BFH Beschluss v. - VII B 113/08

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls

Gesetze: StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da sich der Kläger in Anbetracht der Höhe seiner Steuerschulden, die in der Vergangenheit kontinuierlich angestiegen seien, und erfolglos gebliebener Vollstreckungsversuche seitens der Finanzbehörde in Vermögensverfall befinde. Es habe sich auch nicht feststellen lassen, dass eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Klägers ausgeschlossen sei. Insbesondere sei insoweit zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er sich in eigenen steuerlichen Angelegenheiten als unzuverlässig erwiesen habe, indem er seiner Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer nicht nachgekommen sei und Steuererklärungen nicht fristgerecht eingereicht habe, weshalb es sogar zu einem Strafverfahren gegen den Kläger wegen versuchter Steuerhinterziehung gekommen sei.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er im Wesentlichen auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund ungeachtet der Mängel bei seiner gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen schlüssigen Darlegung jedenfalls nicht vorliegt.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, liegt ein Vermögensverfall des Steuerberaters vor, wenn er sich in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (Senatsurteil vom VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 741). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, obliegt der Beantwortung durch den Tatrichter.

Im Streitfall hat das FG diese Voraussetzungen ohne Verfahrensfehler bejaht. Es ist dabei von Steuerschulden des Klägers in Höhe von —im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung— rund . € ausgegangen, die sich in der Vergangenheit trotz massiver Beitreibungsversuche kontinuierlich erhöht hätten, so dass dem Kläger weiterhin Vollstreckungsmaßnahmen drohten. Soweit die Beschwerde rügt, die Feststellung des FG, dass die Rückstände aus dem Jahr 1991 aus bestandskräftig gewordenen Steuerbescheiden nach finanzgerichtlichem Verfahren resultierten, verstoße gegen den klaren Akteninhalt, fehlt es bereits an der konkreten Bezeichnung derjenigen Teile der Akte, welche dieser finanzgerichtlichen Feststellung widersprechen. Insofern genügt auch nicht der Hinweis der Beschwerde auf finanzamtliche Schreiben, wonach für bestimmte Steuerfestsetzungen Änderungen in Betracht kämen, da die ggf. eingetretene Bestandskraft eines Steuerbescheids seiner späteren Änderung nicht entgegensteht. Im Übrigen kam es nach der —insoweit maßgeblichen— Rechtsauffassung des FG für die Annahme des Vermögensverfalls nicht auf die Bestandskraft der Steuerbescheide an. Vielmehr hat das FG seiner Prüfung die wirksam gegen den Kläger festgesetzten Steuerbeträge zugrunde gelegt, zumal —so das FG— der Kläger die Aussetzung der Vollziehung nicht beantragt und seine eingelegten Rechtsbehelfe überwiegend unzureichend begründet habe, denn allein das Einlegen verschiedener Rechtsbehelfe und die gestellten Änderungsanträge ließen die finanziellen Belastungen des Klägers nicht entfallen oder auch nur als in großem Umfang nicht gewichtig erscheinen. Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. In Anbetracht der wirksam festgesetzten, jedoch überwiegend nicht beitreibbaren Steuerbeträge oblag es dem Kläger nachzuweisen, dass die Steuerschulden nicht bzw. nicht in dieser Höhe bestehen. Allein aufgrund der auf ein finanzamtliches Schreiben gestützten Annahme des Klägers, dass die festgesetzten Steuern „erheblichen Minderungen ausgesetzt” sein könnten, war das FG nicht gehindert, vom Vermögensverfall des Klägers auszugehen.

Auch soweit das FG mangels substantiierten Vorbringens des Klägers vom Eintritt der Zahlungsverjährung nicht ausgegangen ist, sind die diesbezüglich gerügten Verfahrensmängel weder schlüssig dargelegt noch ersichtlich. Das FG war rechtlich nicht verpflichtet, aufgrund lediglich eines finanzamtlichen Schreibens, wonach seit Juni 2002 keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr ergriffen worden seien, den Eintritt der Zahlungsverjährung anzunehmen, zumal nicht lediglich Vollstreckungsmaßnahmen, sondern (u.a.) auch Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen die Verjährung unterbrechen können und den Akten zu entnehmen ist, dass die Finanzämter in der Vergangenheit versucht hatten, den Aufenthaltsort bzw. die zutreffende Geschäftsanschrift des Klägers zu ermitteln. Es wäre in Anbetracht dieser nicht eindeutigen Lage Sache des Klägers gewesen, den Eintritt der Zahlungsverjährung gegenüber dem betreffenden Finanzamt durch einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids geltend zu machen. Es kann dagegen nicht die Aufgabe des Gerichts im berufsrechtlichen Verfahren sein, bei nicht beglichenen Steuerforderungen den Eintritt der Zahlungsverjährung zu prüfen, soweit dieser nicht offensichtlich ist bzw. von der Finanzbehörde nicht eingeräumt wird.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, dass das FG bezüglich der tatsächlichen Höhe der Steuerschulden des Klägers Beweisanträge übergangen habe, fehlt es an dem zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels erforderlichen Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Kläger Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr hat der Klägervertreter nach der Abgabe des Sachberichts und der Erörterung der Sach- und Rechtslage rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt.

