BSG Urteil v. - B 2 U 20/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB VII § 131; SGB VII § 136

Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 17 U 20/04 vom SG Köln, S 18 U 26/01 vom

Gründe

I

Die Beklagte begehrt mit ihrer Widerklage, die Beigeladene zu verurteilen, ihr das Unternehmen der Klägerin zu überweisen, weil sie für es zuständig sei.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft (KG) mit Sitz in K, deren Komplementärin die "A Deutschland Vertriebs-Verwaltungsgesellschaft mbH" (im Folgenden: A-Vertriebs-GmbH) ist. Die A AG (im Folgenden AG) mit Sitz in L ist sowohl einzige Gesellschafterin der A-GmbH als auch die einzige Kommanditistin der Klägerin. Die A-GmbH vertreibt ua fototechnische und -chemische Produkte der AG.

Die AG war in der Vergangenheit bei der beigeladenen BG Chemie unfallversichert, ebenso ihre Vertriebsniederlassungen in L und M . Die rechtlich unselbstständigen Vertriebsgeschäftsstellen der AG in B, E, F, Fü, Fr, G, H, Ha, L und D, waren bei der beklagten BGHW (vormals: Großhandels- und Lagerei-BG [GroLaBG]) versichert.

Bereits 1984 beantragte die AG, die bei der Beklagten versicherten Vertriebsgeschäftsstellen an die Beigeladene zu überweisen, weil sie als rechtlich unselbstständige Nebenbetriebe zu bewerten seien. Die Beklagte lehnte die Überweisung mit Bescheid vom (Widerspruchsbescheid vom ) ab. Die Klage blieb im Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom (S 16 U 28/92) und die Berufung im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom (L 15 U 103/97) ohne Erfolg. Die Revision verwarf das ) als unzulässig.

Am gründete die AG die klagende KG mit Sitz in K, um ihren Vertrieb zu bündeln. Durch Bescheid vom nahm die beigeladene BG Chemie die KG zum in ihr Unternehmensverzeichnis auf und erteilte ihr einen Mitgliedsschein.

Zum übernahm die Klägerin von der AG die gesamte Vertriebsorganisation in Deutschland mit ihren ca. 900 Mitarbeitern in L und M (bisher BG Chemie) aber auch in B, D, E, F, Fr, Fü, G, H, Ha und L (bisher GroLaBG). Mit Bescheid vom stellte auch die Beklagte ihre Zuständigkeit für das gesamte Unternehmen der Klägerin rückwirkend ab fest. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Sie sei Teil des Gesamtunternehmens A, für das die BG Chemie zuständig sei. Während des Widerspruchsverfahrens meldete die Klägerin die Lohnsummen ihrer Beschäftigten in K und M an die BG Chemie, die Lohnsummen der übrigen Mitarbeiter an die BGHW. Bis zum schloss die Klägerin schrittweise alle Niederlassungen und konzentrierte ihr Unternehmen in K . Mit Widerspruchsbescheid vom , zur Post gegeben am , wies die beklagte BGHW den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am vor dem SG Köln Klage erhoben und vorgetragen, die BG Chemie sei formell zuständig, weil diese ihr gegenüber den bestandskräftig gewordenen Aufnahmebescheid vom erlassen habe. Dagegen sei der Aufnahmebescheid der beklagten BGHW vom nichtig, da eine Doppelmitgliedschaft zu vermeiden sei. Das SG hat die BG Chemie notwendig zum Rechtsstreit beigeladen. Die Beklagte hat vor dem SG Widerklage gegen die Beigeladene erhoben mit dem Ziel, diese verurteilen zu lassen, ihr das Unternehmen der Klägerin zu überweisen, soweit es bisher bei der Beigeladenen versichert sei. Sie sei für das Unternehmen der Klägerin zuständig. Mit Urteil vom hat das SG den Bescheid der Beklagten aufgehoben und deren Widerklage abgewiesen. Die ursprüngliche Zuständigkeit der Beklagten für die ehemaligen Vertriebsgeschäftsstellen der AG lasse sich nicht auf die Klägerin übertragen. Die Widerklage sei unbegründet, da die Voraussetzungen für eine Überweisung von Unternehmensteilen der Klägerin an die Beklagte fehlten.

Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt. Es sei "absonderlich", wenn die Beigeladene für ein Großhandelsunternehmen wie die Klägerin zuständig sein solle. Sie habe mit ihrem angefochtenen Bescheid lediglich verfügt, dass die Klägerin ihr für alle Niederlassungen Beiträge schulde. Ein Eingriff in die Katasterstetigkeit sei damit nicht verbunden, da die Beklagte schon zuvor für Betriebe der Klägerin zuständig gewesen sei. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Bescheid, mit dem die Beklagte ihre Zuständigkeit für das (gesamte) Unternehmen der Klägerin festgestellt habe, gehe zwar zu weit. Die Beigeladene sei am für die Geschäftsstellen der Klägerin in K (vormals L) und M zuständig gewesen, die Beklagte sei aber für alle übrigen Vertriebsgeschäftsstellen zuständig gewesen und geblieben. Soweit der Bescheid der Beklagten sich auch auf die Unternehmensteile in K und M bezogen habe, sei dieser nichtig. Die Beklagte habe die Teilnichtigkeit des angefochtenen Bescheids auch festgestellt, eine formelle Rücknahme des nichtigen Teils dieses Verwaltungsakts sei entbehrlich. Im Übrigen sei der Zuständigkeitsbescheid der Beklagten rechtmäßig. Soweit der Aufnahmebescheid der Beigeladenen sich auf die Vertriebsgeschäftsstellen außerhalb von K und M bezogen habe, sei er ebenfalls nichtig, da insoweit die Beklagte zuständig sei.

Die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihrer Widerklage hat das LSG zurückgewiesen. Die Beklagte habe keinen Anspruch gegen die Beigeladene auf Überweisung des klägerischen Unternehmens. Ein Unternehmen sei an den zuständigen UV-Träger zu überweisen, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig gewesen sei oder sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen geändert habe (§ 136 Abs 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII). Das sei hier allerdings nicht der Fall. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die zu einer Änderung der Zuständigkeit des UV-Trägers geführt habe, liege zwar vor. Die Klägerin falle in den fachlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Dennoch aber sei die Beigeladene für die AG als Hauptunternehmen und die Klägerin als Nebenunternehmen zuständig, da beide ein Gesamtunternehmen bildeten. Die Klägerin sei ein 100%iges Tochterunternehmen der AG, das der einheitlichen Leitung des Mutterkonzerns unterstehe. Der erforderliche enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Klägerin und Konzernmutter bestehe, denn es sei wiederholt zum Austausch von Mitarbeitern gekommen.

Die Beklagte hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§§ 131, 136 SGB VII). Die Beigeladene habe das Unternehmen der Klägerin zu überweisen. Die Ausgliederung des Vertriebsbereichs aus der AG als Muttergesellschaft zur Klägerin nebst Formung eines neuen Vertriebsunternehmens stelle eine wesentliche Änderung dar. Seitdem sei nicht mehr die Beigeladene sondern die Beklagte für die Klägerin sachlich zuständig, weil Betriebe zur Behandlung und Handhabung der Ware, die mit einem Engroshandelsunternehmen verbunden seien, das über den Umfang des Kleinbetriebs hinausgehe, der Beklagten zugewiesen seien. Das Vertriebsunternehmen der Klägerin bilde mit dem Produktionsunternehmen der AG kein Gesamtunternehmen, denn insoweit fehle es an der Unternehmeridentität. Auch sei die Klägerin nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich selbstständig. Sie übe mit dem Absatz von Produkten Dritter eine eigenständige Geschäftstätigkeit aus, für deren Realisierung sie umfangreiche eigene personelle und sachliche Ressourcen bereithalte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom abzuändern und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Köln vom abzuändern und die Beigeladene zu verurteilen, das Unternehmen der Klägerin mit Wirkung vom an die Beklagte zu überweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie sei schon deshalb kein Großhandelsunternehmen, weil sie sich wie die AG seit langer Zeit zu einem Technologieunternehmen gewandelt habe. Sie veräußere nicht lediglich Produkte, sondern entwickle diese im Rahmen gemeinsamer Projekte häufig erst gemeinsam mit den Kunden. Mit einem üblichen Großhandel habe sie wenig gemeinsam.

