Leitsatz
[1] 1. Eine Protokollberichtigung mit der Folge einer "Rügeverkümmerung" ist nicht möglich, wenn in der Hauptverhandlung Feststellungen über die Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden im Selbstleseverfahren unterblieben sind.
2. Die Mitschriften, die ein nunmehr als Zeuge vernommener Richter in einer früheren Hauptverhandlung als erkennender Richter angefertigt hat, sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.
Gesetze: StPO § 249 Abs. 2; StPO § 344 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die Revision des Angeklagten mit Urteil des Senats vom (2 StR 490/06 = BGHSt 51, 325) wegen eines durchgreifenden Verfahrensfehlers aufgehoben. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil nunmehr erneut wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Der auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom bemerkt der Senat:
1. a) Die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter und Schöffen, vom Inhalt des Ordners "Selbstleseverfahren" (im Urteil: "Selbstleseverfahren I") sehr wohl Kenntnis genommen zu haben, obwohl in das Hauptverhandlungsprotokoll keine dahin gehende Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 S. 3 StPO aufgenommen worden ist, sind für den Senat unbeachtlich. Eine Berichtigung des Protokolls mit der Folge der "Verkümmerung" der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge wäre nicht möglich gewesen (vgl. zu deren grundsätzlicher Zulässigkeit die Beschlüsse des Großen Senats für Strafsachen vom , GSSt 1/06 = BGHSt 51, 298, 308 ff. und des = NJW 2009, 1469). Das Protokoll ist inhaltlich richtig, weil der zu protokollierende Verfahrensvorgang der Feststellung über die Kenntnisnahme in der Hauptverhandlung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Auf Grund seiner negativen Beweiskraft hat der Senat damit auch davon auszugehen, dass der Inhalt der Urkunden nicht zur Kenntnis gelangt war (BGH NStZ 2000, 47; 2005, 160), soweit das Landgericht ihn nicht durch Verlesung einzelner Bestandteile des betroffenen Selbstleseordners in die Hauptverhandlung eingeführt hat.
b) Das Urteil beruht jedoch nicht auf dem Verfahrensfehler, da der Senat angesichts der ansonsten sehr sorgfältigen Beweiswürdigung ausschließen kann, dass die Strafkammer ohne die Verwertung des Urkundeninhalts zu anderen Feststellungen gelangt wäre.
Die Feststellungen zum Inhalt der Beratungen und Entscheidungen des Stadtrates vom 13. März und stützt das Landgericht auf die Zeugenaussagen des damaligen Oberstadtdirektors Dr. R. sowie vier weiterer Teilnehmer der beiden Ratssitzungen. Auch angesichts der eingehenden Beweiswürdigung zum weiteren Verlauf der kommunalpolitischen Diskussion bis in das Jahr 1999 hat die Verwertung der beiden Sitzungsprotokolle lediglich ergänzenden Charakter.
Die Feststellungen zum Verhalten des selbst nicht revidierenden Mitangeklagten Rü. im Zuge der Beratungen und Entscheidungen über die Teilprivatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe in der Folge des Ratsbeschlusses vom lassen schon wegen des zur Tatzeit in der ersten Jahreshälfte noch ganz unerwarteten Ausgangs der Kommunalwahl im September 1999 allenfalls in sehr begrenztem Umfang Rückschlüsse auf das Zustandekommen der Unrechtsvereinbarung zu, die der Zahlung der Wahlkampfspende durch den Abfallunternehmer T. zu Grunde lag. Schon vor diesem Hintergrund hat die Verwertung der Urkunden betreffend die Zahlungen, die T. in den Jahren 2000/2001 an den ehemaligen Kölner ÖTV-Vorsitzenden S. und an den CDU-Ratsfraktionsvorsitzenden Prof. Dr. B. geleistet hatte, ebenfalls nur ergänzenden Charakter. Dies gilt um so mehr angesichts der Einbettung in den Gesamtzusammenhang der Würdigung der Aussagen der Zeugen Dr. A. , Prof. Dr. B. , Dr. R. und Bü. sowie der durch zeugenschaftliche Vernehmung des Oberstaatsanwalts Bu. eingeführten Verteidigererklärung vom , die der Zeuge T. sich ausdrücklich zu eigen gemacht hatte.
Aus demselben Grund hat auch die Verwertung des Antrags der CDU-und FDP-Ratsfraktionen vom sowie der Tischvorlage für die Ratssitzung vom keine selbständige Beweisbedeutung. Ohnehin kam es für die Feststellungen zum Agieren des Mitangeklagten Rü. nach der von seiner Partei verlorenen Wahl auf die inhaltlichen Details des letztlich erfolgreichen Privatisierungsantrages nicht an.
2. Die Rüge, die Aufklärungspflicht (§ 249 Abs. 2 StPO) habe die Beschlagnahme der Mitschriften der Zeugen VRLG Ba. und RLG W. geboten, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO). Zudem hat das Landgericht die Beschlagnahme zu Recht abgelehnt, da ihr ein Beweiserhebungsverbot entgegengestanden hätte. Die richterlichen Aufzeichnungen aus der Hauptverhandlung in Strafsachen erlangen in ihrem fortschreitenden Entstehen den Schutz durch das Beratungsgeheimnis. Sie sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich (Schmidt-Räntsch DRiG 6. Aufl. § 43 Rn. 5; vgl. auch Fischer StraFo 2004, 420, 421 f.) .
3. Die Grundsätze, welche der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in den Urteilen vom (3 StR 301/03 = BGHSt 49, 275) und vom (3 StR 212/07 = NJW 2007, 3446) für eine einschränkende Auslegung der §§ 331, 333 StGB bei Einwerbung von Wahlkampfspenden für einen Amtsträger aufgestellt hat, sind hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich vorliegend nicht um eine grundsätzlich zulässige Spende mit dem Ziel allgemeiner politischer "Klimapflege" handelte, sondern um eine unzulässige Einflussspende mit dem Ziel, ein bestimmtes, dem Spender wirtschaftlich vorteiliges dienstliches Verhalten des Amtsträgers als Gegenleistung zu erlangen (§ 332 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB; vgl. BGHSt 49, 275, 286 f.) . Von dieser Bewertung abzugehen, zu der der Senat obiter dictu bereits in dem den Mitangeklagten Rü. betreffenden Urteil vom (2 StR 557/05 = NStZ 2007, 36, 37) gelangt war, geben die Feststellungen des angefochtenen Urteils keinen Anlass.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 2836 Nr. 38
wistra 2009 S. 403 Nr. 10
AAAAD-26155
1Nachschlagewerk: ja