BGH Beschluss v. - XII ZB 132/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: LG Osnabrück, 1 O 1148/07 vom OLG Oldenburg, 4 U 19/08 vom

Gründe

Das Landgericht hat die auf Feststellung einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten gerichtete Klage durch Urteil vom abgewiesen. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden. Mit am bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat dieser Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt und für den Fall, dass diese gewährt wird, Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom , der seiner Prozessbevollmächtigten am zugestellt wurde, Prozesskostenhilfe bewilligt.

Mit Schriftsatz vom , der bei dem Oberlandesgericht am eingegangen ist, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und legte gleichzeitig Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein.

Nachdem der Kläger von dem Oberlandesgericht auf den am eingetretenen Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag und die nachzuholende Prozesshandlung hingewiesen worden war, hat er Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 234 Satz 1 ZPO beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigte habe den Schriftsatz vom an diesem Tag diktiert, gefertigt und unterschrieben. Die Fachangestellte S. sei ausdrücklich angewiesen worden, den Schriftsatz noch am selben Tag zur Post zu geben. Der Fristablauf am sei im Fristenkalender eingetragen gewesen. Der Schriftsatz sei auch durch Frau S. in das Postausgangsbuch eingetragen worden. Danach sei die Postmappe zusammen mit den sechs weiteren Postmappen einer Auszubildenden im dritten Lehrjahr zum Einkuvertieren übergeben worden. Aus ungeklärten Gründen sei der Schriftsatz jedoch nicht zur Post gegeben worden. Nach den Ostertagen seien die Schreiben der entsprechenden Postmappe mit anderen Schreiben vom zur Post gegeben worden. Dabei sei nicht aufgefallen, dass sich darunter auch Schreiben befunden hätten, deren Ausgang bereits für den im Ausgangsbuch eingetragen gewesen seien. Deshalb habe kein Anlass bestanden, den Schriftsatz vom am noch an das Gericht zu faxen.

Für die Ausgangspost bestehe die Anweisung, die in den Postmappen befindlichen Schreiben nach Unterschrift der Anwälte in das Postausgangsbuch einzutragen, zu kuvertieren und zu frankieren. Im Fristenbuch setze die Fachangestellte S. einen Erledigungshaken, nachdem die Schreiben und Schriftsätze diktiert, gefertigt und unterschrieben seien. Nach Bearbeiten der Post habe die Angestellte anhand des Postausgangsbuches zu kontrollieren, dass die im Fristenbuch abgehakten Schreiben und Schriftsätze auch zur Post gegeben würden. Die Post werde an einem separaten Tisch bearbeitet. Frau S. sei angewiesen, stichprobenartig zu kontrollieren, dass alle Postmappen bearbeitet worden seien und sämtliche postfertige Sendungen zur Post gebracht würden.

Das Oberlandesgericht hat die Anträge des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist und wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Klägers ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.

1.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte des Klägers verletzt hätte. Denn der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger nicht in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts auch nicht rechnen musste (Senatsbeschluss vom - XII ZB 184/07 - NJW 2008, 2713, 2714 m.w.N.).

2.

Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Organisation in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze nicht überspannt.

Es hat die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist mit der Begründung abgelehnt, die Organisation der Ausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers gewährleiste nicht zuverlässig, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich hinausgingen. Im Kalender vermerkte Fristen dürften erst gestrichen werden, wenn der Schriftsatz zumindest postfertig gemacht worden sei. Dann aber müsse die Beförderung zu der Stelle, für die der Schriftsatz bestimmt sei, organisatorisch so weit vorbereitet sein, dass sie durch Versehen, welche die eigentliche Beförderung nicht beträfen, nicht mehr verhindert werden könne. Daran gemessen sei die organisatorische Anweisung an die Fachangestellte S., stichprobenartig zu kontrollieren, dass alle Postmappen bearbeitet worden seien und sämtliche postfertige Sendungen zur Post gebracht würden, unzureichend. Jedenfalls bei fristwahrenden Schriftsätzen seien Stichproben dann nicht ausreichend. Vielmehr seien solche Schriftsätze einzeln darauf zu kontrollieren, dass eine rechtzeitige Verbringung zur Post nicht versehentlich unterbleibe.

Damit hat das Berufungsgericht die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltenden Maßstäbe der Ausgangskontrolle eingehalten.

Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz fristgerecht bei dem zuständigen Gericht eingeht und eine Ausgangskontrolle besteht, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinaus gehen. Zu diesem Zweck muss er eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, nachdem die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist(Senatsbeschluss vom - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192). Eine solche wirksame Ausgangskontrolle gewährleistet die Organisation in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht. Vielmehr lässt es der Organisationsablauf zu, dass im Kalender vermerkte Fristen bereits dann gestrichen werden, wenn der Schriftsatz noch nicht postfertig gemacht worden ist. Das ist nämlich erst dann der Fall, wenn die Postmappen bearbeitet worden sind und die einzelnen Schriftsätze so zur Versendung fertig gemacht sind, dass damit eine sichere Vorsorge verbunden ist, dass die Beförderung nicht mehr durch ein Versehen verhindert werden kann ( - NJW 2001, 1577, 1578) . Das Ablegen der Schriftsätze in Postmappen stellt nicht den letzten Schritt auf dem Weg zum Adressaten dar. Vielmehr bedarf es weiterer Maßnahmen, wie des Kuvertierens und des Ablegens in ein Postausgangsfach, bevor die Sendungen postfertig sind und im nächsten Schritt zur Post gebracht werden können.

Die bloße stichprobenartige Kontrolle, ob alle Postmappen bearbeitet worden sind, gewährleistet - wie der vorliegende Fall zeigt - keine zuverlässige Ausgangskontrolle.

Das Berufungsgericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers ein Verschulden an dem Fristversäumnis trifft.

3.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war eine Ausgangskontrolle im vorliegenden Fall auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihrer Fachangestellten S. die Weisung erteilt hatte, den Schriftsatz am zur Post zu geben.

Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen einer Kanzlei für die Ausgangskontrolle dann nicht ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen erteilt worden sind, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten. Das gilt jedoch nicht, wenn die Einzelanweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten. In diesem Fall kann auch eine konkrete Einzelanweisung den Rechtsanwalt von einer unzureichenden Büroorganisation nicht entlasten (BGH Beschlüsse vom - IX ZB 309/04 - AnwBl. 2007, 236 und vom - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 369) .

Das ist hier der Fall. Die Weisung, den Schriftsatz zur Post zu geben, hielt sich im Rahmen der sonst üblichen Behandlung der fertig gestellten Schriftsätze. Die angewiesene Fachkraft hat die Weisung auch dementsprechend verstanden und die gesamte Postmappe mit weiteren Postmappen der für die Postbearbeitung zuständigen Angestellten übergeben. Die insoweit geltenden Organisationsregeln haben somit durch die Einzelanweisung nicht ihre Bedeutung verloren.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
VAAAD-03633

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein