BFH Beschluss v. - I B 1/08

Darlegung einer Divergenz

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Arbeitslohn des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom (DBA-Frankreich) in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einbezogen werden darf.

Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren (1993 bis 1995) in Deutschland wohnten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäftsführer der deutschen D nichtselbständig tätig. Zudem arbeitete er in leitender Funktion für die F mit Sitz in Frankreich. D und F sind Tochtergesellschaften der E, deren Sitz sich ebenfalls in Frankreich befindet.

Der Kläger erhielt sein Gehalt in vollem Umfang von der D ausbezahlt. Soweit er im Interesse der F tätig war, war er bei D freigestellt. Über die auf die Tätigkeit in Frankreich entfallenden Gehaltsbestandteile rechneten D und F untereinander ab.

Die Kläger gaben für die Streitjahre Steuererklärungen ab, in denen sie keine Angaben zu steuerfreien Arbeitseinkünften machten. Die Lohnsteuerkarten des Klägers enthielten ebenfalls keine entsprechenden Eintragungen. Dementsprechend bezog der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) bei den Veranlagungen der Kläger den Arbeitslohn in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein. Die auf dieser Basis erlassenen Bescheide wurden nicht mit Rechtsbehelfen angefochten.

Im April 1997 beantragten die —nunmehr erstmals steuerlich beratenen— Kläger eine Änderung der Steuerfestsetzungen in der Weise, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit in Frankreich steuerfrei belassen werden. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die deshalb erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen ().

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe für eine Revisionszulassung liegen, soweit sie ordnungsgemäß dargelegt worden sind, nicht vor.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder wenn das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Wird auf einen dieser Gründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss dieser Grund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde können nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Zulassungsgründe berücksichtigt werden.

2. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Revision u.a. dann zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), wenn das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH in der Weise abweicht, dass es auf einem anderen Rechtssatz beruht als jene Entscheidung (, BFH/NV 2008, 76). Wird auf diesen Gesichtspunkt eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Beschwerdeführer einander widerstreitende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und der Entscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander so gegenüberstellen, dass die Abweichung erkennbar wird. Anderenfalls ist die Abweichung nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt (BFH-Beschlüsse vom IV B 139/06, BFH/NV 2008, 57; vom VIII B 209/06, BFH/NV 2008, 1165, m.w.N.).

3. Dem so beschriebenen Darlegungserfordernis haben die Kläger nicht genügt.

a) Die Kläger machen zum einen geltend, dass das angefochtene Urteil der Rechtsprechung des BFH zum „wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff” widerspreche, und in diesem Zusammenhang mehrere ihrer Ansicht nach einschlägige Entscheidungen des beschließenden Senats (u.a. , BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819; vom I R 46/03, BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547) zitiert. Doch haben sie es unterlassen, tragende Rechtssätze aus dem Urteil des FG und den angeblichen Divergenzentscheidungen einander gegenüberzustellen. Ihre Divergenzrüge ist daher nicht statthaft erhoben worden. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sie in der Sache ebenfalls unbegründet ist: Das Urteil in BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819 bezieht sich auf den hier nicht vorliegenden Fall des Arbeitnehmereinsatzes in einer auswärtigen Betriebstätte seines Arbeitgebers, und das Urteil in BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547 betrifft einen Sachverhalt, der in tatsächlicher Hinsicht —insbesondere im Hinblick auf die vom FG festgestellten Abrechnungsmodalitäten— anders gelagert war als der Streitfall.

b) Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf den Vortrag der Kläger, dass es bei der Bestimmung des „wirtschaftlichen Arbeitgebers” nicht notwendig darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer „im” aufnehmenden Unternehmen tätig werde; im Fall der konzerninternen Arbeitnehmerentsendung könne es genügen, dass die Tätigkeit „für” jenes Unternehmen erbracht und der Arbeitslohn auf dieser Basis verrechnet werde. Denn auch dazu haben die Kläger keine einander widerstreitenden abstrakten Rechtssätze benannt. Abgesehen davon widerspricht ihre Darstellung, die Bezüge des Klägers seien zwischen D und F „entsprechend der Tätigkeit für das eine oder andere Unternehmen aufgeteilt” worden, den Feststellungen des FG; danach war „das Gehalt des Klägers…neben anderen Personal- und sonstigen Kosten lediglich Kalkulationsgrundlage für die Zuordnung der Plankosten”, die sodann zwischen D und F verrechnet wurden. Auf einen vom FG nicht festgestellten Sachverhalt kann eine Divergenzrüge nicht in statthafter Weise gestützt werden.

4. Als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügen die Kläger zunächst, dass das FG seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht genügt habe. Sie haben aber nicht vorgetragen, dass und ggf. wann sie Beweisanträge gestellt haben, denen das FG nicht nachgekommen ist. Ebenso haben sie nicht erläutert, weshalb das FG verpflichtet gewesen sein könnte, den Sachverhalt von Amts wegen weiter als geschehen aufzuklären; eine solche Erläuterung wäre nicht zuletzt deshalb notwendig gewesen, weil dem FG zu dem in Rede stehenden Sachverhalt —die Art der Kostenverrechnung zwischen D und F— schriftliche Unterlagen vorgelegen haben, die es denn auch verwertet hat. Schließlich haben die Kläger nicht dargelegt, inwieweit die von ihnen vermisste weitere Sachaufklärung auf der Basis der materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer abweichenden Entscheidung hätte führen können (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom VII B 53/07, BFH/NV 2008, 817; vom IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974; vom X B 57/07, BFH/NV 2008, 1192). Angesichts dessen fehlt es insoweit ebenfalls an der gebotenen Darlegung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes.

5. Schließlich geht der Vorwurf der Kläger, das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch gegen § 96 Abs. 2 FGO verstoßen, im Ergebnis fehl. Das gilt namentlich im Hinblick auf die „Aufklärungsanordnung” der Berichterstatterin, die der Entscheidung des FG voraufgegangen ist. Darin kam zwar zum Ausdruck, dass die Berichterstatterin der Ansicht war, der Arbeitslohn des Klägers sei nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich in Deutschland teilweise steuerfrei. Nachdem das FA dieser Einschätzung widersprochen und nach wie vor die Abweisung der Klage beantragt hatte, mussten die Kläger aber damit rechnen, dass der zur Entscheidung berufene Senat des FG die Rechtslage anders beurteilen werde als zuvor die Berichterstatterin. Eines ausdrücklichen Hinweises dazu bedurfte es nicht (vgl. , BFH/NV 2008, 1180; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 119 FGO Rz 211, m.w.N.); das gilt umso mehr, als die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren fachkundig vertreten waren. Dass sie —und zwar schon vor dem Ergehen der „Aufklärungsanordnung"— auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
RAAAD-01313