - II ZR 312/16, BGHZ 219 Rn. 58; Urteil vom - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 14; Urteil vom - II ZR 233/18, ZIP 2020, 318 Rn. 19).

14bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt an der Vergleichbarkeit des hier zu beurteilenden mit dem durch § 280 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelten Sachverhalt und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber, hätte er die Klärung von Zulässigkeitsvoraussetzungen im Musterverfahren vor Augen gehabt, die Möglichkeit einer Fortsetzung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach Erlass eines Musterentscheids vorgesehen hätte.

15(1) Besteht Streit zwischen den Parteien über das Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen, kann es der Prozessökonomie dienen, durch ein rechtsmittelfähiges Zwischenurteil nach § 280 Abs. 1 Satz 1 ZPO zunächst die vorgreiflichen Zulässigkeitsfragen abschließend zu klären (, BGHZ 182, 10 Rn. 18; Beschluss vom - XII ZB 326/10, NJW 2011, 1739 Rn. 18). § 280 Abs. 2 Satz 2 ZPO erlaubt dem Gericht nach Erlass eines die Zulässigkeit bejahenden Zwischenurteils die Anordnung, in der Hauptsache zu verhandeln, wenn ein hierauf gerichteter Antrag gestellt wurde (Hk-ZPO/Saenger, 9. Aufl., § 280 Rn. 7; Thole in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 280 Rn. 22; MünchKommZPO/Prütting, 6. Aufl., § 280 Rn. 10). Die Vorschrift knüpft damit an den durch den Erlass des Zwischenurteils bewirkten tatsächlichen Stillstand des Verfahrens und ermöglicht die Fortsetzung des Rechtstreits auf Antrag einer Partei nur unter der Voraussetzung, dass das Gericht von der Zulässigkeit der Klage ausgeht.

16(2) Eine vergleichbare Situation liegt bei einer Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG im Hinblick auf ein die Zulässigkeit der Klage betreffendes Feststellungsziel nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn über das die Zulässigkeit der Klage betreffende Feststellungsziel durch einen Teilmusterentscheid entschieden wurde und danach von der Zulässigkeit der Klage auszugehen ist.

17Die Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG muss unabhängig davon, wie das Prozessgericht die Frage der Zulässigkeit der Klage beantworten möchte, zwingend erfolgen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine rechtskräftige Entscheidung über die Feststellungsziele vorliegt (vgl. , ZIP 2020, 1518 Rn. 20).

18Mit dem Erlass eines Teilmusterentscheids entsteht für das aussetzende Gericht keine Prozesslage, die mit derjenigen nach Erlass eines die Zulässigkeit der Klage bejahenden Zwischenurteils nach § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO vergleichbar ist. Die Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG besteht auch nach diesem Zeitpunkt fort. Im Übrigen ist die Zulässigkeit der Klage mit dem Erlass eines Musterentscheids noch nicht verbindlich beantwortet, weil dessen Bindungswirkung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 KapMuG vom Eintritt der Rechtskraft abhängig ist (Vorwerk/Wolf in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 22 Rn. 23; KK-KapMuG/Hess, 2. Aufl., § 22 Rn. 1).

19(3) Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Fortsetzung des Ausgangsverfahrens nach Erlass eines Musterentscheids über die Zulässigkeit der Klage betreffende Feststellungsziele für regelungsbedürftig gehalten hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Regelfall zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ein Musterentscheid noch nicht vorliegt und die Möglichkeit einer Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens in der Hauptsache nicht besteht. Die Möglichkeit, über eine Fortsetzung der Ausgangsverfahren zu entscheiden, bestünde nur für den Zeitraum der rechtlichen Prüfung des Musterentscheids im Rechtsbeschwerdeverfahren. Dass die erneute Befassung des Gerichts vor Eintritt der Rechtskraft eines Teilmusterentscheids wesentliche Vorteile mit sich bringen würde, die den Gesetzgeber zu einer dahingehenden Regelung veranlasst hätte, ist nicht ersichtlich. In der Regierungsbegründung zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz kommt vielmehr das Ziel einer Entlastung der Justiz zum Ausdruck (RegE eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren, BT-Drucks. 15/5091, S. 17; RegE eines Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, BT-Drucks. 17/8799, S. 13), welche gerade durch die Bündelung der allgemein klärbaren Tatsachen- und Rechtsfragen im Musterverfahren und Pflicht zur Aussetzung der Ausgangsverfahren bis zur verbindlichen Klärung dieser Fragen erreicht werden soll. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn das Prozessgericht schon im Hinblick auf vorläufige Ergebnisse des Musterverfahrens erneut mit der Sache befasst werden könnte, ohne dass damit ein wesentlicher Effekt für die Beschleunigung des Verfahrens verbunden wäre.

203. Die Anordnung einer Verhandlung zur Hauptsache entsprechend § 280 Abs. 1 Satz 2 ZPO kann vorliegend auch deswegen nicht mehr ergehen, weil der Teilmusterentscheid des Oberlandesgerichts Braunschweig vom zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist (, ZIP 2020, 1879). Diese nach dem Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts entstandene Tatsache betrifft ausschließlich das Verfahren und kann vom Senat ungeachtet der Beschränkungen des § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden (, NJW 1975, 442, 443; MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 559 Rn. 28).

214. Das Rechtsmittel der Klägerin zu 1 ist weder durch den Eintritt der Rechtskraft des Teilmusterentscheids noch durch andere Umstände gegenstandslos geworden.

22a) Die Wirkung der Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG fällt nicht ohne Weiteres durch den Eintritt der Rechtskraft eines Teilmusterentscheids weg (Halfmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 22 KapMuG Rn. 9). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Grund für die Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG durch die rechtskräftige Entscheidung über die Feststellungsziele im Teilmusterentscheid vom entfallen ist.

23b) Die Wirkung der Aussetzung ist auch nicht auf Grund anderer Umstände weggefallen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgt nach § 22 Abs. 4 KapMuG, § 250 ZPO durch Einreichung des rechtskräftigen Musterentscheids und Zustellung eines Schriftsatzes, aus dem sich der Wille zur Fortführung des Rechtsstreits ergibt (, NJW 1995, 2171, 2172; Beschluss vom - XI ZB 32/11, ZIP 2012, 2227 Rn. 12; Beschluss vom - XI ZB 40/11, ZIP 2014, 1045 Rn. 10; OLG München, AG 2016, 91, 93; Vollkommer, NJW 2015, 3004, 3005; Halfmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 22 KapMuG Rn. 9;KK-KapMuG/Hess, 2. Aufl., § 22 Rn. 28 [mit Verweis auf § 156 ZPO]). Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist auch dann eröffnet, wenn über einen Teil der Feststellungsziele des Musterverfahrens rechtskräftig entschieden wurde und hierdurch der Aussetzungsgrund nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG entfallen ist (OLG München, AG 2016, 91, 92; Vollkommer, NJW 2015, 3004; Halfmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 22 KapMuG Rn. 9). Daneben kann das Verfahren auch vom aussetzenden Gericht gemäß § 150 Satz 1 ZPO durch Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses wieder aufgenommen werden (vgl. , ZIP 2012, 2227 Rn. 12; Beschluss vom - XI ZB 40/11, ZIP 2014, 1045 Rn. 10; Beschluss vom - II ZB 30/19, ZIP 2020, 1518 Rn. 26). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin zu 1 hat vielmehr mitgeteilt, von der Vorlage des Teilmusterentscheids gemäß § 22 Abs. 4 KapMuG, § 250 ZPO abgesehen zu haben.

245. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach Letzterem die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

25III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Klägerin wendet sich gegen eine Entscheidung über die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Ausgangsrechtsstreits, welche die in der Sache unterliegende Partei unabhängig vom Ausgang des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens nach §§ 91 ff. ZPO zu tragen hat (, ZIP 2020, 1518 Rn. 28 mwN).

Der Beschluss vom wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO im Tenor dahingehend berichtigt, dass es im 2. Absatz anstatt

"Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom …"

richtig

"Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom - in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom - …"

lauten muss.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:040521BIIZB30.20.0

Fundstelle(n):
AG 2021 S. 709 Nr. 19
BB 2021 S. 1729 Nr. 29
NJW 2021 S. 10 Nr. 30
WM 2021 S. 1373 Nr. 28
ZIP 2021 S. 1432 Nr. 28
EAAAH-83728