BFH Beschluss v. - II B 74/08

Anwendung der Sonderregelungen für die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

Gesetze: BewG § 22 Abs. 3, BewG § 129, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 4 K 437/02

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067; vom VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25; vom I B 88/07, BFH/NV 2008, 577, und vom V B 57/07, BFH/NV 2008, 611). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom X B 185/07, BFH/NV 2008, 603, und vom V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, unter III.B.1.).

Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (, BFH/NV 2008, 573, m.w.N.).

Derartige Ausführungen sind auch dann erforderlich, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht wird. In diesem Fall ist zur substantiierten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eine an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschlüsse vom II B 104/06, BFH/NV 2007, 1280, und vom II B 95/06, BFH/NV 2007, 1829, je m.w.N.). In der Beschwerdeschrift ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Vorschrift verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen (BFH-Beschlüsse vom III B 1/04, BFH/NV 2005, 1080, und vom III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081).

2. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht diesen Anforderungen.

a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wie lange die Sondervorschriften für die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet aus verfassungsrechtlicher Sicht noch anwendbar sind, wäre in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und daher auch nicht klärbar. Die Frage muss daher auf die Stichtage (Artfortschreibung) und (Wertfortschreibung), auf die die angefochtenen Feststellungsbescheide ergangen sind, bezogen werden. Im Hinblick auf diese Stichtage hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, dass die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfe.

aa) Für Grundstücke im Beitrittsgebiet gelten gemäß § 129 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) die Einheitswerte, die nach den Wertverhältnissen am festgestellt sind oder noch festgestellt werden (Einheitswerte 1935). Nach § 129 Abs. 2 BewG werden für die Ermittlung der Einheitswerte 1935 vorbehaltlich der §§ 129a bis 131 BewG statt der §§ 27, 68 bis 94 BewG u.a. bestimmte Vorschriften des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik und der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz jeweils in den in § 129 Abs. 2 BewG genannten Fassungen weiter angewandt.

Diese Regelungen sind nach ständiger Rechtsprechung trotz des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts und der dadurch verursachten erheblichen Schwierigkeiten bei der Bewertung anzuwenden (, BFHE 217, 168, BStBl II 2008, 12, m.w.N., und vom II R 59/06, BFH/NV 2008, 1124; BFH-Beschlüsse vom II B 56/05, BFH/NV 2006, 919; in BFH/NV 2007, 1280, und in BFH/NV 2007, 1829). Das BVerfG hat die gegen den Beschluss in BFH/NV 2006, 919 eingelegte Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 1 BvR 645/06 nicht zur Entscheidung angenommen.

bb) Gesichtspunkte, die eine nochmalige Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen, trägt die Klägerin nicht vor; sie macht nicht geltend, dass bezogen auf die Feststellungszeitpunkte 1. Januar der Jahre 1999 und 2001 in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung oder in der Literatur gewichtige, vom BFH bisher nicht geprüfte Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der für das Beitrittsgebiet geltenden Sonderregelungen für die Einheitsbewertung geltend gemacht würden.

b) Die Klägerin hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass die von ihr aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit des § 22 Abs. 3 BewG (Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung) im Beitrittsgebiet der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfe.

aa) § 129 Abs. 2 BewG nimmt § 22 BewG nicht von der Anwendbarkeit im Beitrittsgebiet aus. Der BFH sieht demgemäß § 22 BewG als im Beitrittsgebiet anwendbar an (, BFH/NV 2007, 1830; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1280). Die Klägerin macht nicht geltend, dass dies in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung oder in der Literatur hinsichtlich § 22 Abs. 3 BewG anders beurteilt werde. In den von der Klägerin erwähnten gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom (BStBl I 1990, 827), die durch die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden dieser Länder vom (BStBl I 1992, 371) ergänzt wurden, wird eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung im Beitrittsgebiet nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Eine derartige Abweichung von den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften könnte die Finanzverwaltung ohnehin nicht wirksam verfügen.

bb) Im Übrigen ging es bei den angefochtenen Feststellungsbescheiden (Artfortschreibung auf den und Wertfortschreibung auf den ) nicht nur um die Berichtigung von Fehlern der auf den 1. Januar der Jahre 1935 und 1939 erfolgten Art- und Wertfeststellung. Vielmehr waren nach diesen Bewertungsstichtagen tatsächliche Änderungen an dem Grundstück vorgenommen worden, die nicht zu einer Art- und/oder Wertfortschreibung geführt hatten. Insbesondere war im Jahr 1958 der gewerblich genutzte Anbau an das Hauptgebäude errichtet worden. Damit hat sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht auseinandergesetzt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 125 Nr. 2
OAAAD-01327