Bindungswirkung einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe des Bescheids bzw. der Einspruchsentscheidung
Gesetze: EStG § 70 Abs. 2, EStG § 70 Abs. 3
Instanzenzug: , AO
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog aufgrund eines Bescheides vom rückwirkend ab Juni 2002 Kindergeld für ihren im Mai 1980 geborenen Sohn (GdB 50). Durch Bescheid vom hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2005 auf und forderte das für 2005 gezahlte Kindergeld zurück. Der Einspruch wurde am als unbegründet zurückgewiesen.
Während des Klageverfahrens hob die Familienkasse durch Bescheid vom ihren Aufhebungsbescheid vom auf und kündigte an, in Kürze außergerichtlich zu entscheiden, ob ein Kindergeldanspruch ab Januar 2006 bestehe. Am 3. und am gewährte sie Kindergeld für Januar 2006 bis Mai 2007. Den Rechtsstreit erklärte sie in der Hauptsache für erledigt. Die Klägerin verweigerte die Erledigungserklärung und beantragte in der mündlichen Verhandlung am u.a., den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es führte aus, das Rechtsschutzbedürfnis für die gegen den Bescheid vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom erhobene Klage sei entfallen, nachdem die Familienkasse diesen durch Bescheid vom aufgehoben und damit dem Klagebegehren entsprochen habe. Der Aufhebungsbescheid vom sei gegenstandslos geworden, da sich dessen Regelungsgehalt nur bis auf den Zeitraum von Januar 2005 bis Dezember 2006 erstreckt habe. Nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung entstehende Kindergeldansprüche würden nach den Grundsätzen des (BFH/NV 2004, 786) vom Regelungsgehalt eines Aufhebungsbescheides nicht erfasst. Zudem habe die Familienkasse Kindergeld bis einschließlich Mai 2007 gewährt.
Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt die Klägerin vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Zu klären sei, ob Familienkassen nach Aufhebung einer Kindergeldbewilligung von unbestimmter Dauer durch die nachträgliche Bewilligung von Kindergeld bis zu dem Monat der Einspruchsentscheidung eine Erledigung der Hauptsache herbeiführen könnten, und ob Familienkassen zunächst Aufhebungsbescheide erlassen, diese dann wegen später selbst erkannter Rechtswidrigkeit bis zu dem Monat der Einspruchsentscheidung zurücknehmen und trotzdem eine günstigere Verfahrensposition für weitere Entscheidungen erreichen könnten.
Das FG-Urteil weiche vom (BFHE 192, 19, BStBl II 2000, 544) ab, dem zu entnehmen sei, dass der Erfolg einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer die ursprüngliche Festsetzung wieder herstelle. Dieser Zustand sei für sie, die Klägerin, durch die sukzessiven Bewilligungen des Kindergeldes für den Zeitraum Januar 2005 bis Mai 2007 nicht erreicht; die Familienkasse lehne in ihrem Bescheid vom Kindergeldzahlungen über den Mai 2007 hinaus ab.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Kindergeld wird jeweils für einzelne Monate (§ 31 Satz 3, § 66 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) durch begünstigenden Verwaltungsakt festgesetzt. Dieser bindet auf Dauer, kann aber bei einer Änderung der maßgeblichen Verhältnisse gemäß § 70 Abs. 2 und Abs. 3 EStG geändert werden.
Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass die Ablehnung oder Aufhebung der Kindergeldfestsetzung demgegenüber nur bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe des Bescheides bzw. der Einspruchsentscheidung bindet (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 786; Senatsbeschluss vom III B 108/07, BFH/NV 2008, 337). Daraus ergibt sich zugleich, dass sich eine gegen einen Aufhebungsbescheid gerichtete Klage in der Hauptsache erledigt, wenn während des finanzgerichtlichen Verfahrens der Aufhebungsbescheid aufgehoben und Kindergeld bis zu dem Monat der Einspruchsentscheidung bewilligt wird.
Soweit die Klägerin meint, dass die Familienkasse eine günstigere Verfahrensposition erlangt, wenn sie zunächst einen Aufhebungsbescheid erlässt und diesen dann später bis zu dem Monat der Einspruchsentscheidung zurücknimmt, übersieht sie, dass die Familienkasse jederzeit überprüfen kann, ob eine Änderung der für die Kindergeldfestsetzung maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist (z.B. durch Abschluss oder Aufgabe der Ausbildung —§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG—, Überschreitung des Jahresgrenzbetrages durch die Einkünfte und Bezüge des volljährigen Kindes —§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG— oder Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder Aufenthaltes —§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG—). Da die Feststellungslast für anspruchsbegründende Tatsachen in Kindergeldsachen stets beim Kindergeldberechtigten liegt (Senatsbeschluss vom III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207), verbessert sich die Verfahrensposition der Familienkasse nicht. Sie hat die Kindergeldfestsetzung auch dann aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung nicht (mehr) festgestellt werden können (§ 70 Abs. 2 und Abs. 3 EStG).
2. Die von der Klägerin gerügte Abweichung vom BFH-Beschluss in BFHE 192, 19, BStBl II 2000, 544 liegt nicht vor. Dieser Beschluss betrifft lediglich den Streitwert einer gegen die Aufhebung von Kindergeld erhobenen Klage. Dabei wurden auch nur die bis zur Einreichung der Klage zu zahlenden Kindergeldbeträge hinzugerechnet; dieser Zeitpunkt entspricht im Übrigen bis auf die einmonatige Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 578 Nr. 4
PAAAD-08061