Umsatzsteuerliche Beurteilung des Haltens eines Rennpferdes
Leitsatz
1. Aufwendungseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1991/1993 setzt nicht voraus, dass die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Aufwendungen im Rahmen eines andere Zwecke verfolgenden Unternehmens getätigt werden.
2. Das Halten von Rennpferden aus Repräsentationsgründen ist ein ähnlicher Zweck i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG.
3. Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG ist nur derjenige, der eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt.
Gesetze: UStG 1991/1993 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. cUStG 1991/1993 § 2 Abs. 1EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 1 und 2Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 6
Instanzenzug: (EFG 2007, 547) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR mit vier Gesellschaftern, die im Jahr 1991 zum Kauf eines Rennpferdes gegründet wurde. Im September 1995 erwarb sie ein zweites Rennpferd. Die Rennpferde wurden in einem Rennstall in D untergebracht, ausgebildet und trainiert. Einkommensteuerrechtlich lag unstreitig eine sog. Liebhaberei vor.
Durch die Beteiligung an Pferderennen erhielt die Klägerin Rennpreise von mehreren Rennvereinen. Sie sah das Halten der Rennpferde als eine unternehmerische Tätigkeit an und gab für die Streitjahre 1991 bis 1995 Umsatzsteuererklärungen ab, in denen sie jeweils einen Vorsteuerüberschuss auswies.
Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, dass die Aufwendungen für die Ausbildung und Pflege der Rennpferde sowie deren Teilnahme an Pferderennen unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fielen und dementsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG) erfüllt sei.
Die von der Klägerin u.a. unter Bezug auf das nicht amtlich veröffentlichte Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom IV D 1 -S 7303a- 5/00 (Deutsches Steuerrecht —DStR— 2000, 1264) erhobene Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2007, 547).
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien Aufwendungen für sportliche und unterhaltende Zwecke —insbesondere für Reiten— grundsätzlich unter § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG zu subsumieren. Es komme nicht darauf an, ob der Freizeitgegenstand oder die Freizeittätigkeit neben einen anderweitigen Betriebsgegenstand trete (, BFHE 167, 221). Diese Auslegung entspreche auch Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Im Übrigen wäre der Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung verletzt, wenn z.B. Pferdezüchter, die die Zuchtverluste mit Gewinnen aus ihrem Gewerbebetrieb finanzierten, dem Aufwendungseigenverbrauch unterlägen, nicht aber solche Züchter, die eine Pferdezucht in der Form einer GbR betrieben und nach Auffassung der Vorinstanz in den vollen Genuss des Vorsteuerabzugs kämen. Auf die und 5 K 2714/95 U (juris) werde Bezug genommen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA aus den im FG-Urteil genannten Gründen als unbegründet zurückzuweisen.
Der streitgegenständliche Sachverhalt werde entgegen der Auffassung des FA vom BMF-Schreiben in DStR 2000, 1264 erfasst, das nur das Halten von Reitpferden als „ähnlichen Zweck” ansehe. Im Streitfall gehe es um „Rennsportpferde”, die von ihren Gesellschaftern nicht geritten würden. Sie dienten daher nicht der sportlichen Betätigung, der Unterhaltung der Geschäftsfreunde oder der Freizeitgestaltung. Weder das UStG noch das Gemeinschaftsrecht kenne einen Liebhabereitatbestand. Den vom FA angeführten Urteilen des FG Düsseldorf liege ein pragmatischer Einigungsvorschlag des Gerichts, jedoch keine abweichende Rechtsauffassung zugrunde. Der Hinweis des FA auf Pferdezüchter liege neben der Sache, weil sie weder eine Pferdezucht noch eine allgemeine Pferdehaltung betreibe. Sie sei eine GbR, die losgelöst von der Einkommenssituation ihrer Gesellschafter Rennpferde erworben und mit diesen Rennen bestritten habe.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Auffassung des FG ist die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht deswegen ausgeschlossen, weil sich die Tätigkeit der Klägerin auf das Halten zunächst eines und ab 1995 zweier Rennpferde und deren Beteiligung an Pferderennen beschränkte.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung liegt Eigenverbrauch u.a. vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Diese Vorschrift steht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-280/04 —Jyske Finans—, Slg. 2005, I-10683; , BFHE 186, 454, BStBl II 1999, 104).
a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG unterliegen dem Abzugsverbot Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen (sog. Repräsentationsaufwand). Das gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht, wenn diese Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind. Der Ausnahmetatbestand greift im Streitfall nicht, weil die Klägerin unstreitig keine Gewinnerzielungsabsicht hatte.
b) Der Aufwendungseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG setzt nicht voraus, dass die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Aufwendungen im Rahmen eines andere Zwecke verfolgenden Unternehmens getätigt wurden. Dies lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Es ist dem FG zwar einzuräumen, dass die genannten Aufwendungen in der Regel im Rahmen von Betrieben getätigt werden, die sich nicht auf den Unterhalt von Jagden, Fischereigewässern, Jachten oder ähnliche Zwecke beschränken und einkommensteuerrechtlich bei sog. Liebhabereibetrieben für das Abzugsverbot rechtssystematisch kein Raum mehr ist, weil die Steuerpflichtigen keine Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 EStG erzielen.
Für das umsatzsteuerrechtliche Abzugsverbot ist die einkommensteuerliche Behandlung jedoch irrelevant. Maßgeblich ist, ob der Aufwand seiner Art nach von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG erfasst wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 221). In diesem Sinn hat der BFH in ständiger Rechtsprechung unter der Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige „Unternehmer” i.S. des § 2 Abs. 1 UStG war, § 4 Abs. 5 EStG auch dann für anwendbar gehalten, wenn das streitige Unternehmen ausschließlich Repräsentationsaufwand tätigte (vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 221: Fachschullehrer veranstaltete Segeltörns; vom V R 9/00, BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76: Vermietung einer Segeljacht; in BFHE 186, 454, BStBl II 1999, 104: organisatorisch eigenständige Bootsvermietung neben Cafeteria). Es wäre zudem —worauf das FA zu Recht hinweist— mit dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht vereinbar, denjenigen Steuerpflichtigen mit einem Aufwendungseigenverbrauch zu belasten, der z.B. einen Produktionsbetrieb betreibt und aus Repräsentationsgründen ein Pferd anschafft, nicht aber denjenigen, der mit dem Pferd einen organisatorisch selbständigen Betrieb unterhält oder sich zusammen mit anderen Unternehmern —wie im Streitfall— zum Erwerb eines Rennpferdes in der Form einer GbR zusammenschließt (vgl. ähnlich , BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169; so auch , juris). Umsatzsteuerrechtlich umfasst das Unternehmen ohnehin die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Sollte den Ausführungen im BMF-Schreiben in DStR 2000, 1264 unter 2.b zur unternehmerischen Tätigkeit in der Pferdezucht und der Teilnahme an Pferderennen etwas Anderes zu entnehmen sein, könnte dem der Senat nicht folgen. Im Übrigen betreibt die Klägerin, wie von ihr selbst vorgetragen, weder eine Pferdezucht noch eine Pferdehaltung (kritisch auch Walkenhorst, Der Umsatzsteuer-Berater 2000, 203).
2. Das Halten eines oder zweier Rennpferde kann ein ähnlicher Zweck i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG sein.
Ähnlich sind Zwecke, die in vergleichbarer Weise wie die ausdrücklich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Gegenstände (Jagd, Fischerei, Segel- oder Motorjacht) bei typisierender Betrachtung einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung dienen. Aufwendungen, die ersichtlich nicht derartige Zwecke verfolgen, können vom Abzugsverbot ausgenommen sein (vgl. , BFHE 216, 536; vom I R 18/92, BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367; vom IV R 6/00, BFHE 195, 323, BStBl II 2001, 575; Adamik in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1321).
„Ähnlichen Zwecken” dient auch ein aus Repräsentationsgründen unterhaltenes Rennpferd (vgl. , BFH/NV 1995, 205, unter 3. a.E.; , juris; , EFG 1994, 265). Das Halten eines —preisgekrönten— Rennpferdes entspricht typischerweise einem persönlichen, ggf. betrieblichen Repräsentationsbedürfnis (ähnlich , BFHE 78, 199, BStBl III 1964, 79, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich aus den Urteilen des BFH in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367, in BFHE 195, 323, BStBl II 2001, 575 und aus dem Urteil vom I R 111/77 (BFHE 131, 469, BStBl II 1981, 58; kritisch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz J 15; Gorski, Deutsche Steuer-Zeitung 1993, 613, unter II.3.c) nichts Anderes. Diese Urteile betrafen Sachverhalte, in denen die Nutzung einer Motorjacht wegen der Lage des Betriebes bzw. der Besichtigung von Hafenanlagen bei einem auf dem Gebiet des Bunkerölgeschäftes, des Schiffsbedarfshandels, des Umschlags und des Transports tätigen Unternehmen notwendig war bzw. eine Sozialeinrichtung ausschließlich den Arbeitnehmern zur Verfügung stand und daher erkennbar nicht Repräsentationszwecken diente.
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin überhaupt als Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG tätig war. Sollte dies zu verneinen sein, entfiele die Besteuerung der von der Klägerin erzielten Einnahmen.
Nach § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer (nur), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) ausgeübt werden (vgl. , BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368; vom V R 19/04, BFH/NV 2005, 725).
Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten zu treffen, die für den Einzelfall charakteristisch sind. Dazu gehört insbesondere die Art des betreffenden Gegenstandes. Wird er üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich genutzt, so ist dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz dafür, dass der Eigentümer ihn für Zwecke wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen Erzielung von Einahmen nutzt. Kann ein Gegenstand dagegen —wie vorliegend— seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten, hier repräsentativen Zwecken verwendet werden, so sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des BFH im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit erfüllt sind. Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmen sprechen können (vgl. —Enkler—, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 24; BFH-Urteil in BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368).
b) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der Überzeugung gelangen, dass die Klägerin Unternehmerin war, so bliebe zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass das dem Bericht über die Außenprüfung vom zugrunde liegende Urteil des erkennenden Senats vom XI R 52/91 (BFHE 174, 65, BStBl II 1994, 468) überholt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 186, 454, BStBl II 1999, 104).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 206
BBK-KN Nr. 3/2009 (Umsatzsteuer bei Aufwand für die Repräsentation)
BFH/NV 2008 S. 2144 Nr. 12
BFH/PR 2009 S. 26 Nr. 1
BStBl II 2009 S. 206 Nr. 6
DStRE 2008 S. 1461 Nr. 23
HFR 2009 S. 53 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2008 S. 4187
RIW 2008 S. 894 Nr. 12
StB 2008 S. 432 Nr. 12
StBW 2008 S. 6 Nr. 23
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2008 S. 972
UR 2008 S. 919 Nr. 24
UStB 2008 S. 337 Nr. 12
QAAAC-94778