Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 344 Abs. 2 Satz 2; StPO § 265 Abs. 2; StGB § 283 Abs. 1 Nr. 5; StGB § 283b Abs. 1 Nr. 1; StGB § 283b Abs. 3; MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: LG Mannheim, vom
Gründe
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom bemerkt der Senat:
1. a) Soweit der Angeklagte eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geltend macht, weil die schriftlichen Urteilsgründe am "zur Geschäftsstelle" gelangt seien, die Zustellung des Urteils aber erst am verfügt worden sei, ist diese Rüge schon nicht in zulässiger Weise erhoben. Denn er trägt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht alle Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung vor, so dass dem Senat eine entsprechende Nachprüfung nicht möglich ist.
Zwar dürfen die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines wie hier mehrere Jahre währenden Verfahrens nicht überzogen werden. Von einem Beschwerdeführer ist aber zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt (BGH NJW 2008, 2451, 2452). Dieser Darstellung bedarf es deswegen, weil für die Frage der Konventionswidrigkeit das Verfahren insgesamt zu beurteilen ist, regelmäßig beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschuldigte von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Angeklagte bei seiner Darstellung des Verfahrensablaufs auf den Zeitraum zwischen der Verkündung und der Zustellung des Urteils. Über den Verfahrensgang vor dieser Zeit gibt er dagegen keinen Überblick.
Da auch die Sachrüge erhoben ist, kann der Senat zwar insoweit die Urteilsgründe ergänzend heranziehen. Dort hat die Kammer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von drei Jahren und zwei Monaten strafmildernd gewertet, als zugrunde liegende Tatsachen aber lediglich festgestellt, dass die polizeilichen Ermittlungen von Dezember 2002 bis Dezember 2003 geruht hätten und von der Anklageerhebung im Mai 2005 bis zum Beginn der Hauptverhandlung im Juli 2007 weitere zwei Jahre und zwei Monate verstrichen seien. Dass der gesamte Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlungsbeginn als konventionswidrig angesehen worden ist, lässt besorgen, dass dem Angeklagten jedenfalls auch prozessual vorgesehene Handlungen und Fristen - z. B. Mitteilung der Anklageschrift mit Erklärungsfrist, § 201 StPO, Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, § 203 StPO, die der eingehenden Vorbereitung bedarf (BGH NJW 2008, 2451, 2453), Terminierung in Abstimmung möglichst mit der Verteidigung unter Einhaltung der Ladungsfrist, §§ 217, 218 StPO - zu Unrecht zugute gehalten worden sind. Dies beschwert ihn aber nicht. Jedenfalls lässt sich das Ausmaß der von dem Angeklagten gerügten Verfahrensverzögerung somit auch nicht unter Heranziehung der schriftlichen Urteilsgründe bestimmen.
b) Entgegen der Auffassung des Angeklagten hatte der Senat auch nicht von Amts wegen zu überprüfen, ob eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung gegeben ist, da der geltend gemachte Verfahrensverstoß vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist entstanden ist und der Angeklagte diesen daher ohne weiteres mit der Verfahrensrüge hätte vortragen können (vgl. BGH NStZ 2001, 52).
2. Die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung (BGH - GS - NJW 2008, 860) führt ebenfalls nicht zu einer Aufhebung des Strafausspruchs. Die Kammer hat nämlich zur Kompensation der von ihr angenommenen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung sowohl bei der Höhe der jeweiligen Einzelstrafen als auch bei der Höhe der Gesamtstrafe einen Abschlag von 20 % vorgenommen. Dieser "doppelte Rabatt" war rechtsfehlerhaft (Fischer, StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 62), indes belastet er den Angeklagten nicht. Denn wenn die Kammer ihrem Urteil die Vollstreckungslösung zugrunde gelegt hätte, wäre eine Anrechnung lediglich auf die Gesamtstrafe, aber nicht auf die Einzelstrafen vorzunehmen gewesen (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866). Der Senat schließt im vorliegenden Fall daher aus, dass der Angeklagte angesichts des von der Kammer - zu Unrecht - gewährten Umfangs der Kompensation durch die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung beschwert sein könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei nicht reduzierten Einzelstrafen von der Kammer eine höhere Gesamtstrafe als schuldangemessen angesehen worden wäre. Denn insbesondere die Einsatzstrafe hätte nicht zwei Jahre und vier Monate, sondern drei Jahre betragen.
3. Soweit der Angeklagte weiterhin rügt, dass er in den Fällen II. B 2) und 3) der Urteilsgründe wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt worden sei, obwohl ihm in der Anklage insoweit jeweils eine Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB zur Last gelegt worden sei und ihn die Kammer zuvor auch nicht auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt gemäß § 265 Abs. 2 StPO hingewiesen habe, ist die Revision ebenfalls unbegründet. Das Urteil beruht nicht auf diesem Verstoß. Es ist im Hinblick auf die Ähnlichkeit der beiden Straftatbestände auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte bei einem rechtzeitig gegebenen Hinweis anders und erfolgreicher hätte verteidigen können.
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Fundstelle(n):
EAAAD-02217
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