BSG Urteil v. - B 1 KR 6/08 R

Leitsatz

Der seit geltende Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen Europarecht.

Gesetze: SGB V F: § 31 Abs 1 ; SGB V F: § 34 Abs 1 S 1 F; SGB V F: § 34 Abs 1 S 2 ; SGB V F: § 34 Abs 6 ; SGB V § 92 Abs 1 S 2 Nr 6; AMG J: 1976 § 48; AMVV § 1; AMRL; EWGRL 105/89 Art 6 Nr 2; EWGRL 105/89 Art 7 Nr 3; GG Art 2 Abs 1; GG Art 2 Abs 2 S 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 20 Abs 1; GG Art 20 Abs 2

Instanzenzug: SG Hannover, S 6 KR 1304/04 vom LSG Celle-Bremen, L 4 KR 171/05 vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die zukünftige Versorgung des Klägers mit dem Arzneimittel "Gelomyrtol forte" sowie die Erstattung der Kosten, die er für die Beschaffung des Mittels seit Juni 2004 aufgewendet hat.

Der im November 1934 geborene Kläger ist bei der beklagten Ersatzkasse versichert. Er leidet an einer chronischen Emphysembronchitis, die das Versorgungsamt mit einem Grad der Behinderung von 70 anerkannt hat. Deshalb verordnete ihm Vertragsarzt Dr. Brockmeyer seit 1993 regelmäßig "Gelomyrtol forte". Dieses Mittel wirkt nach Herstellerangaben schleimverflüssigend und fördert den Sekretabtransport, das Abhusten und die entzündungshemmende Wirkung. Es gehört zur Gruppe der Antitussiva/Expektorantia. Zum schloss der Gesetzgeber grundsätzlich nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie "Gelomyrtol forte" von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus. Deshalb und weil es auch nicht in der Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) unter den Ausnahmen nach § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V aufgeführt ist, verordnete Dr. Brockmeyer ab Januar 2004 das Mittel nicht mehr, hielt aber aus hausärztlicher Sicht eine Weiterbehandlung hiermit für sinnvoll und notwendig. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom ab, Kosten für "Gelomyrtol forte" zu übernehmen (Bescheide vom 19.6. und ; Widerspruchsbescheid vom ). Sie verwies darauf, dass es nicht in der Ausnahmeliste der AMRL zu § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V enthalten sei. Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Therapie mit "Gelomyrtol forte" sei für ihn mit monatlichen Kosten in Höhe von 28,80 Euro verbunden. Wäre es eine GKV-Leistung, hätte er hiervon nur die Zuzahlung von 5 Euro zu tragen. Die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel und speziell von "Gelomyrtol forte" ab sei verfassungs- und europarechtswidrig. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat es als gesetzes-, verfassungs- und europarechtskonform angesehen, dass der Kläger die Kosten seiner Behandlung mit "Gelomyrtol forte" seit Juni 2004 nicht mehr beanspruchen könne (Beschluss vom ).

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV gemäß § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), dass chronisch kranke Versicherte von der GKV nur verschreibungspflichtige, nicht aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als Dauermedikation bekämen. § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V sei auch unvereinbar mit Art 7 Nr 3 der Transparenz-Richtlinie (Richtlinie Nr 89/105/EWG des Rates vom , ABl 1989, L 40, 8). Entsprechend einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Sch bemesse sich die Anordnung der Verschreibungspflicht eines Arzneimittels allein nach Kriterien der Arzneimittelsicherheit, namentlich nach der Eignung für die Selbstmedikation. Es fehle jeglicher Legitimationszusammenhang zu der Frage, wer die Kosten der Arzneimitteltherapie zu tragen habe. Die Chronikerregelung im Rahmen des § 62 Abs 1 SGB V belege, dass der Gesetzgeber auch im Bereich der GKV zu differenzierenden Regelungen in der Lage sei. Im Übrigen habe der Gesetzgeber missachtet, dass nach Art 7 Nr 3 Transparenz-Richtlinie Entscheidungen, durch die Arzneimittel aus einem mitgliedstaatlichen Krankenversicherungssystem ausgeschlossen werden, eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten müssten und der zuständigen Person ggf mit Angaben der zugrunde liegenden Sachverständigenäußerungen und unter Belehrung über Rechtsmittel mitzuteilen seien. Diesen Anforderungen genüge die Regelungskonstruktion des § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm § 48 Arzneimittelgesetz (AMG) nicht. Das Gesetz schreibe weder eine Begründung noch eine Rechtsmittelbelehrung oder Zustellung der Rechtsverordnung über die Verschreibungspflicht an die betroffenen Firmen vor. Eine Anfechtungsklage gegen die Rechtsverordnung sei nicht möglich. Entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ( - Pohl-Boskamp, EuGHE I 2006, 10611) sei die Transparenz-Richtlinie unmittelbar anzuwenden. Richtlinienwidrige Bestimmungen des nationalen Rechts dürften nicht zu Lasten des Einzelnen angewendet werden. Bei Auslegungszweifeln sei der EuGH gemäß Art 234 EG-Vertrag (EG) im Vorabentscheidungsverfahren anzurufen.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Juni und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die seit Juni 2004 dem Kläger entstandenen Kosten für die Behandlung mit Gelomyrtol forte abzüglich zu leistender Zuzahlungen zu erstatten sowie künftig mit dem Arzneimittel Gelomyrtol forte aufgrund ärztlicher Verordnung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Beklagte hat es rechtmäßig abgelehnt, dem Kläger ab Juni 2004 entstandene Kosten für die Versorgung mit "Gelomyrtol forte" zu erstatten und ihn zukünftig mit diesem Arzneimittel auf ärztliche Verordnung hin zu versorgen. Die gesetzlichen Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs auf Versorgung mit "Gelomyrtol forte" sind nicht erfüllt. Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV verstößt weder gegen das GG noch gegen Europarecht.

1. Der Senat sieht davon ab, das Verfahren an das LSG zurückzuverweisen, obwohl der streitbefangene Kostenerstattungsanspruch unbeziffert ist und die Tatsacheninstanzen nicht auf die insoweit erforderliche Konkretisierung des Antrags und die Ergänzung des Tatsachenvortrags hingewirkt haben (§§ 106 Abs 1, 112 Abs 2, 153 Abs 1 SGG; vgl BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 10 f; Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom - B 1 KR 16/07 R -SozR 4-2500 § 31 Nr 9 RdNr 12 mwN - Lorenzos Öl, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen).

2. Sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit als auch der Anspruch auf Versorgung oder Kostenfreistellung für die Zukunft reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen (KKn) allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 14 - Brachytherapie; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, jeweils RdNr 11 mwN - LITT; - RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit "Gelomyrtol forte" abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung hat der Kläger jedoch nicht, weil dieses Mittel nicht zum Leistungskatalog der GKV gehört. Es handelt sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, für das kein Ausnahmetatbestand eingreift.

Nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 22 Buchst a Doppelbuchst aa des GKV-Modernisierungsgesetzes <GMG> vom , BGBl I 2190, in Kraft getreten am ) sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der GBA legt in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V (AMRL) erstmals bis zum fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die Regelung gilt nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs 1 Satz 5 SGB V). Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG, die der Kläger nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffen hat, sind die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Verordnung von "Gelomyrtol forte" zu Lasten der GKV nicht erfüllt. Das LSG hat insoweit darauf verwiesen, dass entweder die konkrete Erkrankung des Klägers nicht schwerwiegend sei oder - was wesentlich näher liegt, aber hier keiner Vertiefung bedarf - dass "Gelomyrtol forte" nicht zum Therapiestandard gehöre.

3. Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Er ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (dazu a) und den Grundrechten aus Art 2 Abs 2 und 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar (dazu b).

