Leitsatz
[1] a) Die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 ZPO gilt nicht zu Lasten des auf Seiten der beklagten Gesellschaft beitretenden Nebenintervenienten.
b) Der im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess auf Seiten der beklagten Gesellschaft beigetretene Aktionär ist streitgenössischer Nebenintervenient. Ob er Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten beanspruchen kann, ist deshalb eigenständig und unabhängig von der gegenüber der unterstützten Partei zu treffenden Kostenentscheidung nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner zu beurteilen (vgl. Sen. Beschl. v. - II ZB 23/06, DStR 2007, 1265).
Gesetze: ZPO § 246 Abs. 4; ZPO § 269 Abs. 3; AktG § 248 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Hamburg, 11 W 9/08 vom LG Hamburg, 420 O 79/07 vom
Gründe
I.
Die Kläger, Aktionäre der Beklagten, erhoben im Juni 2007 zunächst getrennt Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom . Das Landgericht Hamburg ordnete jeweils das schriftliche Vorverfahren an. Die Klage des Klägers zu 1 wurde am , der - nach Verbindung der beiden Verfahren - für den bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde am im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht. Mit einem am beim Landgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz vom erklärte der Rechtsbeschwerdegegner, dass er dem Rechtsstreit auf Seiten der beklagten Aktiengesellschaft beitrete.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg schlossen die Hauptparteien einen Vergleich, in dem die Beklagte die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger sowie der Nebenintervenientin auf Klägerseite übernahm und sich die Kläger im Gegenzug zur Klagerücknahme verpflichteten. Eine Kostenregelung für den Nebenintervenienten auf Beklagtenseite enthält der Vergleich nicht.
Nach Rücknahme der Klage hat der Nebenintervenient auf Beklagtenseite beantragt, den Klägern die Kosten seiner Nebenintervention aufzuerlegen. Das den Antrag zurückgewiesen, weil die Kostenregelung im Vergleich auch im Verhältnis zum Streithelfer der Beklagten § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vorgehe und sein Prozessbevollmächtigter im Termin ausdrücklich auf eine Kostenregelung verzichtet habe. Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdegegners hat das Oberlandesgericht die Kosten seiner Nebenintervention den Klägern je zu Hälfte auferlegt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger zu 2, soweit zu seinem Nachteil entschieden ist, die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
II.
Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger zu 2 zu Recht die hälftigen Kosten der Nebenintervention auf Beklagtenseite auferlegt.
1.
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt:
Zwar habe der Nebenintervenient seinen Beitritt nicht innerhalb der Frist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG erklärt, weil diese Frist schon mit der Bekanntmachung der Klageerhebung und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens und nicht erst mit der Veröffentlichung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu laufen begonnen habe. Dies sei jedoch ohne Belang, weil die Frist für den auf Seiten der beklagten Aktiengesellschaft beitretenden Aktionär nicht gelte. Da es sich um eine streitgenössische Nebenintervention handle, sei über die Kosten des Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der unterstützten Hauptpartei zu entscheiden. Die Kläger seien nach Rücknahme ihrer Klage gemäß §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 100 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten des gegnerischen Nebenintervenienten zu gleichen Teilen zu tragen. Dass dessen Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich auf eine Regelung seiner Kosten verzichtet habe, stehe der beantragten Entscheidung nicht entgegen, weil ein solcher Verzicht nicht protokolliert worden sei.
2.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a)
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Versäumung der Ausschlussfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG durch den Nebenintervenienten nicht zur Unzulässigkeit seiner Nebenintervention führt. Die genannte Vorschrift gilt nicht zu Lasten des auf Seiten der beklagten Gesellschaft beitretenden Nebenintervenienten.
Schon der Wortlaut des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG steht der Anwendbarkeit der - mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) zum neu eingeführten - Befristung der Nebenintervention für den Beitritt auf Beklagtenseite entgegen. "An der Klage beteiligen" - wie es in § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG heißt - kann sich nur der Nebenintervenient auf Kläger-, nicht aber derjenige auf Beklagtenseite. Dementsprechend trifft auch die vom Gesetzgeber für die Befristung der Nebenintervention gegebene Begründung, "dass die Nebenintervention von den Klagevoraussetzungen nicht besser stehen darf als die Klage" (RegE UMAG BR-Drucks. 3/05 S. 56 zu Nr. 22), für die Nebenintervention auf Beklagtenseite ersichtlich ebenso wenig zu, wie überhaupt der mit dem UMAG verfolgte Zweck, die Zulässigkeit von Anfechtungsklagen im Interesse der Gesellschaft zu beschränken (vgl. RegE UMAG BR-Drucks. 3/05 S. 1 A). Denn der Beklagtenintervenient tritt dem Anfechtungsprozess gerade bei, um die Gesellschaft bei der Abwehr einer Anfechtungsklage zu unterstützen. Eine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG für den Beitritt auf Seiten der beklagten Gesellschaft scheidet demnach aus (allg. Meinung, vgl. Hüffer, AktG 8. Aufl. § 246 Rdn. 40 a.E.; Heidel, AnwaltsKomm.z.AktG 2. Aufl. § 246 Rdn. 7 b; Dörr in Spindler/Stilz, AktG § 246 Rdn. 56; Göz in Bürgers/Körber, AktG § 246 Rdn. 33; Tielmann in Happ, Aktienrecht 3. Aufl. Abschnitt 18.01 Rdn. 5 S. 2064 f.; Schwab in Schmidt/Lutter, AktG § 246 Rdn. 26).
