Gegenvorstellung
Gesetze: FGO § 133a, GG Art. 2 Abs. 1, GG Art. 3, GG Art. 19, GG Art. 20 Abs. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Antragstellerin und Kostenschuldnerin (Antragstellerin) hat durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen Kostenrechnungen der Gerichtskasse des „Beschwerde” eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die betreffenden Verfahren seien ohne von ihr gestellte Anträge in Gang gesetzt worden.
Das FG hat den Beschwerden nicht abgeholfen, weil gemäß § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) gegen den Kostenansatz allein die Erinnerung, nicht aber die Beschwerde statthaft sei. Von einer Umdeutung hat es unter Bezugnahme auf den (juris) abgesehen. Danach könne die als Beschwerde bezeichnete Eingabe regelmäßig nicht in einen anderen Rechtsbehelf umgedeutet werden, wenn sie von einem rechtskundig vertretenen Beteiligten abgegeben worden sei. Hinzu komme, dass sich die Antragstellerin in anderen Verfahren ausdrücklich gegen eine vom FG vorgenommene Umdeutung unzulässiger Rechtsmittel gewandt habe.
Die entsprechenden Beschwerden der Antragstellerin gegen die Kostenrechnungen der Gerichtskasse vom 1 K 471/02, 1 K 1222/05, 1 K 1228/05, 1 K 1229/05 und 1 K 1231/05 hat der Senat mit Beschluss vom V B 144-148/07 (juris) als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er die Rechtsbehelfe der Antragstellerin gegen die Kostenrechnungen vom entsprechend deren ausdrücklichen Bezeichnung als „Beschwerde” verstehe. Das FG habe zu Recht eine Umdeutung der Rechtsbehelfsbegehren in eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG abgelehnt. Umdeutungen von Prozesserklärungen in einen anderen Rechtsbehelf, wenn sie —wie im Streitfall— von einem rechtskundig vertretenen Beteiligten abgegeben worden seien, seien regelmäßig nicht in Betracht zu ziehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 28/70, BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813; vom X B 210/92, BFH/NV 1994, 382; vom V B 156/98, BFH/NV 1999, 1119, und vom VII B 289/06, juris).
Gegen den Senatsbeschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Gegenvorstellung. Zu deren Begründung macht sie u.a. geltend, der BFH habe bei der Bearbeitung der Beschwerden ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Es handele sich um eine Überraschungsentscheidung. Der BFH hätte der Antragstellerin rechtliches Gehör gewähren müssen, insbesondere in Form eines Hinweises auf die Anwendung des § 66 GKG. Der V. Senat des BFH sei irrigerweise davon ausgegangen, dass die Verfahren nur mit dem Rechtsbehelf des § 66 Abs. 1 GKG angefochten werden könnten. Die Verfahren seien nicht mehr anhängig gewesen; diesbezüglich begehrt die Antragstellerin die Beiziehung von Verfahrensakten der jeweiligen Verfahren 1 K 412/03, 1 K 409/02, 1 K 277/02, 1 K 388/02, 1 K 164/03, 1 K 163/03, 1 K 344/02, 1 K 408/02, 1 K 472/02, 1 K 387/02, 1 K 256/01, 1 K 471/02, 1 V 13/05 und 1 V 14/05. Ohne Antrag der Antragstellerin seien die Aktenzeichen 1 K 221/05-234/05 erteilt worden. Anfang 2007 seien in diesen Verfahren abermals neue Aktenzeichen (1 K 1221/05-1234/05) erteilt worden. Aufgrund der Mitteilung ihres Prozessbevollmächtigten seien sodann die Verfahren eingestellt worden, die nie anhängig gewesen seien. Mit der Einstellung der Verfahren sei keine Kostengrundentscheidung ergangen und auch die Voraussetzungen des § 22 GKG lägen nicht vor, da die Antragstellerin aufgrund fehlender Veranlassung nicht Veranlassungsschuldnerin sei. Die Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit sei einzig verbliebenes Rechtsmittel, welche sich gleichzeitig gegen die angeblich nicht ergangene Kostengrundentscheidung richte und umdeutungsfähig im Sinne einer Erinnerung sei. Auch Einwendungen gegen den Kostenansatz seien in diesem Verfahren zu berücksichtigen. Darüber hinaus rügt die Antragstellerin einen „nicht durchgeführten Beteiligtenwechsel” auf Seiten des Finanzamts (FA), wodurch rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—), das Recht auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG), auf ein faires Verfahren beim Zugang zur Rechtsmittelinstanz (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG), das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), der Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie auf ein faires Verfahren i.S. des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates (EMRK) verletzt worden seien. Des Weiteren rügt sie „willkürliche Behandlung” durch FA und FG.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss vom V B 144-148/07 aufzuheben und die Verfahren fortzuführen.
II. Die Gegenvorstellung ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Soweit die Antragstellerin „Gegenvorstellungen” gegen den Beschluss vom V B 144-148/07 erhoben hat, ist nach Auffassung des Senats eine Gegenvorstellung gegen Gerichtsentscheidungen in materieller Rechtskraft neben der gesetzlich geregelten Anhörungsrüge (§ 133a Finanzgerichtsordnung) nicht mehr statthaft (vgl. , BFHE 219, 27, BStBl II 2008, 60).
Geht man dagegen von der Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung aus, beschränkt die vorrangige, kodifizierte Anhörungsrüge den Anwendungsbereich der Gegenvorstellung von vornherein auf Ausnahmefälle. Davon ist auszugehen bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen, wenn die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt oder gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ergangen ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474; vom V S 26/06, BFH/NV 2007, 953; vom IX S 4/07, BFH/NV 2007, 1535).
Die Gegenvorstellung ist hiernach zu verwerfen, denn dass dem derart schwerwiegende Verstöße anhaften sollen, hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Sie hat nicht hinreichend deutlich gemacht, warum dieser unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar sein soll. Dies gilt insbesondere für den Vortrag der Antragstellerin zum gesetzlichen Beteiligtenwechsel, denn im Verfahren des Kostenschuldners gegen den Kostenansatz der Gerichtskasse ist die Staatskasse und nicht der Prozessgegner des Kostenschuldners aus dem Gerichtsverfahren, das dem Kostenansatz zugrunde lag, als eigentlicher Beschwerdegegner anzusehen (, juris).
Dass der Senat auch im Übrigen den rechtlichen Schlussfolgerungen der Antragstellerin im Beschluss vom V B 144-148/07 nicht gefolgt ist, führt nicht dazu, dass dem Beschluss schwerwiegende Grundrechtsverstöße anhaften oder die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt. Zudem ist nicht erkennbar, inwieweit die Ausführungen der Antragstellerin zur materiellen Rechtslage, zum Vorgehen des FA und FG und zum Erfordernis einer Beiziehung von Akten erheblich sein können; zumal der Vortrag, dass es an einer Kostengrundentscheidung fehle, im Widerspruch zum Vorbringen in der Beschwerdebegründung steht und ebenso wie ihr Vortrag, die Voraussetzungen des § 22 GKG lägen nicht vor, erstmalig in ihrer Gegenvorstellung vorgebracht wird.
Soweit darüber hinaus die Antragstellerin die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend macht, kann sie damit im Rahmen der Gegenvorstellung nicht gehört werden, da insoweit die Anhörungsrüge gemäß § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO statthafter Rechtsbehelf ist.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, weil für das Verfahren im Rahmen einer Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist (BFH-Beschlüsse vom IV S 10/05, BFHE 211, 13, BStBl II 2006, 76; vom V S 3/06, BFH/NV 2006, 2292, m.w.N.).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1127 Nr. 7
CAAAD-21805