BGH Beschluss v. - XII ZB 167/08

Leitsatz

[1] Eine Frist darf im Fristenkalender erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192).

Eine verlässliche Ausgangskontrolle setzt aber zugleich voraus, dass die Frist nach Durchführung dieser Maßnahmen sofort - und nicht etwa erst an einem der folgenden Tage - gestrichen wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 158/99 - VersR 2000, 1563 f.).

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 238 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Düsseldorf, 4 UF 171/08 vom AG Krefeld, 66 F 268/07 vom

Gründe

I.

Gegen das ihm am zugestellte Urteil des Familiengerichts, mit dem der Beklagte zur Zahlung erhöhten Kindesunterhalts an die Kläger verurteilt wurde, legte dessen Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom Berufung ein, die er am begründete.

Die Berufungsschrift ging am (Mittwoch) bei dem Berufungsgericht ein. Auf dessen Mitteilung über den verspäteten Eingang, die ihm am zuging, beantragte er mit am bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung, seine Kanzleiangestellte habe die Berufungsschrift am vor der Leerung um 18 Uhr in den Briefkasten eingeworfen, so dass der Schriftsatz bei regelmäßigem Postlauf noch am Tage des Fristablaufs (Montag, ) bei Gericht hätte eingehen müssen.

Das Berufungsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung richtet, ist sie zwar gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.

Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung entspricht nämlich der Rechtsprechung des Senats und erweist sich als richtig.

2.

Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Beklagten, die Berufungsschrift sei noch am in den Postbriefkasten eingeworfen worden, als nicht hinreichend glaubhaft gemacht angesehen.

Die Kanzleiangestellte H. habe nämlich in ihrer eidesstattlichen Versicherung lediglich angegeben, an diesem Tage die freigestempelte Ausgangspost wie üblich in einem roten Sammelumschlag mitgenommen und diese Postsendungen eingeworfen zu haben, ohne jedoch zu prüfen, um welche Briefe es sich im einzelnen gehandelt habe.

Dass sich auch die Berufungsschrift in der vorliegenden Sache bei diesen Postsendungen befunden habe und deren verspäteter Eingang daher nur auf einer Verzögerung des Postlaufs beruhen könne, sei unter diesen Umständen nur dann als hinreichend glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ausreichende organisatorische Vorkehrungen zur Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten die Gewähr dafür geboten hätten, dass auch dieser Schriftsatz sich in der roten Sammelmappe befunden habe.

Eine solche Ausgangskontrolle habe der Beklagte aber trotz entsprechender Aufforderung des Gerichts zur Ergänzung seines Vortrags nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Nach der Darstellung seines Prozessbevollmächtigten habe dieser den Fristenzettel nämlich am (Montag) abgezeichnet, nachdem er sich überzeugt habe, dass die Berufungsschrift die Kanzlei bereits am (Freitag) verlassen habe. Diese Überzeugung habe auf seinem Wissen beruht, dass der von ihm am Freitag unterzeichnete Schriftsatz sich nicht mehr im Postlauf befunden habe, zumal ein im Postraum versehentlich liegen gebliebener Sammelumschlag in roter Signalfarbe ihm bei seinem abschließenden Kontrollgang sowohl am Freitagabend als auch am Samstag hätte auffallen müssen. Nach allgemeiner Büroanweisung dürfe eine Notfrist im Fristenkalender auch erst gelöscht werden, wenn er als der für die Fristwahrung verantwortliche Anwalt sie durch Abzeichnen des Fristenzettels zur Löschung freigegeben habe. Dies dürfe erst geschehen, wenn der fristwahrende Schriftsatz die Kanzlei verlassen habe. Die Frist sei dementsprechend am gelöscht worden.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dies genüge nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle. Diese sei nur dann gewährleistet, wenn am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Kraft geprüft werde, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder - wie hier durch Einlegen in das dafür vorgesehene rote Kuvert - zumindest versandfertig gemacht worden sind, und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen. Daran fehle es hier, so dass allein die Überzeugung des Prozessbevollmächtigten, der Schriftsatz habe sich nicht mehr in der Kanzlei befunden, nicht auf dessen Absendung schließen lasse.

3.

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat nicht glaubhaft machen können, dass alle anderen denkbaren Ursachen für die Versäumung der Frist als die eines verzögerten Postlaufs ausscheiden. So kann die am Freitag unterzeichnete Berufungsschrift etwa auch versehentlich nicht in die Postmappe, sondern zunächst zu einem anderen Vorgang gelangt sein, wo sie ohne Wissen des Prozessbevollmächtigten erst am Dienstag aufgefunden und zur Post gebracht wurde.

Ein derartiges, hier nicht ausgeräumtes Versehen des Kanzleipersonals ist dem Prozessbevollmächtigten und damit nach § 85 Abs. 2 ZPO auch dem Beklagten als Verschulden zuzurechnen, weil die vorgetragene Organisation der Ausgangskontrolle nicht geeignet war, solche Fehler zu verhindern oder jedenfalls rechtzeitig aufzudecken.

Richtig ist, dass eine Frist im Fristenkalender erst gestrichen werden darf, wenn der fristwahrende Schriftsatz zumindest in einer Weise versandfertig gemacht worden ist, die sicherstellt, dass er noch am gleichen Tag zur Post oder zum Gericht gelangt. Eine wirksame Ausgangskontrolle erfordert es aber zugleich, dass sie dann auch unverzüglich gestrichen wird. Denn nur dann kann eine ungestrichen gebliebene Frist bei der allabendlich vorzunehmenden Kontrolle des Fristenkalenders ( Senatsbeschluss vom - XII ZB 155/93 - EzFamR aktuell 1994, 81 ff.) ihre Warnfunktion erfüllen, indem sie eindeutig erkennen lässt, dass zur Fristwahrung noch dringend etwas unternommen werden muss.

Hier ist die Frist auf Veranlassung des Prozessbevollmächtigten aber erst am Montag gestrichen worden, und zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einlegen des Schriftsatzes in die rote Postausgangsmappe, sondern nachträglich in der (vermeintlichen) Gewissheit, dies müsse bereits am vorausgegangenen Freitag geschehen sein. Eine solche Handhabung macht die Ausgangskontrolle in doppelter Hinsicht wirkungslos:

Zum einen wird die tatsächliche Kontrolle des Postausgangs durch eine Vermutung ersetzt, die sich auf das Vertrauen darauf gründet, dass die üblichen Arbeitsabläufe die Gewähr dafür bieten, dass auch dieser Schriftsatz in die Postausgangsmappe gelangt ist. Sinn der Postausgangskontrolle ist es aber, insbesondere auch die Vorfälle rechtzeitig zu erfassen und aufzudecken, in denen unvorhergesehene und unvorhersehbare Fehler zu einer Störung des üblichen Ablaufs geführt haben.

Zum anderen erfüllt die allabendliche Kontrolle des Fristenbuchs ihren Zweck nicht mehr, wenn eine ungestrichen gebliebene Frist keinen Aufschluss darüber gibt, ob ein fristwahrender Schriftsatz noch gefertigt werden muss, oder ob er bereits zur Post gelangt ist, ohne dass die Frist sogleich gestrichen wurde ( Senatsbeschluss vom - XII ZB 158/99 - VersR 2000, 1563 f.). Denn dann liegt es nahe, dass eine ungestrichen gebliebene Frist nicht ernst genommen wird. Es liegt nahe, dass auch hier so verfahren wurde, denn sonst wäre nicht erklärlich, warum bei der erforderlichen abendlichen Kontrolle des Fristenkalenders am die noch ungestrichene Berufungsfrist in der vorliegenden Sache nicht zum Anlass genommen wurde, die Berufungsschrift (ggf. erneut) zu fertigen und abzusenden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW-RR 2009 S. 937 Nr. 14
FAAAD-22345

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja