BFH Beschluss v. - III S 48/08

Anhörungsrüge

Gesetze: FGO § 133a, FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Rügeführer) wandte sich vor dem Finanzgericht (FG) dagegen, dass der Beklagte, Beschwerdegegner und Rügegegner (das Finanzamt) einen Bescheid über die Gewährung von Investitionszulage nach § 3a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1999) aufgehoben hatte, weil die Gemeinde die nach § 3a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InvZulG 1999 erforderliche Belegenheitsbescheinigung zum Nachteil des Rügeführers korrigiert hatte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit Beschluss vom III B 152/07 hat der III. Senat die Beschwerde des Rügeführers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 1 K 675/06 als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Rügeführer mit seiner Anhörungsrüge nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur Begründung trägt er vor, er habe in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtsfrage aufgeworfen, ob eine für steuerliche Zwecke ausgestellte Bescheinigung einer Behörde verwaltungs- und steuerrechtlich ein (fingierter) Verwaltungsakt sei und damit den Finanzverwaltungsbehörden die formale Prüfung der Bescheinigung bis hin zur Erteilung verbindlicher Vorgaben (Bescheinigungsrichtlinie) zugänglich und ermöglicht werde. Der Senat habe diese Rechtsfrage unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger Bescheinigungen als nicht klärungsbedürftig angesehen. Er habe keinen Hinweis darauf gegeben, dass er sich nur auf seine bisherige Rechtsprechung berufen werde. Eine Stellungnahme zum Sachverhalt sei daher nicht möglich gewesen. Damit sei das rechtliche Gehör verletzt worden. Wäre ihm, dem Rügeführer, die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, hätte er klarstellend darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsfrage nicht auf Bescheinigungen nach § 3a Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 beschränke, sondern sich auf alle für steuerliche Zwecke ausgestellten Bescheinigungen beziehe. Weiterhin hätte er klargestellt, dass er in der Beschwerdeschrift keine Ausführungen zu § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gemacht habe, sondern lediglich angeführt habe, dass die Entscheidung des FG u.a. darauf beruhe und dass sich der Bundesfinanzhof (BFH) nur in zwei Fällen mit dieser Norm auseinandergesetzt habe. Auch hätte er, der Rügeführer, darauf hingewiesen, dass die Fingierung einer außersteuerlichen Bescheinigung einer Behörde zu einem Verwaltungsakt für steuerliche Zwecke weder einem Gesetz noch einer Rechtsverordnung zu entnehmen sei. Insofern sei die bisherige Rechtsprechung des BFH nicht mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Der Senat habe auch nicht den Umstand gewürdigt, dass neben der negativen Bescheidung, die auf Anordnung einer nicht zuständigen Behörde zurückgenommen worden sei, nach wie vor eine positive, nicht zurückgenommene Bescheinigung vorgelegen habe.

II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO).

1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.).

2. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs auch dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. , BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. z.B. , BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539).

3. Nach diesen Maßstäben war der III. Senat des BFH nicht gehalten, vor Erlass des angefochtenen Beschlusses auf die rechtlichen Gesichtspunkte hinzuweisen, mit denen er die Nichtzulassung der Revision begründet hat. Der Rügeführer beanstandet im Wesentlichen, der III. Senat habe keinen rechtlichen Hinweis darauf gegeben, dass er sich „nur” auf seine bisherige Rechtsprechung zur Rechtsnatur und Bindungswirkung außersteuerlicher Verwaltungsakte berufen werde. Für den Rügeführer konnte es allerdings nicht überraschend sein, dass der III. Senat an seine einschlägige Rechtsprechung angeknüpft hat. Ein vorheriger Hinweis war nicht notwendig.

4. Unabhängig hiervon ist nicht erkennbar, inwiefern ein Hinweis den Rügeführer zu entscheidungserheblichen Ausführungen veranlasst haben könnte, so dass die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde möglicherweise anders ausgefallen wäre. Auch ergänzende Ausführungen des Klägers dazu, dass die Rechtsfrage nicht nur Bescheinigungen nach § 3a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InvZulG 1999 betreffe, dass sich der BFH nur in zwei Fällen mit der Norm auseinandergesetzt habe, dass die „Fingierung” einer Bescheinigung zu einem Verwaltungsakt gesetzlich nicht vorgesehen sei und dass eine zweite positive, nicht zurückgenommene Belegenheitsbescheinigung vorgelegen habe, hätten der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verholfen.

Fundstelle(n):
QAAAD-19266