Ablehnung eines auf krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit gestützten Antrags auf Terminverlegung; Anspruch auf rechtliches Gehör
Gesetze: FGO § 96 Abs. 1, FGO § 116 Abs. 6, GG Art. 3 Abs. 1, ZPO § 227, FGO § 96 Abs. 2, GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Verlegung des auf den anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt unter Beifügung ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 10. September bis einschließlich sowie des Befundes einer am durchgeführten Kernspintomographie. Dazu hat sie ergänzend ausgeführt, sie leide unter sehr starken Schmerzen in der rechten Schulter und im rechten Oberarm. Mit starken Medikamenten könne sie sich eingeschränkt bewegen, aber nicht mehr richtig denken. Sie werde voraussichtlich auch in den nächsten zwei Monaten ausfallen, da ihr noch zwei Operationen bevorstünden. Ein weiteres, ausführliches Attest könne sie nicht beibringen, da ihr Orthopäde bis Ende nächster Woche in Urlaub sei.
Das Finanzgericht (FG) hat in Abwesenheit der Klägerin mündlich verhandelt und die Klage durch Urteil abgewiesen. Im Urteil hat es zur Ablehnung des Vertagungsantrags ausgeführt, das Schreiben der Klägerin vom enthalte keine so genaue Schilderung der Erkrankung, dass sich daraus ihre Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit ergebe. Die Klägerin hätte mit dem Zug anreisen können. Für die vorgetragene Verhandlungsunfähigkeit aufgrund der Einnahme von Medikamenten lägen dem Gericht keine Erkenntnismöglichkeiten vor. Auch die Ergebnisse der Kernspintomographie seien nicht aussagekräftig.
Gleichwohl hat das FG am folgendes Schreiben an die Steuerberaterkammer . gerichtet:
„Nachdem das Gericht mehrfach versucht hat, in der o.g. Sache, in der Frau A selbst als Klägerin auftritt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, hat sich herausgestellt, dass Frau A wohl so ernsthaft erkrankt ist, dass ihr Reisen von ihrem Wohnsitz bei . zu ihrem Kanzleisitz in . seit geraumer Zeit nicht mehr möglich sind. Dazu verweise ich auf die beigefügten Anlagen. Es wird gebeten zu prüfen, ob eine derart langfristige Abwesenheit von der Kanzlei in . mit den Berufspflichten eines Steuerberaters vereinbar ist.”
II. Die von der Klägerin gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor. Das FG hat den Antrag der Klägerin auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und dadurch den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler.
1. Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das Gericht „aus erheblichen Gründen” auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen. Liegen erhebliche Gründe für eine Terminsänderung vor, so verdichtet sich die in dieser Vorschrift grundsätzlich eingeräumte Ermessensfreiheit des Gerichts zu einer Rechtspflicht. Der Termin (hier) zur mündlichen Verhandlung muss dann zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Verlegung verzögert würde (z.B. , BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, 682; Beermann in Beermann/Gosch, FGO, § 119 Rz 48.3, Stichwort Vertagung, m.w.N.). Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen (vgl. , BFH/NV 2007, 1672).
2. Über das Vorliegen eines erheblichen Vertagungsgrundes entscheidet das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Hat das Gericht eine bestimmte Überzeugung gewonnen, muss es dieser auch folgen und darf sich nicht zu seiner eigenen Überzeugung in Widerspruch setzen.
3. Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt sich die Entscheidung des FG, den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zu verlegen, im Streitfall als objektiv willkürlich dar. Denn das FG ist offenbar selbst davon ausgegangen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung reiseunfähig war. Das ergibt sich eindeutig aus dem Schreiben des Einzelrichters vom an die Steuerberaterkammer in…Dann hätte das Gericht aber, um sich nicht offen zu seinen eigenen Annahmen in Widerspruch zu setzen, dem Vertagungsantrag der Klägerin stattgeben müssen.
4. Der beschließende Senat erachtet es als angemessen, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).
Fundstelle(n):
KAAAD-22754