BGH Urteil v. - I ZR 61/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Warschauer Abk Art. 18 Abs. 1; Warschauer Abk Art. 25; VVG § 67 Abs. 1; ZPO § 286

Instanzenzug: OLG Karlsruhe, 15 U 45/05 vom LG Karlsruhe, 15 O 143/02 KfH IV vom

Tatbestand

Die Klägerin ist Transportversicherer der B. GmbH in Pforzheim (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie macht gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen des Verlusts von Transportgut Schadensersatz geltend.

Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte am zu festen Kosten mit dem Transport eines Pakets, das Schmuckwaren enthielt, per Luftfracht von Deutschland nach Tokio/Japan. Das Paket ging auf dem Transport verloren. Auf welchem Transportabschnitt die Sendung in Verlust geriet, konnte nicht geklärt werden. Die Klägerin hat den Schaden der Versicherungsnehmerin durch Zahlung von 8.666,83 EUR reguliert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den Verlust des Pakets unbeschränkt, weil ihr ein qualifiziertes Verschulden zur Last falle. Die Transportorganisation der Beklagten sei mangelhaft, insbesondere gebe es zwischen den einzelnen Transportabschnitten keine verlässlichen Ausgangskontrollen.

Die Klägerin hat die Beklagte deshalb auf Zahlung von 8.666,83 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, sie unterhalte ein vollständiges System von Schnittstellenkontrollen. Aufgrund dessen stehe für den Transport des am übernommenen Pakets fest, dass die Sendung im Umschlaglager am Flughafen Frankfurt/Main in der Zeit zwischen dem , 23.08 Uhr und dem , 17.30 Uhr abhandengekommen sei. Für einen Diebstahl des Pakets durch ihre Mitarbeiter gebe es keine Anhaltspunkte.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der beanspruchten Zinsen erfolglos geblieben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust des Pakets bejaht. Dazu hat es ausgeführt:

Die auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte richteten sich gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht, da das Vertragsverhältnis zu Deutschland die engsten Verbindungen aufweise. Die Beklagte hafte für den Verlust des Pakets gemäß § 459 Satz 1 HGB als Frachtführerin, da die Vertragspartner eine Beförderung zu festen Kosten vereinbart hätten.

Auf der Grundlage des Sachvortrags der Klägerin hafte die Beklagte für den Verlust des Pakets gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB unbeschränkt, weil es danach in der Transportorganisation der Beklagten keine wirksamen Schnittstellenkontrollen gebe. Da nicht bekannt sei, auf welcher Teilstrecke das Paket abhandengekommen sei, kämen auf den Multimodaltransport gemäß § 452a Satz 1, § 452 Satz 1 HGB die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs auch dann zur Anwendung, wenn der Verlust möglicherweise bei der Luftbeförderung eingetreten sei.

Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten folge die unbeschränkte Haftung aus Art. 18 Abs. 1, Art. 25 WA 1955. Die Beklagte habe vorgetragen, dass das Paket aus ihrem Umschlaglager in Frankfurt/Main abhandengekommen sei. Dieses gehöre zu einem Flughafen und damit nach Art. 18 Abs. 2 WA 1955 zur "Luftbeförderung". Sofern der Sachvortrag der Beklagten zu ihren Sicherheitsmaßnahmen im Lager Frankfurt/Main zuträfe, ergebe sich daraus die zwingende Schlussfolgerung, dass das in Rede stehende Paket entwendet worden sein müsse, wobei einer der "Leute" der Beklagten als Täter gehandelt haben müsse oder zumindest als Gehilfe an der Tat mitgewirkt habe.

II.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision sind unbegründet. Das Berufungsgericht ist mit Recht von einer unbeschränkten Haftung der Beklagten für den Verlust des Pakets ausgegangen. Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten, das sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat, folgt die unbegrenzte Haftung der Beklagten aus Art. 18 Abs. 1, Art. 25 WA 1955 i.V. mit § 67 Abs. 1 VVG a.F.

1.

Die Klägerin hat ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils in der Berufungsinstanz geltend gemacht, an der vollen Haftung der Beklagten ändere sich auch dann nichts, wenn von einem Verlust des Pakets im Umschlaglager der Beklagten in Frankfurt/Main auszugehen sei. Bei einem Verlust im Umschlaglager komme nur ein Diebstahl durch Mitarbeiter oder Subunternehmer in Betracht, für welche die Beklagte einzustehen habe. Das Berufungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, die Klägerin habe sich damit jedenfalls hilfsweise den Sachvortrag der Beklagten zu eigen gemacht, nach dem das fragliche Paket im Umschlaglager der Beklagten in Frankfurt/Main unter den von der Beklagten dargelegten Umständen abhandengekommen ist. Demgemäß durfte es das entsprechende Vorbringen der Beklagten zu dem Verlust des Paketes in ihrem Umschlaglager als Hilfsvorbringen der Klägerin - und damit als unstreitiges Parteivorbringen - seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. BGHZ 19, 387, 389 ff. ; MünchKomm.ZPO/Wagner, 3. Aufl., § 138 Rdn. 12 m.w.N.). Die Revisionsbegründung der Beklagten legt nicht dar, dass die Verwertung des Beklagtenvorbringens als Hilfsvorbringen der Klägerin auf Verfahrensfehlern beruht ( § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO).

2.

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten wurde entsprechend dem Luftfrachtbrief vom ein Vertrag über eine internationale Luftbeförderung i.S. des Art. 1 Abs. 1 WA 1955 von Deutschland nach Tokio/Japan geschlossen. Die Beklagte wurde zu festen Kosten mit der Beförderung des Pakets beauftragt und unterliegt damit der Frachtführerhaftung (vgl. , TranspR 2008, 323 Tz. 24 zu Art. 1 Abs. 1 CMR). Gemäß Art. 18 Abs. 1 WA 1955 hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Verlust des Transportgutes entstanden ist, wenn das Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde, während der Luftbeförderung eingetreten ist. Der Verlust des Pakets "während der Luftbeförderung" ergibt sich nach dem eigenen Vortrag der Beklagten daraus, dass es in deren Umschlaglager in Frankfurt/Main abhandengekommen ist. Dieses Umschlaglager gehört zu einem Flughafen und damit gemäß Art. 18 Abs. 2 WA 1955 zur "Luftbeförderung" im Sinne der Vorschriften des Warschauer Abkommens.

3.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der durch den Verlust des Pakets entstandene Schaden 8.666,83 EUR beträgt. Es ist davon ausgegangen, dass sich der Inhalt des verlorengegangenen Pakets im Wege des Anscheinsbeweises aus der von der Klägerin vorgelegten Rechnung der Versicherungsnehmerin vom in Höhe von 8.509,73 EUR sowie hinsichtlich der außerdem in dem Paket befindlichen Reparatur-Rücksendung im Wert von 157,10 EUR aus der als Lieferschein anzusehenden "DELIVERY-NOTE" ergibt. Das ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a)

Das Berufungsgericht hat dem Umstand, dass die Klägerin hinsichtlich der Warensendung über 8.509,73 EUR keinen mit der Rechnung korrespondierenden Lieferschein vorgelegt hat, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen. Die dem Paket beigefügte Rechnung der Versicherungsnehmerin habe dieselbe Funktion erfüllt wie ein Lieferschein. Die Versicherungsnehmerin habe mit der von der Absenderin ausgestellten Rechnung für die Empfängerin dokumentiert, welche Waren sie zur Versendung gebracht habe. Ein Lieferschein hätte in einem solchen Fall keinen zusätzlichen Beweiswert gehabt. Entscheidend sei, dass die Rechnung bereits zu einem Zeitpunkt erstellt worden sei, zu dem die Versicherungsnehmerin noch nicht habe wissen können, dass die Sendung später in Verlust geraten würde.

b)

