BGH Beschluss v. - IX ZB 198/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 233; ZPO § 522 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: OLG Düsseldorf, 23 U 3/08 vom LG Krefeld, 2 O 227/05 vom

Gründe

I.

Die von der Klägerin auf eine steuerliche Fehlberatung gestützte Zahlungsklage ist durch das ihr am zugestellte Urteil des Landgerichts abgewiesen worden. Die Klägerin hat dagegen am - einem Montag - Berufung eingelegt; die Berufungsbegründungsfrist ist auf ihren Antrag bis zum verlängert worden. Den von der Klägerin am gestellten Antrag, die Berufungsfrist abermals um zwei Wochen zu verlängern, hat das Oberlandesgericht mangels Zustimmung der Beklagten abgelehnt. Am hat die Klägerin unter Hinweis auf eine am ausgebrochene, sich im Laufe des Tages verschlimmernde und zur Arbeitsunfähigkeit führende fiebrige Erkältung ihres Prozessbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin müsse sich das Verschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen. Dem Fristverlängerungsantrag vom sei bereits nicht zu entnehmen, ob versucht worden sei, das Einverständnis des Gegners einzuholen. Überdies sei der Bevollmächtigte gehalten gewesen, bei Auftreten erster Krankheitssymptome die vorliegende Fristsache vorrangig zu bearbeiten. Zu dem genauen Zeitablauf und der Möglichkeit einer bevorzugten Bearbeitung habe die Klägerin nichts vorgetragen. Schließlich habe der Bevollmächtigte versäumt, nach Intensivierung der Krankheit einen Kanzleikollegen mit der Bearbeitung der Angelegenheit zu betrauen.

III.

Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht durchgreift. Die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs steht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

1.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin zuzurechnenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO).

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Bei einer Erkrankung ist eine Fristversäumung nicht unvermeidbar, wenn sie die zur Fristwahrung nötigen Schritte lediglich erschwert, sondern nur, wenn sie sie entweder unmöglich oder doch bei vernünftiger Betrachtung unzumutbar macht. Das ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn die Krankheit entweder plötzlich eintritt und unvorhersehbar war oder wenn sie so schwer ist, daß der Erkrankte zur Fristwahrung außerstande war (, VersR 1985, 139, 140; Beschl. v. - II ZB 1/91, VersR 1991, 1270, 1271). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt insoweit durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, als er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Wird er unvorhergesehen krank, muss er das unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist (, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 9 m.w.N.).

b)

Nach diesen Maßstäben ist ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegeben. Er war nämlich am Morgen des - im Unterschied zu dem der angeführten Entscheidung vom (BGH, aaO) zugrunde liegenden Sachverhalt - nach dem Inhalt der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht sofort arbeitsunfähig erkrankt, sondern zunächst durchaus noch in der Lage, seine anwaltlichen Tätigkeiten zu verrichten. Die sich nach seiner eigenen Darstellung im Laufe des Tages verstärkenden Krankheitssymptome mussten dem Prozessbevollmächtigten jedoch Veranlassung geben, entweder sofort die fristgebundene Berufungsbegründung zu erstellen oder sicherheitshalber für die Einschaltung eines Vertreters Sorge zu tragen. Da die Verschlimmerung auch einer bloßen Erkältung erfahrungsgemäß nie ausgeschlossen werden kann, bestand für den Prozessbevollmächtigten die Verpflichtung, unmittelbar nach Feststellung der ersten Krankheitssymptome die notwendigen Vorkehrungen für eine Fristwahrung zu treffen (, FamRZ 2004, 182). Daran fehlt es jedoch. Binnen der gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO allein maßgeblichen Antragsfrist (, NJW 2001, 1576, 1577) hat die Klägerin weder geltend gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Berufungsbegründung bis zum endgültigen Ausbruch der fiebrigen Erkrankung nicht zu fertigen vermochte, noch dass - bezogen auf den Zeitpunkt erster Krankheitssymptome - wegen der notwendigen Einarbeitungszeit eine rechtzeitige Begründung durch einen Vertreter unmöglich war.

2.

Die Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, welche die Möglichkeit der Herstellung des Einverständnisses mit dem Gegner über eine erneute Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist betrifft, ist mithin nicht entscheidungserheblich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
VAAAD-20403

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein