Erlass nach § 227 AO wegen persönlicher Billigkeitsgründe; keine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung bei behaupteter Verfassungswidrigkeit einer Norm; Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Entscheidungsfindung
Gesetze: AO § 227, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, GG Art. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat erhebliche Steuerschulden. Seit 2001 versucht der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) diese beizutreiben. Nachdem mehrere Vollstreckungsmaßnahmen ohne Erfolg geblieben waren, beantragte das FA im Januar 2004 die Eintragung einer Sicherungshypothek auf einem im Eigentum des Klägers und dessen Ehefrau stehenden Grundstück hinsichtlich des hälftigen Miteigentumsanteils des Klägers. Nachdem das FA einen Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge abgelehnt hatte, trug das Amtsgericht die Sicherungshypothek in das Grundbuch ein.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek rechtmäßig sei und dass der Kläger keinen Anspruch auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 der Abgabenordnung (AO) habe. Die der Eintragung der Sicherungshypothek zu Grunde liegenden Steuer- und Zinsforderungen beliefen sich auf . €. Die Rückstandshöhe ergebe sich hinreichend aus der Vollstreckungsakte. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek nach § 322 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4, § 249 AO i.V.m. § 867 der Zivilprozessordnung (ZPO) seien im Streitfall erfüllt. Angesichts der Erfolglosigkeit der Vollstreckungsversuche sei die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Insgesamt erweise sich die getroffene Maßnahme als ermessensfehlerfrei. Es sei nicht ersichtlich, dass eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung geeignet wäre, eine etwaige Unbilligkeit zu beseitigen.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision. Dabei stützt er sich auf sämtliche in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe. Verfahrensfehlerhaft habe das FG keine Feststellungen über die tatsächliche Höhe der Steuerrückstände getroffen und damit gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. In keinster Weise sei die Rückständeaufstellung des FA nachvollziehbar. Für das Jahr 1995 ergebe sich sogar ein Steuerguthaben. Steuerbescheide habe sich das FG nicht vorlegen lassen. Zudem habe das FG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Hätte es ordnungsgemäß ermittelt, wäre erkennbar geworden, dass bereits Grundschulden in erheblicher Höhe auf dem Grundstück lasteten, so dass das FA bei der Verteilung eines etwaigen Versteigerungserlöses leer ausgegangen wäre. Schließlich habe das FG im Rahmen der Beurteilung persönlicher Billigkeitsgründe nach § 227 AO den schlechten Gesundheitszustand des Klägers außer Acht gelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob das der Altersversorgung dienende Einfamilienhaus unter den gesetzlich neu geregelten Pfändungsschutz des § 851c ZPO falle. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Pfändungsschutz nur auf Versicherungsverträge erstrecken solle. Folglich liege eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung der Altersvorsorge in Form von Lebensversicherungen gegenüber der Altersvorsorge in Form von Immobilien und Wertpapieren vor.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer konkreten Rechtsfrage, der auch Bedeutung für die Allgemeinheit zukommt. Darzulegen ist, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften und umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit den Äußerungen im Schrifttum und ggf. mit veröffentlichten Verwaltungsmeinungen befassen. Dabei kann die bloße Behauptung, eine Norm sei verfassungswidrig, nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, sofern diese nicht offenkundig ist (, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil (BFH-Beschlüsse vom VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Ohne sich mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Ausprägung und zum Schutzbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu befassen, behauptet der Kläger lediglich einen gleichheitswidrigen Zugriff auf den der Altersversorgung dienenden Immobilienbesitz und fordert eine verfassungskonforme Auslegung von § 851c ZPO. Mit dem Vorbringen, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge nur Versicherungsverträge, nicht aber Immobilienanlagen geschützt werden sollen, so dass aufgrund der Untätigkeit des Gesetzgebers eine teleologische Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 851c ZPO geboten sei, und der Bezugnahme auf einen einzigen, dem Gericht in Kopie überlassenen Aufsatz zum Thema des Pfändungsschutzes der Altersvorsorge von Selbständigen, wird der behauptete Verfassungsverstoß nicht substantiiert belegt.
2. Hinsichtlich der Feststellung der Höhe der rückständigen Steuerforderungen liegt der vom Kläger gerügte Verfahrensverstoß der mangelhaften Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht vor. In der Urteilsbegründung hat das FG ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich aus der Vollstreckungsakte hinreichend die Rückstandshöhe und deren Entwicklung bis zum streitigen Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek ergebe. Den danach festgestellten Rückstand hat das FG betragsmäßig genau beziffert. Aus der maßgeblichen Sicht des FG musste sich ihm daher das Erfordernis einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht aufdrängen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch keine Beweisanträge zur Ermittlung der genauen Höhe der Steuerrückstände gestellt, obwohl unter Zugrundelegung der Auffassung des Klägers Anlass dazu bestanden hätte.
3. Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen zu belegen versucht, dass die Aufstellung der Rückstände durch das FA nicht nachvollziehbar und dass das FG zu einer unzutreffenden Feststellung dieser Rückstände gelangt ist, wendet er sich gegen die Sachverhaltswürdigung durch das FG, das die Rückstände anhand der Aktenlage ermittelt hat. Mit diesem Vorbringen wird jedoch der behauptete Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Denn etwaige Mängel in der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung sind dem materiellen Recht zuzuordnen.
4. Hinsichtlich der vermeintlich verfahrensfehlerhaft unterlassenen Berücksichtigung der Vorbelastung des Grundstücks mit Grundschulden verkennt die Beschwerde, dass das Urteil des FG nicht auf Aussagen über die Höhe der Grundschulden beruht. Aus der Sicht des FG kam es auf die genaue Ermittlung der Höhe der auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechte nicht an. Es hat dazu ausgeführt, dass der Eignung der angefochtenen Vollstreckungsmaßnahme zur Beitreibung der Steuerrückstände der Umstand nicht entgegenstehe, dass bereits mehrere Grundschulden auf dem Grundstück eingetragen worden seien. Auch mit der Behauptung, das FG habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, lässt sich die Darlegung eines Verfahrensmangels nicht begründen. Denn mit diesem Vorbringen greift der Kläger die vermeintlich unzutreffende rechtliche Würdigung des FG an, was jedoch zur Zulassung der Revision nicht führen kann.
5. Ein Verfahrensverstoß liegt auch nicht deshalb vor, weil das FG keinen Beweis über den Gesundheitszustand des Klägers erhoben hat. Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, weshalb sich dem FG das Erfordernis einer entsprechenden Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen; sie führt lediglich aus, dass das FG auf den schlechten Gesundheitszustand des Klägers hingewiesen worden sei. Dabei stellt der Kläger die nicht näher substantiierte Behauptung auf, dass aufgrund des Gesundheitszustandes hinreichende Gründe für einen Billigkeitserweis nach § 227 AO vorgelegen hätten. Unberücksichtigt lässt der Kläger, dass ein Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit nur dann in Betracht kommt, wenn sich der Erlass auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen noch auswirken könnte (Senatsbeschluss vom VII B 312/00, BFH/NV 2002, 889, m.w.N.). Dies hat das FG aber gerade verneint. Im Übrigen hat der Kläger Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung, z.B. den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht gestellt und damit sein Rügerecht verloren.
Fundstelle(n):
TAAAD-15435