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 mwN; BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3, stRspr). Daran fehlt es.

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV begründet zwar eine Ungleichbehandlung: Versicherte, die zur Behandlung einer Krankheit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bedürfen, müssen diese Arzneimittel selbst bezahlen. Demgegenüber trägt die GKV die Kosten verschreibungspflichtiger Arzneimittel für ihre Versicherten abzüglich der gesetzlich geregelten Zuzahlungen, soweit die gesetzlichen und untergesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Versorgung mit Arzneimitteln nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V erfüllt sind.

Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Das Gewicht der Ungleichbehandlung ist beschränkt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bereits vor dem in den Apotheken überwiegend ohne Rezept abgegeben wurden. Es handelte sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung. Der Gesetzgeber hat deshalb die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV für den einzelnen Versicherten als sozial vertretbar angesehen (vgl insgesamt Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines GMG, BT-Drucks 15/1525 S 86 zu Nr 22 zu Buchst a zu Doppelbuchst aa).

Zusätzlich hat der Gesetzgeber die Regelung abgemildert. Vertragsärzte können nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise dann verordnen, wenn sie als Standardtherapie zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung medizinisch notwendig sind, soweit dies in den AMRL vorgesehen ist (§ 34 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die Beschränkung des § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V gilt nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs 1 Satz 5 SGB V), um die besonderen Belange von Familien mit Kindern zu berücksichtigen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 86). Vor diesem Hintergrund verfängt auch der Hinweis des Klägers auf die Ungleichbehandlung bei chronisch kranken Menschen nicht. Arzneimittel, die als Standardtherapie zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung medizinisch notwendig sind, werden durch die AMRL in den Leistungskatalog der GKV einbezogen. Weniger bedeutsame Arzneimittel - wie "Gelomyrtol forte" für den Kläger - hat der Gesetzgeber dagegen aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen. Er konzentriert die Leistungen insoweit auf das bei schwerwiegenden Erkrankungen medizinisch Notwendige.

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV beruht auf Sachgründen. Die Regelungen über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (§ 48 AMG iVm § 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung) dienen dem Schutz der Bevölkerung. Sie sollen sicherstellen, dass Arzneimittel, die gesundheitliche Risiken in sich bergen, nur über diejenigen Heilpersonen zur Anwendung kommen, die ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Gegenanzeigen und sonstigen Gefahren genau kennen (vgl - USK 85197; nachgehend - ebenfalls auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung abstellend - BVerfG SozR 5583 § 7 Nr 1). In der Zusammenschau sind die Möglichkeit, sich ohne ärztliche Verschreibung die Arzneimittel selbst zu verschaffen, der typischerweise geringere Preis und damit die Zumutbarkeit, die entsprechenden Kosten selbst zu tragen, hinreichende sachliche Anknüpfungspunkte für die Entscheidung des Gesetzgebers.

Die GKV beruht zwar auf dem Grundkonzept, dass die Versicherten bei Eintritt von Krankheit unabhängig von der Höhe ihrer Beiträge eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung erhalten (vgl BVerfG, Nichtannahmebeschluss 1. Senat 2. Kammer vom - 1 BvR 1778/05 - RdNr 3; BVerfGE 115, 25, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB V; vgl BVerfGE 115, 25, 45 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 26).

Der Leistungskatalog der GKV darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein (vgl BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 26, 30 = SozR 2200 § 376d Nr 1). Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4; BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27; s auch - SozR 4-2500 § 62 Nr 6 RdNr 14 mwN). Die gesetzlichen KKn sind nicht von Verfassungswegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27; BVerfG NJW 1997, 3085; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, jeweils RdNr 29 mwN).

Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den GBA beauftragt hat, in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (vgl zur Zulässigkeit der Regelung durch Richtlinien des GBA zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12 RdNr 14 f mwN, stRspr). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Nichts anderes gilt für die Abgrenzung des Pharmakotherapiestandards für schwerwiegende Erkrankungen durch die AMRL.

b) Auch im Übrigen ist die Leistungsbegrenzung in § 34 Abs 1 SGB V verfassungsgemäß. Insbesondere verletzt sie weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 Satz 1 GG) noch das Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl dazu BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 21, 24). Denn der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, den Bereich der Eigenvorsorge zu umreißen, wie bereits in Zusammenhang mit Art 3 Abs 1 GG dargelegt.

4. Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verletzung europäischen Rechts berufen, insbesondere nicht auf einen Verstoß der gesetzlichen Regelung gegen die Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom (EWG-RL) betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihrer Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (sog Transparenz-Richtlinie; ABl EG L vom , 40, 8). Zu Recht stützt sich der Kläger von vornherein nicht darauf, dass § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V (idF des GMG; inzwischen an Art 6 Nr 2 EWG-RL 89/105 angepasst durch § 34 Abs 6 SGB V idF durch Art 1 Nr 17a Buchst b GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom BGBl I 378 mit Wirkung vom ) nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGHE I 2006, 10611, RdNr 44 - Pohl-Boskamp) Art 6 Nr 2 EWG-RL 89/105 verletzte. Denn diese Regelung der Transparenz-Richtlinie räumt lediglich den Arzneimittelherstellern ein Recht auf eine mit einer Begründung und einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Entscheidung ein. Versicherte sind hierdurch indes nicht begünstigt.

Entgegen der Ansicht des Klägers unterfällt der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV nicht Art 7 Transparenz-Richtlinie. Die Norm regelt Anforderungen für den Fall, dass die "zuständigen Behörden" eines Mitgliedstaats ermächtigt sind, Entscheidungen zu treffen, durch die bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelkategorien von ihrem staatlichen Krankenversicherungssystem ausgeschlossen werden (Negativlisten). Dann muss nach Art 7 Nr 3 EWG-RL 89/105 eine Entscheidung, ein einzelnes Arzneimittel von dem staatlichen Krankenversicherungssystem auszuschließen, eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Sie ist der zuständigen Person ggf mit Angabe zugrunde liegender Stellungnahmen oder Empfehlungen von Sachverständigen und unter Belehrung über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen mitzuteilen.

Um einen Ausschluss von Arzneimittelkategorien durch "behördliche Entscheidung" geht es vorliegend indes nicht. Denn der Gesetzgeber hat in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Verschreibungspflicht in einer Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 48 AMG geregelt ist. Die Regelung der Verschreibungspflicht ist gemeinschaftsrechtskonform und deshalb vom EuGH selbst als Anknüpfungspunkt für Differenzierungen zugrunde gelegt worden (vgl EuGHE I 2003, 14887 - DocMorris RdNr 112 ff). Dies harmoniert schließlich mit der Rechtsprechung des EuGH (vgl insbesondere EuGHE I 2006, 10611 - Pohl-Boskamp RdNr 35). Denn der EuGH hat - ausgehend vom gesetzlichen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von den Leistungen der GKV - die Ausnahmeentscheidungen des GBA unter Art 6 Nr 2 der Transparenz-Richtlinie subsumiert, nicht aber unter deren Art 7. Ein Verstoß gegen Primärrecht kommt hiernach unter Berücksichtigung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit (vgl hierzu und zu den Grenzen zuletzt - RdNr 42 ff, mwN zur Rspr des EuGH, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen -Doc Morris) nicht in Betracht.

Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art 234 EG an den EuGH bedarf es wegen der klaren Rechtslage nicht. Der Kläger unterstellt zudem unzutreffend, Art 7 der Transparenz Richtlinie sei anzuwenden. Wie jedoch dargelegt, bestehen auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des EuGH keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung von Europarecht im hier betroffenen Bereich mehr (vgl hierzu allgemein zB EuGHE 1982, 3415, 3430 - C.I.L.F.I.T.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
XAAAD-01256