Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2; BVerfGG § 92; BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3; GG Art. 14; GG Art. 25; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 100 Abs. 2; EGBGB Art. 6; EGBGB Art. 28 Abs. 2 Satz 1; IGH-Statut Art. 38 Abs. 1 Buchst. c
Instanzenzug: BGH, XI ZR 122/06 vom OLG Frankfurt am Main, 4 U 153/02 vom LG Frankfurt am Main, 2-26 O 95-95 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine unterbliebene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Frage nach der Existenz einer allgemeinen Regel des Völkerrechts über die Belegenheit von Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten.
I.
Das Ausgangsverfahren betrifft Forderungen des Klägers, eines aus Bosnien stammenden deutschen Staatsangehörigen, aus Devisensparverträgen gegen die Beschwerdeführerin, eine Bank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft slowenischen Rechts.
1. a) Die Beschwerdeführerin ist Rechtsnachfolgerin einer in der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) gegründeten Bank mit Sitz in Slowenien, die im Zuge einer Reform des jugoslawischen Bankensystems im Dezember 1989 von sogenannten Grundbanken gegründet wurde, die in mehreren jugoslawischen Teilrepubliken tätig waren. Diese Grundbanken verloren nach der Gründung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin ihre Selbständigkeit und traten fortan als unselbständige Filialen derselben auf. Im Ausgangsverfahren verlangte der Kläger die Auszahlung der Guthaben aus mehreren Devisensparverträgen, die zwischen 1987 und 1992 bei der in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina tätigen Grundbank bzw. späteren Filiale geschlossen wurden.
b) Da der Verbleib der bei der jugoslawischen Nationalbank von den einzelnen jugoslawischen Banken, einschließlich der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin hinterlegten Devisen nach dem Zerfall der SFRJ ungeklärt ist, wurden in den aus der SFRJ hervorgegangenen Staaten zunächst keine Guthaben aus Devisensparverträgen ausgezahlt. Nachdem auch eine Einigung darüber, wer die Haftung für die in der jugoslawischen Nationalbank hinterlegten Devisen übernimmt, nicht zustande kam, wurden unterschiedliche Maßnahmen zur Lösung der Haftungsfrage ergriffen. In Slowenien behielt die Beschwerdeführerin sowohl potentielle Forderungen gegen die ehemalige jugoslawische Nationalbank als auch ihre Verbindlichkeiten aus Devisensparverträgen bei (Art. 22b des Verfassungsgesetzes zur Vollziehung der Grundverfassungsurkunde über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien - Verfassungsergänzungsgesetz; Amtsblatt der Republik Slowenien No. 45 /I vom ). In Bosnien-Herzegowina hingegen gingen die Finanzmittel, Rechte und Pflichten der Filiale der Beschwerdeführerin durch Beschluss der Regierung vom Juli 1993 auf eine neu gegründete Bank über. Durch einen erneuten Beschluss der Regierung von Bosnien-Herzegowina vom Juli 2002 wurde dieser Beschluss wieder aufgehoben; die neu gegründete Bank wurde im April 2004 aus dem Handelsregister des zuständigen Gerichts gelöscht.
2. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren durch Urteil vom zur Auszahlung des Guthabens aus den Devisensparverträgen. Es begründete dies vorwiegend damit, dass die Beschwerdeführerin nach Art. 22b des Verfassungsergänzungsgesetzes Schuldnerin der Forderungen des Klägers aus den Devisensparverträgen geblieben sei. Eine andere Auslegung des slowenischen Rechts würde gegen Art. 6 EGBGB in Verbindung mit Art. 14 GG verstoßen mit der Folge, dass slowenisches Recht nicht zur Anwendung käme. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom im Wesentlichen zurück (- 4 U 153/02 -; JURIS). Die Beschwerdeführerin sei nach dem nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB anwendbaren jugoslawischen Recht Schuldnerin der Forderungen geworden. Diese Stellung habe die Beschwerdeführerin auch nicht als Folge des Beschlusses der Regierung von Bosnien-Herzegowina vom Juni 1993 verloren. Dieser Beschluss habe darauf gezielt, der Beschwerdeführerin alle auf dem Gebiet Bosnien-Herzegowinas belegenen Vermögenswerte und dem Kläger des Ausgangsverfahrens einen im Ausland ansässigen Schuldner zu entziehen. Für die Frage, ob der Staat Bosnien-Herzegowina die Befugnis zu einem solchen Schuldnerwechsel gehabt habe, seien die Grundsätze des Völkerrechts und des jeweiligen Internationalen Privatrechts über die Wirkung extraterritorialer Enteignungen anzuwenden.