Sie kommt aber auch deshalb nicht in Betracht, weil sie den Zweck der neu geschaffenen Vorschrift, "räuberische Aktionäre" von Anfechtungsprozessen gegen die Gesellschaft möglichst fern zu halten, verfehlen würde. Es kommt hinzu, dass das Institut der Nebenintervention im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess das - wegen der Rechtskrafterstreckung eines stattgebenden Urteils auf alle Aktionäre (§§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG) - verfassungsrechtlich unabdingbare rechtliche Gehör der Aktionäre gewährleistet (BVerfGE 21, 132, 137 f. ; 60, 7, 14 ; BGHZ 172, 136, 141 Tz. 15 ; Sen. Beschl. v. - II ZB 13/06, DStR 2007, 1781, 1782 Tz. 9; Austmann, ZHR 158, 495, 497; Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 246 Rdn. 45) und deswegen die Regelung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG, die die Möglichkeit einer - nach § 66 Abs. 2 ZPO grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Entscheidung unbefristet zulässigen - Nebenintervention in zeitlicher Hinsicht einschränkt, als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist.
b)
Ohne Rechtsfehler hat das Oberlandesgericht dem Kläger zu 2 in Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die hälftigen Kosten der Nebenintervention des Rechtsbeschwerdegegners auferlegt.
aa)
Über den Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten der Beklagten ist - was auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - infolge der Rücknahme der Klage auf der Grundlage des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu entscheiden. Der als Aktionär dem - von den Klägern als Aktionären gegen die beklagte Gesellschaft geführten - Anfechtungsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient ist im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils nach der ständigen Rspr. des Senats als streitgenössischer Nebenintervenient i.S. der §§ 66, 69 ZPO anzusehen (vgl. nur BGHZ 172, 137 Tz. 9 m.w.Nachw.). Für die streitgenössische Nebenintervention gilt der für die einfache Streitgenossenschaft in § 101 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität und damit auch der in dieser Vorschrift in Bezug genommene § 98 ZPO nicht; vielmehr sind ausschließlich die §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO anzuwenden, die den streitgenössischen Nebenintervenienten kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellen. Ob ein streitgenössischer Nebenintervenient Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten beanspruchen kann, ist danach eigenständig und unabhängig von der gegenüber der unterstützten Hauptpartei zu treffenden Kostenentscheidung nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner zu beurteilen (Sen. Beschl. v. - II ZB 23/06, DStR 2007, 1265 Tz. 8 f. m.w.Nachw.; v. - II ZR 248/84, JZ 1985, 853, 854; h.M., vgl. z.B. Zöller/Herget, ZPO 27. Aufl. § 101 Rdn. 13; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 29. Aufl. § 101 Rdn. 9; Lenenbach, WuB VII A. § 101 ZPO 1.07, 824; Althammer, JZ 2008, 255, 256 f.; Waclawik, DStR 2007, 1257, 1259 f.; Wilsing/Siebmann, DB 2007, 1517; a.A. für den Fall eines Prozessvergleichs MünchKommZPO/Giebel 3. Aufl. § 101 Rdn. 32). Da die Kläger die Klage zurückgenommen haben, haben sie - vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten der Beklagten zu tragen.
bb)
Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO liegen nicht vor. Über die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten ist weder bereits rechtskräftig entschieden noch sind sie ihm "aus einem anderen Grund aufzuerlegen".
Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt, steht zwar die fehlende Protokollierung der - unstreitigen - Erklärung des Nebenintervenienten, auf eine Regelung seiner Kosten zu verzichten, der Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 ZPO nicht von vornherein entgegen. Auch eine Kostenregelung in einem formlos wirksamen materiellrechtlichen Vergleich oder ein materiell-rechtlicher Verzicht auf Kostenerstattung geht der in § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO angeordneten Kostentragungspflicht des Klägers vor (vgl. , MDR 1972, 945, 946; v. - VII ZB 4/04, NJW-RR 2004, 1506, 1507; OLG München, VersR 1976, 395; OLG Hamm, VersR 1994, 834 ; OLG Köln, MDR 1986, 503 ; Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO 3. Aufl. § 269 Rdn. 113; H. Roth in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 269 Rdn. 49).
Durch die Äußerung des Nebenintervenienten, auf eines einer außergerichtlichen Kosten, also die Schaffung eines Kostentitels, zu verzichten, ist aber weder ein materiellrechtlicher Vergleich über diese Kosten zustande gekommen noch kann ihr ein Verzicht auf Kostenentnommen werden. An die Feststellung eines Verzichtswillens, der nicht vermutet werden darf, sind strenge Anforderungen zu stellen (, NJW 2008, 2842 Tz. 20; Urt. v. - VI ZR 54/05, NJW 2006, 1511 Tz. 10). Dementsprechend ist eine Erklärung, die einen Verzicht zum Inhalt hat, im Zweifel eng auszulegen (Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl. § 397 Rdn. 6).
Danach kann hier von einem Willen des Nebenintervenienten, auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten zu verzichten, die er im Falle des Vergleichsschlusses kraft Gesetzes beanspruchen konnte, nicht ausgegangen werden. Der Verzicht auf eine Kostenregelung im Vergleich ist nicht gleichbedeutend mit einem Verzicht auf Kostenerstattung und schließt diesen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres ein.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AG 2009 S. 624 Nr. 17
BB 2009 S. 1705 Nr. 33
DB 2009 S. 1810 Nr. 34
DStR 2009 S. 1970 Nr. 38
WM 2009 S. 1572 Nr. 33
ZIP 2009 S. 1538 Nr. 32
YAAAD-26254
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja