BFH Urteil v. - III R 2/06

Nutzung eines LKW-Parkplatzes als Betriebsstätte

Leitsatz

Ein Fuhrunternehmer, der aufgrund eines auf entgeltlicher Überlassung beruhenden Nutzungsrechts seinen Lastkraftwagen auf einem beliebigen freien Platz eines Parkplatzgeländes abstellen kann, hat auf dem Gelände eine Betriebsstätte im Sinne des § 2 InvZulG 1996.

Gesetze: AO § 12, InvZulG § 2 Satz 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der nach dem Streitjahr 1996 verstorbene Ehemann und Rechtsvorgänger der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ein Fuhrunternehmen in A. Er schaffte im Streitjahr einen Sattelschlepper zum Preis von 150 600 DM an, der im Fördergebiet zur Erledigung von Aufträgen eingesetzt wurde, die die W-GmbH akquiriert hatte. Der Fahrer des Sattelschleppers war Angestellter des Fuhrunternehmens und wohnte im Fördergebiet.

Die W-GmbH war eine 100%-ige Tochter der O-GmbH mit Sitz in A. Diese war 1974 von 29 Fuhrunternehmern gegründet worden, darunter auch dem Ehemann der Klägerin. Die W-GmbH verfügte nicht über eigene Fahrzeuge. Die O-GmbH hatte sie gegründet, um die Fahrzeuge ihrer Gesellschafter ohne eigenes Haftungsrisiko im Fördergebiet einzusetzen. Hierzu mietete die W-GmbH Büroräume und eine größere Freifläche als Parkplatz an, auf der die Fuhrunternehmer ihre Fahrzeuge abstellten. Ihnen waren keine festen Flächen zugewiesen; die Fahrer parkten jeweils auf einem freien Platz. Nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) konnten auf der Freifläche bis zu 20 LKW parken, so dass für jeden der 18 eingesetzten LKW jederzeit ein freier Stellplatz vorhanden war.

Die W-GmbH schrieb die von ihr erzielten Umsätze den jeweiligen Eigentümern der Fahrzeuge unter Abzug einer Bearbeitungsgebühr von 5 % bis 6 % des Fuhrlohns gut. Aus den Bearbeitungsgebühren beglich die W-GmbH ihre Aufwendungen, insbesondere die Büromieten und Gehälter. Die Fuhrunternehmer —u.a. der Ehemann der Klägerin— trugen die Aufwendungen für Fahrer und Fahrzeuge. Die Miete für die Freifläche stellte die W-GmbH den Eigentümern der Fahrzeuge entsprechend der tatsächlichen Nutzung quartalsweise anteilig in Rechnung. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der W-GmbH und den Fuhrunternehmern über ein Nutzungsrecht an den Parkflächen bestand nicht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) bewilligte für den Sattelschlepper im Jahre 1997 unter Vorbehalt der Nachprüfung zunächst eine Investitionszulage in Höhe von 7 530 DM. Im November 1998 hob das FA den Bescheid auf und forderte die gezahlte Investitionszulage zurück, nachdem das FA B mitgeteilt hatte, dass der Ehemann im Fördergebiet keine Betriebsstätte unterhalten habe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG wies die Klage durch Urteil vom 2 K 319/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 287) ab. Es führte im Wesentlichen aus, eine Betriebsstätte liege nur vor, wenn einem Steuerpflichtigen bestimmte Räume oder Flächen zur ständigen Benutzung zur Verfügung stünden, über die er eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht besitze. Der Ehemann habe lediglich ein Mitnutzungsrecht ohne Zugriffsmöglichkeit auf eine bestimmte Fläche gehabt.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den Bescheid über die Aufhebung der Investitionszulage vom aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Nach § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 ist die Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben.

Der Ehemann der Klägerin hat im Fördergebiet bei der W-GmbH eine Betriebsstätte unterhalten.

a) Der investitionszulagenrechtliche Begriff der Betriebsstätte ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) zu entnehmen (, BFHE 210, 538, BStBl II 2006, 78, m.w.N., betr. Überlassung von Tankstellen durch Mineralölunternehmen an selbständige Handelsvertreter; vom III R 5/04, BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771). Danach ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.