Die Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass das Unternehmen der Klägerin Aufgaben wahrnehme, die typischerweise als Hilfstätigkeit in einem Produktionsunternehmen anfielen, weil die Produktion nur erfolge, um die erzeugten Produkte zu verkaufen. Produktion und Vertrieb bildeten daher wirtschaftlich eine Einheit. Eine Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich allenfalls für ein Großhandelsunternehmen mit Warenumgang; die Klägerin trete aber als Vertriebs- und Serviceunternehmen ohne Warenumgang auf. Die unfallversicherungsrechtliche Zuständigkeit für solche Unternehmen sei gesetzlich nicht geregelt. Auch bilde die Klägerin mit der AG ein Gesamtunternehmen. "Unternehmeridentität" sei hierzu nicht erforderlich, da dieses vermeintliche Tatbestandsmerkmal im Gesetz keine Stütze finde und es - wie ansonst in der gesetzlichen Unfallversicherung auch - vorwiegend nicht auf die rechtlichen, sondern tatsächlichen Verhältnisse ankomme. Anderenfalls wäre es Unternehmen allein auf Grund eines "Federstrichs" möglich, risikoarme Bereiche (wie Personal, Finanzbuchhaltung oder Rechtsabteilung) bei beitragsgünstigeren BGen zu versichern, obwohl die tatsächlichen Strukturen völlig gleich blieben und nur der Briefkopf wechsle.

II

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

1. Soweit die Beklagte von der Beigeladenen mit der als Widerklage erhobenen Leistungsklage weiterhin die Überweisung des Unternehmens der Klägerin begehrt, ist die Revision nicht schon deshalb unbegründet, weil die erhobene Widerklage unstatthaft wäre.

Gemäß § 100 SGG kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Das Begehren der Überweisung des Unternehmens der Klägerin steht mit dem Klagebegehren der Klägerin, das die Anfechtung eines Zuständigkeitsbescheids der Beklagten betrifft, im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage sowohl in einem rechtlich wie auch tatsächlichen Zusammenhang, denn es ist zu klären, welcher von zwei in Betracht kommenden Trägern für das Unternehmen der Klägerin zuständig ist.

Die Widerklage kann gegen die Beigeladene gerichtet werden, denn diese ist der formell für das Unternehmen der Klägerin zuständige UV-Träger, der zum Rechtsstreit notwendig beigeladen war (§ 75 Abs 2 SGG; vgl zur Widerklage gegen den notwendig Beigeladenen - BSGE 17, 139, 143, ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 100 RdNr 5; Roller in Lüdtke HandKomm SGG 3. Aufl 2008 § 100 RdNr 3). Allerdings müssen für die erhobene Widerklage ihrerseits die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen ( - BSGE 18, 81, 83; Roller in Lüdtke HandKomm SGG, 3. Aufl 2008, § 100 RdNr 8). Diese sind gegeben, denn die Beklagte erhebt gegen die Beigeladene eine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 5 SGG, gerichtet auf Überweisung des Unternehmens der Klägerin. Die Zuständigkeitsfeststellung, welche die Beigeladene zuvor gegen die Klägerin getroffen hat, steht der Widerklage nicht entgegen, weil sie gegenüber der Beklagten, die nicht deren Adressat war, keine Wirksamkeit entfaltet. Denn § 136 Abs 1 Satz 4 und 5 SGB VII sehen einen Überweisungsanspruch gerade für den Fall vor, dass ein Zuständigkeitsbescheid von Anfang an unrichtig war oder sich die Zuständigkeit nach seinem Erlass ändert.

2. Der Senat hatte über das streitige Rechtsverhältnis insgesamt und einheitlich zu entscheiden.

Allerdings hat die Klägerin kein Rechtsmittel gegen das Urteil des LSG eingelegt, soweit ihre Anfechtungsklage gegen den Zuständigkeitsbescheid der Beklagten abwiesen worden ist. Gleichwohl ist das Urteil des LSG insoweit nicht rechtskräftig geworden, weil zwischen den drei am Verfahren notwendig Beteiligten nur einheitlich über die Verbandszuständigkeit für die Klägerin entschieden werden kann. Denn die Verurteilung des beigeladenen Trägers zur Überweisung an die Beklagte kann nur erfolgen, wenn und solange die Zuständigkeit auch zwischen den anderen Beteiligten des Verfahrens offen geblieben ist. Sie setzt zwingend die Prüfung anderer vorrangiger Klagebegehren voraus ( - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; - BSGE 49, 143 = SozR 5090 § 6 Nr 4; - SozR 1500 § 75 Nr 38; - BSGE 66, 176 f [insoweit nicht abgedruckt] = Juris RdNr 14). Deshalb erwächst in diesen mehrseitigen Rechtsverhältnissen die Entscheidung über nur eine Klage oder nur ein Rechtsmittel von mehreren gegenüber keinem Beteiligten in Rechtskraft, so dass auch keine gespaltene Rechtskraftwirkung eintreten kann (; - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

3. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Beigeladene, ihr das Unternehmen der Klägerin mit Wirkung zum oder ab Beginn des Jahres zu überweisen, das auf die Rechtskraft des Urteils folgt (§ 137 Abs 1 Satz 1 SGB VII).

Ob der Überweisungsanspruch für Zeiten ab dem besteht, richtet sich nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung der Revisionsinstanz geltenden Rechtslage (vgl - BSGE 95, 94 RdNr 5 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr 10). Grundlage des Anspruchs ist § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII in der ab geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG) vom (BGBl I 2130). Die Regelung knüpft an Satz 1 der Vorschrift an, wonach Beginn und Ende der Zuständigkeit für ein Unternehmen vom Unfallversicherungsträger durch schriftlichen VA gegenüber dem Unternehmer festzustellen sind. Von einem Zuständigkeitsbescheid (früher: Aufnahmebescheid) ist eine Abwendung mit Wirkung für die Zukunft nur nach Maßgabe der speziellen Regelung des § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII möglich. Nach dieser Vorschrift überweist der bisher zuständige Träger ein Unternehmen dem tatsächlich sachlich zuständigen Träger, wenn die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig war (Alt 1) oder sich die Zuständigkeit für das Unternehmen nachträglich ändert (Alt 2). Nach § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII ist die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig gewesen (Alt 1), wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widersprochen hat oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Nach § 136 Abs 2 Satz 2 SGB VII liegt eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, vor (Alt 2), wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist.

Diese Voraussetzungen eines Überweisungsanspruchs sollen Kontinuität und Rechtssicherheit in Bezug auf die Zuständigkeit der Träger für die bei ihnen versicherten Unternehmen gewährleisten (Grundsatz der Katasterstetigkeit; vgl - SGb 1986, 338; - HVBG-Info 1998, 2757; - BSGE 94, 258 = SozR 4-2700 § 136 Nr 1, jeweils RdNr 9, 11). Die einmal begründete und praktizierte Zuständigkeit kann, wenn ihre Voraussetzungen nicht vorgelegen haben oder objektiv entfallen sind, nur in einem besonderen Überweisungsverfahren und unter den genannten engen Voraussetzungen geändert werden. Ein Unternehmen ist nicht allein deshalb zu überweisen, weil sich herausstellt, dass ein anderer Träger objektiv zuständig ist. Vielmehr setzt die Überweisung voraus, dass die bisher praktizierte Zuständigkeit den materiellen Zuständigkeitsregelungen des SGB VII "eindeutig" widerspricht oder jedenfalls das Festhalten an ihr zu "schwerwiegenden Unzuträglichkeiten" führen würde ( - SozR 4-2700 § 136 Nr 3).

Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte keinen Überweisungsanspruch gegen die Beigeladene. Diese ist der für die Klägerin bisher verfahrensrechtlich zuständige Unfallversicherungsträger, da sie ihre Zuständigkeit gegenüber der Klägerin festgestellt und auch praktiziert hat (a). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist weder von Anfang an unrichtig gewesen (b) noch haben sich die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen der Klägerin nachträglich wesentlich geändert (c).

a) Die Beigeladene ist der für die Klägerin formell zuständige Unfallversicherungsträger.

Der für die Klägerin zuständige Träger bestimmt sich nach der seinerzeit bei deren Ausgliederung oder Errichtung bestehenden Rechtslage (vgl - BSGE 97, 279, 282 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, jeweils RdNr 16). Maßgeblich für die Beurteilung, welcher Träger bei Ausgliederung oder Gründung der Klägerin für diese zuständig geworden ist, sind die §§ 659 f Reichsversicherungsordnung (RVO), denn die später eingetretenen Rechtsänderungen im Recht der Verbandszuständigkeit beanspruchen keine Geltung für die Vergangenheit.

Für die Klägerin als Unternehmerin in der Form der KG (zur Rechtsfähigkeit einer KG: - SozR 3-5868 § 1 Nr 6), ist mit Aufnahme der vorbereitenden Tätigkeiten im Oktober 1996 die Zuständigkeit verbindlich zu klären gewesen, denn für neu gegründete Unternehmen ist mit Aufnahme der vorbereitenden Arbeiten (§ 659 RVO) der Beginn der Mitgliedschaft durch Aufnahme in das Unternehmensverzeichnis (§ 664 Abs 1 Satz 1 RVO) festzustellen. Eine entsprechende Regelung trifft der Aufnahmebescheid der Beigeladenen vom .

Es kann für die formelle Zuständigkeit dahingestellt bleiben, ob der Aufnahmebescheid der Beigeladenen rechtmäßig war, wofür allerdings einiges spricht, denn dieser Verwaltungsakt ist jedenfalls mit Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist (§ 78 Abs 1 SGG) bestandskräftig geworden und entfaltet deshalb für Klägerin und Beigeladene Bindungswirkung (§ 77 SGG).

An der Bindungswirkung des Aufnahmebescheids fehlt es nicht deshalb, weil dieser Verwaltungsakt - wie das LSG angenommen hat - nichtig wäre. Ein besonders schwerwiegender, die Nichtigkeit begründender Fehler (§ 40 Abs 1 und 2 SGB X) haftet dem Verwaltungsakt nicht an. Insbesondere ist nach dem zum Zeitpunkt der Neugründung der Klägerin geltenden Recht die Zuständigkeit, wie sie für das ausgliedernde Unternehmen bestanden hat, nicht auf den neuen Unternehmer übergegangen (dazu - SozR 3-2200 § 664 Nr 2). Vor Zugang dieses Aufnahmebescheids der Beigeladenen ist der Klägerin auch nicht ein Aufnahmebescheid eines anderen Trägers iS des § 664 Abs 1 Satz 1 RVO zugegangen.

Die bindende Wirkung des Aufnahmebescheids der Beigeladenen ist auch nicht durch den Aufnahmebescheid der Beklagten vom beseitigt worden. Die Aufnahme eines bereits von einem anderen Träger formell als Mitglied aufgenommenen Unternehmers ist ein besonders schwerer und offenkundiger Fehler dieses Verwaltungsakts, weil für jedes Unternehmen ausschließlich nur ein Unfallversicherungsträger verbandszuständig sein darf. Deshalb ist ein trotzdem erteilter Aufnahmebescheid selbst dann nichtig, wenn der erste Aufnahmebescheid rechtswidrig gewesen sein sollte (vgl - BSGE 68, 217 = SozR 3-2200 § 776 Nr 1).

Die Beigeladene ist bis zu einer Überweisung mit Wirkung nur für die Zukunft für das Unternehmen der Klägerin formell zuständig.

b) Die Zuständigkeit der Beigeladenen war nicht von Anfang an unrichtig.

Für die auf die Klägerin übertragenen Unternehmensteile der AG waren vor der Ausgliederung sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene als UV-Träger zuständig. Solche Doppelzuständigkeiten sind aus praktischen Erwägungen unhaltbar und müssen beseitigt werden (vgl Ricke in Kasseler Komm, § 136 SGB VII RdNr 7; vgl Bieback in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 2, § 54 RdNr 108), denn für ein (Gesamt-)Unternehmen soll nur ein UV-Träger zuständig sein (§ 664 Abs 1 RVO). Bei der Ausgliederung eines Unternehmens, die eine Doppelzuständigkeit nach sich ziehen könnte, muss das Prinzip der Katasterstetigkeit zurücktreten, um die sachliche Zuständigkeit für das Unternehmen einheitlich zu bestimmen. Die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin war deshalb wie bei einer Neugründung - nach Art und Gegenstand der ausgeübten Tätigkeit - zu bestimmen (vgl - HVBG-Info 1998, 2757).

Nach Art und Gegenstand der unternehmerischen Betätigung wäre das Unternehmen der Klägerin im Spätjahr 1996 allerdings der Beklagten zuzuordnen gewesen, da das LSG bindend festgestellt hat, dass die Klägerin einen Großhandel mit chemischen Produkten betrieben hat. Anstelle der Beklagten ist aber die Beigeladene für die Klägerin zuständig geworden, weil diese und ihre Muttergesellschaft - die AG - ein Gesamtunternehmen bildeten. Denn für Gesamtunternehmen, die verschiedenartige Bestandteile umfassen, bestimmt sich (vorbehaltlich abweichender Spezialregelungen) die Zuständigkeit des Trägers nach derjenigen des Hauptunternehmens (§ 647 Abs 1 RVO; jetzt § 131 Abs 1 SGB VII).

Von einem Gesamtunternehmen von Klägerin und AG iS des § 647 Abs 1 RVO ist auszugehen, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen ein wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht, die Betriebsteile einer einheitlichen Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt desselben Unternehmers unterliegen (vgl - BSGE 97, 279 ff = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, jeweils RdNr 19). Die sogenannte Unternehmeridentität ist hingegen keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Gesamtunternehmens.

Zwar will die überwiegende Meinung in der Literatur ein Gesamtunternehmen nur annehmen, wenn neben dem betrieblichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den fraglichen Unternehmensteilen auch "Unternehmeridentität" bestehe (vgl Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 131 SGB VII RdNr 3.4, Ricke in: Kasseler Komm, § 131 SGB VII RdNr 4, 5; Graeff in Hauck/Noftz, SGB VII, § 131 RdNr 5; Quabach, BG 2006, 469 ff; Axer, SGb 2007, 614, 615; Bigge, jurisPR-SozR 15/2007 Anm 5; aA jedoch Platz/Geiberger, BB 1990, 1621, 1624; Bieback in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, 1996 § 54 RdNr 77). Demgegenüber hat der Senat unter Verzicht auf das Merkmal der Unternehmeridentität die Voraussetzungen wie folgt bezeichnet (zB - BSGE 97. 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2 je RdNr 16): "Soweit nicht mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen vorliegen, bilden die verschiedenen Betriebe, Verwaltungen und Einrichtungen ein einheitliches Gesamtunternehmen, das als Ganzes der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers unterfällt, dem das Hauptunternehmen angehört. Von einem einheitlichen Unternehmen ist auszugehen, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen ein wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht und die Betriebsteile einer einheitlichen Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt desselben Unternehmers unterliegen. ..." Auch in früheren Entscheidungen hat der Senat die Frage nach dem Erfordernis einer "Unternehmeridentität" nicht bejaht, sondern offen gelassen (vgl - BSGE 39, 112, 117 = SozR 2200 § 646 Nr 1 S 6; - BSGE 49, 283, 285 = SozR 2200 § 667 Nr 3 S 3; - BSGE 68, 205, 208 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 4 mwN).

