BFH Beschluss v. - II B 157/08

Abschluss des Bauvertrags vor Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags als einheitlicher Erwerbsgegenstand

Gesetze: GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, FGO § 69

Instanzenzug: (GE)

Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erhielt von einer KG ein am notariell beurkundetes, bis zum bindendes Angebot zum Kauf bebauter Grundstücke. Die Antragstellerin und die KG vereinbarten am umfangreiche Umbau-, Erneuerungs- und Sanierungsarbeiten an dem Grundbesitz, die durch die KG auf der Grundlage einer Leistungsbeschreibung der durchgeführt werden sollten. Die Vergütung der KG sollte vorläufig nach Maßgabe der geplanten Sanierungs- und Umbauarbeiten 1 500 000 € netto betragen. Die endgültige Vergütung sollte sich nach Aufmaß und unter Zugrundelegung der Einheitspreise zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Umsatzsteuer bestimmen. Durch notarielle Urkunde vom nahm die Antragstellerin das Kaufangebot der KG an.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte die Grunderwerbsteuer zunächst nur aufgrund des vereinbarten Kaufpreises von 1 300 000 € fest. Nachdem das FA Kenntnis von dem Vertrag vom erlangt hatte, erhöhte es die festgesetzte Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung um 3,5 % der in diesem Vertrag vereinbarten Gegenleistung einschließlich Umsatzsteuer von 1 740 000 €, also um 60 900 € auf 106 400 €. Der Einspruch blieb erfolglos.

Den von der Antragstellerin in dem noch nicht abgeschlossenen Klageverfahren gestellten Antrag, die Vollziehung des Steuerbescheids vom auszusetzen, soweit die Steuer erhöht worden war, lehnte das Finanzgericht (FG) ebenso wie bereits zuvor das FA ab. Es vertrat die Auffassung, die im Vertrag vom vereinbarte Gegenleistung für die darin vereinbarten Baumaßnahmen sei in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, da ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vorliege.

Mit der Beschwerde, die das FG zugelassen hat, wendet sich die Antragstellerin gegen diese Beurteilung und führt aus, bei den im Vertrag vom vereinbarten Sanierungsmaßnahmen handele es sich um offensichtlich notwendige Instandsetzungsmaßnahmen. Es habe jedoch kein von Seiten der Veräußerin vorgefertigtes Konzept vorgelegen. Die Veräußerin sei weder Mitinitiatorin des vorgesehenen Großprojekts gewesen noch sei zu unterstellen, dass der Antragstellerin das Gesamtpaket eines bebauten Grundstücks an die Hand habe gegeben werden sollen. Zudem liege eine gemeinschaftsrechtswidrige Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer vor. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) müsse im Übrigen auch deshalb stattgegeben werden, weil eine unbillige Härte gegeben sei. Die Liquidität der Antragstellerin lasse die Entrichtung der zusätzlich festgesetzten Steuer nicht zu.

Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vom auszusetzen, soweit darin die festgesetzte Grunderwerbsteuer erhöht wurde.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit noch wegen Vorliegens einer unbilligen Härte auszusetzen.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom II B 148/05, BFH/NV 2006, 1627; vom IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351; vom I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415, und vom II B 58/08, BFH/NV 2009, 418).

2. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids.

a) Der für den Umfang der Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes —GrEStG—) maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (, BFHE 208, 51, BStBl II 2005, 220; vom II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, und vom II R 42/04, BFH/NV 2007, 760).

Ein solcher objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist u.a. gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das „Ob” und „Wie” der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in bebautem Zustand erhalten würde (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 760, m.w.N.). Eine derartige Bindung gegenüber der Veräußererseite liegt insbesondere dann vor, wenn der Bauvertrag vor dem Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags geschlossen wird (, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34, unter II.2.; vom II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880, und vom II R 47/04, BFH/NV 2006, 1509, je m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten auch für den Erwerb bereits bebauter Grundstücke, bei denen es lediglich um die Modernisierung, Sanierung und/oder den Ausbau eines bereits vorhandenen Gebäudes geht (, BFH/NV 1995, 337; vom II R 106/91, BFH/NV 1995, 434, und in BFH/NV 2006, 1509; BFH-Beschlüsse vom II B 25/04, BFH/NV 2005, 1140, und vom II B 160/05, BFH/NV 2006, 1882).

b) Die im Kaufvertrag vereinbarte Übertragung des Grundbesitzes auf die Antragstellerin und die im Vertrag vom vereinbarten Leistungen der Veräußerin bilden danach einen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch aus den Akten ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin beim Zustandekommen des Kaufvertrags durch Annahme des Kaufangebots am hinsichtlich des „Ob” und „Wie” der durchzuführenden Maßnahmen gegenüber der Veräußerin noch frei war, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Vertrag vom bereits abgeschlossen war. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht es dem Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands nicht entgegen, dass die Antragstellerin bei der Planung der vereinbarten Umbau-, Erneuerungs- und Sanierungsarbeiten mitgewirkt und ihre Vorstellungen eingebracht oder die Planung sogar veranlasst haben soll (vgl. , BFH/NV 1993, 563, und vom II R 62/91, BFH/NV 1994, 901; Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl., § 9 Rz 167b).

3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids wegen einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Belastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer bestehen ebenfalls nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften verstößt es nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn beim Erwerb eines Grundstücks künftige Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen werden und somit ein der Umsatzsteuer unterliegender Vorgang zusätzlich mit dieser weiteren Steuer belegt wird (Beschluss vom C-156/08, Vollkommer, Deutsches Steuerrecht 2009, 223; ebenso bereits BFH-Urteil in BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34).

4. Die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids ist auch nicht wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte für die Antragstellerin auszusetzen.

a) Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Steuerpflichtigen führen würde. Auch bei Vorliegen einer unbilligen Härte kommt eine AdV jedoch nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids nicht ausgeschlossen werden können (BFH-Beschlüsse vom XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490, und vom III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834).

b) Ob die Voraussetzungen einer unbilligen Härte im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann offen bleiben. Jedenfalls scheidet eine AdV wegen unbilliger Härte aus, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids ausgeschlossen werden können.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1146 Nr. 7
DAAAD-21793