Soweit die Beschwerde bemängelt, dass das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung aus rückständigen Kammerbeiträgen auf gravierende wirtschaftliche Probleme des Klägers geschlossen habe, und darauf verweist, dass der Kläger die Rückstände ausgeglichen und darüber hinaus die berufsgerichtliche Geldbuße bezahlt habe, setzt sie der Würdigung des FG lediglich ihre eigene Würdigung entgegen. Verfahrensmängel ergeben sich aus diesem Vorbringen nicht.

Anders als die Beschwerde meint, war das FG auch nicht wegen einer im Wege eines zivilgerichtlichen Verfahrens erst noch durchzusetzenden Forderung des Klägers gegen Dritte gehindert, den Eintritt des Vermögensverfalls anzunehmen. Wenn die Beschwerde insoweit weitere Einzelheiten vorträgt, aus denen sich ihrer Ansicht nach ergibt, dass es sich bei dieser Forderung um eine überwiegend gesicherte Vermögensposition handelt, wäre es Sache des Klägers gewesen, diese Gesichtspunkte dem FG vorzutragen. Eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises (§ 76 Abs. 2 FGO) bedurfte es insoweit nicht, da der Kläger durch einen Rechtsanwalt sachkundig vertreten war.

Ebenso wenig war das FG gehalten, die angebliche Zusage der Mutter des Klägers, dessen Steuerverbindlichkeiten zu begleichen, zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der erheblichen, sich kontinuierlich erhöhenden Steuerschulden des Klägers und der fruchtlosen Vollstreckungsversuche seitens der Finanzbehörden reicht es nicht, dass es der Kläger —wie die Beschwerde vorträgt— tatsächlich „in der Hand hatte und in der Hand hat, seine Steuerschulden zu erfüllen”, wenn er dies unter Inanspruchnahme der ihm angebotenen Zuwendung schließlich nicht tut. Deshalb stellt es sich nicht als verfahrensfehlerhaft dar, dass das FG allein auf die Vermögensverhältnisse des Klägers, wie sie sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darstellten, abgestellt und trotz der dem Kläger angebotenen finanziellen Zuwendung das Vorliegen des Vermögensverfalls bejaht hat.

Das FG hat ausführlich begründet, weshalb es aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Saldobestätigung der Sparkasse nicht geschlossen hat, dass die Mutter des Klägers diesem den erforderlichen Geldbetrag nunmehr zur freien Verfügung gestellt hat. Verfahrensmängel ergeben sich insoweit nicht. Entsprechende Beweisanträge sind in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden. Da es nach den Feststellungen des FG auch an substantiiertem Vortrag zu den schuldrechtlichen Hintergründen dieses Saldos (evtl. Vereinbarungen mit der Mutter, Konditionen der Überlassung und Verwendung etc.) fehlte, mussten sich dem FG weitere Sachverhaltsermittlungen auch nicht aufdrängen.

Auch soweit das FG den sog. Entlastungsbeweis als nicht erbracht angesehen hat, sind dem FG unterlaufene Verfahrensfehler weder dargelegt noch ersichtlich. Die Beantwortung der Frage, ob der Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom VII R 64/06, BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401, m.w.N.). Anders als die Beschwerde meint, musste daher das FG aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen des Klägers mit der Rechtsanwaltssozietät nicht den Schluss ziehen, dass eine wegen des Vermögensverfalls des Klägers bestehende Gefährdung der Interessen der Auftraggeber ausgeschlossen sei. Die Beschwerde setzt insoweit der vom FG vorgenommenen Gesamtwürdigung lediglich ihre eigene Würdigung entgegen, ohne einen Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Weshalb es dem Kläger —wie die Beschwerde vorträgt— nicht möglich war, in der mündlichen Verhandlung zu den gerichtlichen Verfahren Stellung zu nehmen, in denen er nach den Feststellungen des FG im Rahmen seiner Tätigkeit für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft steuerberatend tätig geworden ist, erschließt sich nicht. Jedenfalls kann sich der Kläger insoweit nicht darauf berufen, dass ihm rechtliches Gehör versagt worden sei, weil er in der mündlichen Verhandlung keine weitere Äußerungsfrist beantragt hat. Soweit die Beschwerde Ausführungen dazu macht, was der Kläger im Fall einer ihm insoweit gewährten Äußerungsfrist noch vorgetragen hätte, ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass dieses Vorbringen der vom FG getroffenen Feststellung entgegensteht, wonach der Kläger in den genannten finanzgerichtlichen Verfahren bestimmende Schriftsätze an das Gericht gesandt hat.

Darüber hinaus verkennt die Beschwerde, dass das FG bei seiner Entscheidung, dass der Entlastungsbeweis nicht erbracht sei, vornehmlich darauf abgestellt hat, dass sich der Kläger in der Vergangenheit in eigenen steuerlichen Angelegenheiten als unzulässig erwiesen hat, indem er Umsatzsteuer nicht abführte und Steuererklärungen nicht fristgerecht abgab, weswegen sogar ein strafrechtliches Verfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung gegen ihn eingeleitet wurde. Diese Erwägungen des FG stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats, wonach eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält, denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass er unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist (Senatsurteil in BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401, m.w.N.). Wenn die Beschwerde demgegenüber darauf verweist, es sei zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er die nicht abgeführte Umsatzsteuer nicht vereinnahmt habe und dass es in dem Strafverfahren nicht zu einer Hauptverhandlung und Beweisaufnahme gekommen, sondern das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden sei, so wertet sie die Tatsachen anders, als es das FG getan hat, zeigt jedoch keinen Verfahrensmangel auf.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1282 Nr. 8
MAAAD-23760