Die Revision macht demgegenüber vergeblich geltend, nach der Rechtsprechung des Senats könne ein Anscheinsbeweis für den Inhalt eines Pakets nur angenommen werden, wenn die in einem von einem kaufmännischen Versender erstellten Lieferschein aufgeführten Waren mit einer korrespondierenden Rechnung übereinstimmten. Der Beweis für den Inhalt und den Wert eines verlorengegangenen Pakets unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO ( , TranspR 2007, 418 Tz. 13; Urt. v. - I ZR 44/05, TranspR 2008, 163 Tz. 34; Urt. v. - I ZR 165/04, TranspR 2008, 122 Tz. 21). Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht erforderlich, dass sowohl Lieferscheine als auch korrespondierende Rechnungen zum Nachweis des Inhalts eines Pakets vorgelegt werden. Der Tatrichter kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Inhalts auch dann bilden, wenn nur eines der beiden Dokumente vorgelegt wird und der Beklagte dagegen keine substantiierten Einwände vorbringt ( , TranspR 2007, 110 Tz. 24; BGH TranspR 2008, 163 Tz. 35).

4.

Ohne Erfolg bleiben die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich auf die Haftungsbeschränkungen gemäß Art. 22 WA 1955 nicht berufen, weil der Schaden durch eine Handlung verursacht worden sei, die "Leute" der Beklagten i.S. von Art. 25 Satz 2 WA 1955 in Ausübung ihrer Verrichtungen vorgenommen hätten.

a)

Das Berufungsgericht ist von einem weiten Verständnis des Begriffs der "Leute" in Art. 25 Satz 1 WA 1955 ausgegangen. Es hat angenommen, zu diesen gehörten neben allen eigenen Mitarbeitern der Beklagten, die Zutritt zu dem Lager in Frankfurt/Main gehabt hätten oder in anderer Weise mit dem Transportgut und der Organisation des Transports betraut gewesen seien, alle Subunternehmer und deren Mitarbeiter, die die Beklagte im Zusammenhang mit dem Umschlag der Pakete in dem Lager beauftragt habe, des weiteren die Mitarbeiter von Sicherheits- oder Reinigungsdiensten sowie die Mitarbeiter von staatlichen Zollbehörden, soweit diese zu dem Umschlaglager aus Gründen der zolltechnischen Abwicklung Zugang gehabt hätten. Dies müsse zumindest für schädigende Handlungen von Zollbediensteten im Umschlaglager gelten. Die Revision macht demgegenüber erfolglos geltend, da die Beklagte als Luftfrachtführer nur für diejenigen Personen als ihre "Leute" hafte, deren sie sich zur Ausführung der Beförderung bedient habe, komme eine Haftung für Reinigungsdienste oder Zollbedienstete allenfalls im Rahmen eines hier nicht festgestellten Organisationsverschuldens des Luftfrachtführers in Betracht.

aa)

Unter "Leuten" i.S. des Art. 25 Satz 1 WA 1955 sind alle Personen zu verstehen, deren sich der Luftfrachtführer zur Ausführung der ihm aufgetragenen Luftbeförderung arbeitsteilig bedient. Hierbei ist im Sinne einer vertragsautonomen Auslegung der internationalen Tendenz Rechnung zu tragen, den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift großzügig zu bestimmen (BGHZ 145, 170, 179 m.w.N.). In der Sache entspricht der "Leute"-Begriff weitgehend der dem deutschen Rechtskreis geläufigen Rechtsstellung des Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB ( , TranspR 1989, 275, 276 f.; BGHZ 145, 170, 179) . Es kommt darauf an, ob der Gehilfe objektiv auf Veranlassung des Schuldners eine Aufgabe übernimmt, deren Erfüllung im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt. Der "Leute"-Begriff i.S. des Art. 25 Satz 1 WA 1955 erfordert keine Weisungsabhängigkeit des eingeschalteten Gehilfen. Anderenfalls würde die Entlastungsmöglichkeit des Luftfrachtführers in einem gemäß Art. 18 Abs. 2 WA 1955 grundsätzlich noch der Luftbeförderung zuzurechnenden Bereich zum Nachteil des Geschädigten, der insoweit weder Einflussmöglichkeiten noch Einblick hat, in einer Weise eingeengt, die mit dem Zweck der strengen Obhutshaftung nicht mehr vereinbar wäre (BGHZ 145, 170, 180 ; Koller, Transportrecht aaO Art. 20 WA 1955 Rdn. 19).

Entscheidend ist vielmehr, ob der Dritte dem Luftfrachtführer gegenüber zum Schutz des Gutes und zu seiner Herausgabe verpflichtet ist. Die Erweiterung des Obhutszeitraums durch Einbeziehung der "Leute" ist dadurch gerechtfertigt, dass es der Luftfrachtführer in aller Regel in der Hand hat, das Frachtgut auch in diesem Zeitraum durch geeignete Maßnahmen vor Verlust und Beschädigung zu schützen (BGHZ 145, 170, 180) . Dafür reicht es aus, wenn dem Luftfrachtführer rechtliche Einflussmöglichkeiten hinsichtlich des Umgangs der "Leute" mit dem Transportgut zustehen und er, sofern es sich bei den "Leuten" um selbständige Unternehmen oder deren Mitarbeiter handelt, durch eine zumindest überwachende Anwesenheit auf die Behandlung des Guts auch tatsächlich Einfluss nehmen kann (vgl. BGHZ 145, 170, 182) .

Das Berufungsgericht ist demnach mit Recht davon ausgegangen, dass auch Mitarbeiter von Reinigungsunternehmen und Zollbedienstete jedenfalls während des Zeitraums ihres Aufenthalts in dem Umschlaglager der Beklagten zu deren "Leuten" i.S. von Art. 25 Satz 1 WA 1955 gehörten. Bei dem Umschlaglager handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagten um eine abgeschlossene Halle mit Zugangskontrollen, zu der nur Mitarbeiter der Beklagten mit Sicherheitsausweisen Zugang hatten. Außerdem erfolgte eine ständige Überwachung durch Sicherheitsdienste sowohl in als auch außerhalb der Halle. Fahrern fremder Unternehmen sei das Betreten der Umschlaghalle nur in Begleitung eines Mitarbeiters der Beklagten gestattet worden. Danach konnten sich, worauf das Berufungsgericht mit Recht abgestellt hat, nach dem Vorbringen der Beklagten fremde Personen, insbesondere auch Zollbedienstete und Mitarbeiter von Reinigungsunternehmen, nur in Kenntnis und in Anwesenheit von Mitarbeitern der Beklagten Zugang zu deren Umschlaglager in Frankfurt/Main und dem dort befindlichen Transportgut verschaffen. Da sich Personen, die nicht zu den Mitarbeitern der Beklagten zählten, nur mit ihrem Einverständnis in dem Umschlaglager aufhalten konnten, sie deren Anwesenheit in dem Lager ständig kontrollieren sowie rechtlich und tatsächlich darauf Einfluss nehmen konnte, ob und in welcher Weise diese Personen mit dem Transportgut in Berührung kamen, hat das Berufungsgericht diese mit Recht jedenfalls für den Zeitraum ihres Aufenthalts in dem Umschlaglager der Beklagten als deren "Leute" in Sinne von Art. 25 Satz 1 WA 1955 angesehen.

bb)

Die Annahme des Berufungsgerichts, auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten stehe fest, dass nur ein Diebstahl zum Verlust des in Rede stehenden Pakets geführt haben könne, wobei eine in dem vorgenannten Sinn zu den "Leuten" der Beklagten gehörige Person der Täter gewesen sei oder zumindest als Gehilfe an der Tat mitgewirkt habe, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Sendung ist nach dem Vortrag der Beklagten zwischen dem , 23.08 Uhr und dem , 17.30 Uhr aus dem Umschlaglager in Frankfurt/Main abhandengekommen. Zu dem Lager hatten nur Mitarbeiter der Beklagten und des Sicherheitsdienstes Zugang. Eine versehentliche Fehlverladung kommt nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht in Betracht, weil eine fehlgeleitete Sendung nach dem Vorbringen der Beklagten zu ihrer Organisation bei den weiteren Schnittstellenkontrollen in ihrem Transportsystem erfasst worden wäre; eine solche Erfassung habe es aber nicht gegeben. Die Zollbehörden hätten, so der weitere Vortrag der Beklagten, zwar die Möglichkeit, einzelne Sendungen aus dem Transportablauf herauszunehmen und zu überprüfen. Bei der streitgegenständlichen Sendung habe eine Verzollung in Frankfurt/Main und demnach eine derartige stichprobenartige Überprüfung jedoch nicht stattgefunden. Die Würdigung des Berufungsgerichts, unter diesen Umständen könne der Verlust des Transportguts unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgetragenen Organisation ihres Betriebsablaufs und der behaupteten Sicherheitsmaßnahmen (Zutritt zum Umschlaglager nur für Mitarbeiter der Beklagten, ständige Kontrolle des Zugangs, ständige Überwachung des Umschlaglagers durch Alarmanlage, Videoanlage und Sicherheitsdienst) allein auf einen Diebstahl durch "Leute" der Beklagten oder zumindest unter deren Mitwirkung zurückzuführen sein, da ein Dritter, der nicht zu den "Leuten" der Beklagten zähle, die Warensendung nicht unbemerkt hätte entwenden können, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

b)

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Diebstahl von Transportgut durch einen Mitarbeiter oder einen der "Leute" des Luftfrachtführers während der Zwischenlagerung sei als Handlung "in Ausübung der Verrichtungen" i.S. von Art. 25 Satz 2 WA 1955 anzusehen, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Bedienstete oder "Leute" des Luftfrachtführers handeln in Ausübung ihrer Verrichtung, wenn zwischen der Art und dem Zweck der übertragenen Verrichtung und der schädigenden Handlung ein innerer sachlicher Zusammenhang besteht. Die Handlung muss noch zum allgemeinen Umkreis des zugewiesenen Aufgabenbereichs gehören (vgl. - zu Art. 29 Abs. 2 CMR - , TranspR 1985, 338, 339 m.w.N.). Bei Diebstählen durch Bedienstete oder "Leute" des Frachtführers ist ein solcher innerer Zusammenhang jedenfalls dann gegeben, wenn die Vornahme der schädigenden Handlung - wie im Streitfall - durch Zuweisung des betreffenden Aufgabenbereichs ermöglicht worden ist (vgl. , TranspR 2008, 412 Tz. 32 m.w.N.).

c)

Entgegen der Auffassung der Revision führt die tatrichterliche Würdigung ( § 286 Satz 1 ZPO) der nach dem Vorbringen der Beklagten zugrunde zu legenden Umstände des Einzelfalles durch das Berufungsgericht nicht dazu, dass der Transporteur immer unbeschränkt haftet. Die Revision beanstandet, die Auffassung des Berufungsgerichts habe stets die Haftung des Transporteurs zur Folge, unabhängig davon, ob er seiner Einlassungsobliegenheit zu den von ihm vorgenommenen Schnittstellenkontrollen und Sicherheitsmaßnahmen genüge oder nicht. Trage er insoweit ausreichend vor, werde von einem qualifizierten Verschulden seiner "Leute" ausgegangen. Genüge er seiner Einlassungsobliegenheit nicht, werde aus diesem Grund auf ein qualifiziertes Verschulden geschlossen. Die Revision lässt insoweit jedoch außer Acht, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts sich auf die nach § 286 Satz 1 ZPO rechtlich unbedenkliche tatrichterliche Würdigung gerade der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles stützt, wie sie sich aus dem Vorbringen der Beklagten zu dem Zeitraum und dem Ort des Verlusts des Transportguts und insbesondere zu ihren Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich ihres Umschlaglagers in Frankfurt/Main ergeben. Daraus lässt sich nicht allgemein herleiten, ein der Einlassungsobliegenheit des Frachtführers genügendes Vorbringen zu den von ihm vorgenommenen Schnittstellenkontrollen und Sicherheitsmaßnahmen lasse stets den Schluss zu, dass auf der Grundlage dieses Vorbringens der Verlust des Transportguts dann nur auf einem qualifizierten Verschulden der "Leute" des Frachtführers beruhen könne. Die Beklagte hat insoweit zudem in den Vorinstanzen selbst geltend gemacht, ihre Sicherungsmaßnahmen insbesondere zur Verhinderung von Fehlverladungen gingen über die an einen Frachtführer gestellten Anforderungen hinaus, weil in ihrer Transportorganisation nicht nur Stichproben zum Schutz gegen etwaige Fehlverladungen stattfänden, sondern jede einzelne Sendung darauf kontrolliert werde, dass sie den vorgegebenen Sendungsverlauf tatsächlich einhalte.

III.

Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
WAAAD-22656

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein