Überlassung von Strom als unselbständige Nebenleistung zur steuerfreien langfristigen Vermietung von Campingflächen
Leitsatz
Die nach § 4 Nr. 12 UStG 1999 steuerfreie langfristige Vermietung von Campingflächen erstreckt sich auch auf die Lieferung von Strom (Abweichung von Abschn. 78 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. Abschn. 76 Abs. 6 Satz 1 UStR).
Gesetze: UStG 1999 § 4 Nr. 12
Instanzenzug: (EFG 2008, 740) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Streitig ist, ob bei der Vermietung von Stellplätzen an Dauercamper die Überlassung von Strom als unselbständige Nebenleistung zur Vermietung steuerbefreit ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen Campingplatz für Dauercamper und erklärte für das Streitjahr 2000 steuerfreie Umsätze aus der Platzüberlassung und aus gesondert abgerechneten weiteren Leistungen unter Berufung auf § 4 Nr. 12 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG).
Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Prüfer die Rechtsauffassung, zu den üblichen Nebenleistungen zur steuerfreien Grundstücksüberlassung zählten nicht die Lieferung von Strom sowie die Umsätze aus der Benutzung einer Telefonanlage (Hinweis auf Abschn. 76 Abs. 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien —UStR—). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte der Rechtsauffassung des Prüfers und setzte im Umsatzsteueränderungsbescheid für 2000 vom für die Lieferungen von Strom und für die Benutzung der Telefonanlage (Umsätze zusammen 26 844,82 DM) Umsatzsteuer fest.
Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, die Stromlieferungen seien als unselbständige Nebenleistungen zur Grundstücksvermietung ebenfalls steuerfrei.
Nach Zurückweisung des Einspruchs, in dem sich das FA für die Steuerpflicht auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom VA 1071/29 (RStBl 1931, 166) berief, erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab. Zur Begründung führte es aus, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom C-349/96, Card Protection Plan, (Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR- 1999, 157) liege eine Nebenleistung vor, wenn sie das Mittel darstelle, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Bei der Wohnraumvermietung habe dies der Bundesfinanzhof (BFH) bei der Lieferung von Heizwärme und Wasser, der Überlassung von Waschmaschinen und der Reinigung von Gemeinschaftsflächen bejaht (, BFHE 104, 150, BStBl II 1972, 203). Dies müsse dann auch für elektrische Anschlüsse gelten. Nach heutigen Maßstäben sei eine Vermietung von Stellplätzen an Dauercamper ohne Stromlieferung nicht möglich. Das Urteil ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte” 2008, 740 veröffentlicht.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Die Lieferung von Strom im Rahmen einer nach § 4 Nr. 12 UStG befreiten Vermietung von Dauercampingplätzen sei nach der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht als übliche untergeordnete Nebenleistung steuerfrei. Es handele sich vielmehr um eine selbständige Hauptleistung, weil der Camper frei wählen könne, ob er die Leistung abnehme. Das FG-Urteil widerspreche der Rechtsprechung des RFH (Urteil in RStBl 1931, 166) sowie der sich daran anschließenden langjährigen Rechtspraxis.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), weil die Feststellungen des FG keine abschließende Entscheidung des Senats erlauben.
1. Die Revision ist unbegründet, soweit das FG die Umsätze aus Stromlieferungen als steuerfreie Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Grundstücksvermietung angesehen hat.
a) Die langfristige Vermietung von Grundstücken, die als Campingplätze genutzt werden, ist nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a i.V.m. Satz 2 UStG steuerfrei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach die Vermietung von als Campingplätze erschlossenen Grundstücken nicht steuerbefreit ist. Denn der inländische Gesetzgeber war befugt, diese Regelung auf kurzfristige Vermietungen zu beschränken (vgl. , BFHE 221, 406, BStBl II 2009, 63).
b) Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Zurverfügungstellung von Strom für Dauercamper als Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung eines Dauercampingplatzes beurteilt.
aa) Für die Annahme einer einheitlichen Leistung sind im Wesentlichen folgende Grundsätze maßgeblich: Jede Dienstleistung ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; andererseits darf aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespaltet werden (z.B. EuGH-Urteil Card Protection Plan in Slg. 1999, I-973, UVR 1999, 157 Rz 29 ff.; , BFHE 213, 134, BStBl II 2006, 788, unter II.2.a bb). Nach dem Wesen des fraglichen Umsatzes ist zu ermitteln und festzustellen, ob eine einheitliche Leistung oder mehrere Leistungen vorliegen; eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng —im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung— zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Sie darf für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck haben, sondern sie muss das Mittel darstellen, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.
bb) Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat zu Recht entschieden, dass die Überlassung der Standplätze das wesentliche Element der Leistungen der Klägerin an die Camper sei und die darüber hinaus erbrachten Leistungen der Klägerin Nebenleistungen seien, weil nach heutigen Maßstäben eine Vermietung eines Campingplatzes ohne Stromanschluss nicht mehr möglich sei.
Diese Würdigung entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach die Lieferung von Heizwärme und Wasser, die Überlassung von Waschmaschinen und die Reinigung von Gemeinschaftsflächen als steuerfreie Nebenleistung zur Wohnraumvermietung angesehen werden (BFH-Urteil in BFHE 104, 150, BStBl II 1972, 203; Beschluss vom V B 61/99, BFH/NV 2000, 193). Darüber hinaus hat der Senat entschieden, dass es sich bei der steuerfreien Standplatzvermietung an Marktbeschicker bei der Zurverfügungstellung von Strom und Wasser gleichermaßen um unselbständige Nebenleistungen handelt (Urteil vom V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60).
cc) Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Regelung in Abschn. 78 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. Abschn. 76 Abs. 6 Satz 1 UStR, wonach die Lieferung von Strom durch die Campingplatzunternehmer nicht als Nebenleistung zur Grundstücksüberlassung anzusehen ist. In dem in Abschn. 76 Abs. 6 Satz 1 UStR zur Begründung angeführten Urteil des RFH in RStBl 1931, 166 ist ausgeführt, unter die Steuerbefreiung für Verpachtungen und Vermietungen von Grundstücken falle nicht die Lieferung von elektrischem Strom, weil es sich dabei um die Lieferung beweglicher Sachen handele. Diese Sichtweise entspricht nicht den heute geltenden Kriterien für die Annahme einer einheitlichen Leistung und insbesondere den Voraussetzungen für die Annahme von Haupt- und Nebenleistung (s. oben unter II.1.b aa).
2. Das FG hat jedoch die Steuerfestsetzung auch hinsichtlich der Umsätze aus der Benutzung einer Fernsprechanlage aufgehoben, ohne hierfür eine Begründung zu geben. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Überlassung von Telefoneinrichtungen jedoch um eine selbständige Leistung und nicht um eine (steuerfreie) Nebenleistung zur Grundstücksvermietung (, BFHE 123, 203, BStBl II 1977, 881). Diese Rechtsprechung stimmt überein mit der Rechtsprechung des , C-395/04, Ygeia, BFH/NV Beilage 2006, 127), wonach die Überlassung von Telefonanlagen in Krankenhäusern keine (steuerfreie) Nebenleistung zur Krankenbehandlung ist.
Der Senat kann nicht durcherkennen, weil das FG nicht festgestellt hat, welche Umsätze auf die (steuerfreien) Stromlieferungen und auf die (steuerpflichtigen) Umsätze aus der Bereitstellung der Telefonanlage entfallen und welche Vorsteuern diesen Umsätzen jeweils zuzurechnen sind.
Das FG wird ferner zu prüfen haben, ob im Streitjahr 2000 die Regelung des § 19 UStG eingreift, weil die Umsätze aus den Stromlieferungen —wie dargelegt— nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a i.V.m. Satz 2 UStG steuerfrei sind und deshalb bei der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 1 UStG nicht zu berücksichtigen sind (s. dazu Seite 3 des vom FG in Bezug genommenen Prüfungsberichts vom ).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 615
BFH/NV 2009 S. 865 Nr. 5
BFH/PR 2009 S. 234 Nr. 6
BStBl II 2009 S. 615 Nr. 15
DB 2009 S. 772 Nr. 15
DStRE 2009 S. 615 Nr. 10
DStZ 2009 S. 457 Nr. 13
GStB 2009 S. 272 Nr. 8
HFR 2009 S. 593 Nr. 6
KÖSDI 2009 S. 16481 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 15/2009 S. 1061
StB 2009 S. 140 Nr. 5
StBW 2009 S. 5 Nr. 8
UR 2009 S. 315 Nr. 9
UStB 2009 S. 123 Nr. 5
UVR 2009 S. 231 Nr. 8
QAAAD-17980