Die rechtliche Identität in der Person des Unternehmers ist nicht Voraussetzung für die Bejahung eines Gesamtunternehmens iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO (jetzt auch § 131 Abs 1 SGB VII). Für das Erfordernis von "Unternehmeridentität" spricht die Praktikabilität, denn die Entscheidung über die Zuständigkeit ließe sich rechtssicher treffen, weil sich über das Handelsregister schnell und einfach klären lässt, wer Unternehmer ist (vgl Boller, Die Zuständigkeiten gewerblicher Berufsgenossenschaften, 2006, S 108). Gegen die Auslegung des Begriffs Gesamtunternehmen anhand dieses Merkmals ist aber - an erster Stelle - der Wortlaut des § 647 Abs 1 RVO (jetzt auch §§ 121 f SGB VII) anzuführen, der auf das Unternehmen abstellt und die Bestimmung dieses Begriffs gerade nicht an die Person des Unternehmers knüpft. Bei diversifizierten Strukturen größerer Unternehmen könnte das Erfordernis der "Unternehmeridentität" mit dem Unfallversicherungsrecht unvereinbare Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, da Unternehmen durch Aufspaltung und/oder Wechsel des Rechtsträgers, zB gesellschaftsrechtlichen Formwechsel, eine Änderung des zuständigen Trägers herbeiführen könnten (vgl Boller, aaO, S 108). Auch die Auslegung der Regelungen über die Zuständigkeit anhand des Normzwecks führt dazu, dass nicht nur räumlich und organisatorisch getrennte Unternehmensteile (zB auswärtige Betriebsstätten), sondern auch Hilfs- und Nebenunternehmen, die für sich betrachtet der Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers unterfallen würden, einer einheitlichen Zuständigkeit unterliegen sollen. § 647 Abs 1 RVO, § 131 SGB VII folgen dem Grundgedanken, dass auch heterogen gestalteten (Gesamt-)Unternehmen nur ein Unfallversicherungsträger gegenüberstehen soll. Damit soll eine Aufspaltung der Zuständigkeit mit nachteiligen Folgen für die Ziele der Unfallversicherung vermieden (§ 1 SGB VII) und die Gleichbehandlung der in einem solchen Unternehmen versicherten Personen gewährleistet werden (vgl Krasney in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 2006, § 131 SGB VII RdNr 8; aA Ricke, aaO RdNr 5).

Die Klägerin und die AG bildeten anfänglich ein Gesamtunternehmen, denn die fehlende rechtliche Unternehmeridentität ist hierfür nicht Voraussetzung und die weiteren durch die Rechtsprechung konkretisierten Voraussetzungen (vgl - BSGE 97, 279 ff = SozR 4-2700 § 136 Nr 2 jeweils RdNr 19) haben vorgelegen. Die AG ist als Hauptunternehmen anzusehen, dem das Unternehmen der Klägerin zuzuordnen ist. Die Klägerin ist 100%iges Tochterunternehmen der AG, für das eine "einheitliche Leitung" durch das herrschende Mutterunternehmen besteht. Es lag der erforderliche enge wirtschaftliche, räumliche und betriebliche Zusammenhang vor, wie der wiederholte Austausch von Personal zeigt. Auch ein einheitlicher Unternehmenszweck war gegeben, denn die AG war auf die Klägerin angewiesen, um ihre Produkte auf dem Markt zu vertreiben. Die Klägerin sollte die AG dabei unterstützen, ihre unternehmerischen Ziele zu realisieren. In einer solchen Situation ist ein Gesamtunternehmen sogar dann anzunehmen, wenn die Klägerin ein Nebenunternehmen betriebe, das auch eigene Zwecke verfolgt (vgl jetzt § 131 Abs 2 Satz 3 SGB VII).

Da die Klägerin mit der AG ein Gesamtunternehmen bildete, war dieses Unternehmen insgesamt dem für die AG zuständigen Unfallversicherungsträger zuzuordnen (§ 647 Abs 1 Satz 1 RVO, § 131 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Die Beigeladene ist von Anfang an für die Klägerin sachlich zuständig gewesen. Die Zuständigkeit der Beigeladenen hat somit erst recht dem objektiven Zuständigkeitsrecht nicht eindeutig widersprochen und auch nicht zu schweren Unzuträglichkeiten geführt (§ 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Voraussetzungen für einen Überweisungsanspruch nach § 136 Abs 1 Satz 4 Alt 1 SGB VII sind also nicht erfüllt.

c) Die Beklagte kann die Überweisung der Klägerin auch nicht beanspruchen, weil (nachträglich) eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 136 Abs 1 Satz 4 Alt 2 SGB VII) eingetreten wäre.

Nach § 136 Abs 1 Satz 4 Alt 2 SGB VII entsteht ein Überweisungsanspruch auch dann, wenn eine nachträgliche wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Sie liegt vor, wenn ein Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist (§ 136 Abs 2 Satz 2 SGB VII; § 48 Abs 1 SGB X).

Zwar haben sich in der Zeit nach Ausgliederung der Klägerin im Spätjahr 1996 über mehrere Jahre hin die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen der Klägerin geändert. Die Klägerin hat ihr Unternehmen in K konzentriert und die Vertriebsbüros an anderen Standorten geschlossen. Spätestens im Jahre 2001 ist das Unternehmen am Standort K konzentriert gewesen. Mit diesen Strukturänderungen ist allerdings keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmens eingetreten (vgl - BSGE 94, 258 = SozR 4-2700 § 136 Nr 1, jeweils RdNr 15). Seit Anfang 1997 hat sich die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin aber nicht so verändert, dass sie sich zu einem eigenständigen Hauptunternehmen mit dem Schwerpunkt Handel und Lagerei - auch mit Produkten Dritter - entwickelt und aus dem Unternehmensverbund mit der AG gelöst hätte. Entsprechende Änderungen des Unternehmenszwecks sind vom LSG nicht festgestellt worden.

Da die Beklagte keinen Anspruch auf Überweisung gegen die Beigeladene hat, ist ihre Revision zurückzuweisen. Der Aufnahmebescheid der Beklagten gegen die Klägerin ist rechtswidrig und nichtig. Da über die Zuständigkeit für die Klägerin einheitlich zu entscheiden ist (vgl oben 2.), ist das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es die auch gegen nichtige Verwaltungsakte statthafte und begründete Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum geltenden Fassung, die im vorliegenden Fall noch anzuwenden war, weil die Klage vor dem SG vor dem rechtshängig geworden ist (vgl - SozR 3-2500 § 116 Nr 24). Da das Klageverfahren gerichtsgebührenfrei ist (§ 183 SGG aF) und über die Kosten nur einheitlich entschieden werden darf (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 100 RdNr 7), sind auch für das Widerklageverfahren keine Gerichtsgebühren zu erheben. Die unterlegene Beklagte hat der Klägerin allerdings die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Fundstelle(n):
CAAAD-25849