Nach dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip sei die Wirksamkeit einer staatlichen Enteignungsmaßnahme beschränkt auf das Territorium des enteignenden Staates. Jeder Staat sei beim Erlass von Hoheitsakten auf das eigene Staatsgebiet beschränkt. Dem Zugriff staatlicher Hoheitsakte unterlägen deshalb nur diejenigen Vermögensbestandteile, die sich im Machtbereich des Staates befänden, der den Hoheitsakt erlassen habe. Liege ein Vermögensbestandteil außerhalb des Gebietes des enteignenden Staates, bleibe die enteignende Maßnahme wirkungslos, sofern nicht der Staat, in dessen Gebiet das Vermögen sich befinde, sie anerkenne.
Die Regierung von Bosnien-Herzegowina habe dem Kläger nicht durch den Beschluss vom Juni 1993 die Beschwerdeführerin als Schuldnerin entziehen können, weil seine Forderungen im völkerrechtlichen Sinne zu diesem Zeitpunkt nicht im Staatsgebiet Bosnien-Herzegowinas belegen gewesen seien. Eine Forderung als Vermögenswert sei nach überwiegend vertretener Auffassung an dem Ort belegen, an dem der Schuldner zum Zeitpunkt der Enteignungsmaßnahme seinen Wohnsitz habe. Der Grund hierfür liege darin, dass der Staat, in dem der Schuldner seinen Sitz habe, die Macht besitze, die Forderung gegen ihn im Vollstreckungsweg durchzusetzen. Eine Ausnahme davon gelte entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht für Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidungen deutscher und ausländischer Gerichte zur Geltung des sogenannten Filialdeckungsprinzips, nach dem solche Forderungen am Ort der Zweigniederlassung, wo sie begründet worden seien, belegen seien, beträfen allein die nationalen Anerkennungsvoraussetzungen dieser Länder. Für das Völkergewohnheitsrecht sei die Geltung einer solchen Ausnahme nicht anerkannt. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Entscheidung dieser Frage an das Bundesverfassungsgericht sei nicht geboten.
Slowenien habe die hoheitlichen Wirkungen des Beschlusses der Regierung von Bosnien-Herzegowina vom Juni 1993 für sein Staatsgebiet auch nicht anerkannt. Mit dem Verfassungsergänzungsgesetz habe Slowenien gerade nicht den Weg der Anerkennung der Enteignung der Filialen der Beschwerdeführerin in anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken beschritten. Wäre eine Anerkennung der Übertragung der Verbindlichkeiten auf die in Bosnien-Herzegowina neu gegründete Bank gewollt gewesen, hätte keine Veranlassung bestanden, die entsprechenden Forderungen gegen die ehemalige jugoslawische Nationalbank bei der Beschwerdeführerin in Slowenien zu belassen.
Aus diesem Grund könne offen bleiben, ob die Wirkungen des Beschlusses durch den späteren Beschluss der Regierung von Bosnien-Herzegowina vom Juli 2002 oder die im April 2004 erfolgte Löschung der neu gegründeten Bank im Handelsregister des zuständigen Gerichts rückgängig gemacht worden seien.
Die Revision ließ das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nicht zu.
3. Die daraufhin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der zurück. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG zur Existenz der von der Beschwerdeführerin behaupteten Regel des Völkergewohnheitsrechts bedürfe es mangels hinreichender Anhaltspunkte für die Existenz einer solchen Regel nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht.
II.
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen im Wesentlichen in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und der Bundesgerichtshof hätten im Widerspruch zur Alleinzuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Verifikation des von den deutschen Gerichten anzuwendenden Völkergewohnheitsrechts ihre Entscheidungen auf eine angebliche völkergewohnheitsrechtliche Regel gestützt, nach der Forderungen auf Auszahlung aus Bankkonten am Sitz des Schuldners und nicht am Sitz der kontoführenden Filiale belegen seien.
Beide Gerichte seien zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG verpflichtet gewesen. Bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gelte, seien sie auf ernstzunehmende Zweifel in Rechtsprechung und Literatur gestoßen. Die Beschwerdeführerin habe mit zahlreichen Beispielen aus Literatur und Rechtsprechung die Existenz der völkergewohnheitsrechtlichen Regel belegt, wonach Forderungen auf Auszahlung aus Bankkonten als in dem Staat belegen anzusehen seien, in dem die Konten geführt werden, und zwar auch dann, wenn der Schuldner in einem anderen Staat seinen Sitz habe. Die Belegenheit der streitgegenständlichen Forderungen sei auch entscheidungserheblich gewesen, zum einen für die Passivlegitimation der Beschwerdeführerin und zum anderen für die Frage, ob der von der Regierung von Bosnien-Herzegowina verfügte Schuldnerwechsel nach dem Territorialitätsprinzip auch von ausländischen Gerichten anzuerkennen sei.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main richtet, mangels einer den Anforderungen von § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügenden Begründung einer Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin unzulässig und im Übrigen unbegründet. Die Beschwerdeführerin wurde durch die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und des Bundesgerichtshofs nicht durch eine unterbliebene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Völkerrechtsverifikation in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter auch durch eine unterbliebene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG verletzt werden kann (vgl. BVerfGE 64, 1 <12 f.>; 96, 68 <77>).
2. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und der Bundesgerichtshof waren jedoch nicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Bestimmung der Existenz einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, nach der Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten am Sitz der kontoführenden Filiale der Bank belegen seien, verpflichtet. Eine solche Vorlage wäre unzulässig gewesen, weil Zweifel hinsichtlich der Existenz einer solchen allgemeinen Regel des Völkerrechts nicht bestanden.
a) Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und der Bundesgerichtshof sind bei der Prüfung der Frage, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts besteht, nach der Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten am Sitz der kontoführenden Filiale der Bank belegen seien, nicht auf objektive Zweifel gestoßen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG bereits dann geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben (vgl. BVerfGE 23, 288 <316>; 64, 1 <14 f.>; 75, 1 <11>; 96, 68 <77>). Nicht das erkennende Gericht, sondern nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis, vorhandene Zweifel selbst aufzuklären. Ernstzunehmende Zweifel bestehen schon dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abweichen würde (vgl. BVerfGE 23, 288 <319>; 96, 68 <77>).
bb) Solche ernstzunehmenden Zweifel hat die Beschwerdeführerin nicht angeführt. Zwar hat sie in ihren Schriftsätzen auf mehrere Entscheidungen hoher deutscher, britischer, französischer und US-amerikanischer Gerichte Bezug genommen (vgl. beispielsweise RGZ 108, 210 <211>; Cour d'appel de Paris, Karagoulian c. Banque Russe pour le Commerce et l'Industrie, Urteil vom , Journal du droit international 55 <1928>, S. 131 <131>; New York Supreme Court, New York County, Manas y Pineiro v. Chase Manhattan Bank, Urteil vom , ILR 66 <1984>, S. 399 <403>). Sie hat ihre Rechtsauffassung außerdem auf rechtswissenschaftliche Literatur gestützt (vgl. beispielsweise Ulmer, Die steckengebliebene Banküberweisung, SJZ 1947, S. 239 <243>; Seidl-Hohenveldern, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht, 1952, S. 94 f.; Logan/Kantor, Deposits at Expropriated Foreign Branches of U.S. Banks, University of Illinois Law Review 1982, S. 333 <335 f.>). Allerdings begründen weder die Gerichtsentscheidungen noch die angeführten Literaturangaben eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten am Sitz der kontoführenden Filiale der Bank belegen seien. Sie weisen lediglich nach, dass das internationale Enteignungs- und Konfiskationsrecht verschiedener Staaten für die Belegenheit von Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten auf den Sitz der kontoführenden Filiale und nicht auf den Sitz der Hauptniederlassung der Bank abgestellt haben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die von der Beschwerdeführerin zitierten Gerichtsentscheidungen allein die innerstaatlichen Voraussetzungen der Anerkennung von Enteignungen beträfen. Auch der Bundesgerichtshof hat zu Recht darauf abgestellt, dass keine Anhaltspunkte für die völkerrechtsgewohnheitsrechtliche Geltung eines Filialdeckungsprinzips bestünden.
(1) Bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gemäß Art. 25 GG handelt es sich in erster Linie um universell geltendes Völkergewohnheitsrecht, ergänzt durch anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze (vgl. BVerfGE 15, 25 <32 ff.>; 16, 27 <33>; 23, 288 <317>; 109, 13 <27>; 118, 124 <134>). Völkergewohnheitsrecht ist der Brauch, hinter dem die Überzeugung rechtlicher Verpflichtung steht ("usage generally accepted as expressing principles of law", so die Formulierung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, Lotus Case, PCIJ Series A 10 <1927>, 18; ausführlich zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, 2. Aufl. 1989, S. 56 ff. m.w.N.). Seine Entstehung ist demnach an zwei Voraussetzungen geknüpft: erstens an das zeitlich andauernde und möglichst einheitliche Verhalten unter weit gestreuter und repräsentativer Beteiligung von Staaten und anderen, rechtssetzungsbefugten Völkerrechtssubjekten; zweitens an die hinter dieser Übung stehende Auffassung, "im Rahmen des völkerrechtlich Gebotenen und Erlaubten oder Notwendigen zu handeln" (opinio iuris sive necessitatis, vgl. BVerfGE 66, 39 <64 f.>; 96, 68 <86 f.>). Allgemeine Rechtsgrundsätze sind anerkannte Rechtsprinzipien, die übereinstimmend in den innerstaatlichen Rechtsordnungen zu finden und auf den zwischenstaatlichen Verkehr übertragbar sind (vgl. Ipsen <Hrsg.>, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, S. 231 f.; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm <Hrsg.>, The Statute of the International Court of Justice, 2007, Art. 38 ICJ Statute Rn. 249 ff. m.w.N.).
(2) Im Gegensatz zum Völkerrecht ist das Internationale Enteignungs- und Konfiskationsrecht als Teilgebiet des Internationalen Privatrechts innerstaatliches Recht. Allgemeine Regeln des Völkerrechts können den Staaten bei der Ausgestaltung und Anwendung ihres Internationalen Privatrechts lediglich Grenzen setzen (vgl. Ständiger Internationaler Gerichtshof, Serbian and Brazilian Loans Cases, PCIJ Series A 20/21 <1929>, 41; Dahm/Delbrück/Wolfrum, a.a.O., S. 323). Grundsätzlich kann sich auch aus dem Internationalen Privatrecht heraus eine das Internationale Privatrecht begrenzende allgemeine Regel des Völkerrechts bilden. Wegen der innerstaatlichen Natur des Internationalen Privatrechts werden jedoch objektive Zweifel am Bestehen einer solchen allgemeinen Regel des Völkerrechts nicht bereits dadurch geweckt, dass das Filialdeckungsprinzip durch die Zusammenschau mehrerer Entscheidungen hoher deutscher und ausländischer Gerichte und der Auswertung einschlägiger rechtswissenschaftlicher Literatur als ein in mehreren Staaten übereinstimmender Grundsatz des Internationalen Enteignungs- und Konfiskationsrechts dargestellt wird (vgl. Verzijl, The Relevance of Public and of Private International Law Respectively for the Solution of Problems Arising from Nationalization of Enterprises, ZaöRV 18 <1958>, S. 531 <533>).
(a) Übereinstimmende Grundsätze des Internationalen Privatrechts stellen keine allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Buchstabe c IGH-Statut dar (vgl. Meessen, Kollisionsrecht als Bestandteil des allgemeinen Völkerrechts: Völkerrechtliches Minimum und kollisionsrechtliches Optimum, in: Flume <Hrsg.>, Internationales Recht und Wirtschaftsordnung, Festschrift für F. A. Mann, 1977, S. 227 <229 f.>).
(b) Übereinstimmende Grundsätze des Internationalen Privatrechts können allerdings völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangen. Hierzu muss nachgewiesen werden, dass in der dargestellten Übereinstimmung eine Staatenpraxis zu sehen ist, die als völkerrechtlich geboten und verbindlich betrachtet wird (vgl. Meessen, a.a.O, S. 230). Dieser Nachweis gelingt nur selten (vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, S. 15). In der einschlägigen Literatur wird das Bestehen völkergewohnheitsrechtlicher Grenzen des Internationalen Privatrechts daher insgesamt als gering eingeschätzt (vgl. Kegel/Schurig, a.a.O.) oder skeptisch gesehen (vgl. von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, 2. Aufl. 2003, S. 110 f.).
Da die völkergewohnheitsrechtliche Geltung übereinstimmender Grundsätze des Internationalen Privatrechts aus diesem Grund nur ausnahmsweise gegeben ist, konnten die von der Beschwerdeführerin zitierten Gerichtsentscheidungen und angeführte rechtswissenschaftliche Literatur ohne weitere Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des Völkergewohnheitsrechts keine objektiven Zweifel an dem Bestehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des Filialdeckungsprinzips wecken. Es ist bereits fraglich, ob darin ein zeitlich andauerndes und möglichst einheitliches Verhalten unter weit gestreuter und repräsentativer Beteiligung von Staaten erkannt werden kann. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Gerichtsentscheidungen sind überwiegend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ergangen und berücksichtigen nur vier Staaten. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin keine die Gerichtsentscheidungen begleitende Rechtsüberzeugung. Die von der Beschwerdeführerin zitierte rechtswissenschaftliche Literatur, die die Rechtsprechung verschiedener Staaten auswertet, entstammt dem Internationalen Privatrecht und geht nicht auf eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Filialdeckungsprinzips ein.
b) Nachdem die Beschwerdeführerin keine ernstzunehmenden Zweifel an der Existenz einer allgemeinen Regel des Völkerrechts aufgezeigt hat, nach der Forderungen auf Auszahlung von Bankkonten am Sitz der kontoführenden Filiale der Bank belegen seien, war ihre Klärung auch nicht entscheidungserheblich. Es kann deshalb dahinstehen, welche Rechtswirkungen sich aus dem erneuten, den Beschluss vom Juli 1993 aufhebenden Beschluss der Regierung von Bosnien-Herzegowina vom Juli 2002 und der im April 2004 erfolgten Löschung der neu gegründeten Bank in dem Handelsregister des zuständigen Gerichts ergeben.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Fundstelle(n):
WM 2008 S. 2035 Nr. 43
KAAAC-95123