Eine hinreichende Verfügungsmacht liegt vor, wenn der Unternehmer eine Rechtsposition inne hat, die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen oder verändert werden kann (, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462, betr. Hotelleitung durch ausländische Managementgesellschaft; vom I R 106/03, BFH/NV 2005, 154, betr. Betrieb eines Simulationssystems). Sie kann auf Eigentum sowie auf einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nutzungsüberlassung beruhen (BFH-Urteil in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Die bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes oder einer Grundstücksfläche im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit begründen dagegen nicht die für eine Betriebsstätte vorauszusetzende „Verwurzelung” (, BFHE 158, 499, BStBl II 1990, 166, betr. Besprechungsstunden eines Unternehmensberaters; vom I R 113/87, BFHE 161, 358, BStBl II 1990, 983, betr. Schweiß- und Montagearbeiten an Waggons; vom I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, betr. Reinigungsarbeiten an Militärflugzeugen). Eine lediglich „allgemeine rechtliche Absicherung” oder eine ständige Nutzungsbefugnis tatsächlicher Art können aber ausreichen, wenn die Verfügungsmacht nicht bestritten wird (BFH-Urteile in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; vom III R 8/00, BFHE 198, 325, BStBl II 2002, 512; , BFH/NV 1999, 665).

c) Eine für die Annahme einer Betriebsstätte hinreichende Nutzungsbefugnis braucht sich nicht auf einen bestimmten Raum oder eine bestimmte Fläche zu beziehen, sondern kann auch vorliegen, wenn der Unternehmer jeweils irgendeinen geeigneten Raum des Gebäudes oder die wechselnde Teilfläche eines Grundstücks ständig nutzen darf (BFH-Urteil in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Eine Befugnis des Grundeigentümers, dem Unternehmer einen anderen Raum oder eine andere Teilfläche zuzuweisen, steht der Annahme einer Betriebsstätte nicht entgegen (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 154).

2. Nach diesen Maßstäben und auf der Grundlage der vom FG getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Ehemann auf dem Gelände der W-GmbH eine eigene Betriebsstätte unterhalten. Der Sattelschlepper war auch dieser Betriebsstätte zuzuordnen, da er dort mit dem von ihm angestellten Fahrer dauerhaft stationiert war und von dort aus eingesetzt wurde.

a) Der Ehemann hatte hinsichtlich der Parkfläche ein Nutzungsrecht, das auf einer entgeltlichen Überlassung beruhte; er zahlte die Umlage überwiegend in der Mitte des jeweiligen Quartals und damit teilweise im Voraus. Im Übrigen war die W-GmbH zum Einsatz der Fahrzeuge des Ehemannes und der anderen Gesellschafter ihrer Muttergesellschaft gegründet worden; ihr Geschäftsmodell beruhte somit darauf, dass die an ihr mittelbar beteiligten Fuhrunternehmer auf dem von ihr angemieteten Gelände Fahrzeuge und Fahrer für sie bereitstellten. Die Nutzung war daher auch ohne förmlichen Mietvertrag nicht jederzeit entziehbar. Darauf, dass sich das Nutzungsrecht nicht auf eine bestimmte Teilfläche bezog, kommt es entgegen der Ansicht des FG nicht an.

b) Da der Sattelschlepper nur im Fördergebiet zur Erfüllung von Aufträgen eingesetzt wurde, die die dort ansässige W-GmbH akquiriert hatte, ist er der dortigen Betriebsstätte eindeutig räumlich zuzuordnen. Daher ist unerheblich, ob —wie der Zeuge bekundet hatte— der Ehemann der Klägerin wichtige Entscheidungen über die Verwendung des Sattelschleppers selbst von A aus getroffen hat (z.B. die Genehmigung von Aufträgen zu niedrigen Frachtraten). Denn auf die Betriebsstätte der Geschäftsleitung würde es nur ankommen, wenn die räumliche Zuordnung des Wirtschaftsgutes zweifelhaft wäre (vgl. Senatsurteil vom III R 9/96, BFHE 192, 363, BStBl II 2000, 592; Senatsbeschluss vom III B 37/07, BFH/NV 2008, 1533).

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es liegt zwar nahe, dass der Sattelschlepper drei Jahre im Anlagevermögen der Betriebsstätte in C verblieben ist (§ 2 InvZulG 1996), das FG hat dies jedoch nicht festgestellt. Die Sache ist daher zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1457 Nr. 9
GmbHR 2009 S. 1005 Nr. 18
ZAAAD-25192