Leitsatz
[1] a) Auch unvollständige Angaben des Schuldners, die ein falsches Gesamtbild vermitteln, können zur Aufhebung der Verfahrenskostenstundung führen.
b) Eine Aufhebung der Verfahrenskostenstundung wegen fehlerhafter oder unvollständiger Angaben setzt voraus, dass diese für die Stundungsbewilligung ursächlich waren.
Gesetze: InsO § 4c
Instanzenzug: LG Hechingen, 3 T 33/08 vom AG Hechingen, IN 108/07 vom
Gründe
In dem am eröffneten Insolvenzverfahren, in welchem der Schuldner Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt, stundete das Insolvenzgericht ihm die Kosten des Verfahrens. In der ersten Gläubigerversammlung räumte der Schuldner auf Vorhalt des Insolvenzverwalters eine von ihm bis dahin nicht angegebene Bestellung als Geschäftsführer einer GmbH ein. Er übe diese Tätigkeit allerdings unentgeltlich aus. Faktische Geschäftsführerin sei seine Mutter. Das Insolvenzgericht hat daraufhin mit Beschluss vom die dem Schuldner bewilligte Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Änderung des Beschlusses über die Stundungsaufhebung.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4d Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, für die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten reiche es aus, dass der Schuldner seine Auskunftspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt und die geschuldete Auskunft nicht aus eigener Initiative nachgeholt habe. Die Bestellung als Organ einer juristischen Person sei eine offenbarungspflichtige Tatsache. Üblicherweise werde dafür ein Entgelt gezahlt. Es sei deshalb erläuterungsbedürftig, wenn der Schuldner geltend mache, dass mit der Organstellung keine Entlohnung verbunden sei. Dies hätte dem Schuldner bei Anstellung einfacher Überlegungen klar sein müssen.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jedem Punkt stand.
a)
Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner "unrichtige Angaben" im Sinne des § 4c Nr. 1 InsO gemacht hat. Die Bestellung des Schuldners als Organ einer juristischen Person ist ein für die Beurteilung der Stundungsvoraussetzungen maßgebender Umstand.
Gemäß § 4c Nr. 1 1. Halbs. InsO kann das Gericht die Stundung aufheben, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens o-der die Stundung maßgebend sind. Ob unrichtige Angaben im Sinne dieser Vorschrift auch dann vorliegen, wenn die Angaben des Schuldners lediglich unvollständig sind, ist umstritten. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage liegt bislang nicht vor. In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, unvollständige Angaben, d.h. solche Angaben, die im Rahmen einer den Schein der Vollständigkeit erweckenden Erklärung zwar richtig sind, durch Weglassen wesentlicher Umstände aber ein falsches Gesamtbild vermittelten, seien im Rahmen des § 4c Nr. 1 InsO unerheblich (Prütting/Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 4c Rn. 8; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4c Rn. 2). Nach anderer Auffassung ist der Schuldner verpflichtet, von sich aus vollständige Angaben zu machen. Verschweige er für die Verfahrenskostenstundung relevante Umstände, so könne deren Aufhebung auch darauf gestützt werden (Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 4c Rn. 3; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 4c Rn. 8; Andres/Leithaus, InsO § 4c Rn. 4; Jaeger/Eckardt, InsO § 4c Rn. 10; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4c Rn. 4; Nerlich/Römermann/Becker, InsO § 4c Rn. 13; Hess, InsO § 4c Rn. 6; vgl. auch OLG Köln ZIP 2001, 466, 467 f zu § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO; LG Potsdam ZInsO 2002, 941 zu § 124 Nr. 2 ZPO).
Der Schuldner ist verpflichtet, vollständige und richtige Angaben zu machen, um die Verfahrenskostenstundung zu erlangen. Sind seine Angaben zwar formal richtig, unterlässt er aber die Mitteilung wesentlicher Umstände, die für die Verfahrenskostenstundung von Bedeutung sind, so kann auch dies zu deren Aufhebung führen. Durch § 4c InsO soll nach der Begründung des Gesetzgebers die ordnungsgemäße Mitwirkung des Schuldners am Verfahren und dessen Förderung sichergestellt werden (BT-Drucks. 14/5680 S. 22). Dieses Ziel könnte nicht erreicht werden, wenn man dem Schuldner gestattete, unvollständige Angaben zu machen.
b)
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann gleichwohl keinen Bestand haben, weil es die Frage der Ursächlichkeit der unterlassenen Angabe für die Stundungsbewilligung nicht geprüft hat.
Die Frage, ob die unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Schuldners für die Stundungsentscheidung ursächlich gewesen sein müssen, ist ebenfalls umstritten. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage gibt es bislang nicht. Teile des Schrifttums und der Rechtsprechung sind der Meinung, die falschen oder unterlassenen Angaben des Schuldners müssten für die jeweilige Entscheidung des Gerichts nicht ursächlich gewesen sein, es reiche aus, dass der Schuldner objektiv fehlerhafte oder unvollständige Angaben gemacht habe (AG Göttingen, ZInsO 2003, 1053 ; HK-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 12; Nerlich/Römermann/Becker, aaO Rn. 18; Prütting/Wenzel, aaO Rn. 13). Zu berücksichtigen sei die Frage allenfalls im Rahmen der vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung über die Aufhebung der Stundung. Dagegen setzt die Aufhebung nach anderer Auffassung voraus, dass die unzutreffenden oder nicht abgegebenen Erklärungen des Schuldners für die Entscheidung des Gerichts ursächlich waren. Der Zweck der Vorschrift gehe nur dahin, von Anfang an unberechtigte Stundungen zu beseitigen, die Vorschrift habe keinen Sanktionscharakter (Jaeger/Eckardt, aaO Rn. 17 f; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO Rn. 7; HmbKomm-InsO/Nies, 2. Aufl. § 4c Rn. 2; FK-InsO/Kohte, 4. Aufl. § 4c Rn. 5; Braun/Buck, 3. Aufl. § 4c Rn. 3).
Für die Aufhebung der Stundung nach § 4c Nr. 1 InsO ist erforderlich, dass die fehlerhaften oder unvollständigen Angaben des Schuldners für deren Bewilligung "maßgebend" waren. Hieraus folgt, dass die Aufhebung nicht den Charakter einer Sanktion wegen objektiv fehlerhafter Angaben des Schuldners haben soll. Sie kann vielmehr nur dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Verfahrenskosten aufgrund seiner Falschangaben gestundet worden sind. Die Kausalität der Falschangaben ist nicht erst im Rahmen eines dem Gericht in § 4c InsO eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen. § 4c InsO regelt die Aufhebung der Stundung abschließend (BT-Drucks. 14/5680 S. 22; Münch-Komm-InsO/Ganter, aaO Rn. 2; Prütting/Wenzel, aaO Rn. 3; Uhlenbruck, aaO Rn. 1).
Das Beschwerdegericht hat sich mit der Kausalität der unvollständigen Angaben des Schuldners für die Stundung der Verfahrenskosten nicht auseinandergesetzt. Es ist davon ausgegangen, dass allein die Nichtangabe einer unentgeltlichen Tätigkeit ausreicht, um die Stundung zu versagen. Dies genügt nach den vorstehenden Grundsätzen nicht. Das Beschwerdegericht hat aufzuklären, ob dem Schuldner bei rechtzeitiger Angabe seiner Stellung als Geschäftsführer die Stundung der Verfahrenskosten von vornherein zu versagen gewesen wäre.
3.
Soweit das Beschwerdegericht offen gelassen hat, ob weitere Aufhebungsgründe vorliegen, ist über diese zu befinden, sofern der Aufhebungsgrund des § 4c Nr. 1 1. Halbs. Alt. 2 InsO nicht eingreift.
Der Beschluss des Beschwerdegerichts kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2009 S. 838 Nr. 12
QAAAD-05502
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja